
Leo XIV. wird als erste öffentliche Amtshandlung nach dem gestern gespendeten Apostolischen Segen Urbi et Orbi mit den Kardinalwählern in der Sixtinischen Kapelle eine Dankmesse feiern. Der Drang ist groß, wissen zu wollen, wie er zu diesem oder jenem Thema steht. Darin drückt sich das Bangen aus, das Franziskus in seinem desaströsen Pontifikat der Kirche auferlegt hatte. Es ist aber gut und angemessen, Geduld und Zurückhaltung walten zu lassen. Dafür gibt es gute Gründe. Entscheidend wird die Frage sein, ob Leo XIV. der Löwe sein wird, wie es sein Name aussagt, den die Kirche nun braucht, um den bergoglianischen Geist zu beseitigen und die Kirche aus der Krise zu führen.
Aussagen, die Robert Francis Prevost als Priester und Ordensmann, als Bischof und Kardinal getätigt hat, können nun durch sein neues Amt und die damit verbundene Autorität eine Änderung erfahren. Es ist also empfehlenswert, das neue Kirchenoberhaupt nach seinen Taten, seinen Worten und Gesten, zu beurteilen.
Allem voran kommt es den Gläubigen zu, für Leo XIV. zu beten, daß er weder vor den Wölfen flieht noch mit den Wölfen heult, sondern die Herde führt, schützt und verteidigt. Nomen est omen, da er sich Leo nennt?
Gestern abend schon begann bei manchen die Suche nach Möglichkeiten, den neuen Papst einzuordnen und in Schubladen zu pressen. Dies kommt natürlich in erster Linie den US-Amerikanern zu, die ihn am besten kennen sollten. Die übrige Welt wird warten müssen. Die Nebel werden sich schnell lichten.
Was läßt sich schon jetzt sagen? Die Wahl von Kardinal Prevost erfolgte erstaunlich schnell, wenn man bedenkt, daß viele Kardinäle sich untereinander kaum oder gar nicht kannten. Papst Franziskus hatte dieses Kennenlernen gezielt unterbunden. Die Gründe dafür sind unklar. Er kreierte erstmals im Februar 2014 Kardinäle, darunter Pietro Parolin, Gerhard Müller, Lorenzo Baldisseri und viele andere. Dazu berief er das einzige außerordentliche Konsistorium seines Pontifikats ein. Bei dieser Gelegenheit ließ er Kardinal Walter Kasper, der maßgeblich Bergoglios Wahl zum Papst vorbereitet hatte, einen Grundsatzvortrag halten, mit dem die „Öffnung“ seines Pontifikats in der Morallehre eingeläutet wurde. Kasper erntete unter den versammelten Kardinälen soviel Widerspruch, daß Franziskus seitdem auf die Einberufung der Kardinäle zu Beratungen verzichtete. Ein eklatanter Widerspruch, denn genau für diese Beratung des Kirchenoberhaupts existieren die Kardinäle. Kardinal Kasper übrigens stand gestern, da über 80, auf dem Petersplatz, um von dort aus mitzuverfolgen, wie sich der neue Papst der Welt zeigt.

Warum Franziskus auch später nicht auf das Kardinalskollegium als Beratergremium zurückgriff, als er bereits die Mehrheit selbst ernannt hatte und somit nicht mehr allzu viel Widerspruch fürchten mußte, läßt sich wohl nur in seinem stark ausgeprägten Drang zum autokratischen Herrschen erklären. Der Hang zum Diktatorpapst (Henry Sire alias Marcantonio Colonna) zeigte sich im Großen wie im Kleinen.
Prevost gehörte zur jüngsten Gruppe der Kardinäle, da er erst 2024 kreiert wurde. Die Gelegenheit, an einem außerordentlichen Konsistorium teilnehmen zu können, war dadurch allein schon zeitlich minimal. Die Bischofsweihe hatte Prevost hingegen schon 2015 empfangen. Er war keine zwei Jahre an der Römischen Kurie tätig und zuvor viele Jahre in Peru. Seine „Popularität“ unter den Papstwählern geht also auf andere gewichtige Purpurträger zurück. Jene, welche 2013 für Jorge Mario Bergoglio geworben haben, sind seit Herbst 2014 bekannt, das sogenannte Team Bergoglio, die Kardinäle Kasper, Lehmann, Danneels und Murphy‑O’Connor. Der gestern anwesende Kasper ist der einzige noch lebende Kardinal der Papstmacher von 2013.
