Einige Studien über den Satanismus (1. Teil)

Ein zerstörerisches Gesicht


Satanismus

Nach eini­gem Über­le­gen und Rück­spra­che mit dem Autor begin­nen wir mit der Ver­öf­fent­li­chung einer fünf­tei­li­gen Rei­he über den Sata­nis­mus, ein The­ma, das zu Recht man­che erschrecken wird. Da der Sata­nis­mus eine Rea­li­tät ist, muß man sich auch mit ihm befas­sen. Die Kir­che hat das immer getan. Nicht jeder muß sich jedoch damit beschäf­ti­gen. Die Lek­tü­re wird daher nur dem inter­es­sier­ten und aus­rei­chend gefe­stig­ten Publi­kum empfohlen.

Anzei­ge

Von P. Pao­lo M. Siano*

1. Eine Studie von Michele C. Del Re („Riten und Verbrechen des Satanismus“, 1994)

Auf der Inter­net­sei­te der Agen­tur für Infor­ma­tio­nen und inne­re Sicher­heit AISI, wie der Name des ita­lie­ni­schen Inlands­ge­heim­dien­stes seit 2007 lau­tet, fin­det man „Per Aspe­ra ad Veritatem – Rivi­sta di intel­li­gence e di cul­tu­ra pro­fes­sio­na­le“ („Durch das Schwe­re zur Wahr­heit – Zeit­schrift für Nach­rich­ten­dienst und beruf­li­che Fach­kul­tur“), die von 1995 bis 2004 her­aus­ge­ge­be­ne Zeit­schrift der Vor­läu­fer­or­ga­ni­sa­ti­on SISDE (1977–2007). Der SISDE wur­de als Inlands­ge­heim­dienst von der AISI abge­löst, deren Zeit­schrift, eben­falls „online“, ein­seh­bar ist und den Titel „Gno­sis – Rivi­sta ita­lia­na di Intel­li­gence“ („Gno­sis – Ita­lie­ni­sche Zeit­schrift für Nach­rich­ten­dien­ste“) trägt.

In „Per Aspe­ra ad Veritatem“ Nr. 8/​1997 fin­det sich eine Rezen­si­on des Buches „Riti e cri­mi­ni del sata­nis­mo“ („Riten und Ver­bre­chen des Sata­nis­mus“), das 1994 im Ver­lag Iove­ne in Nea­pel erschie­nen ist. In die­sem Buch behan­delt Miche­le C. Del Re, Pro­fes­sor für Straf­recht an der Uni­ver­si­tät von Came­ri­no, den Sata­nis­mus und sei­ne kri­mi­nel­len Aspek­te.1

Ich hal­te es für inter­es­sant, auf eini­ge Punk­te des Buches hin­zu­wei­sen, die in der oben genann­ten Rezen­si­on nicht erwähnt wur­den. Laut Del Re „ist jeder ein Sata­nist, der glaubt, einen Akt der Unter­wer­fung und Hin­ga­be zu voll­zie­hen und/​oder sich einer tran­szen­den­ten Kraft im Gegen­satz zum Gott des geord­ne­ten und mora­lisch dis­zi­pli­nier­ten Kos­mos zu unter­wer­fen, unab­hän­gig vom histo­ri­schen Ursprung die­ser Gegen­macht. Der Iblis (diabo­lus) der Jesi­den zum Bei­spiel ist offen­sicht­lich der ord­nen­de Gott, sodaß sie nicht als Sata­ni­sten bezeich­net wer­den kön­nen, unab­hän­gig vom histo­ri­schen Ursprung des Namens Iblis und der aktu­el­len Dok­trin10. Pan hin­ge­gen, wenn er aus den klas­si­schen Wäl­dern her­aus­kommt, um die Macht des Cha­os, der Unord­nung zu wer­den, wird für uns ein Gott der Sata­ni­sten sein“2.

Zeit­schrift des Geheim­dien­stes SISDE

In der Fuß­no­te 10 schreibt Del Re: „Die Ver­wand­lung Satans von einem bösen Engel in einen guten Demi­ur­gen war das Ergeb­nis eines ziem­lich kom­ple­xen theo­lo­gi­schen Weges; heu­te jedoch betrach­ten die Jesi­den Satan als einen gefal­le­nen Erz­engel, dem dann ver­ge­ben wur­de und dem Gott die Regie­rung der Welt anver­traut hat“3.

Del Re gibt also bereits am Anfang sei­nes Buches zu ver­ste­hen, daß es sich nur dann um „Sata­nis­mus“ hand­le, wenn Satan von sei­nen Ver­eh­rern (auch) als rebel­li­sches und böses Wesen ver­stan­den wird… Wenn der gefal­le­ne Engel, Satan oder Luzi­fer, wie immer man ihn auch nen­nen mag, von sei­nen Ver­eh­rern hin­ge­gen (auch) als leuch­ten­des, wohl­mei­nen­des und posi­ti­ves Prinzip/​Dämon/​Gott ver­stan­den wird, dann sei kein Sata­nis­mus gege­ben… Ich hal­te die­se von Prof. Del Re gege­be­ne Sata­nis­mus-Defi­ni­ti­on für reduk­tiv und eher irreführend.

Er stellt fest, daß sich der zeit­ge­nös­si­sche Sata­nis­mus oder „neue Sata­nis­mus“ im Kli­ma des New Age aus­brei­tet (vgl. S. 20f). Zu den Merk­ma­len des „Neo-Sata­nis­mus“ stellt Del Re fest: „Der Sata­nis­mus fin­det im New Age Recht­fer­ti­gung und Wur­zel für sei­ne Ver­kün­di­gung der Frei­heit auch gegen­über den Regeln der Mensch­heit“ (S. 22). Der Sata­nis­mus haßt den bibli­schen Gott und wählt Satan als Gott… Das New Age ver­kün­det die Gött­lich­keit des Men­schen. Für den Sata­nis­mus wird der Mensch ‚gött­lich‘ durch einen Pakt mit Satan (vgl. S. 22)…

Del Re argu­men­tiert, daß der Teu­fel des heu­ti­gen Sata­nis­mus sehr weit von dem Satan ent­fernt ist, der im 19. Jahr­hun­dert als posi­ti­ves Sym­bol des Fort­schritts, der Frei­heit und des Glücks ver­herr­licht wurde:

„Wie weit ist die­ser düste­re und blut­rün­sti­ge Dämon des aus­ge­hen­den Jahr­tau­sends vom stol­zen und posi­ti­ven Satan der Wis­sen­schaft des neun­zehn­ten Jahr­hun­derts ent­fernt, der den Fort­schritt, die Hoff­nung und das Glück auf Erden ver­kör­per­te“ (S. 32f). „Der Anti­kle­ri­ka­lis­mus des neun­zehn­ten Jahr­hun­derts weist dem Teu­fel die Eigen­schaf­ten des guten Got­tes der Tra­di­ti­on zu, Gott aber die Schuld des Teu­fels“ (S. 33, Fuß­no­te 26). In die­ser Fuß­no­te spielt Del Re auf den Satan von Gio­suè Car­duc­ci und Pierre Proudhon an, den die­se als „Froh­na­tur, mäch­ti­ge, befrei­en­de Wis­sen­schaft, die die mensch­li­che Frei­heit im Kampf mit dem Abtö­tungs­geist der Kir­che beju­belt“ (ebd.) sahen.

