Der Tod von Papst Franziskus. Das Ende einer Ära?

2013–2025


Der Leichnam von Papst Franziskus wurde heute morgen in den Petersdom übergeführt
Der Leichnam von Papst Franziskus wurde heute morgen in den Petersdom übergeführt

Von Rober­to de Mattei*

Anzei­ge

Am 21. April 2025, dem „Engels­mon­tag“, wie man in Ita­li­en den Oster­mon­tag auch nennt, ver­ließ die See­le von Jor­ge Mario Berg­o­glio um 7.35 Uhr sei­nen sterb­li­chen Kör­per, um sich dem Gött­li­chen Gericht zu stel­len. Erst am Tag des Jüng­sten Gerichts wer­den wir erfah­ren, wie das Urteil des höch­sten Gerichts, vor das jeder von uns eines Tages tre­ten muß, über Papst Fran­zis­kus lau­te­te. Beten wir heu­te für sei­ne See­le, so wie die Kir­che öffent­lich in ihren Noven­dia­li betet, und ver­bin­den wir, gera­de weil die Kir­che eine öffent­li­che Gesell­schaft ist, unse­re Gebe­te mit dem Ver­such eines histo­ri­schen Urteils über sein Pontifikat.

Jor­ge Mario Berg­o­glio, der 266. römi­sche Papst, der erste mit dem Namen Fran­zis­kus, war für zwölf Jah­re der Stell­ver­tre­ter Chri­sti, obwohl er die Bezeich­nung Bischof von Rom die­sem Namen vor­ge­zo­gen hat. Aber der Bischof von Rom wird zu einem sol­chen, wenn er nach sei­ner Wahl das Munus Petrinum annimmt. Mit der Annah­me des Pon­ti­fi­kats über­nimmt der Papst auch die im Päpst­li­chen Jahr­buch auf­ge­führ­ten Titel: Bischof von Rom, Stell­ver­tre­ter Jesu Chri­sti, Nach­fol­ger des Apo­stel­für­sten, Sum­mus Pon­ti­fex der Welt­kir­che, Pri­mas von Ita­li­en, Erz­bi­schof und Metro­po­lit der römi­schen Pro­vinz, Sou­ve­rän des Staa­tes der Vati­kan­stadt, Die­ner der Die­ner Got­tes und Patri­arch des Westens (letz­te­rer Titel wur­de 2024 wie­der ein­ge­führt, nach­dem er 2006 von Bene­dikt XVI. abge­schafft wor­den war).

Die­se Titel ver­die­nen eine beson­de­re Ehrung, ins­be­son­de­re der des Stell­ver­tre­ters Chri­sti, der den Papst nicht zum Nach­fol­ger, son­dern zum Ver­tre­ter Jesu Chri­sti, des Gott­men­schen und Erlö­sers der Mensch­heit, auf Erden macht. Der Papst wird nicht wegen sei­ner Per­son geehrt, son­dern wegen der Wür­de der Sen­dung, die Chri­stus dem Petrus anver­traut hat. So wie in den christ­li­chen Sakra­men­ten eine Geste eine unsicht­ba­re Gna­de zum Aus­druck bringt, so sind auch die Ehrun­gen (Titel, Gewän­der, Zere­mo­nien) sen­si­ble Zei­chen gei­sti­ger Wirk­lich­kei­ten, auch insti­tu­tio­nel­ler Art. Die Auto­ri­tät ist eine spi­ri­tu­el­le und unsicht­ba­re Rea­li­tät, aber damit sie aner­kannt wird, muß sie sich sicht­bar mani­fe­stie­ren, durch Gesten und Ritua­le. Andern­falls lau­fen die Insti­tu­tio­nen Gefahr, unsicht­bar zu wer­den, und die reli­giö­se Gesell­schaft ver­sinkt eben­so wie die poli­ti­sche Gesell­schaft im Cha­os. Das Chri­sten­tum beruht auf die­sem Grund­satz: Der unsicht­ba­re Gott hat ein Gesicht, einen Kör­per, einen Namen ange­nom­men: „Das Wort ist Fleisch gewor­den“ (Joh 1,14); „Kei­ner hat den Vater je gese­hen. Ein­zig der Sohn, der Gott ist und am Her­zen des Vaters ruht, brach­te von ihm Kun­de (Joh 1,18). Der Evan­ge­list Johan­nes ist unter den Autoren des Neu­en Testa­ments der­je­ni­ge, der am inten­siv­sten eine Theo­lo­gie der Sicht­bar­keit des Unsicht­ba­ren aus­ar­bei­tet, in sei­nem Evan­ge­li­um, aber vor allem im Buch der Gehei­men Offen­ba­rung, in dem das Sym­bol zur pro­phe­ti­schen Visi­on wird, um das ver­bor­ge­ne Han­deln Got­tes in der Geschich­te zu zeigen.

