Verhaftungen von Bischöfen und Priestern in Armenien

Konflikt um Preisgabe Bergkarabachs


ischof Mkrtitsch, Vorsteher der Eparchie Aragazotn der Armenischen Apostolischen Kirche, wurde wegen seiner Regierungskritik von der Polizei festgenommen.
ischof Mkrtitsch, Vorsteher der Eparchie Aragazotn der Armenischen Apostolischen Kirche, wurde wegen seiner Regierungskritik von der Polizei festgenommen.

Von Wla­di­mir Rosanski*

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Im Kon­text des ent­schie­de­nen Wider­stands gegen die Poli­tik von Pre­mier­mi­ni­ster Paschin­jan wur­de Bischof Mkrtitsch der Epar­chie Ara­ga­zotn gemein­sam mit sechs Diö­ze­san­prie­stern fest­ge­nom­men. Seit Juni befin­det sich bereits Erz­bi­schof Bagrat Gal­stan­jan in Haft – er war der erste Kir­chen­ver­tre­ter, der offen gegen die arme­ni­sche Regie­rung Stel­lung bezog. Die Anwäl­te der Arme­ni­schen Apo­sto­li­schen Kir­che spre­chen von einem schwer­wie­gen­den Rechtsbruch.

In Arme­ni­en ver­schärft sich der offe­ne Kon­flikt zwi­schen der Regie­rung und der Arme­ni­schen Apo­sto­li­schen Kir­che. Jüng­ster Aus­druck die­ser Eska­la­ti­on ist die Ver­haf­tung des Bischofs Mkrtitsch (Prosch­jan) der Epar­chie Ara­ga­zotn gemein­sam mit sechs Prie­stern sei­ner Diö­ze­se. Dies erfolg­te nach Haus­durch­su­chun­gen in ihren jewei­li­gen Wohn­sit­zen, wie der Direk­tor der Anwalts­ver­ei­ni­gung Arme­ni­ens, Ara Sograb­jan, mit­teil­te. Der Auf­ent­halts­ort des Bischofs ist der­zeit unbe­kannt, da Poli­zei und Staats­an­walt­schaft jede Aus­kunft ver­wei­gert, was nach Ansicht der Anwäl­te eine gra­vie­ren­de Ver­let­zung fun­da­men­ta­ler Rech­te dar­stellt. Sograb­jan ver­weist dabei auf Arti­kel 451 des Straf­ge­setz­bu­ches, der sich mit dem Tat­be­stand „Ver­schwin­den­las­sen infol­ge von Gewalt­an­wen­dung“ befaßt.

Nach arme­ni­schem Recht liegt ein sol­cher Tat­be­stand vor, wenn der Frei­heits­ent­zug einer Per­son – sei sie legal oder ille­gal – geleug­net oder in irgend­ei­ner Wei­se ver­schlei­ert wird, etwa durch die Unter­drückung von Infor­ma­tio­nen über ihren Sta­tus oder ihren Auf­ent­halts­ort. Dies gilt sowohl für Hand­lun­gen durch Orga­ne der Straf­ver­fol­gung als auch durch ande­re staat­li­che oder im Auf­trag des Staats han­deln­de Insti­tu­tio­nen. Wird einer Per­son dadurch der Zugang zu Rechts­schutz ver­wehrt, dro­hen den Ver­ant­wort­li­chen Haft­stra­fen zwi­schen drei und sie­ben Jah­ren. Die­ses Gesetz sei nicht nur im Fall von Bischof Mkrtitsch, son­dern eben­so gegen­über den Prie­stern Paren, Manuk, Ayk, Gewond, Mkrtitsch und Ayk Kot­schar­jan ver­letzt wor­den. Auch Gläu­bi­ge und Mit­ar­bei­ter der Epar­chie Ara­ga­zotn sol­len betrof­fen sein.

Der Rat zur Ver­tei­di­gung der Arme­ni­schen Apo­sto­li­schen Kir­che, der in den ver­gan­ge­nen Mona­ten von kir­chen­na­hen Regie­rungs­kri­ti­kern ins Leben geru­fen wur­de, ver­öf­fent­lich­te eine Stel­lung­nah­me, in der er die anhal­ten­de „syste­ma­ti­sche Ver­fol­gung unse­rer Prie­ster“ durch staat­li­che Stel­len scharf ver­ur­teilt. Neben Bischof Mkrtitsch wur­de ins­be­son­de­re auch die Fest­nah­me des Vor­ste­hers des Klo­sters Sag­mo­sa­wank, Vater Paren Ara­kel­jan, her­vor­ge­ho­ben. Der Rat for­der­te die Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den ein­dring­lich auf, ihre Auf­ga­ben mit „rechts­staat­li­chem Gewis­sen“ zu erfül­len und den Erwar­tun­gen der arme­ni­schen Gesell­schaft zu ent­spre­chen – anstatt poli­ti­schen Wei­sun­gen oder per­sön­li­chen Inter­es­sen zu folgen.

