
Das bergoglianische Pontifikat führte bei vielen Katholiken zu einer schmerzlichen Entfremdung von Rom. Darin kann Positives liegen, nämlich die Chance zu einer differenzierteren und vielleicht heilsamen Betrachtung des Papsttums. Werden die vergangenen zwölf Jahre Anlaß und Anstoß sein, das Papsttum von zweifelhaften Überhöhungen zu befreien und es auf sein Wesen und seine eigentliche Bedeutung für die Heilsgeschichte zurückzuführen?
Dieser Frage ging der ehemalige Chefvatikanist des italienischen Staatsfernsehens RAI Aldo Maria Valli nach, indem er dazu ein Gespräch mit den beiden Intellektuellen Daniel Rodríguez und Rubén Peretó Rivas führte, die dem bekannten argentinischen Blog Caminante Wanderer verbunden sind:
Aldo Maria Valli: In der jüngeren Zeit hat die Gestalt des Papstes eine bisher unbekannte Zentralität erlangt. Heute droht die Person des Papstes die Kirche in ihrer Gesamtheit – sowohl hinsichtlich der Leitung als auch in der Wahrnehmung durch die Gläubigen – geradezu zu verdrängen. Wann setzte dieser Wandel ein und aus welchem Grund?
Daniel Rodríguez: Es liegt in der menschlichen Natur, nach Vorrang zu streben. Erinnern wir uns: Schon in den Evangelien (Mt 20, 20–28) begegnet uns dieses Verlangen, als die Mutter der Zebedäussöhne darum bittet, ihre beiden Söhne mögen im Reiche Christi zur Rechten und zur Linken Seines Thrones sitzen. Das war für Jesus Christus der Anlaß für die Verkündigung der christlichen Auffassung von Macht als Gabe – als Dienst an den anderen.
Aus eben dieser Stelle entnahm der heilige Gregor der Große den berühmten Titel Servus servorum Dei – Diener der Diener Gottes –, den er mit der weisen römischen Tradition des munus, des öffentlichen Amtes, verband, die er aus seiner eigenen Familie übernommen hatte.
Das Papstamt ist Gabe und Dienst nach dem Bilde Christi, der gekommen ist, nicht um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und Sein Leben für viele hinzugeben. Eine Last und ein Auftrag, die die römische Kirche zum Wohle der gesamten katholischen Kirche auf sich nahm.
Aldo Maria Valli: Doch es kam ein Wendepunkt. Was genau ist geschehen?
Daniel Rodríguez: Maßgeblich war die gregorianische Reform im 11. Jahrhundert. Diese Reform brachte der Kirche zum ersten Mal in der Geschichte Freiheit und Unabhängigkeit von den weltlichen Mächten.
Doch der lange Konflikt mit dem Kaiser und der scheinbar vollständige Vorrang über die übrigen Reiche, die sich auf das Papsttum stützten, um sich vom Kaiser zu lösen, und schließlich stark genug wurden, ihre eigene Unabhängigkeit zu fordern, führte dazu, daß das Papsttum in weiten Teilen das imperiale, politische Denkmodell übernahm – ein Fall von clavus clavo pellitur [Einen Keil mit einem Keil ausschlagen]: ein päpstlicher „Cäsar“, dessen territoriale Stellvertreter die Bischöfe waren, mit einem „Senat“ aus Kardinälen als beratender und wählender Körperschaft sowie einer Kurie als Verwaltungs- und Regierungsapparat.
Dieses Modell folgte – und war mitunter seiner Zeit voraus – der Entwicklung der heutigen modernen Staaten, die vielfach dem Papsttum nacheiferten, sogar in der Einrichtung der Inquisition, die als Ursprung der Strafgerichte und ihrer Ermittlungsmethoden gelten kann.
Es ist kein Zufall, daß einer der wichtigsten Artikel des Dictatus Papae, nämlich der achte, lautete: „Quod solus possit uti imperialibus insigniis“ [„Daß allein er (der Papst) die kaiserlichen Insignien tragen dürfe“]. Von „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist“ sind wir hier weit entfernt.