Zuvor war Fran­zis­kus in der Haus­ka­pel­le von San­ta Mar­ta aufgebahrt

Papst Fran­zis­kus hat kei­nen Respekt vor dem päpst­li­chen Anstand gezeigt, vom ersten infor­mel­len „Brü­der und Schwe­stern, guten Abend“, das er am Tag sei­ner Wahl von der Log­gia des Peters­doms aus sprach, bis zu sei­nem öffent­li­chen Auf­tritt am ver­gan­ge­nen 9. April, als er in sei­nem Roll­stuhl und mit einer gestreif­ten, pon­cho­ähn­li­chen Decke ohne jedes Zei­chen der päpst­li­chen Wür­de in der Basi­li­ka erschien. An die Stel­le der sakra­len Sym­bo­lik hat Papst Berg­o­glio eine media­le Sym­bo­lik gesetzt, die aus Bil­dern, Wor­ten und Begeg­nun­gen besteht, die zu Bot­schaf­ten gewor­den sind, die oft stär­ker sind als offi­zi­el­le Doku­men­te: von „Wer bin ich, um zu urtei­len?“ über die Fuß­wa­schung für Frau­en und Mos­lems bis hin zu sei­ner Teil­nah­me per Video­bot­schaft am Festi­val von San­re­mo im Jahr 2025. Man­che sagen, daß Papst Fran­zis­kus damit das Papst­tum „ver­mensch­licht“ habe, aber in Wirk­lich­keit hat er es tri­via­li­siert und bana­li­siert. Es ist die Insti­tu­ti­on des Papst­tums, nicht die Per­son von Jor­ge Mario Berg­o­glio, die durch die­se und zahl­lo­se ande­re Gesten ernied­rigt wur­de, die die Spra­che und die Zei­chen säku­la­ri­siert haben, die die Kir­che immer benutzt hat, um das gött­li­che Geheim­nis auszudrücken.

Der erste, der die Kir­che ihrer Maje­stät beraubt hat, war jedoch nicht Fran­zis­kus, son­dern Paul VI., auf den der Ver­zicht auf die Tia­ra zurück­geht, die er am 13. Novem­ber 1964 auf den „Altar des Kon­zils“ leg­te, gefolgt von der Abschaf­fung der Sedia Gest­a­to­ria, der Edel­gar­de und des päpst­li­chen Hofes, die kein über­flüs­si­ger Zier­rat waren, son­dern Ehren­zei­chen, die der römisch-katho­li­schen Kir­che als einer von Jesus Chri­stus gegrün­de­ten mensch­lich-gött­li­chen Insti­tu­ti­on zuste­hen. In die­ser Hin­sicht stellt das Pon­ti­fi­kat von Fran­zis­kus nicht, wie man­che mei­nen, einen „Bruch“ mit sei­nen Vor­gän­gern dar, son­dern erscheint viel­mehr als die Erfül­lung einer vom Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil ein­ge­führ­ten pasto­ra­len Linie, die Bene­dikt XVI. nur teil­wei­se umzu­keh­ren ver­sucht hat.

