John Henry Newman über die unersetzliche Rolle der Laien in Zeiten der Krise

Standhaftigkeit in der schwersten Krise der Kirchengeschichte


Der heilige Athanasius und der heilige John Henry Newman
Der heilige Athanasius und der heilige John Henry Newman

Der US-ame­ri­ka­ni­sche Theo­lo­ge, Lit­ur­gie­wis­sen­schaft­ler, Kom­po­nist und Publi­zist Peter Kwas­niew­ski, der sich mit gro­ßer Lei­den­schaft und intel­lek­tu­el­ler Schär­fe für die Bewah­rung und Wie­der­ent­deckung der über­lie­fer­ten Lit­ur­gie und der kirch­li­chen Tra­di­ti­on ein­setzt, ver­öf­fent­lich­te eine drei­tei­li­ge Rei­he zur Hei­lig­spre­chung von Kar­di­nal John Hen­ry New­man. Vor weni­gen Tagen ver­öf­fent­lich­te er einen bemer­kens­wer­ten Nach­trag, um auf die Rol­le der Lai­en in Kri­sen­zei­ten hin­zu­wei­sen. Hier sei­ne Gedanken:

Ein Nachtrag: Newman über die unersetzliche Rolle der Laien in Zeiten der Krise

Anzei­ge

Von Peter Kwasniewski*

Die Hei­lig­spre­chung John Hen­ry New­mans erhob einen der größ­ten Ver­tei­di­ger der dog­ma­ti­schen Ortho­do­xie, des Anti­li­be­ra­lis­mus und der Vor­rang­stel­lung des Über­na­tür­li­chen im Chri­sten­tum zur Ehre der Altä­re. Sei­ne bevor­ste­hen­de Erhe­bung zum Kir­chen­leh­rer bestä­tigt den glei­cher­ma­ßen zeit­lo­sen wie aktu­el­len Wert sei­ner wei­sen Leh­re. Mit ande­ren Wor­ten: New­man hat zu jeder Zeit etwas Wesent­li­ches zu sagen – aber beson­ders Wich­ti­ges für uns heute.

New­man war ein unbe­irr­ter Ver­fech­ter der zen­tra­len Rol­le der Lai­en im Leben der Kir­che – nicht in der nach­kon­zi­lia­ren Spiel­art von Pfarr­ge­mein­de­rats-Popu­lis­mus und geschäf­ti­gem Aktio­nis­mus im Altar­raum, son­dern in jener edlen und wür­di­gen Beru­fung, die ihnen als Glie­dern des mysti­schen Lei­bes Chri­sti eigen ist. Die­se ist nicht mit der Beru­fung des Kle­rus zu ver­wech­seln und erlaubt es ihnen gera­de durch ihre „Welt­lich­keit“, in ihrem eige­nen Bereich Gro­ßes zu lei­sten. Der bekann­te Pre­di­ger Father Richard Cipol­la erläu­tert die­sen Punkt klar und deutlich:

„Es ist offen­sicht­lich, daß das [Zwei­te Vati­ka­ni­sche] Kon­zil die Sen­dung der Lai­en vor allem in der Welt ver­or­tet, in der sie leben: in ihren Fami­li­en, am Arbeits­platz, im Freun­des­kreis, in all den vie­len Begeg­nun­gen, die ihr Leben als Lai­en prä­gen. Sie sol­len Zeu­gen sein – in ihrer Ehe, gegen­über ihren Kin­dern, ihren Freun­den, gegen­über all den unter­schied­li­chen Men­schen, denen sie begeg­nen; eben­so im poli­ti­schen und intel­lek­tu­el­len Leben. Sie sol­len nicht nur Zeug­nis vom katho­li­schen Glau­ben able­gen, son­dern auch jenen rea­len Kräf­ten in der heu­ti­gen Kul­tur ent­ge­gen­tre­ten, die dem christ­li­chen Glau­ben widersprechen.