Ebensowenig zufällig ist es, daß in dieser Zeit das Große Schisma mit dem Osten eintrat, das kanonische Recht durch das Decretum Gratiani gefestigt wurde und auf päpstliche Anordnung erstmals ein liturgischer Ritus apostolischer Überlieferung – der altspanische – unterdrückt wurde.
Wie man sieht, besitzt Traditionis custodes einen gewichtigen und zugleich uralten Vorläufer.
Rubén Peretó Rivas: Später verschärften die protestantische Reformation und die revolutionären Umbrüche von 1789 bis 1917 dieses Modell. Das ultramontanistische Papstbild erreichte totalitäre Ausprägung – ein geistlicher Leviathan. Papst Franziskus hat diesen Zustand mit seinem Pontifikat offenbart – durch Exzesse fast bis zur Selbstauflösung.
Heute besteht die Aufgabe der Kirche darin, das Papstamt auf sein christlich-biblisches Fundament zurückzuführen, das aber eine kritische und konstruktive Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte nicht ausschließt.
Es geht nicht darum, das von unseren Ahnen Errichtete zu zerstören, das seinen vernünftigen Grund hatte und trotz mancher Exzesse Achtung verdient, sondern vielmehr darum, es auf den Platz zurückzuführen, der ihm heute gebührt.
Aldo Maria Valli: Die Bischöfe scheinen besonders betroffen: Viele erscheinen nur noch als Funktionäre des Papstes. War das früher anders?
Rubén Peretó Rivas: Die ganze Kirche leidet unter dieser Entwicklung. Tatsächlich ist die gesamte Kirche Opfer dieses Prozesses. Das päpstliche Modell wurde auf jeder Ebene der Hierarchie nachgeahmt: die Bischöfe in ihren Diözesen, die Pfarrer in ihren Gemeinden, jeder Priester mit seinen Laien. Es genügt, das gegenwärtige Geschehen in der synodalen Kirche zu beobachten: In vielen Fällen haben sich die Bischöfe zu kleinen Tyrannen entwickelt, deren Willen mit äußerster Genauigkeit Folge zu leisten ist. Und diese tyrannische Haltung hat sogar die Spiritualität beeinflußt, denn der Gehorsam gegenüber den Weisungen der Vorgesetzten ist zur höchsten Tugend geworden, noch vor der Nächstenliebe, wodurch ein neuer Pharisäismus gefördert wird, in dem es wichtiger ist, rechtlich mit den Machthabern konform zu sein, als den gleichen Glauben und die gleichen Sakramente zu teilen.
Daniel Rodríguez: Genau so ist es, wie in einer Pyramide, jener von Kelsen, in der jede Stufe volle Macht über die darunterliegende hat und zugleich von der darüberliegenden vollständig abhängig ist, bis hin zur Spitze. Doch so war es am Anfang nicht. Zwar erkannte man dem Bischof von Rom seine Rolle und seine Funktionen an, doch die übrigen Kirchen wehrten sich gegen ungerechtfertigte oder übermäßige Eingriffe. Das Verständnis war nicht das einer Maschine, in der die Kraft herrscht, sondern das eines harmonischen Körpers. Innerhalb der lateinischen Kirche, die am stärksten vom Übel betroffen war wegen ihrer römisch-zivilisatorischen Vorgeschichte, finden sich zahlreiche Beispiele – vom heiligen Cyprian bis zum heiligen Julian von Toledo mit den Konzilien von Toledo, oder Incmar von Reims – Persönlichkeiten, die es verstanden, mit Autorität den übermäßigen Ansprüchen Roms zu widerstehen, ohne dabei die Einheit der Kirche in Frage zu stellen.
Rubén Peretó Rivas: Unser Problem besteht darin, daß wir keine bischöflichen Persönlichkeiten mit Autorität und Ansehen besitzen, die den Mißbrauch verhindern könnten, wie es der zurückgetretene und schwache Benedikt XVI. vermochte, dem ein Blatt genügte, um die Ansprüche von Franziskus in die Schranken zu weisen. Ich beziehe mich auf die Inszenierung, die darauf abzielte, den Zölibat der lateinischen Priester fakultativ zu machen. Das hat erst kürzlich Kardinal Walter Kasper in einem Interview bestätigt.