Del Re: Riten und Ver­bre­chen des Satanismus

Lei­der geht Del Re nicht näher auf die Ver­bin­dun­gen die­ses luzi­fe­ri­schen „Anti­kle­ri­ka­lis­mus“ (oder anti­kle­ri­ka­len Luzi­fe­ris­mus) zur Frei­mau­re­rei ein…

Del Re schreibt, daß der moder­ne Sata­nis­mus von Alei­ster Crow­ley, Okkul­tist, Anhän­ger der Sexu­al­ma­gie und Füh­rer des Ordo Templi Ori­en­tis, inspi­riert ist (vgl. S. 52). Del Re bestä­tigt, daß Crow­ley in sei­nem Liber Legis das Men­schen­op­fer eines „Mäd­chens, mög­li­cher­wei­se eines frei­wil­li­gen Opfers“ recht­fer­tigt, um kei­ne wid­ri­gen Ener­gie­strö­me zu erzeu­gen; das Opfer wird ver­ge­wal­tigt und dann in neun Tei­le zer­stückelt (vgl. S. 53f)… Nach Crow­ley soll­te ein sol­cher Ritus „sel­ten“ und „für sehr wich­ti­ge Zwecke“ prak­ti­ziert wer­den (vgl. S. 54). Lei­der macht Del Re kei­ne wei­te­ren biblio­gra­phi­schen Anga­ben (Aus­ga­be, Jahr, Sei­ten­zahl) zu die­sem Zitat aus Crow­leys Liber Legis.

Del Re spricht auch über den Mar­quis de Sade und bezeich­net ihn als „athe­isti­schen Sata­ni­sten“ (S. 64), der den „sata­ni­sti­schen Athe­is­mus“ (S. 65) vertritt.

Del Re stellt fest, daß: „Sata­nis­mus im wei­te­ren Sin­ne die Beru­fung auf Satan, auf sei­ne Gefolgs­leu­te (wie Luzi­fer, Beel­ze­bub) oder auf irgend­ei­nen heid­ni­schen Gott ist, wenn sei­ne Anhän­ger ihn im Gegen­satz zu einer guten Macht mit dem Herr­scher des Bösen iden­ti­fi­zie­ren. Er erfor­dert den Glau­ben an eine ritu­el­le Magie, die in der Lage ist, die okkul­ten Kräf­te zu ver­skla­ven und/​oder sich mit ihnen anzu­freun­den; die ethi­sche Hal­tung besteht in der Ver­pflich­tung, den aggres­si­ven Haß auf ande­re Lebe­we­sen zu tei­len, der dem bösen Prin­zip eigen ist“ (S. 105, fett gedruckt). Auch hier redu­ziert Del Re den Sata­nis­mus auf Satan, ver­stan­den als Fürst des Bösen…

In Kapi­tel 5 (S. 103–125), „Sata­nis­mus, Klas­sen und Stu­fen“, spricht Del Re zunächst von den „expe­ri­men­tel­len Sata­ni­sten“, oder Gele­gen­heits-Sata­ni­sten, dann von den „Tra­di­tio­nel­len Grup­pen: ortho­do­xe Bos­heit“, d. h. vom orga­ni­sier­ten „ortho­do­xen Sata­nis­mus“: „Im ortho­do­xen Sata­nis­mus hin­ge­gen fin­den wir Men­schen jeden Alters, sogar der zwei­ten Gene­ra­ti­on; oft sind es Men­schen mit einem guten sozia­len Sta­tus; natür­lich han­deln sie mit viel Geheim­hal­tung und sind viel orga­ni­sier­ter als die expe­ri­men­tel­len. Wie vie­le die­ser Grup­pen es gibt, kann man natür­lich nicht sagen: die Church of Satan, der O.T.O., der Temp­le of Set, Pro­cess, die Chie­sa del­la Por­ta Ver­de [Kir­che der Grü­nen Tür], sind als Sata­ni­sten bekannt, aber sie leug­nen, kri­mi­nel­le Akti­vi­tä­ten zu betrei­ben. In der Regel wer­den ritu­el­le Hand­lun­gen an bekann­ten und aner­kann­ten Fei­er­ta­gen durch­ge­führt; natür­lich kön­nen sich Sata­ni­sten häu­fig als sol­che zu erken­nen geben, da sie an den Orten, an denen sie tätig waren, stets ein Zei­chen ihres Glau­bens und ihrer Hand­lun­gen hin­ter­las­sen (z. B. 13 Gras­hal­me oder 13 Blät­ter). Die Teil­neh­mer ver­wen­den cha­rak­te­ri­sti­sche Gewän­der, Mes­ser und ritu­el­le Gegen­stän­de und füh­ren ein Regi­ster, das ‚Buch der Schat­ten‘, in dem sie ihre Hand­lun­gen fest­hal­ten. […] Die­se Adep­ten wid­men sich voll und ganz ihrem Glau­ben; es heißt, daß die Mit­glie­der aus Fami­li­en­li­ni­en von Sata­ni­sten stam­men; es gibt sel­ten neue Rekru­ten; oft reicht die sata­ni­sche Linie Gene­ra­tio­nen zurück. Es gibt kom­ple­xe Hier­ar­chien nach von der Grup­pe selbst auf­ge­stell­ten Regeln. Der ritu­el­le Miß­brauch von Kin­dern ist cha­rak­te­ri­stisch für die­se Grup­pen“ (S. 113).

Zu den Sata­ni­sten zählt Del Re die „Lili­thia­ni­schen Nester“, d. h. die Hexen, die sich dem Lilith-Kult ver­schrie­ben haben, einem weib­li­chen Dämon („weib­li­cher Teil des Satans“), ver­gleich­bar mit der Hin­du-Göt­tin Kali. Die Ver­eh­rung von Lilith bedeu­tet die größ­te Über­tre­tung, „das per­ver­se­ste Böse“. Gewöhn­li­che Hexen tra­gen wei­ße Klei­dung, wäh­rend Lilith-Hexen nackt sind oder eine leich­te schwar­ze Tuni­ka und schlan­gen­för­mi­ge Arm­bän­der an ihren Hand­ge­len­ken, Knö­cheln oder Häl­sen tra­gen (vgl. S. 113–115).