Doch man beach­te: Es ist kei­ner­lei Rede davon, daß Lai­en lit­ur­gi­sche Rol­len über­neh­men sol­len, die ihnen durch die über­lie­fer­te Tra­di­ti­on nie­mals zuge­dacht waren – wobei ‚Tra­di­ti­on‘ hier nicht als nost­al­gi­sches Brauch­tum im Sin­ne eines Lie­des aus Ana­tev­ka zu ver­ste­hen ist, son­dern als das, was von den Apo­steln selbst über­lie­fert und an die Kir­che wei­ter­ge­ge­ben wur­de, bis hin zu unse­rer Zeit. Was prak­tisch geschah, war jedoch dies: Nach dem Kon­zil wur­den die Lai­en kle­ri­ka­li­siert – sie wur­den, mit einem tref­fen­den ita­lie­ni­schen Wort für Mini­stran­ten, zu chi­e­r­i­chet­ti, zu ‚klei­nen Kle­ri­kern‘, etwa als Lek­to­ren, außer­or­dent­li­che Kom­mu­ni­ons­pen­der, Mit­glie­der lit­ur­gi­scher Aus­schüs­se usw. Die­se Kle­ri­ka­li­sie­rung der Lai­en war eine Kata­stro­phe – für die Lai­en selbst und für die Kir­che ins­ge­samt. Denn die­se Kle­ri­ka­li­sie­rung hin­der­te sie dar­an, ihre eigent­li­che Sen­dung in der Welt als Lai­en zu erfül­len.“1


Father Cipol­la zele­briert den­sel­ben römi­schen Ritus, den auch der hei­li­ge John Hen­ry New­man als Prie­ster gefei­ert hat.

Pater Cipol­la weist zudem dar­auf hin, daß New­man in der Kir­chen­ge­schich­te ins­be­son­de­re jene unzäh­li­gen und namen­lo­sen Lai­en am mei­sten hoch­schätz­te, die im 4. Jahr­hun­dert allein auf der Grund­la­ge ihres in der Tau­fe durch die Hand der Kir­che emp­fan­ge­nen Glau­bens sich der aria­ni­schen Häre­sie wider­set­zen, wäh­rend ein Groß­teil ihrer Bischö­fe ent­we­der dem Irr­tum anheim­fiel oder aus Furcht vor dem Kai­ser schwieg.

Doch es gibt noch einen zwei­ten und zugleich ent­schei­den­den Grund für eine gebil­de­te Lai­en­schaft – vor allem eine, die im katho­li­schen Glau­ben unter­wie­sen ist. Wir leben in einer Zeit, in der die Natur der Tra­di­ti­on selbst – das, was uns von Jesus und den Apo­steln über­lie­fert wur­de, durch die Schrift, die Kir­chen­vä­ter und die alten Glau­bens­be­kennt­nis­se – ange­grif­fen wird. Die­ser Angriff kommt nicht von außen, etwa aus der New York Times, die sich über jede Unei­nig­keit inner­halb der Kir­che freut, da dies die Kir­che als Geg­ne­rin des Säku­la­ris­mus schwächt. Nein, der Angriff kommt von jenen, die von Gott beru­fen sind, der Tra­di­ti­on treu zu blei­ben und ihre Her­de durch die Stür­me die­ser Zeit zu füh­ren. Die­se Män­ner – meist Kle­ri­ker – bean­spru­chen das Recht, die Tra­di­ti­on zu ver­än­dern, auch die Zeug­nis­se der Hei­li­gen Schrift. Sie über­neh­men eine säku­la­re Sicht­wei­se, wonach Tra­di­ti­on rela­tiv sei und geschicht­lich bedingt. Sie beru­fen sich dabei auf „Barm­her­zig­keit“, doch die­se hat wenig mit der Barm­her­zig­keit Got­tes zu tun. Und genau hier und jetzt ist ein gebil­de­ter Laie, der sowohl im Glau­ben als auch intel­lek­tu­ell geschult ist, gefor­dert, um Zeug­nis abzu­le­gen für den Glau­ben, wie er in Schrift und Tra­di­ti­on der Kir­che von den Apo­steln über­lie­fert wur­de. So wie die Lai­en in der Zeit der aria­ni­schen Apo­sta­sie – als vie­le Bischö­fe zu Häre­ti­kern wur­den – dem katho­li­schen Glau­ben treu blie­ben, so müs­sen auch heu­te die Lai­en in Demut, Festig­keit und Freu­de am Glau­ben fest­hal­ten.2

