
Leo XIV. wird am 18. Mai offiziell in sein Amt eingeführt. Die Amtseinführung wird im Rahmen eines feierlichen Pontifikalamts auf dem Petersplatz stattfinden und ersetzt, was früher Inthronisation genannt wurde, als der Papst noch gekrönt wurde und den Thron bestieg.
Die letzte vollständige Inthronisation der Kirchengeschichte fand am 4. November 1958 statt. Damals wurde Johannes XXIII. auf der Sedia Gestatoria in den Petersdom getragen wurde, der, wie auch der Petersplatz davor, mit Menschen gefüllt war. Offizielle Staatsvertretungen aus über 50 Staaten waren erschienen. Die Welt zählte damals erst 82 souveräne Staaten.
In einem rituellen Akt nahm der neugewählte Papst auf einem eigens in der Cappella Gregoriana errichteten Thron symbolisch auf der Cathedra Petri Platz. Dort nahm er das Gehorsamsversprechen der Kardinäle, Bischöfe und Äbte entgegen, die einzeln zum Thron hinaufstiegen, niederknieten und seinen roten Schuh küßten.
Die Roten Schuhe, auch Sandalen genannt, stammten aus dem antiken Rom, wo der Kaiser und die Senatoren durch rote Schuhe ihre Würde und Autorität zum Ausdruck brachten. Eine Praxis, die so auch in das byzantinische Hofzeremoniell überging. Die Päpste übernahmen diese Praxis in der Spätantike, um gegenüber der weltlichen Macht ihre Ebenbürtigkeit an Rang und Würde zu bezeugen. Sie unterstrichen damit, ein entscheidender Akt, ihre Autorität und zeigten, daß sie der weltlichen Macht nicht untergeordnet sind.
Der Papst war zudem in Rom tatsächlich der direkte Erbe der weltlichen Macht, des Kaisers und des Senats, indem er zunächst als Vertreter des oströmischen Kaisers die Ordnung aufrecht erhielt und schließlich als souveräne weltliche Autorität die Herrschaft im Patrimonium Petri ausübte, was 756 in der Pippinischen Schenkung von den Franken, die im Westen die Renovatio Imperii vollzogen, anerkannt und bestätigt wurde.
Der Schuhkuß geht sowohl auf die antike griechische als auch die römische Kultur zurück, als Akt der Huldigung, Unterwerfung und Ehrerbietung gegenüber einer höheren Autorität. Darin sollte in Demut der Respekt vor dem Träger der roten Schuhe zum Ausdruck kommen. Wodurch die Achtung gegenüber dem Stellvertreter Christi auch physisch gezeigt wurde.
Johannes XXIII. erhielt in der Zeremonie auch den Fischerring (Annulus piscatorius), einen Siegelring, Zeichen der päpstlichen Jurisdiktion. Auch in diesem Fall begegnet uns eine antike römische Praxis. Ab 1265 zeigt der päpstliche Siegelring gesichert das Motiv von Petrus als Menschenfischer (Lk 5,10). Was der Siegelring bis dahin zeigte, ist leider nicht überliefert. Das Menschenfischermotiv könnte also deutlich älter sein. Es wird auch vermutet, daß der Siegelring ursprünglich die Köpfe der Apostelfürsten Petrus und Paulus zeigte, wie dies spätestens seit dem 6. Jahrhundert für die Papstbulle galt.
Johannes XXIII. zelebrierte dann am Papstaltar die Heilige Messe und zeigte sich anschließend auf der Segensloggia des Petersdomx dem auf dem Platz versammelten Volk. Dort wurde er feierlich mit der Tiara gekrönt. Mit diesem symbolischen Akt wurde er für alle sichtbar zum anerkannten Haupt der ganzen Christenheit.