Inter­es­san­ter­wei­se schließt Miche­le Del Re in einer Fuß­no­te, in der er den frei­mau­rer­freund­li­chen Gelehr­ten Aldo Ales­san­dro Mola zitiert, jede Ver­bin­dung zwi­schen Frei­mau­re­rei und Sata­nis­mus aus: „Die histo­ri­sche Kon­tro­ver­se, die ihren Biß des 19. Jahr­hun­derts ver­lo­ren hat, ist die der sata­ni­schen Matrix der Frei­mau­re­rei: Pius IX. führ­te 1873 den Vor­wurf des Sata­nis­mus ein, der bei nähe­rer Betrach­tung gera­de in der Prah­le­rei der selbst­er­nann­ten Frei­mau­rer Nah­rung fand, die sich sogar ger­ne zur Ziel­schei­be der vor­ei­li­gen kano­ni­schen Schluß­fol­ge­rung ‚Feind der Kir­che = Suk­ku­bus und Werk­zeug des Teu­fels‘ mach­ten. […]“ (S. 125, Fuß­no­te 17).

Lili­thia­ni­sche Nester

Zum The­ma Frei­mau­re­rei & Sata­nis­mus (oder Luzi­fe­ria­nis­mus) stim­me ich nicht mit der „nega­tio­ni­sti­schen“ Posi­ti­on von Del Re über­ein (die in der Tat auch die der Frei­mau­re­rei ist), daher ver­wei­se ich auf mei­ne Bücher, Auf­sät­ze und Artikel.

Zu den sata­ni­sti­schen Grup­pen zählt Del Re auch den Ordo Templi Ori­en­tis („Luzi­fe­ri­sche Anhän­ger“) von Theo­dor Reuss, Alei­ster Crow­ley und Ken­neth Grant (vgl. S. 301f).

Wei­ter schreibt Del Re: „Vie­le sata­ni­sti­sche Nester (oder zumin­dest heid­ni­sche Nester mit ent­wei­hen­der Aus­rich­tung) ver­stecken sich in allen Tei­len der Welt hin­ter kul­tu­rel­len, öko­lo­gi­schen, sozi­al ver­dienst­vol­len und gut­mü­ti­gen Ver­ei­ni­gun­gen. Ein ehe­ma­li­ger Leh­rer der Acca­de­mia Tibe­ri­na (ein histo­ri­scher römi­scher Kul­tur­ver­ein) ver­sam­melt einen Hexen­zir­kel um sich, den die einen für sata­ni­stisch, die ande­ren für heid­nisch hal­ten“ (S. 307).

Als mög­li­che Ursa­chen für die „Explo­si­on des Inter­es­ses an Satan“ in unse­ren Tagen nennt Del Re (vgl. S. 404–417): Rela­ti­vis­mus („eine Gesell­schaft ohne Wahr­heits­re­geln glaubt an Unge­heu­er“), Spek­ta­ku­la­ri­tät („eine auf Spek­ta­kel aus­ge­rich­te­te Gesell­schaft schaut nur auf Unge­heu­er“), Tri­via­li­sie­rung („die tri­via­le Gesell­schaft fin­det ihre Hel­den in Unge­heu­ern“), Infan­ti­li­sie­rung oder Ent­per­sön­li­chung der Men­schen („die infan­ti­li­sier­te Gesell­schaft greift auf Unge­heu­er zurück“), Fru­stra­tio­nen, Tech­no­lo­gi­sie­rung („die tech­no­lo­gi­sche Gesell­schaft bit­tet die Unge­heu­er um Gna­de“). Ich sehe nur eini­ge die­ser Elemente.

Zum The­ma „Rela­ti­vis­mus“ schreibt Del Re: „Die heu­ti­ge Gesell­schaft ver­stärkt die Abwei­chung durch Schwei­gen, Ent­hal­tung von ethi­schen Urtei­len, ja sogar durch die Lega­li­sie­rung aso­zia­ler Ver­hal­tens­wei­sen im Namen einer falsch ver­stan­de­nen Gleich­heit der Kul­tu­ren und Sub­kul­tu­ren. Ich wür­de nicht sagen, daß die Gesell­schaft an den Teu­fel glaubt, aber sicher­lich kann man sagen, daß die Gesell­schaft, wenn sie den Gott von heu­te in einer per­sön­li­chen Form sam­meln will, nicht so sehr an einen tran­szen­den­ten, ein­zig­ar­ti­gen und guten Gott, wie den des Kate­chis­mus, glaubt (oder bes­ser: so tut, als ob sie glaubt), son­dern an den Abra­xas von C. G. Jung, den guten-bösen, hell-dunk­len, ambi­va­len­ten Gott“ (S. 404).

Del Re erklärt, daß Abra­xas für Jung „bipo­la­re Ener­gie als dyna­mi­sche Kraft“ ist, er ist „Son­nen­gott“ und „Dämon“, „Leben“ und „Tod“, und zwar so sehr, daß das Gute und das Böse ein und das­sel­be wer­den und das eine gegen das ande­re aus­tausch­bar ist. Es ist „eine fas­zi­nie­ren­de Phi­lo­so­phie, aber ethisch (sagen wir: sozi­al) gefähr­lich“ (S. 404), denn „sie öff­net den Weg zum sata­ni­sti­schen Okkul­tis­mus, denn wenn eine Gesell­schaft die Regeln, die sie stüt­zen, abwer­tet, gibt es die­je­ni­gen, die die ‚authen­ti­schen‘ Regeln am ande­ren Pol suchen“ (S. 405).

Der Jung­sche und gno­sti­sche Abra­xas ist also die Ein­heit von Gott und Teu­fel, er offen­bart das Prin­zip der Ver­ei­ni­gung von Gegen­sät­zen, ein Prin­zip, das der Eso­te­rik, der Alche­mie, der Kab­ba­la lieb und teu­er ist… Ich wer­de auf die­ses The­ma zurückkommen.

In bezug auf die „Tech­no­lo­gi­sie­rung“ macht Del Re deut­lich, daß die tech­no­kra­ti­sche Men­ta­li­tät, nach der alles in der Macht der Tech­nik liegt, zu einer magi­schen und sata­ni­schen Men­ta­li­tät führt: das heißt, je mehr wir uns an die Vor­stel­lung gewöh­nen, die Umwelt, die Gesell­schaft, die Welt, die Mensch­heit mit Hil­fe der Tech­nik beherr­schen zu kön­nen, desto mehr lau­fen wir Gefahr, in Not­fäl­len und bei star­kem Ehr­geiz auf obsku­re „Mäch­te“ zurück­zu­grei­fen, um jene Din­ge zu erlan­gen, die der gute Gott nicht gibt: welt­li­che Macht, sexu­el­le Ver­gnü­gun­gen (vgl. S. 417)…

Im Abschnitt „Die sata­ni­sti­sche Bedro­hung“ fragt Del Re dann: „Hat die Geschich­te Völ­ker oder orga­ni­sier­te Grup­pen gekannt, die den Teu­fel anbe­te­ten?“, und ant­wor­tet: „Ich glau­be nicht wirk­lich, daß die berühm­ten Kai­ni­ten der ersten Jahr­hun­der­te nach Chri­stus ech­te Teu­fels­an­be­ter waren; sie behaup­te­ten, daß Kain der gute und Abel der böse Sohn war und daß dem Gott der Bibel (für sie ein böser Teu­fel, aber fähig zu erschaf­fen) Kains unblu­ti­ges Opfer der land­wirt­schaft­li­chen Erst­lings­früch­te nicht gefal­len hat­te. Kurz­um, die Kai­ni­ten ver­dre­hen die Namen, stel­len die Wer­te von Jeho­va und Satan auf den Kopf, aber in Wirk­lich­keit ist es immer das Gute, das sie tri­um­phie­ren las­sen wol­len“ (S. 417–420).