Es ist schockie­rend und ernüch­ternd, New­mans Bericht über die aria­ni­sche Kri­se zu lesen, der er ein gan­zes Buch wid­me­te. Er schreibt:

„Das Epi­sko­pat, das beim Kon­zil von Nicäa noch so rasch und ein­mü­tig gegen den Aria­nis­mus gehan­delt hat­te, spiel­te als Stand oder Ord­nung der Kir­che in den fol­gen­den Wir­ren kei­ne gute Rol­le – im Gegen­satz zu den Lai­en. Das katho­li­sche Volk – in der gan­zen Chri­sten­heit – war der unbeug­sa­me Ver­tei­di­ger der katho­li­schen Wahr­heit, nicht die Bischö­fe. Natür­lich gab es gro­ße und ruhm­rei­che Aus­nah­men: zuerst Atha­na­si­us, Hila­ri­us, der latei­ni­sche Euse­bi­us und Phoe­ba­di­us; dann Basi­li­us, die bei­den Gre­gors und Ambro­si­us. Doch im gro­ßen und gan­zen, in der histo­ri­schen Gesamt­be­trach­tung, muß man sagen: Die lei­ten­de Instanz der Kir­che ver­sag­te, wäh­rend die Geführ­ten sich durch Glau­ben, Eifer, Mut und Stand­haf­tig­keit her­vor­ta­ten.“3

New­mans Arbeit über die aria­ni­sche Kri­se des 4. Jahrhunderts

New­man, stets sowohl Theo­lo­ge als auch Histo­ri­ker, fragt sich, war­um der Herr eine sol­che Prü­fung über die Kir­che kom­men ließ – war­um die Hir­ten zu Wöl­fen wer­den durf­ten, war­um gute und hei­li­ge Bischö­fe nur eine klei­ne Min­der­heit bil­de­ten und war­um das Volk beru­fen war, sogar gegen sei­ne „Obe­ren“ stand­zu­hal­ten. Er schreibt:

„Viel­leicht wur­de es zuge­las­sen, um der Kir­che in jenem Moment, in dem sie aus der Zeit der Ver­fol­gung in eine lan­ge Pha­se welt­li­cher Vor­herr­schaft über­ging, die gro­ße evan­ge­li­ums­ge­mä­ße Leh­re ein­zu­prä­gen: daß nicht die Wei­sen und Mäch­ti­gen, son­dern die Unschein­ba­ren, Unge­bil­de­ten und Schwa­chen ihre wah­re Stär­ke bil­den. Es war in erster Linie das gläu­bi­ge Volk, das das Hei­den­tum besieg­te; es war das gläu­bi­ge Volk – unter der Füh­rung von Atha­na­si­us und den ägyp­ti­schen Bischö­fen, man­cher­orts unter­stützt von ihren Bischö­fen oder Prie­stern –, das der schlimm­sten aller Häre­si­en Wider­stand lei­ste­te und sie aus dem hei­li­gen Boden ver­trieb.“4

Tat­säch­lich geht New­man so weit zu sagen:

