Leo XIV.: Frieden in der Welt und Einheit in der Kirche

Es gibt keinen anderen Weg, als die Dokumente der Spaltung von Franziskus aufzuheben, zu korrigieren oder zu ignorieren


Papst Leo XIV.
Papst Leo XIV.

Von Rober­to de Mattei*

Anzei­ge

Zwei Wor­te tau­chen in den Reden von Papst Leo XIV. gleich zu Beginn sei­nes Pon­ti­fi­kats immer wie­der auf: „Frie­den“ und „Ein­heit“. Frie­den ist das, was der Papst ange­sichts eines inter­na­tio­na­len Sze­na­ri­os beschwört, das er im Regi­na Coeli vom 12. Mai als „dra­ma­tisch“ bezeich­ne­te. Ein­heit ist das, was die Kir­che braucht, um einer zer­split­ter­ten Welt zu begeg­nen, wie er in sei­ner Inthro­ni­sa­ti­ons­re­de am 18. Mai erklärte.

Die Welt ist in der Tat von geo­po­li­ti­schen Kon­flik­ten zer­ris­sen, aber Papst Leo weiß sehr wohl, daß auch die Kir­che nach dem Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus inner­lich tief gespal­ten ist, und er wünscht sich statt­des­sen „eine geein­te Kir­che, die zum Sau­er­teig für eine ver­söhn­te Welt wird“.

Der Frie­de sei mit euch allen!“, rief Leo XIV. aus, als er sich am Abend sei­ner Wahl von der Segens­log­gia aus der Welt zeig­te. Der Papst beton­te jedoch, daß es sich um den „Frie­den des auf­er­stan­de­nen Chri­stus“ han­de­le, „einen ent­waff­nen­den Frie­den und einen ent­waff­nen­den, demü­ti­gen und beharr­li­chen Frie­den“, der von Gott kom­me. Des­halb erin­ner­te der Papst in sei­ner Rede am 14. Mai anläß­lich der Hei­lig-Jahr-Wall­fahrt der unier­ten Ost­kir­chen nach Rom dar­an, daß der Frie­de, von dem er spricht, der Frie­de Chri­sti ist, der sei­nen Jün­gern sagt: „Ich las­se euch den Frie­den, ich gebe euch mei­nen Frie­den. Nicht wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch“ (Joh 14,27). „Der Frie­de Chri­sti“, erklär­te Papst Leo, „ist nicht die Gra­bes­stil­le nach einem Kon­flikt, er ist nicht das Ergeb­nis von Unter­drückung, son­dern er ist ein Geschenk, das die Men­schen anschaut und ihr Leben reak­ti­viert. „Wer mehr als ihr“, füg­te der Papst hin­zu, „kann Wor­te der Hoff­nung sin­gen im Abgrund der Gewalt? Es ist wahr: vom Hei­li­gen Land bis zur Ukrai­ne, vom Liba­non bis nach Syri­en, vom Nahen Osten bis nach Tigray und in den Kau­ka­sus, wie­viel Gewalt! Und über all die­sem Grau­en, über den Mas­sa­kern an so vie­len jun­gen Men­schen, die Empö­rung her­vor­ru­fen soll­ten, weil im Namen mili­tä­ri­scher Erobe­run­gen Men­schen ster­ben, erhebt sich ein Appell: nicht der des Pap­stes, son­dern der Chri­sti, der wie­der­holt: Frie­de sei mit euch!“

Eben­so ist die Ein­heit, die der Papst beschwört, nicht die der Welt, son­dern die Chri­sti, wie er am 18. Mai in der Mes­se zu Beginn sei­nes Pon­ti­fi­kats bekräf­tig­te: „Wir wol­len der Welt in Demut und Freu­de sagen: Schaut auf Chri­stus! Kommt Ihm näher! Nehmt sein Wort an, das euch erleuch­tet und trö­stet! Hört auf sei­nen Vor­schlag der Lie­be, um sei­ne eine Fami­lie zu wer­den: In dem einen Chri­stus sind wir eins“.