Ophi­ten, Schlan­gen­an­be­ter (4. Jhdt.)

Del Re ent­la­stet auch die Ophi­ten vom Vor­wurf des Sata­nis­mus: „Auch die Naa­se­ner (die die Schlan­ge ver­eh­ren und zur gro­ßen Grup­pe der Ophi­ten des ersten und zwei­ten Jahr­hun­derts n. Chr. gehö­ren) waren kei­ne Satans­an­be­ter, die von der Idee beseelt sind, daß die Schöp­fung böse und dämo­nisch ist und die unbe­weg­li­che Rein­heit des höch­sten Got­tes stört, des Vaters, der nicht han­delt, sich nicht bewegt, gera­de weil er voll­kom­men rein ist und sich durch Emana­tio­nen mani­fe­stiert, die immer weni­ger gut sind, je wei­ter sie von ihm ent­fernt sind“ (S. 420).

Das ein­zi­ge Volk, das sich vom dämo­ni­schen Prin­zip der Zer­stö­rung und des Has­ses hat inspi­rie­ren las­sen, sind laut Del Re die Azte­ken mit ihren Monu­men­ten, die mit dem Blut unzäh­li­ger Men­schen­op­fer getränkt sind (vgl. S. 420f).

Del Re ist mit der von Mas­si­mo Intro­vi­gne vor­ge­schla­ge­nen vier­fa­chen Unter­schei­dung des Sata­nis­mus ver­traut: ratio­na­li­sti­scher Sata­nis­mus, okkul­ti­sti­scher Sata­nis­mus, bei­ßen­der Sata­nis­mus und gno­sti­scher Sata­nis­mus oder Luzi­fe­ris­mus (vgl. S. 109f). Del Re scheint letz­te­ren zu unter­schät­zen: Der Luzi­fe­ris­mus ver­ehrt den Teu­fel als Gott des Guten und des Lichts (Luzi­fer) im Gegen­satz zum christ­li­chen Gott, der als böse und dun­kel ange­se­hen wird… Kurz gesagt, man könn­te sagen, daß Del Re in die­sem nun drei­ßig Jah­re alten Buch der Ansicht ist, daß die Ver­eh­rung Satans, ver­stan­den als „Licht“ und „gut“, kein Sata­nis­mus ist… Mir scheint, daß die von Del Re gege­be­ne Defi­ni­ti­on von „Sata­nis­mus“ es in der Tat erlaubt, auch die Kai­ni­ten und Ophi­ten von gestern und heu­te leicht zu ent­la­sten… Außer­dem sagt Del Re in sei­nem Buch von 1994 nicht (oder weiß es nicht), daß man in der Frei­mau­re­rei „kai­ni­ti­sche“ und „ophi­ti­sche“ Sym­pa­thien haben kann…

Es ist selt­sam, daß Del Re dann unter den sata­ni­sti­schen Grup­pen eine „gno­sti­sche Sek­te der Ophi­ten“ auf­führt, die die Schlan­ge der Gene­sis ver­ehrt, die Eva ver­führ­te (vgl. S. 302)…

Zu den von Del Re auf­ge­li­ste­ten sata­ni­sti­schen Grup­pen gehört auch die „Schwar­ze Luzi­fe­ri­sche Kir­che“4 von Efrem Del Gat­to (in Wirk­lich­keit Ser­gio Gat­ti), die 1980 als „Kon­gre­ga­ti­on“ gegrün­det wur­de und 1994 etwa 50 Mit­glie­der und 2000 „Getauf­te“ auf­weist. Del Gat­to bezeich­net sich selbst als „Groß­mei­ster des Teu­fels­kai­sers Luzi­fer“ und behaup­tet, daß Luzi­fer ihr Gott ist, daß sie schwar­ze Mes­sen „mit fleisch­li­chen Kon­tak­ten“ und „mit sei­ner Gegen­wart“ fei­ern. Del Gat­to erklärt, daß sei­ne luzi­fe­ri­sche Bru­der­schaft auch die „inne­re, gei­sti­ge Ent­wick­lung“ pflegt. Del Gat­to fügt hin­zu: „Luzi­fer befiehlt uns uni­ver­sel­le Brü­der­lich­keit und das Stre­ben nach Glück auf die­ser Erde“ (vgl. S. 289). Sich an Satan zu wen­den und sich dem Sata­nis­mus zuzu­wen­den, bedeu­tet laut Del Gat­to nicht, Böses zu tun… Del Gat­to gibt zu, daß Satan, die Teu­fel, die wirt­schaft­li­che Macht haben, sodaß man sich ihnen nur zuwen­det, um ihre Macht anzu­er­ken­nen und um zu erhal­ten, was sie geben kön­nen, aber sicher­lich nicht, um zu ver­flu­chen. Del Gat­to will uns glau­ben machen, daß der wah­re Sata­nis­mus weder grau­sam noch blut­dür­stig ist (vgl. S. 289f)…

Del Re macht deut­lich, daß es mög­lich ist, daß Mit­glie­der sata­ni­scher Kul­te, es nicht ver­schmä­hen, dann an der katho­li­schen Sonn­tags­mes­se teil­zu­neh­men: „Am Sams­tag kann man am sata­ni­schen Ritus teil­neh­men und am Sonn­tag kann man mit Ein­satz wäh­rend der Mes­se im Chor mit­sin­gen…“ (S. 428f).