Aldo Maria Valli: Die Kirche ist groß und vielgestaltig, der Papst ist ein einzelner Mensch. Doch dieser einzelne Mensch hat sich der ganze Szene bemächtigt. Welche Folgen hat das für die Kirche und die Gläubigen?
Daniel Rodríguez: Die erste Folge ist das Vergessen Christi als wahres Haupt seines Leibes, welcher die Kirche ist. Christus ist der Herr, nicht der Papst. Letzterer ist ein Diener, unser Diener, dem für sein Amt strenge Verantwortlichkeiten auferlegt werden; der Papst ist weder die Hypostase des Heiligen Geistes, noch die Inkarnation der Kirche, noch das Orakel von Delphi der Rechtgläubigkeit, wie ihn viele in der Praxis auffassen.
Die zweite Folge ergibt sich daraus: Der Glaube wird nicht mehr als objektive Realität der göttlichen Wahrheit begriffen, deren Offenbarung und Inkarnation in der Geschichte die ganze Kirche ist, sondern es wird eine subjektive Vorstellung eines quasi-göttlichen lebendigen Lehramtes angenommen, das den Glauben ad hoc gestaltet. Die Rolle der Hierarchie besteht darin, über das Depositum fidei zu wachen und den Glauben der ganzen Kirche zu bestätigen.
Die dritte Folge ist das Ersetzen des Gemeinschaftsbandes und der sakramentalen Verbindungen durch Legalismus und eine sklavische Treue gegenüber den Führern; Treue, die in vielen Fällen perinde ac cadaver [Kadavergehorsam] ist. Jetzt ist es wichtiger, die richtigen Stempel und Dokumente zu besitzen, als denselben Glauben zu bekennen und dieselben Sakramente zu empfangen. Das ist weitaus schlimmer als das, was Paulus anprangerte: Nicht mehr das mosaische Gesetz, gegeben von den Engeln am Sinai, rechtfertigt uns vor Christus, sondern der Codex des Kirchenrechts, erlassen von einem Dikasterium im Vatikan! Die Kirche ist kein solidarischer Leib mehr, sondern eine Maschine.
Rubén Peretó Rivas: Ich möchte weitere Folgen anführen. Ich spreche von der Kannibalisierung des Papstes. Rom hat die Institutionen der Ortskirchen kannibalisiert, ihre praktische Autonomie aufgehoben und ihre Sitten und Traditionen zu Staub zerschlagen. Es wurde alles abhängig gemacht vom päpstlichen Willen, der wiederum Rom kannibalisiert hat. Außerdem wird die Figur des Papstes von ihrem eigenen Träger kannibalisiert. Selbst Geschmäcker, private Andachten und Marotten von Bergoglio oder Wojtyła sind nicht mehr ihre eigenen, sondern die des Papstes, der zum Guru von Millionen geworden ist, die ihn unaufhörlich imitieren. Schauen wir auf Christus. Obwohl Er Gott ist, mit all seinen göttlichen und menschlichen Taten, sagen uns weder die Evangelien noch die Tradition ein einziges Wort über seine Vorlieben oder Gewohnheiten. Mochte er dieses oder jenes Gericht seiner Mutter? Wir wissen es nicht. Was war sein Lieblingslied und was summte er vor sich hin? Bevorzugte er Leinen- oder Wolltunika? Nichts; nicht einmal eine physische Beschreibung von ihm kennen wir. Die Apostel überlieferten uns das Wesentliche: seine Person und Unterwerfung, unser Heil und unsere Sohnschaft.
Daniel Rodríguez: Das Hauptproblem dieser Situation ist, daß das, was eigentlich das Mittel zur Offenbarung und Anschauung Jesu Christi und seiner Gnade sein sollte, das ist, was ihn verdunkelt. Die Brille, durch die wir Gott sehen können, um unsere durch die Sünde verursachte Kurzsichtigkeit zu heilen, wird schmutzig und verhindert uns die Betrachtung des Erlösers.