Das Mot­to von Papst Leo XIV. „In dem einen Chri­stus sind wir eins“ bezieht sich direkt auf das Gebet Jesu im Johan­nes­evan­ge­li­um, das der hei­li­ge Pius X. in sei­nem Apo­sto­li­schen Schrei­ben Quo­ties ani­mum vom 2. Febru­ar 1911 mit fol­gen­den Wor­ten kom­men­tiert hat: „Wenn wir an die Gebe­te den­ken, die Chri­stus an den ewi­gen Vater gerich­tet hat und die im 17. Kapi­tel des Johan­nes­evan­ge­li­ums auf­ge­zeich­net sind, sind wir immer tief bewegt und ver­spü­ren den sehn­li­chen Wunsch, daß die Schar der Gläu­bi­gen zu jenem Grad der Lie­be gelan­gen möge, der sie alle „ein Herz und eine See­le“ (Apg 4,32) wer­den läßt. Wie sehr der gött­li­che Mei­ster die­se brü­der­li­che Ver­ei­ni­gung wünsch­te, zeigt sich deut­lich in dem Gebet, das er für die Apo­stel sprach: ‚Hei­li­ger Vater, bewah­re in dei­nem Namen die, die du mir anver­traut hast, damit sie eins sei­en, wie wir eins sind‘ (Joh 17,11)“.

Die­se Wor­te“, fährt der hei­li­ge Pius X. fort, „bezie­hen sich nicht nur auf das Apo­stel­kol­le­gi­um, son­dern die Ein­heit, von der in ihnen die Rede ist, muß die aller Die­ner Chri­sti sein, wie die fol­gen­den Wor­te gut zei­gen: ‚Nicht für die­se allein bete ich, son­dern auch für die, die durch ihr Wort an mich glau­ben wer­den: daß sie alle eins sei­en, wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, damit auch sie in uns eins sei­en, damit die Welt glau­be, daß du mich gesandt hast‘ (Joh 17–20–21). Wie eng die­se Ver­ei­ni­gung sein muß, bezeu­gen die­se glü­hen­den Wor­te: ‚Ich in ihnen und ihr in mir, damit sie in der Ein­heit voll­kom­men sind‘ (Joh 17,23)“.

Die Kir­che ist eine uni­ver­sa­le Gesell­schaft, die dazu bestimmt ist, alle Völ­ker der Erde zu einer ein­zi­gen Fami­lie zu ver­ei­nen. Ihre Ein­heit ist die des glei­chen Glau­bens, der glei­chen Hoff­nung und der glei­chen Lie­be, wie sie die Apo­stel im „Cor unum et ani­ma una“ [ein Herz und eine See­le] der ersten Jahr­hun­der­te vereinte.

Das Jahr 2025 mar­kiert zwei wich­ti­ge Jah­res­ta­ge in der Geschich­te der Kir­che. Der erste ist die Ver­kün­di­gung der Enzy­kli­ka Quas pri­mas am 11. Dezem­ber 1925. In die­sem Doku­ment bekräf­tig­te Pius XI. unter Bezug­nah­me auf Leo XIII., daß das gan­ze Men­schen­ge­schlecht unter der Macht Jesu Chri­sti steht und „die in der Gesell­schaft ver­ei­nig­ten Men­schen nicht weni­ger unter der Macht Chri­sti ste­hen als die ein­zel­nen Men­schen“, und füg­te hin­zu: „O wel­chen Glückes könn­ten wir uns freu­en, wenn Ein­zel­men­schen wie Fami­li­en und Staa­ten sich von Chri­stus lei­ten lie­ßen! «Dann end­lich wird man, um die Wor­te Unse­res Vor­gän­gers Leo XIII. zu gebrau­chen, die er vor 25 Jah­ren an die Bischö­fe des Erd­krei­ses rich­te­te (Annum sanc­tum, 25. Mai 1899), so vie­le Wun­den hei­len kön­nen, dann wird jedes Recht sei­ne ursprüng­li­che Kraft wie­der erlan­gen, dann end­lich wer­den die kost­ba­ren Güter des Frie­dens wie­der­keh­ren, und es wer­den die Schwer­ter und Waf­fen den Hän­den ent­glei­ten, wenn alle bereit­wil­lig Chri­sti Herr­schaft anneh­men und ihm gehor­chen wer­den, wenn jede Zun­ge beken­nen wird, daß der Herr Jesus Chri­stus in der Herr­lich­keit Got­tes des Vaters ist“.»

Chri­stus herr­sche!“, schloß der Papst: „Chri­stus soll also herr­schen über den Ver­stand des Men­schen, der in voll­kom­me­ner Unter­wer­fung sei­ner selbst den geof­fen­bar­ten Wahr­hei­ten, den Leh­ren Chri­sti fest und bestän­dig bei­pflich­ten muß; herr­schen soll Chri­stus über den Wil­len, der den gött­li­chen Geset­zen und Vor­schrif­ten fol­gen muß; herr­schen soll er über das Herz, das die natür­li­chen Gefüh­le zurück­drän­gen und Gott über alles lie­ben und ihm allein anhan­gen muß; herr­schen soll er im Lei­be und in sei­nen Glie­dern, die als Werk­zeu­ge oder, um mit dem Apo­stel Pau­lus zu reden, als Waf­fen der Gerech­tig­keit für Gott (Röm 6,13) zur inne­ren Hei­li­gung der See­le die­nen sollen“.