Das belastende bergoglianische Erbe
Die schlimmste Krise während des Pontifikats von Franziskus war das Meßverbot in der Corona-Zeit. Franziskus erließ für die Diözese Rom nicht nur ein Zelebrationsverbot, sondern ordnete das Zusperren aller Kirchen und Kapellen an. Unter ihm wurde das Weihwasser entsorgt und die Kommunionspendung behandelt, als wäre sie lebensgefährlich. Das Kirchenoberhaupt selbst erklärte damit Sakramente und Sakramentalien, die heilsspendend sind, für gefährlich – selbst die Heilige Eucharistie. Grotesker, sinnentstellender, ja, geradezu blasphemischer geht es kaum noch. Die Menschen haben dies alles aufmerksam registriert und viele haben der Kirche den Rücken gekehrt. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache, doch Franziskus war dies nie auch nur ein Wort wert. Im Mai 2020, nachdem er über Wochen den Petersdom zugesperrt hatte, ließ er vielmehr die größte Kirche der Welt mit dem Grab des Apostelfürsten und dem Papstaltar aufwendig „desinfizieren“. Geradezu unglaublich. All dies vermittelte den Eindruck einer große Schwäche seines Glaubens.
Ein Ordensmann als Papst
Doch zurück zum Konklave: Auffällig ist, daß zum zweiten Mal hintereinander ein Ordensmann zum Papst gewählt wurde. Nachdem 2013 erstmals ein Jesuit den Stuhl Petri bestieg, was für außerordentlich großes Aufsehen sorgte, nimmt nun ein Augustiner-Eremit darauf Platz, was entschieden weniger aufsehenerregend ist. In der Tat bewahrheiteten sich die Befürchtungen, daß kein Jesuit das höchste Amt in der Kirche innehaben sollte. Die Papstwähler hatten sich jedoch in ihrer großen Mehrheit über diese Sperrlinie, die der Ordensgründer, der heilige Ignatius von Loyola, selbst gezogen hatte, hinweggesetzt. Das rächte sich bitter.
Der letzte Ordensmann vor Franziskus war Gregor XVI. Man muß also bis ins Jahr 1831 zurückgehen, um die Wahl eines Ordenspriesters zum Papst zu finden. Gregor XVI. (254. Papst) war zudem auch der bisher letzte Mönch auf dem Stuhl Petri. Dann muß man schon einen Sprung zurück bis 1769 machen, bis zur Wahl von Clemens XIV. (249. Papst), der dem Minoritenorden angehört, also wie Leo XIV. einem Bettelorden entstammte. 1724 wurde ein Dominikaner zum Papst gewählt und nannte sich Benedikt XIII. (245. Papst). Um den nächsten Ordensmann, wiederum ein Minoritenpater, auf dem Papstthron anzutreffen, ist ein Riesensprung bis ins Jahr 1585 notwendig, als Sixtus V. (227. Papst) gewählt wurde. Der berühmte und heilige Pius V. (225. Papst), gewählt 1566, war Dominikaner. Paul IV. (223. Papst), gewählt 1555, war Theatiner, ein Orden, den er selbst zuvor gegründet hatte. Clemens VII. (219. Papst), gewählt 1523, war Johanniter (Malteserorden). Die Dichte der Ordensmänner auf dem Stuhl Petri im 16. Jahrhundert ist ein Hinweis, daß in der damaligen Kirchenkrise, ausgelöst durch die protestantische Reformation, auf die Orden zurückgegriffen wurde. 500 Jahre später erlebt nun die Kirche erneut eine solche Phase.
Eine dritte Phase läßt sich im 11./12. Jahrhundert ausmachen, als Ordensmänner auf dem Papstthron die Kirche reformierten. Insgesamt finden sich nur rund 30 Päpste unter den insgesamt 267, die vor ihrer Wahl zum Stellvertreter Christi einem Orden angehörten. Der erste Papst, der Ordensmann war, war Gregor I., auch Gregor der Große genannt, ein Benediktiner, der von 590 bis 604 Kirchenoberhaupt war.