„In jener Zeit gewal­ti­ger Ver­wir­rung wur­de das gött­li­che Dog­ma der Gott­heit unse­res Herrn (mensch­lich gespro­chen) weit mehr durch die Eccle­sia doc­ta (die belehr­te Kir­che – also die Lai­en) als durch die Eccle­sia docens (die leh­ren­de Kir­che – also die Hier­ar­chie) ver­kün­det, durch­ge­setzt, bewahrt und erhal­ten; das Epi­sko­pat als gan­zes war sei­nem Auf­trag untreu, wäh­rend die Lai­en ihrem Tauf­be­kennt­nis treu blie­ben; zuwei­len sag­te der Papst, zuwei­len ein Patri­ar­chat oder eine Metro­po­le oder ein Kon­zil Din­ge, die sie nicht hät­ten sagen dür­fen – oder sie taten Din­ge, die die geof­fen­bar­te Wahr­heit ver­dun­kel­ten und kom­pro­mit­tier­ten; wäh­rend es auf der ande­ren Sei­te das christ­li­che Volk war, das – unter gött­li­cher Vor­se­hung – die kirch­li­che Kraft­quel­le für Atha­na­si­us, Hila­ri­us, Euse­bi­us von Ver­cel­li und ande­re gro­ße, ein­sa­me Beken­ner bil­de­te, die ohne sie geschei­tert wären.“5

Doch wie über­leb­ten die Lai­en wäh­rend der aria­ni­schen Kri­se? Was taten sie, um den Glau­ben zu bewah­ren und sich den häre­ti­schen Bischö­fen zu wider­set­zen? Die kur­ze Ant­wort: Es war äußerst schwer – aber mit Got­tes Gna­de taten sie, was nötig war.

Zunächst aber ver­schlos­sen die ortho­do­xen Gläu­bi­gen ihre Ohren gegen­über den schmeich­le­ri­schen Wor­ten und Dro­hun­gen der aria­ni­schen und semi-aria­ni­schen Bischö­fe, die sie zwei­fel­los zu mani­pu­lie­ren ver­such­ten und mit Schuld­ge­füh­len bela­ste­ten – so wie es heu­te schlech­te Bischö­fe, etwa in Detroit oder Char­lot­te, tun –, indem sie ihnen ein­re­de­ten, sie wür­den „unge­hor­sam“ sein, wenn sie ihren Hir­ten nicht fol­gen. Da die Lit­ur­gie häu­fig in den Hän­den der Häre­ti­ker lag, muß­ten die Lai­en oft den Besuch der ört­li­chen Kir­chen auf­ge­ben und sich im Frei­en oder heim­lich ver­sam­meln. New­man berich­tet von fol­gen­den erschüt­tern­den Wor­ten des hl. Basi­li­us des Gro­ßen, geschrie­ben um das Jahr 372:

„Die From­men schwei­gen, wäh­rend jede lästern­de Zun­ge sich Gehör ver­schafft. Hei­li­ge Din­ge wer­den ent­weiht; die Lai­en, die im Glau­ben gesund sind, mei­den die Got­tes­häu­ser als Stät­ten der Gott­lo­sig­keit und erhe­ben ihre Hän­de in der Ein­sam­keit, unter Seuf­zen und Trä­nen, zum Herrn im Him­mel.“6

Vier Jah­re spä­ter schrieb Basilius:

„Soweit ist es gekom­men: Das Volk hat die Kir­chen ver­las­sen und ver­sam­melt sich in der Wild­nis – ein bekla­gens­wer­ter Anblick: Frau­en und Kin­der, Grei­se und Gebrech­li­che, die unter frei­em Him­mel aus­har­ren, bei strö­men­dem Regen, Schnee­stür­men, eisi­gem Wind und Frost im Win­ter, im Som­mer unter sen­gen­der Son­ne. All dies neh­men sie auf sich, weil sie sich nicht mit dem ver­derb­li­chen Sau­er­teig der Aria­ner ver­men­gen wol­len.“ 7

Das Kup­pel­mo­sa­ik des ein­sti­gen aria­ni­schen Bap­ti­ste­ri­ums in Raven­na. „Sie haben die Kir­chen, wir haben den Glau­ben“, sag­te der hl. Athanasius.