Aldo Maria Valli: Im Prozeß der „Kannibalisierung“ spielten die Medien eine bedeutende Rolle. Seit wann läßt sich dieses Phänomen datieren? Seit Johannes XXIII. mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil oder gar schon früher?
Daniel Rodríguez: Viel früher. Es begann mit der ultramontanen Presse, wenn auch mit den begrenzten Mitteln des 19. Jahrhunderts, während des Pontifikats von Pius IX. Damals begannen zum ersten Mal die persönlichen Meinungen des Papstes vor der öffentlichen Meinung zu zählen. Nachdem er Gefangener im Vatikan war, ab 1870, begann das Papsttum noch mehr zu glänzen durch seine Abwesenheit, denn Abwesenheit ist bereits eine sehr starke Form von Präsenz, wie Paolo Sorrentino in seiner Serie „The Young Pope“ meisterhaft gezeigt hat. Fotografien und Porträts des Pontifex verbreiteten sich massenhaft in Sakristeien und Häusern, nach dem Vorbild der damaligen Staatsoberhäupter – alles erleichtert durch moderne Druckereien, die von den gerade gegründeten Salesianern betrieben wurden, die es sich zur Aufgabe machten, diese Bilder in jede Ecke der katholischen Welt zu bringen.
Dieses Bestreben, die Figur des römischen Papstes populär zu machen, wurde durch das Aufkommen des Films noch verstärkt. Erst kürzlich konnten wir die ersten bewegten Bilder von Leo XIII. bewundern, aufgenommen von einem Fotografen mit dem Lumière-Verfahren. Die beiden Weltkriege und die Zwischenkriegszeit unterbrachen den Prozeß, doch mit Pius XII. – einem Mann von hieratischer Persönlichkeit und unübertroffenem „physique du rôle“ – entstand ein wahrer Massenkult, sogar mit einem propagandistischen Film: „Pastor angelicus“. Dieser Trend setzte sich mit seinen Nachfolgern fort, je nach deren Charakter und Charisma, und erreichte seinen Höhepunkt mit Johannes Paul II., der Schauspieler war und seine Vorliebe für das Schauspiel nie verbarg, dazu ein überwältigendes Charisma besaß.
Rubén Peretó Rivas: Es gibt noch andere Faktoren. Das Gewicht von Geschichte und Tradition, die archaischen und seltsamen Rituale und Gewänder, alles in einem Kontext von unvergleichlicher Kunst und Schönheit, macht die Papstfigur höchst suggestiv und medientauglich. Das haben wir bei den Beerdigungen von Papst Franziskus ebenso gesehen wie beim Konklave und beim ersten Auftritt von Papst Leo XIV.: Die Medien der ganzen Welt hielten inne und richteten ihre volle Aufmerksamkeit auf den Vatikan. Während des Konklaves waren mehr Journalisten beim Presseamt des Heiligen Stuhls akkreditiert als bei der letzten Fußball-Weltmeisterschaft in Katar.
Man darf auch nicht vergessen, daß es Versuche gibt, indirekt Einfluß auf und Kontrolle über eine Struktur auszuüben, die trotz ihres Niedergangs weiterhin weltweite Bedeutung besitzt und wie keine andere jeden Winkel des Planeten durchdringt. Mit mehr oder weniger Erfolg haben sich die Päpste diesem Spiel und diesen Verhandlungen entzogen, um ihrerseits die Medien für sich zu nutzen; doch dabei hat der Teufel leichtes Spiel, denn die Versuchung, sich der Meinung der Welt zu beugen, wird immer vorhanden sein.
Aldo Maria Valli: Die Figur des Papstes ins Zentrum zu stellen und dabei den Rest zu verdunkeln scheint die beiden äußersten Flügel der Kirche (wenn wir ein politisches Bild gebrauchen dürfen) zusammenzuführen: die Rechte und die Linke. Warum berühren sich in diesem Fall die Extreme?
