„Glaubensgehorsam“ als Ergebnis von Anstrengung, inneren und äußeren Kämpfen

Papst Leo XIV. in Sankt Paul vor den Mauern


Leo XIV. kniet in Sankt Paul vor den Mauern
Leo XIV. kniet in Sankt Paul vor den Mauern

Gestern besuch­te Papst Leo XIV. erst­mals als Kir­chen­ober­haupt die Patri­ar­chal­ba­si­li­ka Sankt Paul vor den Mau­ern und bete­te am Grab des Völ­ker­apo­stels. Was am 9. Mai vom Amt für die lit­ur­gi­schen Fei­ern des Pap­stes als Inbe­sitz­nah­me (pos­ses­sio) die­ser Basi­li­ca mai­or ange­kün­digt wor­den war, wur­de dann auf der offi­zi­el­len Inter­net­sei­te des Hei­li­gen Stuhls nur mehr als ein­fa­cher „Besuch“ prä­sen­tiert, als „Besuch am Grab des hei­li­gen Paulus“.

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Da es noch nicht erwähnt wur­de: Und Papst Leo XIV. kniet. Er macht Knie­beu­gen und kniet beim per­sön­li­chen Gebet. Nach­dem die Chri­sten­heit in den ver­gan­ge­nen zwölf Jah­ren durch den Argen­ti­ni­er wenig ver­wöhnt war, hat sie nun wie­der einen Papst, der kniet. Eigent­lich eine Selbst­ver­ständ­lich­keit, doch nach dem in den ver­gan­ge­nen Jah­ren Erleb­ten: DEO GRATIAS.

Für jene, die sich nicht mehr erin­nern soll­ten: Fran­zis­kus knie­te nicht (außer bei der Fuß­wa­schung am Grün­don­ners­tag, den er jedoch aus­nahms­los – auch eine ganz selt­sa­me Marot­te von ihm – hin­ter irgend­wel­chen Mau­ern für sei­ne Diö­ze­se und die Gesamt­heit der Gläu­bi­gen unsicht­bar mach­te). Und er knie­te nie, auch nicht vor dem zur Anbe­tung aus­ge­setz­ten Aller­hei­lig­sten, und tat dies, ohne daß der Hei­li­ge Stuhl jemals dafür eine Erklä­rung abge­ge­ben hät­te. Die ent­schul­di­gen­den Erklä­run­gen, die kur­sier­ten, waren nur wohl­wol­len­de Gerüch­te. Fran­zis­kus sah es nicht der Mühe wert, obwohl die Spe­ku­la­tio­nen und das Rau­nen dar­über natür­lich auch ihn erreich­ten, die­se Unter­las­sung der phy­si­schen und sicht­ba­ren Anbe­tung Got­tes zu begründen.

Leo XIV. ist auch dies­be­züg­lich mit gro­ßer Selbst­ver­ständ­lich­keit zur tra­di­tio­nel­len Pra­xis zurückgekehrt.

Auch die Spra­che des neu­en Pap­stes ist eine ganz ande­re, inhalts­tie­fe­re, aus­sa­ge­stär­ke­re und erha­be­ne­re als die manch­mal bis zur Uner­träg­lich­keit gestei­ger­te Platt­heit, mit der sein Vor­gän­ger gespro­chen hat­te. Von des­sen inhalt­lich zwei­fel­haf­ten Aus­sa­gen ein­mal ganz abgesehen.

Leo XIV. sprach gestern in Sankt Paul vor den Mau­ern von „Glau­bens­ge­hor­sam“. Das ist ein Begriff, den Fran­zis­kus nie ver­wen­de­te. Eine sprach­li­che Annä­he­rung dar­an fin­det sich nur in sei­ner ersten Enzy­kli­ka Lumen fidei von Juni 2013, die er aller­dings von Bene­dikt XVI. über­nom­men hat­te, der die­se bereits vor sei­nem bis heu­te rät­sel­haf­ten Rück­tritt aus­ge­ar­bei­tet hatte.

Bei sei­nem gest­ri­gen Besuch in Sankt Paul vor den Mau­ern sag­te Leo XIV. in einer Ansprache:

BESUCH AM GRAB DES HEILIGEN PAULUS

HOMILIE DES HEILIGEN VATERS 

Basi­li­ka St. Paul vor den Mau­ern
Diens­tag, 20. Mai 2025

„Der Abschnitt aus der Hei­li­gen Schrift, den wir gehört haben, ist der Anfang eines wun­der­ba­ren Brie­fes des hei­li­gen Pau­lus an die Chri­sten in Rom, des­sen Bot­schaft drei bedeu­ten­de The­men umfaßt: die Gna­de, den Glau­ben und die Gerech­tig­keit. Ver­trau­en wir den Beginn die­ses neu­en Pon­ti­fi­kats der Für­spra­che des Völ­ker­apo­stels an und den­ken wir gemein­sam über sei­ne Bot­schaft nach.