Insgesamt zeigt die erneute Wahl eines Ordensmannes die Krise des Weltklerus an. Es gab Zeiten, die noch nicht allzu lange zurückliegen – wir sprechen von der Zeit bis die negativen Auswirkungen der Nachkonzilszeit auf die Zahl der Priesterberufungen zu drücken begannen –, da in der Alten Welt die Orden von den Diözesanbischöfen nach Möglichkeit aus der Pfarrseelsorge verdrängt wurden. Ämter an den bischöflichen Kurien wurden ihnen ohnehin keine übertragen. Der Weltklerus war Trumpf. Doch die Zeiten haben sich nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil schnell geändert. Ironischerweise waren die aus dem Weltklerus stammenden Bischöfe selbst maßgeblich daran schuld.
Seither erleben wir im Westen eine massiven Niedergang des Weltklerus. Die diözesanen Priesterseminare sind leer. Die Rolle und das Selbstverständnis des Weltpriesters sind in einer Krise. Da hilft es auch nicht, auf die Berufungskrise auch in den Orden hinzuweisen.
Die Krise ist allenthalben zu sehen und es gibt ein eindeutiges Datum, mit dem diese Krise begonnen hat, doch ideologische Scheuklappen verbieten durch falsche Tabus, die Dinge beim Namen zu nennen und auf den Prüfstand zu stellen. Die heutige Kirche kennt nur mehr ein wirkliches Dogma, und das heißt: Zweites Vatikanisches Konzil. Dieser Irrwitz, der jedem einleuchtet, der die elementare Wahrheit akzeptiert, daß die Kirche bald zweitausend Jahre alt ist, verhinderte bisher eine tiefgehende Genesung. Johannes Paul II. versuchte als erster Papst eine Kurskorrektur. Deutlicher tat es Benedikt XVI. Franziskus aber war bemüht, alle diese Bestrebungen zunichte zu machen. Das hat seinen Grund in einer auf dem äußersten progressiven Rand gepflegten Utopie. Die Folgen waren Chaos und Verwirrung.
Die schnelle Wahl Prevosts läßt annehmen, daß größere Gruppen von Kardinälen bereits im Vorfeld sich auf ihn festgelegt hatten. Mindestens 89 Stimmen einer so bunten Schar aus aller Welt zu sammeln ist keine Kleinigkeit. In seinem ersten Auftreten war er um ausgewogene Signale bemüht, solche an die Konservativen und die Traditionalisten, aber auch solche an die Progressiven. Das besagt vorerst wenig, aber immerhin, daß er nicht ein Papst des Bruches wie Franziskus sein will.
Die Namenswahl
Von den vier nachkonziliaren Päpsten, die die Kirche bisher hatte, haben drei die Konzilszäsur auch durch die Namenswahl bestätigt. Einzig Benedikt XVI. legte sich einen „vorkonziliaren“ Namen zu. Darin ist ihm Leo XIV. gefolgt. Ein starkes Signal. Es bleibt zu hoffen, daß sich diese Entscheidung nicht nur auf die soziale Frage bezieht, die für den letzten Namensträger vor ihm, Leo XIII., sehr wichtig war. Leo XIII. hatte auch eine übernatürlich apokalyptische Schau, aus der das Erzengel-Michael-Gebet entstanden ist, das einst an Werktagen nach jeder Messe gebetet wurde.
Der erste Leo wird sogar „der Große“ genannt. Er regierte von 440 bis 461 und verteidigte die Glaubenswahrheit auf dem Konzil von Chalcedon gegen die Pelagianer und Monophysiten. Erstere brachte Franziskus gerne sinnentstellend ins Spiel, um seine Kritiker anzugreifen, letztere wirken im Islam bis heute nach. Leo I., der Große, zählt zu den Kirchenlehrern.
Die Krise des Weltklerus stellt eine zentrale Herausforderung für die Kirche dar. Franziskus, ein Jesuit, wußte darauf keine Antwort zu geben. Es wird sich zeigen, ob Leo XIV., der dem Charisma nach einem Bettelorden angehört, hier klarere Vorstellungen hat und konkrete Impulse geben wird.
Offen bleibt vorerst, warum es für die bergoglianische Kardinalsmehrheit kein Problem war, einen US-Amerikaner zum Papst zu wählen, was eine ratzingerianisch-wojtylianische Mehrheit noch für undenkbar hielt.
