„In der Liebe gilt kein Berechnen“

Mittwochskatechese


Papst Leo XIV. hielt heute die erste Generalaudienz seines Pontifikats ab
Papst Leo XIV. hielt heute die erste Generalaudienz seines Pontifikats ab

Heu­te hielt Papst Leo XIV. sei­ne erste Gene­ral­au­di­enz auf dem Peters­platz ab. Damit nimmt Katho​li​sches​.info die Ver­öf­fent­li­chung der päpst­li­chen Kate­che­sen wie­der auf, die wir im Lau­fe des Pon­ti­fi­kats von Fran­zis­kus abge­bro­chen hat­ten, weil die Dis­kre­panz zwi­schen den offen­bar nur neben­säch­li­chen und offen­sicht­lich nicht von Fran­zis­kus ver­faß­ten Kate­che­sen und dem tat­säch­li­chen Pon­ti­fi­kat und dem Gewicht, das Rand­er­schei­nun­gen rund um die Gene­ral­au­di­en­zen zuge­mes­sen wur­de, ekla­tant gewor­den war. Mit dem neu­en Pon­ti­fi­kat und der Wie­der­auf­nah­me der Gene­ral­au­di­en­zen keh­ren auch wir zur ursprüng­li­chen Ver­öf­fent­li­chungs­pra­xis zurück. Hier die Kate­che­se der ersten Gene­ral­au­di­enz von Leo XIV.:

Liebe Brüder und Schwestern!

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Ich freue mich, Euch zu mei­ner ersten Gene­ral­au­di­enz begrü­ßen zu dür­fen. Heu­te set­ze ich den von Papst Fran­zis­kus begon­ne­nen Zyklus der Hei­lig­jahr-Kate­che­sen zum The­ma „Jesus Chri­stus unse­re Hoff­nung“ fort.

Heu­te set­zen wir die Betrach­tung der Gleich­nis­se Jesu fort, die uns hel­fen, die Hoff­nung neu zu ent­decken, weil sie uns zei­gen, wie Gott in der Geschich­te wirkt. Heu­te möch­te ich bei einem Gleich­nis ste­hen blei­ben, das etwas Beson­de­res ist, weil es eine Art Ein­füh­rung in alle Gleich­nis­se ist. Es han­delt sich um das Gleich­nis vom Sämann (vgl. Mt 13,1–17). In gewis­ser Wei­se kön­nen wir in die­ser Geschich­te die Art der Kom­mu­ni­ka­ti­on Jesu erken­nen, die uns so viel für die heu­ti­ge Ver­kün­di­gung des Evan­ge­li­ums leh­ren kann.

Jedes Gleich­nis erzählt eine Geschich­te, die dem All­tag ent­nom­men ist, und doch will es uns etwas mehr sagen, uns auf einen tie­fe­ren Sinn ver­wei­sen. Das Gleich­nis wirft Fra­gen in uns auf, lädt uns ein, nicht beim Schein ste­hen zu blei­ben. Ange­sichts der Geschich­te, die erzählt wird, oder des Bil­des, das mir gege­ben wird, kann ich mich fra­gen: Wo bin ich in die­ser Geschich­te? Was sagt die­ses Bild über mein Leben aus? Der Begriff Gleich­nis kommt tat­säch­lich vom grie­chi­schen Verb para­bal­l­ein, was soviel wie vor­wer­fen bedeu­tet. Das Gleich­nis wirft mir ein Wort vor, das mich pro­vo­ziert und mich ver­an­laßt, mich selbst zu hinterfragen.

Das Gleich­nis vom Sämann spricht genau von der Dyna­mik des Wor­tes Got­tes und den Wir­kun­gen, die es her­vor­bringt. In der Tat ist jedes Wort des Evan­ge­li­ums wie ein Same, der in den Boden unse­res Lebens gesät wird. Jesus ver­wen­det das Bild des Samen­korns oft, mit unter­schied­li­chen Bedeu­tun­gen. Im 13. Kapi­tel des Mat­thä­us­evan­ge­li­ums lei­tet das Gleich­nis vom Sämann eine Rei­he wei­te­rer klei­ner Gleich­nis­se ein, von denen eini­ge genau von dem spre­chen, was im Boden geschieht: der Wei­zen und das Unkraut, das Senf­korn, der im Acker ver­bor­ge­ne Schatz. Was ist nun die­ser Boden? Es ist unser Herz, aber es ist auch die Welt, die Gemein­schaft, die Kir­che. Das Wort Got­tes befruch­tet und pro­vo­ziert in der Tat jede Realität.

Am Anfang sehen wir, wie Jesus das Haus ver­läßt und sich eine gro­ße Men­schen­men­ge um ihn ver­sam­melt (vgl. Mt 13,1). Sein Wort fas­zi­niert und ver­blüfft. Unter den Men­schen gibt es offen­sicht­lich vie­le ver­schie­de­ne Situa­tio­nen. Das Wort Jesu ist für alle da, aber es wirkt in jedem auf ande­re Wei­se. Die­ser Kon­text ermög­licht es uns, die Bedeu­tung des Gleich­nis­ses bes­ser zu verstehen.

