
An sich ist der Dienstag der audienzfreie Tag des Papstes, doch auch in dieser Woche hielt sich Leo XIV. nicht daran. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob er dieses Arbeitstempo beibehalten will.
Die Entscheidungen fallen im Vatikan derzeit in schneller Abfolge. Das liegt bei einem Papstwechsel in der Natur der Sache. Über die Umbesetzung an der Spitze der Päpstlichen Akademie für das Leben wurde bereits berichtet. Auch am Päpstlichen Theologischen Institut Johannes Paul II. für Ehe- und Familienwissenschaften gab es personelle Entscheidungen. Das Institut ist die zweite vom polnischen Papst gegründete Institution zum Schutz dessen, was Benedikt XVI. die „nicht verhandelbaren Werte“ nannte, die Franziskus aber durch Kurienerzbischof Vincenzo Paglia umbauen und zahnlos machen ließ. Beide Institutionen vertraten für Santa Marta „überholte Positionen“, die eine flexible Annäherung an die Welt störten. So wurden sie unschädlich gemacht. Nun liegt es an Papst Leo XIV., diese Demontage wieder auszubügeln. Mit der Entlassung von Msgr. Paglia ist ein wichtiger Schritt gesetzt. Bei der Akademie für das Leben setzte Leo XIV. auf institutionelle Bewährung. Die wichtigere inhaltliche Korrektur darf zumindest erhofft werden.
Am Päpstlichen Institut für Ehe- und Familienwissenschaften wird hingegen auf personelle Kontinuität gesetzt. Kardinal Baldassarre Reina, der neue Großkanzler dieser akademischen Einrichtung, traf gestern ein erstes Mal mit dem Lehrkörper zusammen. Kardinal Reina ist zugleich Kardinalvikar von Rom, als Generalvikar von Papst Franziskus als Bischof von Rom für diese Diözese.
Zugleich bestätigte Reina Msgr. Philippe Bordeyne als Rektor des Instituts. Der französische Theologe war 2021 von Franziskus an die Spitze der neu ausgerichteten Institution ernannt worden. Diese Ernennung wurde als Paradigmenwechsel gesehen, denn Bordeyne ist ein Kritiker der Enzyklika Humanae vitae, die progressiven Kräften seit ihrer Veröffentlichung am 25. Juli 1968 durch Paul VI. ein Dorn im Auge ist.
Die Berufung Bordeynes wurde als klares Signal gedeutet, daß Franziskus diese Enzyklika entsorgen wollte. Das geschah nicht direkt, aber indirekt, indem sie einfach „vergessen“ wird.
Ein anderer französischer Theologe und Kritiker des bergoglianischen Pontifikats, Thibaud Collin, sagte damals:
„Kurz gesagt, die Ernennung einer Person wie Philippe Bordeyne zum Manager bestätigt, daß das Institut Johannes Paul II., das massiv Studenten verliert, aus intellektuellen Gründen seinen Namen ändern sollte. Man könnte es zum Beispiel in Institut Amoris laetitia umbenennen.“
Was bedeutet unter Leo XIV. die Bestätigung Bordeynes für die Verteidigung der Ehe- und Morallehre der Kirche?
„Tucho“ wieder bei Leo XIV.
Schon am Montag empfing Papst Leo XIV. zum zweiten Mal Glaubenspräfekt Victor Manuel „Tucho“ Kardinal Fernández in Audienz. Maßgeblicher sind die Veränderungen an der Spitze der Päpstlichen Akademie für das Leben und die Audienz, die der neue Papst Kardinal Angelo Becciu gewährte, jenem Kardinal, der einer ist und doch keiner ist.
Am 16. Mai hatte Papst Leo XIV. erstmals Kardinal Tucho Fernández, den Lieblingszögling seines Vorgängers Franziskus, in Audienz empfangen (siehe: Die Aktentasche, die uns nervös macht). Am 26. Mai folgte die zweite Audienz. Man wird sehen, wie sich die regelmäßigen Begegnungen entwickeln werden, um außerordentliche Bewegungen zu erkennen. Über den Inhalt des Gesprächs wurde, wie gewohnt, nichts bekanntgegeben.
Kardinal Becciu in Audienz
Gestern gab das vatikanische Presseamt bekannt, daß Kardinal Angelo Becciu von Leo XIV. in Audienz empfangen wurde. Der sardische Purpurträger ist jener Kardinal, von dem man nicht weiß, ob er einer ist oder eben nicht. Formal ist er es, weshalb er auch am Konklave teilnehmen wollte. Schließlich wurde er, mit welchen Argumenten auch immer, davon überzeugt, seinen Verzicht auf die Teilnahme „zum Wohle der Kirche“ zu erklären. Dafür wurde er heute zum Papst vorgelassen.
Becciu war lange Jahre Substitut am vatikanischen Staatssekretariat, bis ihn Franziskus wegen Meinungsverschiedenheiten mit dem Kardinalstaatssekretär von dort abzog und zum Präfekten der Heiligsprechungskongregation ernannte und zugleich zum Kardinal beförderte. Dann explodierte der Skandal um Fehlinvestitionen des Heiligen Stuhls in Londoner Luxusimmobilien, die für den Vatikan den Verlust von Millionen Pfund im dreistelligen Bereich kostete. Die Immobilientransaktion war über Beccius Schreibtisch gegangen. Er mußte als Präfekt zurücktreten und auf seine Vorrechte als Purpurträger verzichten, konnte jedoch seine Kardinalswürde behalten, da er Franziskus treu ergeben war.
Ende 2023 wurde Kardinal Becciu wegen Betrugs und Veruntreuung von einem vatikanischen Gericht zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte sieben Jahre und drei Monate gefordert. Das Verfahren ist noch anhängig.
Becciu beharrt auf seiner Unschuld und hielt sich auch nicht an die angeblich mit Franziskus getroffene Vereinbarung, nicht mehr die Kardinalsinsignien zu tragen. Da es deshalb keine Konsequenzen gab, war es offensichtlich, daß Franziskus weiterhin seine schützende Hand über Becciu hielt.
Die Audienz bei Papst Leo XIV. dürfte dem Versuch gegolten haben, den künftigen Status von Becciu als Kardinal zu klären.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanMedia (Screenshot)
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