Und in sei­nem näch­sten Brief:

„Nur ein ein­zi­ges Ver­ge­hen wird heu­te mit unnach­gie­bi­ger Här­te bestraft: die treue Bewah­rung der Über­lie­fe­rung unse­rer Väter. Des­halb wer­den die From­men aus ihrer Hei­mat ver­trie­ben und in die Ein­öde ver­schleppt. Das Volk klagt, es weint unauf­hör­lich – daheim wie unter­wegs. Über­all erhebt sich Weh­kla­gen: in der Stadt, auf dem Land, auf den Stra­ßen, in der Wüste. Freu­de und geist­li­che Hei­ter­keit sind ver­schwun­den; unse­re Feste sind zu Trau­er­ta­gen gewor­den; unse­re Got­tes­häu­ser sind ver­schlos­sen, unse­re Altä­re des geist­li­chen Opfers beraubt.“8

Man denkt dabei unwei­ger­lich an all jene Katho­li­ken der letz­ten fünf­und­fünf­zig Jah­re, die Prie­ster in ihre Häu­ser ein­lu­den, abge­le­ge­ne Kapel­len such­ten oder lan­ge Rei­sen auf sich nah­men, um den über­lie­fer­ten katho­li­schen Glau­ben in sei­nen apo­sto­li­schen Riten wei­ter zu leben. Zwar hat sich die Situa­ti­on in man­cher Hin­sicht ver­bes­sert und die Ideo­lo­gie eines „Zwei­ten Vati­ka­nums um jeden Preis“ ver­liert zuneh­mend an Ein­fluß – zugleich aber ver­schlech­tert sich die Lage an vie­len Orten merk­lich, und die nahe Zukunft könn­te unru­hig werden.

Prie­ster, die unse­rem Herrn Jesus Chri­stus treu blei­ben wol­len, soll­ten sich inner­lich dar­auf vor­be­rei­ten, eines Tages ihres Amtes ent­ho­ben zu wer­den – sei es, weil sie sich wei­gern, mit den soge­nann­ten „Laven­del-Seil­schaf­ten“, den lit­ur­gi­schen Kom­mis­sio­nen oder Anwei­sun­gen wie der Kom­mu­ni­ons­pen­dung an jeder­mann (ein­schließ­lich „Wie­der­ver­hei­ra­te­ter“ und homo­se­xu­el­ler Paa­re) zu koope­rie­ren, oder weil sie aus Gewis­sens­grün­den selbst zurück­tre­ten. Sie soll­ten einen voll­stän­di­gen Satz lit­ur­gi­scher Gewän­der, ein Meß­buch und alles Not­wen­di­ge bereit­hal­ten, damit auch sie wür­dig vor­be­rei­tet sind – wie einst Basi­li­us – Brie­fe aus dem Unter­grund zu schrei­ben, wäh­rend sie den über­lie­fer­ten Glau­ben der Väter wei­ter­ge­ben. Sie könn­ten sich plötz­lich in einer Lage wie­der­fin­den wie die Jesui­ten im eli­sa­be­tha­ni­schen Eng­land – nur mit dem fin­ste­ren Unter­schied, daß die Ver­fol­ger nicht der Staat, son­dern kirch­li­che Auto­ri­tä­ten sind.

Und die Lai­en müs­sen bereit sein, die­se Prie­ster in allem zu unter­stüt­zen: finan­zi­ell, mora­lisch, mit Gebäu­den, Büchern, Logi­stik – was auch immer nötig ist.

Alle von uns – Lai­en, Kle­ri­ker, Ordens­leu­te – wün­schen sich Frie­den mit den Glie­dern der kirch­li­chen Hier­ar­chie. Wir lie­ben ihre See­len, die durch das Blut Chri­sti erlöst wur­den, und beten für ihre Bekeh­rung wie für unse­re eige­ne, denn kein leben­der Mensch ist ohne Sün­de. Wir sind bereit, ihnen in allem zu gehor­chen, was ihr Amt mit sich bringt und was von uns ver­langt wird – aber nie­mals, wenn sie sich gegen den Glau­ben stel­len, und nie­mals, wenn sie offen dem geist­li­chen Woh­le der Gläu­bi­gen ent­ge­gen­wir­ken, die zum gött­li­chen Kult beru­fen sind, wie er uns durch die Jahr­hun­der­te über­lie­fert wurde.

