
Von Roberto de Mattei*
Der erste Jesuit, der mit dem Titel eines Heiligen geehrt wurde, war nicht der heilige Ignatius von Loyola, sondern einer seiner jungen Schüler, der heilige Aloisius von Gonzaga, der am 9. März 1568 geboren wurde und im Alter von 23 Jahren am 21. Juni 1591 starb, dem Tag, an dem die Liturgie der Kirche an ihn erinnert.
Aloisius wurde auf dem Familienschloß in Castiglione delle Stiviere in den Hügeln von Mantua geboren. Er war das älteste von acht Kindern des Markgrafen Ferrante I. Gonzaga1 und der Donna Marta Tana di Santena2. Sein Vater war Offizier in der Armee König Philipps II. von Spanien, seine Mutter war bevorzugte Hofdame der Königin Elisabeth von Valois. Am königlichen Hof in Madrid lernten sich die Eltern kennen, ehe sie nach Italien zurückkehrten, wo der Vater zum Gouverneur von Monferrato ernannt wurde.
Aloisius war für eine militärische Laufbahn bestimmt und verbrachte die ersten Jahre seines Lebens bei den Truppen seines Vaters. Die Jagd, das Reiten und das Fechten waren die ersten Beschäftigungen des Jungen, doch schon im Alter von sieben Jahren zeigte er eine Vorliebe für das Glaubensleben.
Um die Ausbildung seines Sohnes zu vervollständigen, schickte der Markgraf ihn 1577 zusammen mit seinem zweitgeborenen Bruder Rodolfo zur Pflege guter Sitten und zum Studium an den vornehmen Hof der Medici in Florenz. Studium und Hofdienst ließen den jungen Mann jedoch nicht die Frömmigkeitsübungen vernachlässigen.
In der Basilika Santissima Annunziata in Florenz legte Aloisius das Keuschheitsgelübde ab und begann, die Tugend der Reinheit in heldenhaftem Maße zu praktizieren – zum Spott seiner Gefährten, die ihn für geistesgestört hielten.
Im Jahr 1580 empfing er die Erstkommunion vom heiligen Karl Borromäus, der die Diözese Brescia besuchte, zu der Castiglione damals gehörte.
Zusammen mit seinem Bruder Rodolfo ging er 1581 für zwei Jahre nach Madrid, wo er Ehrenpage des Thronfolgers Don Diego Felix von Österreich wurde. In Madrid studierte Aloisius Literatur, Wissenschaft und Philosophie, las aber auch geistliche Texte und es reifte in ihm der Entschluß, Jesuit zu werden. Trotz des Widerstands seines Vaters machte er die Exerzitien des heiligen Ignatius und trat im Alter von 17 Jahren, nachdem er zugunsten seines Bruders Rodolfo auf seine Rechte als Erstgeborener verzichtet hatte, am 4. November 1585 in das Noviziat der Gesellschaft Jesu in Rom ein. Zwei Jahre später legte er seine Profeß ab, schloß sein Theologiestudium ab und empfing die niederen Weihen. Zu seinen Mitstudenten zählte der junge Abraham Giorgi, der vier Jahre später nicht im Bett starb, sondern auf dem Platz von Massaua (Eritrea) von Muslimen enthauptet wurde.
Zwischen 1590 und 1591 starben in Rom Tausende von Menschen an der Pest, darunter auch die Päpste Sixtus V. und Urban VII. Aloisius von Gonzaga tat zusammen mit Kamillus von Lellis und anderen Aposteln sein möglichstes, um den Bedürftigsten zu helfen. Eines Tages, am 3. März 1591, fand er ein Pestopfer auf der Straße, nahm es auf die Schulter und brachte es in das Spital Santa Maria della Consolazione zwischen dem Kapitol und dem Palatin. Sein Gesundheitszustand war schon immer schwächlich gewesen. Noch am selben Abend erkrankte er an Fieber und starb im Alter von nur 23 Jahren in der Krankenstation des Römischen Kollegs des Jesuitenordens.
Beim Kardinalskonsistorium vom 26. September 1605 verlieh ihm Paul V. den Titel eines Seligen. Am 31. Dezember 1726 wurde Aloisius zusammen mit Stanislaus Kostka, einem anderen jungen Jesuiten, von Benedikt XIII. heiliggesprochen, der ihn drei Jahre später auch zum Schutzpatron der Studenten [seit 1926 der gesamten christlichen Jugend] erklärte.
Sein Leichnam wurde in der mit dem Römischen Kolleg verbundenen Kirche Sant’Ignazio in Rom in dem prächtigen Barockaltar von Andrea Pozzo und Pierre Legros beigesetzt, während sein Schädel in der ihm geweihten Basilika im heimatlichen Castiglione delle Stiviere aufbewahrt wird.
Der heilige Aloisius von Gonzaga ist auch der Autor einer erhabenen Abhandlung oder Meditation über die Engel, insbesondere die Schutzengel, die 1589 auf Wunsch von Vincenzo Bruno, dem Rektor des Römischen Kollegs, veröffentlicht wurde.