Kurz­um, auch hier zeigt sich der Ver­such zur Ver­ei­ni­gung von Gegen­sät­zen, coincidentia/​coniunctio oppo­si­torum

1.1. Der Satanismus der USI widerlegt die von Del Re vorgeschlagene Definition des „Satanismus“

Die von Del Re vor­ge­schla­ge­ne Defi­ni­ti­on, wonach Sata­nis­mus nur die Anbetung/​Verehrung Satans ist, der als rebel­li­sche und böse Kraft ver­stan­den wird, erscheint mir unzu­rei­chend und irre­füh­rend. Somit wür­den genau die Grup­pen, die sich Sata­ni­sten nen­nen, aber Satan als guten und leuch­ten­den Gott/​Wesen/​Prinzip ver­eh­ren, von der Bezeich­nung „Sata­nis­mus“ aus­ge­schlos­sen blei­ben. Außer­dem könn­te eine „enge“ Defi­ni­ti­on des Sata­nis­mus fast dazu füh­ren, daß man zwi­schen schlech­ten Sata­ni­sten (gefähr­lich) und guten Sata­ni­sten (nicht gefähr­lich) unter­schei­det… In Wirk­lich­keit ist Satan oder Luzi­fer immer gefährlich…

Zumin­dest ein Fall, der die von Del Re gege­be­ne „reduk­ti­ve“ oder „enge“ Defi­ni­ti­on des Sata­nis­mus wider­legt, ist der der Unio­ne Sata­ni­sti Ita­lia­ni (USI, Uni­on Ita­lie­ni­scher Sata­ni­sten), einer Grup­pe, die 2010 von der damals 21jährigen Jen­ni­fer Cre­pus­co­lo (in Wirk­lich­keit Jen­ni­fer Mez­zet­ta, gebo­ren 1989) gegrün­det wur­de. Die USI behaup­tet, daß „der Sata­nis­mus NICHT der Kult des Bösen“, „NICHT kri­mi­nell“, „NICHT eine Anti-Reli­gi­on“ (Groß­schrei­bung im Ori­gi­nal) ist. Die USI behaup­tet: „Der Sata­nis­mus ist der Kult der Ursprün­ge. Die Tra­di­ti­on, von der jeder ande­re Kult abstammt“, und “Satan ist Luzi­fer, der Licht­brin­ger, gewiß nicht böse, wie sie uns glau­ben machen wol­len. Satan und die Dämo­nen sind unse­re alten Göt­ter der Ursprün­ge und haben immer ver­sucht, uns Wis­sen zu ver­mit­teln. Sie sind Leh­rer und Befrei­er. Aber vor allem glau­ben sie an uns“.

Ritu­al bei einem Sata­ni­sten­tref­fen in Bos­ton 2023 mit USI-Betei­li­gung, das laut Dagos­pia mehr ein LGBTQ-Tref­fen gewe­sen sei.

Die USI ist daher als gno­sti­scher Sata­nis­mus oder Luzi­fe­ris­mus zu bezeich­nen. In jedem Fall han­delt es sich um ech­ten Sata­nis­mus, und was auch immer USI und die ver­schie­de­nen Luzi­fe­ria­ner glau­ben, Satan oder Luzi­fer ist kein wohl­tä­ti­ger und leuch­ten­der Gott, son­dern ein böses Wesen, das die Mensch­heit und sogar sei­ne eige­nen Anbe­ter haßt.

1.2. Ein weiterer AISI-Artikel über Satanismus: „Luziferismus“, die „drei Kreise“…

In „Gno­sis“ Nr. 3/​2008 (Zeit­schrift der AISI, ita­lie­ni­scher Inlands­ge­heim­dienst), die online ein­ge­se­hen wer­den kann, fin­den wir den Arti­kel „Sata­ni­sche Sek­ten zwi­schen Ritua­len und Ver­bre­chen5, der nicht unter­zeich­net ist, aber das Logo der AISI trägt. Ich hebe eini­ge Aus­zü­ge hervor.

Der Arti­kel wie­der­holt die vier­fa­che Unter­schei­dung des Sata­nis­mus, ein­schließ­lich des „Luzi­fe­ris­mus“, d. h. des manich­äi­schen oder gno­sti­schen Sata­nis­mus, der Luzi­fer als ein Wesen oder Prin­zip ver­ehrt, das gut, aber rebel­lisch und kom­ple­men­tär zum Schöp­fer­gott ist.

Gno­sis, Zeit­schrift des ita­lie­ni­schen Inlandsgeheimdienstes

Es muß zwi­schen orga­ni­sier­ten sata­ni­sti­schen Bewe­gun­gen und Do-it-yours­elf-Sata­ni­sten unter­schie­den wer­den. Die orga­ni­sier­ten Sata­ni­sten haben min­de­stens „drei Krei­se“ oder Ebe­nen: „Der ‚erste Kreis, der äuße­re Kreis‘ besteht aus Mit­glie­dern, die öffent­lich auf­tre­ten und denen des ‚mitt­le­ren Krei­ses‘, die ihnen bekannt sind, Bericht erstat­ten. Die Sata­ni­sten des mitt­le­ren Krei­ses, die den äuße­ren Kreis beauf­sich­ti­gen, bezie­hen sich dann auf den „inne­ren Kreis“, der aus unbe­kann­ten Ele­men­ten besteht. Die­se kon­zen­tri­schen Krei­se wür­den es ermög­li­chen, die Grup­pe vor Unter­wan­de­rungs­ver­su­chen und der Kon­trol­le von außen zu schüt­zen… Unge­ach­tet der Tat­sa­che, daß „eini­ge hoch­ran­gi­ge Wis­sen­schaft­ler“ Kon­tak­te zwi­schen dem orga­ni­sier­ten Sata­nis­mus und jugend­li­chen Sata­ni­sten­grup­pen leug­nen, taucht in ver­schie­de­nen Aus­sa­gen (von jun­gen Ex-Sata­ni­sten) „häu­fig die Figur einer myste­riö­sen und über­ge­ord­ne­ten Per­sön­lich­keit auf, die mit einer ande­ren sata­ni­schen ter­ri­to­ria­len Rea­li­tät ver­bun­den ist. Die­sel­ben Besti­en des Satans […] ver­kehr­ten in Turin, Rac­co­ni­gi (TO) und Biella“.

Auch in die­sem Arti­kel der AISI-Zeit­schrift ist das, was in Fuß­no­te 2 berich­tet wird, sehr inter­es­sant: „Eine Beson­der­heit der Satans­an­be­ter, ins­be­son­de­re der­je­ni­gen, die in der Gegend von Turin tätig sind, ist, daß es unter ihnen einen rele­van­ten Pro­zent­satz von Apo­the­kern gibt. Die­ser merk­wür­di­ge Umstand läßt sich dadurch erklä­ren, daß die­ser Beruf auf natür­li­che und ata­vi­sti­sche Wei­se mit alche­mi­sti­schen Prak­ti­ken ver­wandt ist. Um es kon­kre­ter aus­zu­drücken, ist es unbe­streit­bar, daß die Apo­the­ker nicht nur über tech­ni­sche Fer­tig­kei­ten im Umgang mit ver­schie­de­nen Sub­stan­zen ver­fü­gen, son­dern auch Labor­ge­rä­te benut­zen, die bei der Durch­füh­rung von Ritua­len nütz­lich sind“.