Der zwei­te Jah­res­tag, den wir in die­sem Jahr bege­hen, ist der 1700. Jah­res­tag des Kon­zils von Niz­äa, das im Jahr 325 die Gott­heit Chri­sti [„wah­rer Gott vom wah­ren Gott“] dog­ma­tisch gegen die aria­ni­sche Häre­sie defi­nier­te. Die Stim­me des hei­li­gen Atha­na­si­us, des furcht­lo­sen Kämp­fers gegen häre­ti­sche Bischö­fe und Prie­ster, dringt aus dem 4. Jahr­hun­dert in unse­re Tage: „Die Ord­nung und die Geset­ze der Kir­che stam­men nicht erst von heu­te. Sie wur­den uns von den Vätern voll­kom­men und sicher über­lie­fert. Der Glau­be hat nicht erst heu­te begon­nen, son­dern ist vom Herrn durch sei­ne Jün­ger zu uns gekom­men. Las­sen wir also in unse­rer Zeit nicht die Über­lie­fe­rung, die in den Kir­chen von Anfang an bewahrt wur­de, im Stich; noch sei­en wir dem, was uns anver­traut wur­de, untreu! Ihr, Brü­der, als Ver­wal­ter der Geheim­nis­se Got­tes, laßt euch erschüt­tern, da uns alles weg­ge­nom­men wird“ (P.G., Bd. 27, Slg. 239–240).

Wenn Papst Leo XIV. die inne­re Ein­heit der Kir­che wie­der­her­stel­len will, gibt es kei­nen ande­ren Weg, als das Schrei­ben Amo­ris laeti­tia vom 19. März 2016, das Doku­ment von Abu Dha­bi über die Brü­der­lich­keit der Men­schen vom 4. Febru­ar 2019, das Schrei­ben Tra­di­tio­nis cus­to­des vom 16. Juli 2021, die Erklä­rung Fidu­cia sup­pli­cans vom 18. Dezem­ber 2023, die so vie­le Spal­tun­gen unter den Katho­li­ken ver­ur­sacht haben, auf­zu­he­ben, zu kor­ri­gie­ren oder zu igno­rie­ren, unter Inkauf­nah­me aller Ver­fol­gun­gen, die dies mit sich brin­gen wird: ein sicher­lich mora­li­sches, wenn nicht blu­ti­ges Martyrium.

Aber hat er nicht selbst das Bei­spiel des hei­li­gen Igna­ti­us von Antio­chi­en genannt? „Igna­ti­us von Antio­chi­en, als er in Ket­ten in die­se Stadt gebracht wur­de, an den Ort sei­nes nahen­den Lebens­op­fers, schrieb er an die Chri­sten dort: »Dann wer­de ich wirk­lich ein Jün­ger Jesu Chri­sti sein, wenn die Welt mei­nen Leib nicht mehr sieht« (Brief an die Römer, IV, 1). Er bezog sich dar­auf, daß er im Zir­kus von wil­den Tie­ren ver­schlun­gen wer­den wür­de – und so geschah es –, doch sei­ne Wor­te ver­wei­sen in einem all­ge­mei­ne­ren Sinn auf eine unver­zicht­ba­re Anfor­de­rung für alle, die in der Kir­che ein Lei­tungs­amt aus­üben: zu ver­schwin­den, damit Chri­stus bleibt, sich klein zu machen, damit er erkannt und ver­herr­licht wird (vgl. Joh 3,30), sich ganz und gar dafür ein­zu­set­zen, daß nie­man­dem die Mög­lich­keit fehlt, ihn zu erken­nen und zu lie­ben. Gott gebe mir die­se Gna­de, heu­te und immer, mit der Hil­fe der lie­be­vol­len Für­spra­che Mari­as, der Mut­ter der Kirche.“

Unser Gebet lau­tet nicht anders: Möge der Hei­li­ge Vater Leo XIV. die­se Gna­de emp­fan­gen und er mit Hil­fe der Got­tes­mut­ter hel­den­haft dar­auf antworten.

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017, und Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil. Eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, 2. erw. Aus­ga­be, Bobin­gen 2011.
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Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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