Um heilig zu werden, bedarf es der Hilfe der allerseligsten Jungfrau Maria und der Engel, doch sind auch jene menschlichen Vermittlungen notwendig, die uns die göttliche Vorsehung gewährleistet. Der heilige Aloisius von Gonzaga hatte die Gnade, den heiligen Robert Bellarmin als geistlichen Führer zu haben, der ihn dank seiner Gabe der Seelenkenntnis in seinem inneren Leben leitete und aus ihm ein Meisterwerk der Heiligkeit formte.
Der heilige Robert war ein berühmter Theologe, vor allem Kontroverstheologe, aber allein schon der geistliche Beistand, den er der Seele des heiligen Aloisius gewährte, hätte ihm die höchsten himmlischen Lohnungen verdient.
Für das geistliche Leben des heiligen Aloisius war auch seine Mutter von großer Bedeutung – eine Frau von hervorragenden Tugenden, die fünf ihrer acht Kinder sterben sah. Sie wurde zu Lebzeiten von Aloisius auf wunderbare Weise geheilt, als er sie von einer schweren Krankheit befreite, und sie hatte die Freude, noch den Beginn seines Seligsprechungsprozesses zu erleben.
Der Trost, den Marta Gonzaga durch Aloisius empfing, war größer als die Schmerzen, die ihr ihr zweiter Sohn, Rodolfo, bereitete. Dieser ließ im Jahre 1592 aus Erbschaftsgründen seinen Onkel Alfons von Gonzaga ermorden und fiel selbst im Jahre 1593 einem Attentat durch einen Schuß aus einer Armbrust zum Opfer.
Am 10. Juni 1591, wenige Tage vor seinem Tod, schrieb der heilige Aloisius seiner Mutter einen ergreifenden Brief, in dem er ihr folgende Worte widmete:
„Ich will Euch, Erlauchte, anvertrauen, daß meine Seele beim Nachdenken über die göttliche Güte – ein Meer ohne Grund und Grenzen – ganz in Staunen versinkt. Ich vermag kaum zu begreifen, wie der Herr auf meine kleine und kurze Mühe schaut und mich mit ewiger Ruhe belohnt und mich vom Himmel her einlädt zu jenem Glück, das ich bisher mit so großer Nachlässigkeit gesucht habe, und mir, der ich so wenige Tränen für ihn vergossen habe, jenen Schatz anbietet, der die Krönung großer Mühen und des Weinens ist.
Die Trennung wird nicht lange währen. Wir werden uns im Himmel wiedersehen und vereint mit dem Urheber unseres Heils ewige Freuden genießen, ihn lobend mit ganzer Kraft der Seele und seine Gnaden endlos besingend. Er nimmt uns das, was er uns zuvor nur für kurze Zeit geliehen hat, um es an einem sichereren und unantastbaren Ort niederzulegen und uns mit jenen Gütern zu schmücken, die wir selbst erwählen.
Ich habe dies nur gesagt, um dem brennenden Wunsch zu gehorchen, daß Ihr, Erlauchte, und die ganze Familie mein Scheiden als freudiges Ereignis betrachtet. Und so fahret fort, mich mit Eurem mütterlichen Segen zu begleiten, während ich über das Meer segle hin zum Hafen all meiner Hoffnungen. Ich habe es vorgezogen, Euch zu schreiben, weil mir nichts anderes geblieben ist, womit ich Euch meine Liebe und Ehrfurcht, die ich als Sohn meiner Mutter schulde, klarer bezeugen könnte.“
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017, und Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine bislang ungeschriebene Geschichte, 2. erw. Ausgabe, Bobingen 2011.
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Übersetzung/Fußnoten: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
1 Die Familie Gonzaga zählte zu den bedeutendsten italienischen und europäischen Adelsgeschlechtern der Renaissance-Zeit. Sie kamen wahrscheinlich im Gefolge der Staufer nach Reichsitalien. Als Stammvater wird ein Konrad genannt, der die namengebende Burg Gonzaga bei Mantua (mdal. Gunsága, vom altdeutschen Personennamen Gunzo) zum Lehen erhielt. Die Gonzaga waren ab 1328 Herren von Mantua und als solche Reichsvikare – ab 1433 Markgrafen und ab 1530 Herzöge –, und zeichneten sich durch ihre Kaisertreue aus.
Aloisius‘ Vater Ferrante I. Gonzaga, bekannt auch als Ferdinando, 1. Markgraf von Castiglione, entstammte einer Nebenlinie der Herzöge von Mantua. Er diente dem Heiligen Römischen Reich und kämpfte im Rang eines Obersts für das habsburgisch regierte Spanien gegen die Mauren. Er war Ritter des Alcántaraordens und dann für einen Verwandten aus dem Haus Gonzaga Gouverneur der Markgrafschaft Monferrato.
Der bekannte Philosoph und Humanist Giovanni Pico della Mirandola (1463–1494) war ein Großonkel des heiligen Aloisius. Mütterlicherseits war er auch mit den Grimaldi, dem Fürstenhaus von Monaco, verwandt.
2 Das piemontesische Adelsgeschlecht der Tana, Grafen von Santena, leitet sich von den schwäbischen Thann (Tanne, Truchsesse von Waldburg) her, das durch Ulrich Thann begründet wurde, der im Gefolge von Kaiser Friedrich I. Barbarossa 1055 aus Deutschland in das damalige Reichsitalien gelangte.
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