So bleibt es, noch eine andere Ebene der Wahrnehmung zu nennen, die manchen als verpönt gilt, die aber auch ihre Bedeutung hat. Einige Katholiken erkannten 2013 sofort, daß Franziskus keine gute Wahl war. Das war nicht argumentierbar, da eine Gefühlssache. Aber sie lagen richtig, früher und schneller als die meisten Gläubigen. Beim gestrigen Auftreten von Leo XIV. war eine solche Eindeutigkeit, soweit bisher überschaubar, nicht feststellbar. Die spontane Reaktion fiel unentschieden aus. Das Erscheinen im liturgischen Gewand, eben schon bereit, den Segen Urbi et Orbi zu spenden, löste bei großen Teilen des gläubigen Volkes Jubel aus, einige Stichwörter seiner darauf folgenden Reden weniger.
Neunmal Christus genannt, und eine „missionarische Kirche“
Die genaue Analyse seiner ersten Ansprache steht noch aus und wird erst im Kontext weiterer Ansprachen und Entscheidungen einen Sinn machen. Auf einige positive und negative Aspekte des ersten Auftretens wurde bereits gestern hingewiesen.
Positiv zu nennen ist jedoch auch, daß Leo XIV. in seiner für sein erstes Erscheinen erstaunlich langen, insgesamt aber kurzen Ansprache sieben Mal Christus erwähnte, davon mehrfach als den auferstandenen Christus und in der Kombination Jesus Christus. Das sollte für den Papst eine Selbstverständlichkeit sein, doch Franziskus hatte der Welt gezeigt, daß es das nicht sein muß. Franziskus hatte es geschafft, bei groß aufgezogenen Veranstaltungen, die weltweite Beachtung fanden, Jesus Christus mit keinem Wort zu erwähnen. Die „Entchristlichung“ seiner Ansprachen war vielmehr eines der erschreckendsten Merkmale seines Pontifikats.
Ebenso positiv war in diesem Zusammenhang, daß Leo XIV. auch davon sprach, „Missionare“ und eine „missionarische Kirche“ zu sein. Die Ambivalenz, mit der Franziskus zwölf Jahre lang, den Missionsauftrag der Kirche verwässerte und Bekehrungen hintanstellte und geradezu einen gespenstisch anmutenden Feldzug gegen „Proselytismus“ führte, liegt noch als Schrecken über der Kirche. Leo XIV. könnte und sollte sie davon befreien, wie insgesamt vom bergoglianischen Geist.
Ob dies so sein wird, muß sich erst zeigen. Andere Aussagen von ihm, gezielte Reverenzen an Franziskus – vielleicht aber mehr noch an dessen Anhänger – gebieten zur Vorsicht. Dabei sticht vor allem seine Aussage zur „synodalen Kirche auf dem Weg“ heraus, die sich unter Franziskus nicht nur als Sackgasse erwiesen hat, sondern als Falle für die Kirche, sie ihrer übernatürlichen Kraft zu berauben und zu einer irdischen, menschlichen, horizontalen, basisdemokratischen NGO zu machen, einer Spielwiese für linke Utopisten mit der einzigen Konsequenz, daß die Kirche zum Spielball der Mächtigen wird.
Mit diesen hatte Franziskus in seinem Pontifikat die Verbindung gesucht und fatale Türen aufgestoßen. Es wird an Leo XIV. liegen, zu entscheiden, ob er diese Türen schnell wieder schließen und verriegeln, am besten zumauern läßt, ob er sich also seines Namens würdig als Leone erweist, wie ihn die Italiener nennen, als Löwe. Oder ob er einem seltsamen suizidalen Drang nachgeben wird, der Teile der Kirche seit Jahrzehnten befallen hat und wie hypnotisiert, meist wohl eher niedrig und egoistisch, in die Arme ihrer Feinde treibt.
Nun weiß man nüchtern, daß beim Extra omnes vor allem der Heilige Geist gemeint ist, der draußen bleiben sollte, daß aber der Heilige Geist, da stärker als alle menschlichen Wünsche und Vorstellungen, dessen ungeachtet der Kirche Jesu Christi Beistand ist und sie bis zum Ende der Zeiten nach göttlichem Willen lenkt. Er ist es, der ihr Überleben sichert.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanMedia (Screenshots)
Ich tippe auf ein gemäßigtes „bergoglianisches“ Pontifikat und hoffe – sehr wienerisch – dass das Schwarzsehen dazu führt, dass es viel besser kommt als das. Bitten wir den Herrn der Kirche um seine Gnade für den Papst und uns alle.
Prevost beteiligte sich aktiv an der Impfkampagne des Vatikan, warb für die Impfung und ließ sich zudem selber impfen:
https://www.youtube.com/watch?v=PJKg8OgW2sI
Das Bild wird schärfer …