Ein ziem­lich ori­gi­nel­ler Sämann geht hin­aus, um zu säen, aber es ist ihm egal, wohin die Saat fällt. Er sät die Saat auch dort aus, wo sie wahr­schein­lich kei­ne Früch­te tra­gen wird: auf dem Weg, zwi­schen den Stei­nen, in den Brom­bee­ren. Die­se Hal­tung erstaunt den Zuhö­rer und läßt ihn fra­gen: Wie kommt das?

Wir sind es gewohnt, Din­ge zu berech­nen – und manch­mal ist das auch not­wen­dig –, aber in der Lie­be gilt das nicht! Die Art und Wei­se, wie die­ser „ver­schwen­de­ri­sche“ Sämann den Samen aus­sät, ist ein Bild für die Art und Wei­se, wie Gott uns liebt. Denn es ist wahr, daß das Schick­sal des Samens auch davon abhängt, wie der Boden ihn auf­nimmt und in wel­cher Situa­ti­on er sich befin­det, aber vor allem sagt uns Jesus in die­sem Gleich­nis, daß Gott den Samen sei­nes Wor­tes auf alle Arten von Boden sät, das heißt, in jede unse­rer Situa­tio­nen: Manch­mal sind wir eher ober­fläch­lich und abge­lenkt, manch­mal las­sen wir uns von der Begei­ste­rung mit­rei­ßen, manch­mal sind wir von den Sor­gen des Lebens bela­stet, aber es gibt auch Zei­ten, in denen wir ver­füg­bar und auf­nah­me­be­reit sind. Gott ist zuver­sicht­lich und hofft, daß die Saat frü­her oder spä­ter auf­ge­hen wird. So liebt er uns: Er war­tet nicht dar­auf, daß wir der beste Boden wer­den, er gibt uns immer groß­zü­gig sein Wort. Wenn wir sehen, daß er uns ver­traut, wird in uns viel­leicht der Wunsch gebo­ren, bes­se­rer Boden zu sein. Das ist die Hoff­nung, die sich auf den Fel­sen der Groß­zü­gig­keit und Barm­her­zig­keit Got­tes gründet.

Indem Jesus erzählt, wie der Same Frucht bringt, spricht er auch über sein Leben. Jesus ist das Wort, er ist der Same. Und damit der Same Frucht bringt, muß er ster­ben. Die­ses Gleich­nis sagt uns also, daß Gott bereit ist, sich für uns zu „ver­geu­den“, und daß Jesus bereit ist zu ster­ben, um unser Leben zu verändern.

Ich den­ke dabei an das schö­ne Gemäl­de von Van Gogh: „Der Sämann im Son­nen­un­ter­gang“. Das Bild des Sämanns in der glei­ßen­den Son­ne spricht für mich auch von der Mühe des Bau­ern. Und es fällt mir auf, dass Van Gogh hin­ter dem Sämann das bereits rei­fe Korn dar­ge­stellt hat. Das scheint mir ein Bild der Hoff­nung zu sein: Auf die eine oder ande­re Wei­se hat die Saat Früch­te getra­gen. Wir wis­sen nicht genau wie, aber es ist gesche­hen. Im Mit­tel­punkt der Sze­ne steht jedoch nicht der Sämann, der an der Sei­te steht, son­dern das gan­ze Bild wird von der Son­ne beherrscht, viel­leicht um uns dar­an zu erin­nern, daß es Gott ist, der die Geschich­te bewegt, auch wenn er manch­mal abwe­send oder weit ent­fernt scheint. Es ist die Son­ne, die die Erd­schol­len erwärmt und das Saat­gut rei­fen läßt.

Lie­be Brü­der und Schwe­stern, in wel­cher Situa­ti­on des Lebens erreicht uns heu­te das Wort Got­tes? Bit­ten wir den Herrn um die Gna­de, die­sen Samen, der sein Wort ist, immer wie­der auf­zu­neh­men. Und wenn wir fest­stel­len, daß wir kein frucht­ba­rer Boden sind, las­sen wir uns nicht ent­mu­ti­gen, son­dern bit­ten wir Ihn, uns erneut zu bear­bei­ten, um uns zu einem bes­se­ren Boden zu machen.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

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Vergelt’s Gott!

 




 

3 Kommentare

  1. Jor­dan Peter­son hat dazu einen sei­ner kur­zen Lehr­sät­ze for­mu­liert: „Die Wahr­heit ist etwas, was brennt. Es brennt das Tot­holz ab. Die Leu­te mögen es meist nicht, daß ihr Tot­holz abbrennt, weil sie zu 95% Tot­holz sind.“

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