1.3. Ein Fall von kriminell organisiertem Satanismus: „Order of the Nine Angles“ (ONA/​O9A)

Der „Order of the Nine Angles“ (der Name bezieht sich auf astro­lo­gi­sche und alche­mi­sti­sche Leh­ren) ent­stand in Eng­land in den 60er und 70er Jah­ren des 20. Jahr­hun­derts. In ONAs „tra­di­tio­nel­lem Sata­nis­mus“ flie­ßen zusam­men: der „Weg der lin­ken Hand“, dämo­ni­sche Magie, Lob­prei­sung des Natio­nal­so­zia­lis­mus, Men­schen­op­fer, Ter­ro­ris­mus, Isla­mis­mus, Desta­bi­li­sie­rung und Zer­stö­rung der moder­nen west­li­chen Gesell­schaft… ONA-Grup­pen oder ‑Ver­bin­dun­gen gibt es in Groß­bri­tan­ni­en, Irland, Deutsch­land, USA, Ita­li­en, Ruß­land usw. Mas­si­mo Intro­vi­gne ist der Ansicht, daß die ONA „durch ihre streng gehei­me Tätig­keit gewach­sen und mög­li­cher­wei­se die mit­glie­der­stärk­ste sata­ni­sti­sche Orga­ni­sa­ti­on des 21. Jahr­hun­derts gewor­den ist“.

Aus einem PDF-Text der „Secun­tra Nexi­on“, der ita­lie­ni­schen Grup­pe der ONA (hier), erfah­ren wir, daß die ONA das „Schlach­ten oder Men­schen­op­fer“ recht­fer­tigt, das mit magi­schen oder prak­ti­schen Mit­teln durch­ge­führt wird, d. h. die „selek­ti­ve Eli­mi­nie­rung“, in der Tat eine Tötung von Opfern, die auf­grund ihres Cha­rak­ters und ihrer Hand­lun­gen aus­ge­wählt wer­den, z. B. Men­schen mit schwa­chem Cha­rak­ter, Ver­rä­ter.6 Das „Schlach­ten“ oder „Opfer“ ist „ein Geschenk für den Für­sten“ der Fin­ster­nis, für „Bapho­met, unse­re dunk­le und gewalt­tä­ti­ge Göt­tin“ (vgl. S. 33). Der Text wie­der­holt: „Die Opfer sind das Erle­gen von Men­schen in Akti­on“ (S. 48), „Men­schen­op­fer“, „das ech­te Satans­op­fer“ (vgl. S. 48). Die ONA, oder Secun­tra Nexion, wählt „haupt­säch­lich die gefähr­li­che und extre­me Form des tra­di­tio­nel­len Sata­nis­mus (der Ter­ro­ris­mus, Men­schen­op­fer, Kri­mi­na­li­tät und poli­ti­schen und reli­giö­sen Extre­mis­mus befür­wor­tet) als Vehi­kel für die Gegen­wart des Dunk­len und als Mit­tel zum per­sön­li­chen Nig­re­do“ (S. 6, kur­siv im Original).

Sym­bol des Order of Nine Angles

Gemäß dem ONA-Eid ist „das Schlach­ten ein not­wen­di­ger Akt des Lebens“ (vgl. Sata­ni­ca Ere­sia. Order of the Nine Angles ONA=O9A. A Gui­de to Sata­nism, her­aus­ge­ge­ben von Secun­tra Nexi­on, März 2018, PDF, S. 593), und um „sata­nisch zu leben“, muß der Sata­nist die „Welt­lin­ge“ „als Feind“ betrach­ten… Die „Welt­lin­ge“ sind all jene, die nicht zur ONA gehö­ren (vgl. S. 594)… Die ONA wie­der­holt, daß „Ernied­ri­gung (auch bekannt als Men­schen­op­fer)“ Teil des Sata­nis­mus ist (vgl. S. 8) und daß zum Sata­nis­mus „Fin­ster­nis“, „Amo­ra­li­tät“, „das Böse“ gehö­ren (vgl. S. 9). In der ONA kann das Men­schen­op­fer oder ‑schlach­ten zwei For­men anneh­men: ent­we­der „wäh­rend eines Ritu­als“ oder „durch prak­ti­sche Mit­tel (z.B. Mord/‚Unfälle’)“ (S. 427). In „authen­ti­schen sata­ni­sti­schen Grup­pen“ ist die Durch­füh­rung des Schlach­tens, sogar des „Mor­des“, „eine vor­be­rei­ten­de und wesent­li­che Vor­aus­set­zung für den Adep­ten“ (S. 427). Die ONA lobt das „Ver­bre­chen“, weil es die „Bil­dung des sata­ni­schen Cha­rak­ters“ ermög­licht und „die fin­ste­re Stra­te­gie unter­stützt“ (vgl. S. 427). Der ONA-Sata­nist, der in einem Land lebt, in dem es zum Bei­spiel ein Ver­bre­chen ist, den Holo­caust [die Shoa] zu leug­nen, muß bereit sein, sich einer rechts­extre­men Grup­pe anzu­schlie­ßen, weil er dadurch, daß er gegen das Gesetz ver­stößt, „der lin­ken Dia­lek­tik“ hilft (vgl. S. 437f)… Der ONA-Sata­nist glaubt, daß Satan die „akau­sa­le“ dunk­le Kraft ist und daß der Sata­nist „ein Teil“ der dunk­len Kräf­te wer­den muß (vgl. S. 16), „eins mit ihm wer­den“, „mit dem Akau­sa­len selbst ver­schmel­zen“, mit Satan (vgl. S. 17). Der ONA-Sata­nist will „Satan und Bapho­met“ nicht „anbe­ten“ (laut ONA ist Bapho­met das weib­li­che Gegen­stück zu Satan, die dunk­le Göt­tin), son­dern sie bewun­dern, lie­ben, sie als „Freun­de“, „unse­re Gelieb­ten“ betrach­ten (vgl. S. 31). Der wah­re Sata­nist (ONA) will sich mit Satan iden­ti­fi­zie­ren (vgl. S. 36) und „wie Satan sein“ (S. 57).

Die ONA ver­ach­tet alle ande­ren sata­ni­sti­schen Grup­pen, die ihre unver­hoh­len radi­ka­len und grau­sa­men Dok­tri­nen nicht teilen.

2. Gerhard Zacharias, Satanismus und die Vereinigung der Gegensätze (1979; 1964)

Im Buch „Der Hut des Magi­ers. Die neu­en magi­schen Bewe­gun­gen vom Spi­ri­tis­mus bis zum Sata­nis­mus7 (Sug­ar­Co Edi­zio­ni, Car­na­go 1995), nennt Mas­si­mo Intro­vi­gne Ger­hard Zacha­ri­as‘ Buch „Der dunk­le Gott. Die Über­win­dung der Spal­tung von Gut und Böse. Satans­kult und Schwar­ze Mes­se“ (drit­te, über­ar­bei­te­te Auf­la­ge, Limes Ver­lag, Wies­ba­den 1982) einen „Klas­si­ker“.