Es gibt Zei­ten, in denen zag­haf­te, flü­stern­de Beden­ken der offe­nen Kon­fron­ta­ti­on wei­chen müs­sen. Es ist nicht mehr mög­lich zu leug­nen, daß wir heu­te in einer Zeit bei­spiel­lo­sen Kon­flikts zwi­schen Lai­en und Hier­ar­chie leben. Der ange­se­he­ne Histo­ri­ker Rober­to de Mat­tei beschreibt, was in der heu­ti­gen Lage all­zu oft not­wen­dig ist – und was immer wahr blei­ben wird:

„Es genügt nicht, die Hir­ten zu benen­nen, die die Kir­che zer­stö­ren – oder ihre Zer­stö­rung begün­sti­gen. Wir müs­sen das kirch­li­che Zusam­men­le­ben mit ihnen auf das abso­lut Not­wen­di­ge beschrän­ken, ähn­lich wie bei einer recht­mä­ßi­gen Tren­nung in der Ehe. Wenn ein Mann sei­ner Frau und sei­nen Kin­dern kör­per­li­che oder see­li­sche Gewalt antut, kann die Frau – auch wenn sie die Gül­tig­keit der Ehe aner­kennt und kei­ne Annul­lie­rung bean­tragt – eine Tren­nung ver­lan­gen, um sich und ihre Kin­der zu schüt­zen. Die Kir­che erlaubt dies. In unse­rem Fall bedeu­tet das: Man muß dar­auf ver­zich­ten, wei­ter­hin regel­mä­ßig mit sol­chen schlech­ten Hir­ten zusam­men­zu­le­ben. Das heißt kon­kret: sich von ihren Leh­ren und Prak­ti­ken zu distan­zie­ren und sich ihren Pro­gram­men und Akti­vi­tä­ten zu verweigern.

Doch man darf nie­mals ver­ges­sen, daß die Kir­che nicht unter­ge­hen kann. Des­halb ist es not­wen­dig, das Apo­sto­lat jener Hir­ten zu unter­stüt­zen, die den über­lie­fer­ten Leh­ren der Kir­che treu blei­ben – indem man an ihren Initia­ti­ven teil­nimmt, sie zum Reden, Han­deln und Füh­ren der ver­wirr­ten Her­de ermu­tigt. Es ist an der Zeit, sich von den schlech­ten Hir­ten zu tren­nen – und sich mit den guten zu ver­ei­nen, inner­halb der einen Kir­che, in der Wei­zen und Unkraut auf dem­sel­ben Feld wach­sen (vgl. Mt 13,24–30). Man muß sich stets ver­ge­gen­wär­ti­gen: Die Kir­che ist sicht­bar – und kann nicht außer­halb ihrer recht­mä­ßi­gen Hir­ten geret­tet wer­den.“9

Der hl. Johan­nes Hen­ry New­man pries die Lai­en der aria­ni­schen Epo­che dafür, daß sie trotz gro­ßer Här­ten die wah­re, über­lie­fer­te Kir­che unter­stütz­ten. Möge er für uns Für­spra­che ein­le­gen, wäh­rend wir die Prü­fung durch­le­ben, die Bischof Atha­na­si­us Schnei­der als die vier­te und schwer­ste Kri­se in der Geschich­te der katho­li­schen Kir­che bezeich­net hat.10

