
Mit einer Mischung aus Ernst, Ironie und vielleicht auch einer Spur Sarkasmus kommentierte Secretum meum mihi Fotos, die nach der ersten Privataudienz von Glaubenspräfekt Kardinal Victor Manuel Fernández bei Papst Leo XIV. veröffentlicht wurden, mit den Worten: „Die Aktentasche, die uns nervös macht“.
Kardinal Fernández, genannt „Tucho“, nimmt, so der verbreitete Tenor, unter den unsäglichen Gestalten des bergoglianischen Pontifikats den ersten Platz ein. Seine gesamte Karriere der vergangenen drei Jahrzehnte verdankt der 62jährige Argentinier mit wenig schmeichelhaften Betitelungen wie „Pornopräfekt“ seinem Mentor Jorge Mario Bergoglio. In der Ernennung Tuchos zum Glaubenspräfekten der heiligen Kirche und seiner Kreierung zum Kardinal sehen Beobachter eine speziell bergoglianische Art, eine Verachtung des einstigen Heiligen Offiziums (der Glaubenskongregation) zu zeigen und dieses zu demontieren.
Wann wird Kardinal Fernández abgelöst?
Fernández trat sein Amt an der Römischen Kurie am 11. September 2023 an. Das Mandat wurde gemäß geltender Praxis, wie in der Apostolischen Konstitution Praedicate Evangelium von Franziskus 2022 bestätigt, auf fünf Jahre erteilt. Mit dem Tod von Franziskus endeten automatisch alle Leitungsmandate an der Römischen Kurie.
Leo XIV. wird in den Begegnungen zunächst auch seine direkten Mitarbeiter auf ihre Loyalität abklopfen.
Dem neuen Papst stehen drei Möglichkeiten offen. Er kann einzelne Mandatsträger in ihrem Mandat bestätigen, er kann ihnen ein neues Mandat erteilen (womit Fernández Amtszeit erst 2030 enden würde) oder sie durch neue Mandatsträger ersetzen.
In der Regel werden zunächst alle provisorisch in ihren Ämtern bestätigt, um den ordentlichen Betrieb der Behörden bis zu dem Zeitpunkt zu gewährleisten, da der neue Papst seine Personalentscheidungen treffen wird. Entsprechend wurde auch Kardinal Fernández provisorisch als Glaubenspräfekt bestätigt.
Allgemein wird jedoch mit einem Wechsel an der Spitze des Glaubensdikasteriums gerechnet. Unklar ist jedoch der Zeitpunkt, wann der Austausch erfolgen wird. Zu abrupte Eingriffe werden in der kirchlichen Praxis grundsätzlich vermieden. Franziskus stellte in seiner Personalpolitik diesbezüglich eine Ausnahme dar, da er gerne seine Gegner und die ganze Welt demonstrativ wissen ließ, wen er mag und mehr noch wen und was er nicht mag, denn seine Absetzungen und Entlassungen galten nicht nur der Person, sondern in der Person symbolisch meist einer ganzen Gruppe oder Richtung.
Im konkreten Fall ist damit zu rechnen, daß das Mandat von Tucho Fernández im schlimmsten Fall noch bis September 2028 dauern wird und im besten Fall ab September 2025 enden könnte.
Leo XIV. arbeitet sich gerade intensiv in die verschiedenen Bereiche der Römischen Kurie ein, weshalb er der Reihe nach die Dikasterienleiter in Audienz empfängt. Am vergangenen Freitag traf dies für Glaubenspräfekt Fernández zu. Am 16. Mai gewährte ihm Leo XIV. eine Privataudienz. Dabei handelte es sich nicht um einen bloßen Höflichkeitsbesuch beim neugewählten Oberhaupt, dem Glückwünsche überbracht wurden. Es war offensichtlich bereits ein Arbeitstreffen, darauf weist eine Aktentasche hin, möglicherweise eine Notebook-Tasche, die Fernández zur Audienz mitbrachte.
Da der Kardinalpräfekt auf einem der vom vatikanischen Fotodienst veröffentlichten Bilder an der Tasche hantiert, darf als gesichert angenommen werden, daß er dem neuen Papst „wer weiß welche Unterlagen zu wer weiß welchen anhängigen Angelegenheiten“ (Secretum meum mihi) zeigte. Seit Fernández unter Bergoglio ins Amt trat, ließen alle Privataudienzen für den Glaubenspräfekten in der Kirche gewissermaßen die Luft anhalten. Groß war jeweils die Besorgnis, daß kurz danach ein neues umstrittenes, ja skandalöses Dokument veröffentlicht wird.