Vier zwi­schen 1964 und 1990 her­aus­ge­ge­be­ne Aus­ga­ben des Buches von Ger­hard Zacha­ri­as (1923–2000) über den Satanskult

Ich habe ein Werk von Zacha­ri­as mit einem ähn­li­chen Titel ein­ge­se­hen. Es heißt: „Satans­kult und Schwar­ze Mes­se. Ein Bei­trag zur Phä­no­me­no­lo­gie der Reli­gi­on“, F.A. Herbig Ver­lags­buch­hand­lung, Mün­chen-Ber­lin 1979. Es han­delt sich um die zwei­te Auf­la­ge. Die Erst­aus­ga­be erfolg­te im Limes Ver­lag, Wies­ba­den-Mün­chen 1964. Sehr inter­es­sant fin­de ich die Pas­sa­gen, in denen Zacha­ri­as von der Ver­ei­ni­gung von Gegen­sät­zen spricht, ein The­ma, das sich auch in dem oben erwähn­ten Hand­buch von Miche­le C. Del Re gestreift wurde.

Zacha­ri­as unter­sucht das Phä­no­men des Bösen und des Sata­nis­mus aus der Per­spek­ti­ve der Tie­fen­psy­cho­lo­gie von Carl Gustav Jung („die Tie­fen­psy­cho­lo­gie wich­ti­ges Hand­werk­zeug für unse­re Arbeit“, S. 11). Es ist zu beto­nen, daß Jungs Den­ken gno­stisch ist.

Zacha­ri­as erklärt, daß die Anbe­tung des Satans das Gegen­teil der christ­li­chen Anbe­tung ist. Das Sata­ni­sche steht in enger Ver­bin­dung mit dem Dio­ny­si­schen, mit dem dunk­len ‚Gro­ßen Weib­li­chen‘, mit sexu­el­len Hand­lun­gen (vgl. S. 9). In der grie­chi­schen Welt gibt es kei­ne Ent­spre­chung zur Figur des Satans. Es gibt aber die Gro­ße Göt­tin, die mit dem Dunk­len, der Schlan­ge, den Höh­len ver­bun­den ist (vgl. S. 15). Die grie­chi­sche Reli­gi­on kennt die Pola­ri­tät des Apol­li­nisch-Licht­vol­len und des Dio­ny­sisch-Dunk­len… In der grie­chi­schen Welt ist das Gött­li­che die Tota­li­tät des Hell-Dunk­len („die Hell-Dun­kel-Ganz­heit des Gött­li­chen in der grie­chi­schen Reli­gi­on“, S. 16).

In der ira­ni­schen Reli­gi­ons­welt hin­ge­gen gibt es den Dua­lis­mus, das Prin­zip des Guten und das Prin­zip des Bösen (den Teu­fel)… Die Tota­li­tät von hell-dun­kel des Gött­li­chen ist gebro­chen… Der Dua­lis­mus ist ein grund­le­gen­des Ele­ment der ‚Gno­sis‘… Im Alten Testa­ment und auch im Chri­sten­tum gibt es den Dua­lis­mus zwi­schen Licht und Dun­kel­heit, Gut und Böse, Gott und Satan (vgl. S. 17)…
Zacha­ri­as erklärt, daß die Kir­che die „Dämo­ni­sie­rung der dunk­len gött­li­chen Mäch­te“, das Dio­ny­si­sche, dämo­ni­siert (vgl. S. 18)… Die katho­li­sche Dog­ma­tik kon­stru­iert eine kom­plet­te Dämo­no­lo­gie, der Engel Luzi­fer (>Licht­trä­ger<) ist gegen Gott (vgl. S. 19)…

Zacha­ri­as argu­men­tiert, daß sich der Sata­nis­mus („Satans­kult“) aus dem Dua­lis­mus des Chri­sten­tums ent­wickelt… Der Satans­kult stellt einen kol­lek­ti­ven Pro­test mit destruk­ti­vem Cha­rak­ter dar, hat aber auch „eine kom­pen­sie­ren­de Funk­ti­on gegen­über der christ­lich-kirch­li­chen Tra­di­ti­on“ (S. 20).

Zacha­ri­as scheint eine gewis­se Zustim­mung zum Satans­kult zu zei­gen, wenn er „phä­no­me­no­lo­gisch“ fest­stellt, daß die­ser Kult ambi­va­lent ist: „Der Satans­kult ist also durch­aus ambi­va­lent: Er ist zer­stö­risch und schöp­fe­risch zugleich; er ten­diert – durch radi­ka­le Bekämp­fung des Bestehen­den – zur Ver­wirk­li­chung einer gran­dio­sen Ein­sei­tig­keit und eben­so – durch Reprä­sen­ta­ti­on des Dis­kri­mi­nier­ten – zur Wie­der­her­stel­lung der Ganz­heit“ (S. 20–22).

Zacha­ri­as illu­striert eine Art Geschich­te des Dämo­ni­schen: die orgia­stisch-sexu­ell-sper­ma­to­pha­gen Kul­te der gno­sti­schen Fibio­ni­ten, dann den Kult der Ophi­ten um die Gene­sis-Schlan­ge (vgl. S. 29–42), mit­tel­al­ter­li­che Hexe­rei, Fäl­le von Sata­nis­mus aus dem 17. Jahr­hun­dert (Madame de Mon­te­span), lite­ra­ri­scher Sata­nis­mus des 19. Jahr­hun­derts (Bau­de­lai­re, Car­duc­ci…), Alei­ster Crowley…

Ich wen­de mich nun dem Schluß (S. 165–172) des Buches zu. Zacha­ri­as wie­der­holt, daß es im Sata­nis­mus oder Satans­kult sowohl einen nega­tiv-destruk­ti­ven als auch einen posi­tiv-schöp­fe­ri­schen Aspekt gibt („the nega­ti­ve-des­truc­ti­ve as well as the posi­ti­ve-crea­ti­ve aspect of the cult of Satan“, S. 167).

Nach Zacha­ri­as – und damit nach gno­sti­scher Sicht­wei­se – ist in der christ­li­chen Welt das Bewußt­sein der Hell-Dun­kel-Tota­li­tät des Gött­li­chen und des Men­schen nie ganz ver­lo­ren gegan­gen. Es exi­stiert in tra­di­tio­nel­len Strö­mun­gen jen­seits des offi­zi­el­len Chri­sten­tums, und die­se Tra­di­tio­nen gip­feln in der Alche­mie, die zur Ver­ei­ni­gung der Gegen­sät­ze in der Tota­li­tät ten­diert. Wört­lich schreibt Zacha­ri­as: „Zunächst ein­mal muß gesagt wer­den, daß das Bewußt­sein der Hell-Dun­kel-Tota­li­tät des Gött­li­chen und des Mensch­li­chen in der christ­li­chen Welt nie ganz ver­lo­ren gegan­gen ist. Davon zeugt eine brei­te Tra­di­ti­ons­strö­mung, die größ­ten­teils jen­seits der offi­zi­el­len christ­li­chen Leh­re fließt. Die­se Tra­di­ti­on kul­mi­niert in der Alche­mie, deren Anfän­ge sich bis ins 3. Jahr­hun­dert n. Chr. zurück­ver­fol­gen las­sen und die im 17. Jahr­hun­dert eine wei­te­re – wenn auch epi­go­na­le – Blü­te erleb­te. Das alche­mi­sti­sche >Opus<, das, wie die heu­ti­ge Tie­fen­psy­cho­lo­gie gezeigt hat, genaue Ent­spre­chun­gen zu psy­chi­schen Pro­zes­sen auf­weist, ist getra­gen von umfas­sen­den Vor­stel­lun­gen, die immer auf eine Ver­ei­ni­gung der Gegen­sät­zen in einer Ganz­heit abzie­len“ (S. 167f, kur­siv im Original).