*Dr. Peter Kwas­niew­ski begann sei­ne Stu­di­en am Tho­mas Aqui­nas Col­lege und pro­mo­vier­te an der Catho­lic Uni­ver­si­ty of Ame­ri­ca. Er lehr­te am Inter­na­tio­nal Theo­lo­gi­cal Insti­tu­te in Gam­ing (Öster­reich), am Öster­reich-Pro­gramm der Fran­ciscan Uni­ver­si­ty of Steu­ben­ville und am Wyo­ming Catho­lic Col­lege, des­sen Mit­grün­der er 2006 war. Heu­te ist er frei­er Publi­zist und Vor­tra­gen­der zu The­men des tra­di­tio­nel­len katho­li­schen Glau­bens. Sei­ne Bei­trä­ge erschei­nen im Inter­net unter ande­rem auf One­Pe­ter­Fi­ve, New Lit­ur­gi­cal Move­ment, Life­Si­teNews, The Rem­nant, und Catho­lic Fami­ly News. Er ver­faß­te zahl­rei­che Bücher, unter ihnen Reclai­ming Our Roman Catho­lic Bir­th­right: The Geni­us and Time­liness of the Tra­di­tio­nal Latin Mass (Ange­li­co, 2020), The Ecsta­sy of Love in the Thought of Tho­mas Aqui­nas (Emma­us, 2021) und Are Cano­nizati­ons Infal­lible? Revi­si­ting a Dis­pu­ted Que­sti­on (Arou­ca, 2021). Sei­ne Bücher wur­den in min­de­stens acht­zehn Spra­chen über­setzt. In deut­scher Spra­che liegt vor: Neu­an­fang inmit­ten der Kri­se. Die hei­li­ge Lit­ur­gie, die tra­di­tio­nel­le latei­ni­sche Mes­se und die Erneue­rung in der Kir­che (Una Voce, 2017). Sei­ne Netz­sei­te ist www​.peterk​was​niew​ski​.com.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: tra​di​ti​ons​ani​ty​.com


1 Pre­digt zur fei­er­li­chen Dank­mes­se anläß­lich der Hei­lig­spre­chung von John Hen­ry New­man, 9. Okto­ber 2019, ver­öf­fent­licht bei Rora­te Cae­li am 13. Okto­ber 2019.

2 Ebenda.

3 Anhang, Anmer­kung V, in: The Ari­ans of the Fourth Cen­tu­ry, mit Ein­füh­rung und Anmer­kun­gen von Rowan Wil­liams (Not­re Dame, India­na: Uni­ver­si­ty of Not­re Dame Press /​ Leom­in­ster: Grace­wing, 2001), S. 445; auch online abruf­bar. Die Erst­fas­sung die­ses Anhangs erschien im Juli 1859 im Ram­bler unter dem Titel: „On Con­sul­ting the Faithful in Mat­ters of Doc­tri­ne“.

4 New­man, S. 445f. Für einen her­vor­ra­gen­den Kom­men­tar sei auf den Vor­trag von Kar­di­nal Wal­ter Brand­mül­ler mit dem­sel­ben Titel ver­wie­sen, gehal­ten am 7. April 2018. Der voll­stän­di­ge Text wur­de unter der Über­schrift „Car­di­nal Brand­mül­ler Warns Catho­lics Not to Heed ‘Majo­ri­ty’ but ‘Mino­ri­ty Who Tru­ly Live the Faith‘“ auf Life­Si­teNews am 7. April 2018 veröffentlicht.

5 New­man: Ari­ans, 465f.

6 Epi­stel 92, in: New­man: Ari­ans, S. 459.

7 Epi­stel 242, in New­man: Ari­ans, 459f.

8 Epi­stel 242, eben­da, S. 459f.

9 Rober­to de Mat­tei: Love for the Papa­cy and Fili­al Resi­stance to the Pope in the Histo­ry of the Church (Brook­lyn, NY: Ange­li­co Press, 2019), S. 153f.

10 Atha­na­si­us Schnei­der mit Dia­ne Mon­tagna: Chri­stus Vin­cit: Christ’s Tri­umph Over the Dark­ness of the Age (Brook­lyn, New York: Ange­li­co Press, 2019), Kap. 11: „Die vier­te gro­ße Kri­se“; dt. Aus­ga­be: Chri­stus Vin­cit. Der Tri­umph Chri­sti über die Fin­ster­nis die­ser Zeit (Kiss­legg: fe-medi­en­ver­lag Ver­lag, 2020).

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