Die Spre­che­rin der Ermitt­lungs­be­hör­de, Kima Awdal­jan, wies die Vor­wür­fe zurück. Sie erklär­te, im Zuge der Vor­er­mitt­lun­gen wegen mut­maß­li­chen Amts­miß­brauchs und ver­such­ter Beein­flus­sung öffent­li­cher Ver­samm­lun­gen sei­en „not­wen­di­ge Maß­nah­men zur Beweis­si­che­rung“ getrof­fen wor­den. Die Ergeb­nis­se wür­den zu gege­be­ner Zeit ver­öf­fent­licht. Die­se vagen Aus­füh­run­gen bestä­ti­gen jedoch eher die bereits seit Lan­gem gegen den arme­ni­schen Kle­rus erho­be­nen Anschul­di­gun­gen, wonach Tei­le der Geist­lich­keit sich an „kon­spi­ra­ti­ven Akti­vi­tä­ten“ zur Gefähr­dung der Staats­si­cher­heit und zur Desta­bi­li­sie­rung der bestehen­den Ord­nung“ betei­ligt hätten.

Erst vor drei Wochen war das Urteil gegen Erz­bi­schof Mika­el Adschpach­jan der Epar­chie Schi­rak gespro­chen wor­den. Er war seit dem 28. Juli in Unter­su­chungs­haft und wur­de wegen „öffent­li­chen Auf­rufs zum Staats­streich in Arme­ni­en“ zu zwei­ein­halb Jah­ren Frei­heits­stra­fe ver­ur­teilt. Wäh­rend sei­ner Haft war ihm jeg­li­cher Kon­takt zur Außen­welt ver­wehrt worden.

Bereits am 26. Juni hat­te die Staats­an­walt­schaft die Ver­haf­tung von 17 Per­so­nen bekannt­ge­ge­ben – alle­samt Mit­glie­der und Füh­rungs­per­sön­lich­kei­ten der Bewe­gung Hei­li­ger Kampf. Ihnen wird die Betei­li­gung an „ter­ro­ri­sti­schen Hand­lun­gen zur Vor­be­rei­tung eines Umstur­zes“ vor­ge­wor­fen. Haupt­an­ge­klag­ter ist Erz­bi­schof Bagrat Gal­stan­jan, der als Erster inner­halb der Kir­che öffent­lich gegen die Regie­rung auf­trat. Mit ihm wur­den meh­re­re Prie­ster, der ehe­ma­li­ge Abge­ord­ne­te des Natio­nal­par­la­ments Dawid Galst­jan, Oberst der Reser­ve Migran Mach­s­ud­jan sowie der Poli­ti­ker Igor Sar­kis­jan fest­ge­nom­men. Letz­te­rer ist Mit­glied der Arme­ni­schen Revo­lu­tio­nä­ren Föde­ra­ti­on (Daschnak­zut­jun), einer der älte­sten poli­ti­schen Bewe­gun­gen des Lan­des, gegrün­det Ende des 19. Jahr­hun­derts zur Befrei­ung der Arme­ni­er von der osma­ni­schen Herrschaft.

Das gespann­te Ver­hält­nis zwi­schen Kir­che und Staat ist ein wie­der­keh­ren­des Merk­mal der arme­ni­schen Geschich­te – abhän­gig von Epo­che und poli­ti­scher Kon­stel­la­ti­on. Die jüng­ste Wel­le von Fest­nah­men trägt zwei­fel­los zur wei­te­ren Pola­ri­sie­rung inner­halb der arme­ni­schen Gesell­schaft bei.

Hin­ter­grund des Kon­flikts ist die Nie­der­la­ge Arme­ni­ens im Berg­ka­ra­bach-Krieg (2020) und die voll­stän­di­ge Preis­ga­be die­ses histo­risch und eth­nisch arme­ni­schen Gebiets, das im Jahr 2023 ohne Wider­stand von aser­bai­dscha­ni­schen Trup­pen besetzt wur­de. (Sie­he auch „Die Arme­ni­er füh­len sich von der inter­na­tio­na­len Gemein­schaft betro­gen und ver­ges­sen“.)

Die Arme­ni­sche Apo­sto­li­sche Kir­che, als Bewah­re­rin der natio­na­len Iden­ti­tät, sieht dar­in einen Ver­rat an der arme­ni­schen Geschich­te und am Leid der Kara­bach-Arme­ni­er. Der wider­stands­lo­se Rück­zug, der von Mini­ster­prä­si­dent Nikol Paschin­jan ange­ord­net wor­den war, wur­de als Kapi­tu­la­ti­on wahr­ge­nom­men, da Paschin­jan alle Ent­schei­dun­gen ohne Ein­be­zie­hung der Kir­che oder brei­ter gesell­schaft­li­cher Kräf­te traf.

König Trdat III. erklär­te im Jahr 301 das Chri­sten­tum zur offi­zi­el­len Reli­gi­on sei­nes Rei­ches, wes­halb Arme­ni­en als erster christ­li­cher Staat der Erde gilt.

*Wla­di­mir Rosan­ski, Ana­lyst für arme­ni­sche Regie­rungs­po­li­tik, Staats‑Kirche-​Verhältnis, Außen­po­li­tik und die Bezie­hun­gen zu Ruß­land; Rosan­ski schreibt u. a. für Asia­News und Arme­ni­an Club & News.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Asia­News

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