Arbeitsthemen und Baustellen des Glaubensdikasteriums
Das Glaubensdikasterium unter Tucho Fernández galt in der Endphase des Pontifikats von Franziskus als progressive Speerspitze. Welche Themen wurden bereits bearbeitet, welche sind mit bergoglianischem Mandat in Bearbeitung, seit Fernández die einstige Heilige Inquisition leitet?
- Die Segnung für Paare in irregulären Situationen, insbesondere homosexuelle: bereits umgesetzt durch das Dokument Fiducia supplicans vom Dezember 2023. Dieses Dokument ist nicht nur umstritten, sondern wird von beträchtlichen Teilen der Kirche abgelehnt. So haben ganz Schwarzafrika, Asien, die Bischofskonferenzen von Polen, Ungarn und anderen Ländern die Aussetzung dieses Dokuments in ihrem Jurisdiktionsbereich beschlossen.
- Die theologische und anthropologische Klärung zu Gender-Ideologie, Geschlecht und „Transidentität“. Dieser Bereich ist teilweise umgesetzt durch das Dokument Dignitas infinita vom April 2024, während weitere Klärungen von Franziskus angesprochen oder angedeutet wurden (die pastorale Begleitung von „Transpersonen“, ihre Taufzulassung, ihre Zulassung als Taufpaten usw.).
- Neue Bewertung von Privatoffenbarungen und übernatürlichen Phänomenen. Mit neuen Richtlinien, die Fernández im Mai 2024 für Papst Franziskus erließ, wurde eine Anerkennung als übernatürliches Phänomen grundsätzlich ausgeschlossen. Durch eine stärker „pastorale Handhabung“ wurden schnellere Urteile möglich, sowohl „pastorale“ als auch negative Urteile. Positive Urteile gibt es seither keine mehr, weil eine solche Möglichkeit nicht mehr vorgesehen ist. Zudem wurde die Entscheidungsbefugnis, die bisher bei den Ortsbischöfen lag, von Rom an sich gezogen.
- Leitlinien zur Künstlichen Intelligenz. Im Januar 2025 veröffentlichte das Glaubensdikasterium gemeinsam mit dem Dikasterium für Kultur und Bildung das Dokument Antiqua et Nova. Auf 30 Seiten wird die Beziehung zwischen künstlicher und menschlicher Intelligenz behandelt und eine christliche Perspektive auf die sich daraus ergebenden ethischen und anthropologischen Fragen versucht. Fernández deutete an, daß dies erst ein erster Schritt zu ethischen Leitlinien zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz sei und daß weitere Arbeiten geplant sind. Vor Fernández‘ Ankunft in Rom war 2020 vom Vatikan bereits die Initiative Rome Call for AI Ethics ins Leben gerufen und 2021 die Stiftung RenAIssance kanonisch errichtet worden. Papst Leo XIV. kündigte in seiner Ansprache an die Papstwähler am Tag nach seiner Wahl an, daß der Umgang mit der neuen Industriellen Revolution durch die Künstliche Intelligenz und die daraus entstehenden Fragen der Menschenwürde einen wichtigen Punkt in seinem Pontifikat darstellen werden.
- Die theologische Neubewertung der Rolle der Frau, ein Bereich, der in Arbeit ist und klären soll, ob der feministischen Theologie eine Absage erteilt wird oder wieviel feministische Theologie offiziell anerkannt und integriert werden soll mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen. Dazu gehört vorrangig die Frage der Zulassung von Frauen zum Weihesakrament. Hauptkampffeld ist die Forderung nach dem Frauendiakonat.
- Das Verhältnis von Synodalität und Lehramt, ein weiterer Bereich in Arbeit, um das Zusammenwirken beider Faktoren im bergoglianischen Sinn zu klären. Franziskus hatte erst den Begriff „Synodalität“ geprägt und mit Macht der Kirche aufgedrängt. Vorreiter ist dabei, wie bei der gesamten progressiven Agenda seit den 1960er Jahren, der deutsche Sprachraum, allen voran die Bundesrepublik Deutschland. Dort wurde vorgeprescht mit dem Synodalen Weg, den Franziskus als Synodalen Prozeß leicht dekliniert und abgeschwächt übernahm.