Leo XIV. auf dem päpst­li­chen Thron

Der hei­li­ge Pau­lus sagt zual­ler­erst, daß er die Gna­de der Beru­fung von Gott erhal­ten habe (vgl. Röm 1,5). Er erkennt also, daß sei­ne Begeg­nung mit Chri­stus und sein Dienst mit jener Lie­be ver­bun­den sind, mit der Gott ihm zuvor­ge­kom­men ist und ihn zu einem neu­en Leben beru­fen hat, als er vom Evan­ge­li­um noch weit ent­fernt war und die Kir­che ver­folg­te. Der hei­li­ge Augu­sti­nus – eben­falls ein Kon­ver­tit – spricht von der­sel­ben Erfah­rung, wenn er sagt: »Was wer­den wir wäh­len kön­nen, wenn wir nicht zuvor selbst erwählt wor­den sind? Denn wenn wir nicht zuvor geliebt wor­den sind, kön­nen wir noch nicht ein­mal lie­ben« (Ser­mo 34, 2). Am Ursprung jeder Beru­fung steht Gott: Sei­ne Barm­her­zig­keit und sei­ne Güte sind so groß­her­zig wie die einer Mut­ter (vgl. Jes 66,12–14), die ihr Kind auf natür­li­che Wei­se durch ihren eige­nen Leib nährt, solan­ge es noch nicht in der Lage ist, sich selbst zu ernäh­ren (vgl. Hl. Augu­sti­nus, Enarr. in Ps. 130, 9).

Pau­lus spricht jedoch im sel­ben Abschnitt auch vom »Glau­bens­ge­hor­sam« (Röm 1,5) und teilt wie­der­um die Erfah­run­gen, die er gemacht hat. Als der Herr ihm auf dem Weg nach Damas­kus erschie­nen ist (vgl. Apg 9,1–30), hat er ihm näm­lich nicht sei­ne Frei­heit genom­men, son­dern die Mög­lich­keit einer Wahl gelas­sen, eines Gehor­sams als Ergeb­nis von Anstren­gung, inne­ren und äuße­ren Kämp­fen, denen er sich zu stel­len bereit war. Die Erlö­sung ereig­net sich nicht wie von Zau­ber­hand, son­dern durch ein Geheim­nis der Gna­de und des Glau­bens, der zuvor­kom­men­den Lie­be Got­tes sowie der ver­trau­ens­vol­len und frei­en Zustim­mung des Men­schen (vgl. 2 Tim 1,12).

Wäh­rend wir also dem Herrn für die Beru­fung dan­ken, durch die er das Leben des Sau­lus ver­wan­delt hat, bit­ten wir ihn dar­um, daß wir auf die­sel­be Wei­se auf sei­ne Ein­la­dun­gen ant­wor­ten kön­nen, indem wir Zeu­gen jener Lie­be wer­den, die »aus­ge­gos­sen [ist] in unse­re Her­zen durch den Hei­li­gen Geist, der uns gege­ben ist« (Röm 5,5). Wir bit­ten ihn, daß wir fähig wer­den, sei­ne Lie­be zu pfle­gen und wei­ter­zu­ge­ben, indem wir ein­an­der zu Näch­sten wer­den (vgl. Fran­zis­kus, Homi­lie bei der zwei­ten Ves­per am Hoch­fest der Bekeh­rung des Apo­stels Pau­lus, 25. Janu­ar 2024) und zwar in dem­sel­ben Eifer an Lie­be, der den ein­sti­gen Ver­fol­ger seit der Begeg­nung mit Chri­stus dazu gedrängt hat, „allen alles zu wer­den“ – bis zum Mar­ty­ri­um (vgl. 1 Kor 9,19–23). So wird sich für uns wie für ihn in der Schwä­che des Flei­sches die Kraft des Glau­bens an Gott offen­ba­ren, der gerecht macht (vgl. Röm 5,1–5).

Die­se Basi­li­ka ist seit Jahr­hun­der­ten der Obhut einer Bene­dik­ti­ner­ge­mein­schaft anver­traut. Wie könn­te man da, wenn von der Lie­be als Quel­le und Trieb­kraft der Ver­kün­di­gung des Evan­ge­li­ums die Rede ist (vgl. Regel, Kap. LIII; LXIII), die ein­dring­li­chen Wor­te des hei­li­gen Bene­dikt ver­ges­sen, mit denen er in sei­ner Regel an die brü­der­li­che Lie­be im Klo­ster und an die Gast­freund­schaft gegen­über allen Men­schen appelliert?

Schlie­ßen möch­te ich jedoch mit den Wor­ten, die mehr als tau­send Jah­re spä­ter ein ande­rer Bene­dikt, Papst Bene­dikt XVI., an die Jugend­li­chen rich­te­te: »Lie­be Freun­de«, sag­te er, »Gott liebt uns. Das ist die gro­ße Wahr­heit unse­res Lebens, die allem ande­ren Sinn gibt. […] am Anfang unse­rer Exi­stenz gibt es einen Lie­bes­plan Got­tes«, und der Glau­be ist es, der »uns die­sem Geheim­nis der Lie­be unser Herz öff­nen läßt und als Men­schen leben läßt, die sich von Gott geliebt wis­sen« (Homi­lie bei der Gebets­vi­gil mit den Jugend­li­chen, Madrid, 20. August 2011).

Dies ist die schlich­te und ein­zi­ge Wur­zel jeder Sen­dung, auch der mei­nen als Nach­fol­ger Petri und Erbe des apo­sto­li­schen Eifers des Pau­lus. Der Herr schen­ke mir die Gna­de, sei­nem Ruf treu zu folgen.“

Papst Leo XIV. ver­harr­te kniend am Grab des Apo­stel­für­sten Paulus

Text/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

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