Zacha­ri­as stellt fest, daß auch bei den Rosen­kreu­zern die Idee der Ver­ei­ni­gung von Gegen­sät­zen von Bedeu­tung ist. Auch „in den Leh­ren und Ritua­len der heu­ti­gen Geheim­ge­sell­schaf­ten“ gibt es das­sel­be Kon­zept: die Ver­ei­ni­gung der Gegen­sät­ze, die Tota­li­tät, in der die Über­win­dung der Dua­li­tät von Licht-Fin­ster­nis stattfindet.

„Immer ist es die Kon­zep­ti­on einer den christ­li­chen Dua­lis­mus über­win­den­den Ganz­heit, einer Ver­ei­ni­gung des Hel­len und des Dunk­len, des Himm­li­schen und des Irdi­schen, des Gei­sti­gen und des Trieb­haf­ten, des Männ­li­chen und des Weib­li­chen und so fort, die wirk­sam ist“ (S. 168, Kur­siv im Text).

Lei­der geht Zacha­ri­as nicht näher auf das Vor­han­den­sein des Kon­zepts der coni­unc­tio oppo­si­torum in der Frei­mau­re­rei ein…

(Fort­set­zung folgt)

*Pater Pao­lo Maria Sia­no gehört dem Orden der Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta (FFI) an; der pro­mo­vier­te Kir­chen­hi­sto­ri­ker gilt als einer der besten katho­li­schen Ken­ner der Frei­mau­re­rei, der er meh­re­re Stan­dard­wer­ke und zahl­rei­che Auf­sät­ze gewid­met hat. Durch sei­ne Ver­öf­fent­li­chun­gen bringt er den Nach­weis, daß die Frei­mau­re­rei von Anfang an eso­te­ri­sche und gno­sti­sche Ele­men­te ent­hielt, die ihre Unver­ein­bar­keit mit der kirch­li­chen Glau­bens­leh­re begründen.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Roman/​MiL/​Dagospia (Screen­shots)


1 Vgl. Miche­le C. Del Re: Riti e cri­mi­ni del sata­nis­mo, Pubbli­ca­zio­ni del­la Facol­tà di Giuris­pru­den­za del­l’­Uni­ver­si­tà di Came­ri­no – N. 42 (Ver­öf­fent­li­chun­gen der Rechts­wis­sen­schaft­li­chen Fakul­tät, 42), Jove­ne Edi­to­re, Napo­li 1994, S. 5f.

2 Ebd. S. 19, kur­siv im Original.

3 Ebd. S. 19, Fuß­no­te 10.

4 Chie­sa Nera Luciferiana.

5„Set­te sata­ni­che tra ritua­li­tà e crimini.“

6 Vgl. Cor­pus Secun­tra. Order of the Nine Angles ONA=O9A, Secun­tra Nexi­on, Télos, 2016, pdf, S. 17 der Datei.

7 Il cap­pel­lo del mago. I nuo­vi movi­men­ti magi­ci, dal­lo spi­ri­tis­mo al satanismo.

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3 Kommentare

  1. Auch der Hei­li­ge und Kir­chen­leh­rer Alber­tus Magnus war ein Alche­mist und Magi­er, sie­he auch den Arzt van Hel­mon­te und den Heil­prak­ti­ker Para­cel­sus. Die 4 bzw. 5 Ele­men­te-Leh­re fin­det sich auch in der Bibel und bei der Hei­li­gen und Kir­chen­leh­re­rin Hil­de­gard von Bin­gen und in ihrer Hildegard-Medizin.

  2. Der Apo­stel Pau­lus zitier­te in sei­ner Areo­pag-Rede im Neu­en Testa­ment der Bibel auf dem Areo­pag in Athen die bei­den stoi­schen Dich­ter und Phi­lo­so­phen Ara­tos (zum höch­sten Gott) und Klean­thes (zum gött­li­chen LOGOS, bei ihm die „Welt­see­le“ und „Welt­ver­nunft“). Die­ser Logos der Stoi­ker war bei ihnen das natür­li­che ver­nünf­ti­ge gött­li­che Welt­ge­setz und die all­ge­mei­ne natür­li­che ver­nünf­ti­ge har­mo­ni­sche gött­li­che Schöp­fungs­ord­nung des Kosmos.

    https://​sta​tic​.uni​-graz​.at/​f​i​l​e​a​d​m​i​n​/​k​a​t​h​-​i​n​s​t​i​t​u​t​e​/​N​e​u​e​s​-​T​e​s​t​a​m​e​n​t​/​A​p​g​1​7​_​2​8​.​pdf

    Die Apo­stel­ge­schich­te, Kapi­tel 17

    https://​www​.uibk​.ac​.at/​t​h​e​o​l​/​l​e​s​e​r​a​u​m​/​b​i​b​e​l​/​a​p​g​1​7​.​h​tml

    Apg 17,28 „Denn in ihm leben wir, bewe­gen wir uns und sind wir, wie auch eini­ge von euren Dich­tern gesagt haben: Wir sind von sei­ner Art.“

    Justin der Mär­ty­rer knüpf­te mit sei­ner Logos-Theo­lo­gie an die­ses Zitat des Apo­stels Pau­lus (neben dem Logos-Begriff des Johan­nes-Evan­ge­li­ums im NT und der „Weis­heits­li­te­ra­tur“ des alten Testa­men­tes) an, der Hei­li­ge Ire­nae­us von Lyon über­nahm des­sen Logos-Theo­lo­gie von ihm und erwei­ter­te sie noch. Der Hei­li­ge Ire­nae­us von Lyon zähl­te auch noch den 1. Cle­mens­brief und den Hir­ten­brief des Her­mas zum Bibel-Kanon des Neu­en Testa­men­tes der Bibel hin­zu. Erwäh­nens­wert wäre auch noch der jüdi­sche Theo­lo­ge Philo(n) von Alex­an­dria. Cle­mens von Alex­an­dria nimmt in den Stromat­eis sehr aus­führ­lich auf ihn Bezug. Euse­bi­us erör­tert die Fra­ge nach den The­ra­peu­ten in Phi­lons Vita Con­tem­pla­ti­va und zitiert aus ver­lo­re­nen Schrif­ten Phi­lons in der Prae­pa­ra­tio Evan­ge­li­ca. Auch Orig­e­nes, Gre­gor von Nys­sa, Ambro­si­us von Mai­land, Hie­ro­ny­mus und Augu­sti­nus hat­ten ihm vie­les zu ver­dan­ken, beson­ders die alle­go­ri­sche Bibelauslegung.

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