Daniel Rodríguez: Weil sie, obwohl sie entgegengesetzte Konsequenzen daraus ziehen, oder es zumindest glauben, von denselben Prinzipien ausgehen. Sie sind wie das Spiegelbild eines Bildes: Die Linke ist die Rechte, doch es ist dasselbe Bild, nur umgekehrt. Und vor allem, um zu existieren, sind sie voneinander abhängig: Ohne Linke gibt es keine Rechte und umgekehrt. In unserem Fall wird darüber gestritten, wer in der Kirche die Souveränität besitzt, ob der Papst oder die Gesamtheit der Kirche, der König oder die Versammlung; doch alle sind sich über die Vorstellung dieser Souveränität einig: absolut, staatlich und praktisch grenzenlos.
Ein weiterer stillschweigender Konsens besteht in der Haltung zur Moderne und deren Bruch: Entweder nimmt man sie vollständig an oder lehnt sie vollständig ab, doch niemand unterscheidet, was Gott, der Herr der Geschichte, in diesem Augenblick von uns verlangt. In beiden Gruppen wird eine der zwei Wahrheiten der Kirche abgelehnt: daß sie in ihrem Wesen überzeitlich ist, ihre Mitglieder jedoch zeitlich.
Rubén Peretó Rivas: Und es gibt einen weiteren Faktor, den wir vor Jahren in einem Blogbeitrag mit dem Titel „Salz mit Pommes“ diskutierten. Gemeint ist die Schaffung von Paketen, die ganz zu erwerben sind. Wenn du die traditionelle Messe liebst oder eine liturgische Sensibilität hast, dann kannst du keine sozialen Ungerechtigkeiten anprangern oder eine charismatischere Spiritualität suchen. Was würden dazu etwa der heilige Johannes Chrysostomus, der heilige Hieronymus oder der heilige Franz von Assisi sagen? Sie waren vollkommen orthodox, voller Eifer für die Ehre Gottes im Gottesdienst und dennoch prangerten sie die Ungerechtigkeiten ihrer Zeit unmißverständlich an, bis zu Extremen, die jeden zornigen Kommunisten in seinen Vorwürfen gegen die Reichen übertreffen würden. Jede Gruppe hat sich in ihrem besonderen ideologischen Paradies versteinert: die ultramontane Utopie des 19. Jahrhunderts, die den heiligen John Henry Newman, den heiligen Johannes Bosco oder die östlichen Katholiken so sehr leiden ließ, und die modernistische Utopie des 20. Jahrhunderts, die wir alle kennen. Beide brauchen einander gegenseitig als Feind und Rechtfertigung, ebenso wie die Zentristen, um sich in ihrer ambivalenten und lauwarmen Utopie zu halten, obwohl sie sich in der Welt immer sehr wohl fühlen.
Aldo Maria Valli: Leo XIV. scheint ein Mensch fern vom Ehrgeiz zu sein. Wird er imstande sein, ein gewisses Gleichgewicht wiederherzustellen und zu verhindern, daß die Person des Papstes das Papsttum und die ganze Kirche „verschlingt“?
Daniel Rodríguez: Auch wenn der neue Papst eine Änderung in capite et in membris [an Haupt und Gliedern] durchsetzen wird, fürchte ich, daß es nur ein kurzes Intermezzo, eine Pause sein wird, bis ein Nachfolger kommt, der von dem Wunsch nach Protagonismus erfüllt ist oder mit guten Absichten glaubt, die Medien der Welt benutzen und kontrollieren zu können. Wir haben uns sehr auf die Päpste konzentriert, aber wir müssen auch über den Rest der Kirche sprechen. Viele von uns glaubten vielleicht naiv, das Pontifikat von Franziskus würde uns als Warnung und Lehre dienen, doch was wir angesichts der gegenwärtigen „Leo-Manie“ sehen, läßt uns daran stark zweifeln. Selbst wenn der Papst es selbst nicht wollte, würden ihn andere zwingen, die Rolle des Sonnenpapstes anzunehmen.
Rubén Peretó Rivas: Meines Erachtens ist die einzige langfristige Lösung, systematisch die Rolle Johannes des Täufers neben der des Petrus einzunehmen: „Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“; „Er muß wachsen, ich aber muß abnehmen“. Solange Christus nicht wieder in den Herzen seiner Kirche herrscht, der Traditionalisten wie der Progressisten, wird das Problem nicht gelöst sein.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Caminante Wanderer