- Die eucharistische Gastfreundschaft, also die Kommunionzulassung für Nicht-Katholiken. Dieser Bereich ist noch in der Diskussionsphase. Auch in diesem Punkt agieren einige bundesdeutsche Bischöfe seit Jahren mit Alleingängen als Rammböcke. Franziskus ließ Kardinal Ladaria, Tuchos Vorgänger als Glaubenspräfekt, zwei Mal im Regen stehen, als dieser mit der Glaubenskongregation dem eigenmächtigen deutschen Treiben ein Ende setzen wollte. Das erste Mal 2018, als eine Kommunionzulassung von lutherischen Ehepartnern von Katholiken durch die Glaubenskongregation untersagt wurde, aber einige Bischöfe ungerührt ihren die Sakramentenlehre niedertrampelnden Sonderweg fortsetzten: Franziskus untersagte der Glaubenskongregation, konkret dagegen einzuschreiten. Gleiches wiederholte sich 2023, als diese Praxis einiger Bischöfe offensiver sichtbar wurde. Franziskus bremste erneut ein Durchgreifen der Glaubenskongregation und baute diese noch im selben Jahr durch die Ersetzung von Kardinal Ladaria durch Tucho Fernández um.
- Die Rehabilitierung verurteilter Theologen. Stand: unbekannt. Franziskus hatte eine Neubewertung verurteilter Theologen als mißverstandene Theologen gefordert, etwa von Teilhard de Chardin und Jacques Dupuis. Einige Verurteilungen aus anderen Gründen hob er ipso facto auf, indem er sich mit den Verurteilten, ob persönlich verurteilt oder als Exponenten einer verurteilten Idee, traf, ihr Grab besuchte oder sie lobte, das galt vor allem für marxistische Befreiungstheologen wie Pérez Esquivel, Ernesto Cardenal, José Maria Castillo, Miguel D’Escoto, Luis Espinal Camps und andere mehr. Die Glaubenskongregation war modernistischen Kreisen seit den Anti-Modernisten-Maßnahmen Anfang des 20. Jahrhunderts verhaßt. Diese Abneigung ging nach dem Zweiten Weltkrieg auf kryptomodernistische, progressive Strömungen wie die Befreiungstheologie und andere über. Die Zerschlagung der Glaubenskongregation war seither ein – meist natürlich unausgesprochenes – Ziel. Durch die Umbenennung und die Ernennung von Tucho Fernández wurde dieses Ziel erreicht. Fernández kommunizierte das, völlig ungewöhnlich, mit einem eigenen Schreiben zu seiner Ernennung, in dem er die Zeit der Verurteilungen für beendet erklärte, denn nun werde auf den „Dialog mit der Theologie“ gesetzt. Das Glaubensdikasterium werde nicht mehr als Kontrollorgan agieren.
- Die Überarbeitung oder Neubewertung von Humanae vitae. Stand: unbekannt. Entsprechende Forderungen zu einer Überarbeitung wurden unter Franziskus verstärkt vorgebracht. Franziskus selbst betonte einen Vorrang pastoralen Handelns vor der Doktrin. Offene Fragen zur Sexualmoral, Ehe und Familie seien „realistisch und barmherzig“ als pastorale Herausforderungen anzugehen. Mehrfach wurden Stimmen laut, Franziskus habe unter Geheimhaltung eine Studiengruppe zu einer Neubewertung eingerichtet, doch wurde dazu weder etwas öffentlich bekannt noch wurden Maßnahmen ergriffen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanMedia (Screenshot)
Papst Leo sollte nicht allzu lange warten und ziemlich rasch ein deutliches Zeichen setzen: „Tucho“ noch vor der Sommerpause absetzen und die hier angesprochenen Punkte zum Guten führen.
Ein Katalog diabolischer Scheußlichkeiten!
Befremdlich das weitere Foto, welches m.E. eine pure Machtdemonstration ist.
Gönnerhaft neigt sich Fernandez dem Papst zu und deutet eine Berührung an. Der Größenunterschied wird dabei eiskalt ausgespielt. Leo wirkt wie ein Schuljunge. Niemals würde sich ein seriöser Mitarbeiter seinem Chef gegenüber auf einem Foto so respektlos positionieren. Eine Frechheit sondergleichen.