Die Tiara geht auf die kaiserliche Krone im spätantiken Römischen Reich zurück und stellt deren Weiterentwicklung dar. Die erste Krone symbolisierte die geistliche Macht des Papstes als Oberhaupt der katholischen Kirche, seine Lehrautorität und Jurisdiktion in der Kirche. Die zweite Krone symbolisierte die weltliche Macht des Papstes als Fürst der Kirchenstaaten, seine politische Autorität. Die dritte Krone symbolisierte die unmittelbare Macht des Papstes, die Gesamtherrschaft und seine universelle Autorität als Stellvertreter Christi über alle Ortskirchen und Nationen. In ihr wurden die beiden anderen Autoritäten symbolisch zusammengeführt. Ihre Vollform erhielt sie unter Bonifatius VIII. um 1300. Die ältesten Belege der Papstkrone finden sich im 8. Jahrhundert. Ihr Ursprung dürfte jedoch, wie Kirchenhistoriker annehmen, bis in 5. Jahrhundert zurückreichen und sich am Hofzeremoniell in Konstantinopel orientiert haben.
Dabei war besonders ausschlaggebend, sich gegenüber der weltlichen Macht zu behaupten, zu der es immer ein mehr oder weniger akzentuiertes Spannungsverhältnis gab und die Bestrebungen des Staates, sich die geistliche Macht unterzuordnen und zu einem verlängerten Arm der weltlichen Macht zu machen. Diese Bestrebungen zeigen sich bis heute und wurden vor allem unter Franziskus virulent, der nicht jene kluge Distanz pflegte, die seine Vorgänger vom weltlichen Establishment fernhalten ließ.

Wie es der neue Papst Leo XIV. damit hält, wird sich zeigen.
Die meisten der historischen Symbole der päpstlichen Autorität wurden seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil einem Bescheidenheits-Verständnis geopfert, mit allerdings zweifelhaftem Nutzen. Über die Art und Ausprägung von Symbolen mag man im Detail unterschiedlicher Meinung sein, doch ihre Bedeutung, besonders die historische, sollte unbestritten sein. Die Autorität ist anthropologisch von größter Bedeutung, also Teil des ursprünglichen göttlichen Erbes des Menschen. Der Mißbrauch und die falsch verstandene Autoritätshörigkeit sprechen nicht gegen die Autorität, sondern gegen jene, die Mißbrauch betreiben oder einem falschen Verständnis anhängen.
Gott hat die Welt hierarchisch erschaffen. Christus hat die Kirche hierarchisch gestiftet. Der Egalitarismus hilft den Menschen nicht, die im besten Sinn des Wortes ausgeübte Vollmacht des Papstes hingegen schon, weshalb es richtig und angemessen ist, sie auch durch Symbole sichtbar zu machen.
Der jüngste Bescheidenheitsakt war durch Franziskus der Verzicht auf die roten Schuhe. Vor ihm verzichtete Benedikt XVI. auf die Tiara selbst im päpstlichen Wappen, aus dem er sie streichen ließ, führte allerdings die Roten Schuhe wieder ein, auf die Johannes Paul II. zuvor verzichtet hatte. Johannes Paul I. verzichtete auf die Krönung. Mit ihm wurde die Inthronisation durch eine Amtseinführung ersetzt. Jeder weltliche republikanische Regierungschef wird in sein Amt eingeführt, sogar jeder Beamte.
Paul VI. verzichtete auf die Sedia Gestatoria und den Großteil des päpstlichen Hofzeremoniells. Er ließ sich als letzter Papst zwar noch mit der Tiara krönen, nahm sie aber noch während der Zeremonie wieder ab und legte sie zum Zeichen seines bewußten Verzichts auf den Papstaltar des Petersdoms. Die Tiara wurde 1964 an die Kirche in den USA übergeben und ist heute im Nationalheiligtum in Washington D.C. ausgestellt. Warum eigentlich ausgerechnet dort? Insofern schließt sich nun mit Leo XIV., dem ersten Papst aus den USA, in gewisser Weise der Kreis. Allerdings ist es kaum vorstellbar, daß er die Tiara Pauls VI. aus Washington nach Rom zurückbringen wird.
Die entscheidende Frage können nicht an den Roten Schuhen sein, wird man allgemein sagen. Die Frage der Behauptung gegenüber einer übergriffigen weltlichen Macht besteht jedoch unverändert fort, heute wie einst.
Der 4. November 1958 war also in der Kirchengeschichte der Tag der letzten feierlichen Inthronisation eines Papstes.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Luce/Youtube (Screenshots)
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