Das apo­sto­li­sche Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia vom 19. März 2016 hat auf­grund sei­ner Öff­nung gegen­über wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen und Paa­ren in „irre­gu­lä­ren“ Situa­tio­nen ohne Zwei­fel eine Situa­ti­on der Ori­en­tie­rungs­lo­sig­keit geschaf­fen; das am 4. Febru­ar 2019 mit dem Groß­i­mam der Al-Azhar-Moschee unter­zeich­ne­te Doku­ment über die Brü­der­lich­keit aller Men­schen war ein neu­er Schritt auf dem Weg des fal­schen Öku­me­nis­mus; die Ermu­ti­gung zur Ein­wan­de­rung, die För­de­rung der glo­ba­li­sti­schen Agen­da, die Aus­ru­fung des „Syn­oda­lis­mus“, die Dis­kri­mi­nie­rung der Tra­di­tio­na­li­sten, die Mög­lich­keit der Seg­nung homo­se­xu­el­ler Paa­re und die Erlaub­nis für Lai­en und Frau­en, die Lei­tung eines Dik­aste­ri­ums zu über­neh­men, sind alles Ereig­nis­se, die legi­ti­me Reak­tio­nen in der katho­li­schen Welt her­vor­ge­ru­fen haben. Auch dank die­ses Wider­stands sind die von den pro­gres­si­ven Bischö­fen ange­streb­ten Zie­le wie die Dia­ko­nats­wei­he von Frau­en, die Ehe­schlie­ßung von Prie­stern und die Über­tra­gung der Lehr­be­fug­nis an die Bischofs­kon­fe­ren­zen unter Papst Fran­zis­kus nicht ver­wirk­licht wor­den, was sei­ne eif­rig­sten Anhän­ger ent­täusch­te. Der revo­lu­tio­när­ste Aspekt sei­nes Pon­ti­fi­kats bleibt jedoch die Abfol­ge von Wor­ten und Taten, die die öffent­li­che Wahr­neh­mung des Pri­mats Petri ver­än­dert, ver­welt­licht und geschwächt haben.

Nun geht eine Ära zu Ende und man fragt sich, wel­che neue Ära begin­nen wird. Der näch­ste Papst mag kon­ser­va­ti­ver oder pro­gres­si­ver sein als Fran­zis­kus, aber er wird kein Berg­o­glia­ner sein, denn der Berg­o­glia­nis­mus war kein ideo­lo­gi­sches Pro­jekt, son­dern ein Regie­rungs­stil, prag­ma­tisch, auto­ri­tär und oft der Impro­vi­sa­ti­on über­las­sen. Auch wegen die­ses feh­len­den Ver­mächt­nis­ses könn­ten die star­ken Span­nun­gen und Pola­ri­sie­run­gen, die sich unter der Herr­schaft von Fran­zis­kus ent­wickelt haben, bereits in den Tagen des Kon­kla­ves explodieren.

Es sei auch dar­an erin­nert, daß Fran­zis­kus 2021 ein Jahr des hei­li­gen Joseph aus­ge­ru­fen, am 25. März 2022 Ruß­land und die Ukrai­ne dem Unbe­fleck­ten Her­zen Mari­ens geweiht und am 24. Okto­ber 2024 sei­ne vier­te Enzy­kli­ka Dil­e­xit nos der Herz-Jesu-Ver­eh­rung gewid­met hat: alles Gesten, die im Ein­klang mit der tra­di­tio­nel­len Spi­ri­tua­li­tät der Kir­che ste­hen und sich deut­lich vom heid­ni­schen Pacha­ma­ma-Kult unter­schei­den, dem der Papst eben­falls im Vati­kan gehul­digt hat. Wider­sprü­che kenn­zeich­nen also die berg­o­glia­ni­sche Ära. Fran­zis­kus ver­wei­ger­te bei­spiels­wei­se der Got­tes­mut­ter den Titel der Mit­erlö­se­rin und nann­te sie eine „Mestiz­in“ des Geheim­nis­ses der Mensch­wer­dung, schrieb aber in sei­nem Testa­ment, daß er sein Leben und sei­nen Dienst immer „der Mut­ter unse­res Herrn, der hei­lig­sten Maria“, anver­traut habe. Des­halb bat er dar­um, daß sei­ne sterb­li­chen Über­re­ste „in Erwar­tung des Tages der Auf­er­ste­hung in der päpst­li­chen Basi­li­ka San­ta Maria Mag­gio­re ruhen“. „Ich wün­sche, daß mei­ne letz­te irdi­sche Rei­se in die­sem sehr alten Mari­en­hei­lig­tum endet, wo ich zu Beginn und am Ende jeder Apo­sto­li­schen Rei­se zum Gebet hin­ge­gan­gen bin, um der Unbe­fleck­ten Mut­ter mei­ne Anlie­gen ver­trau­ens­voll anzu­ver­trau­en und ihr für ihre güti­ge und müt­ter­li­che Für­sor­ge zu dan­ken.

Der seli­gen Jung­frau Maria ist nun sei­ne letz­te Rei­se anver­traut, wäh­rend die Kir­che vor einem Moment in ihrer Geschich­te steht, der außer­or­dent­lich schwer­wie­gend und kom­plex ist. Ihr, der Mut­ter des mysti­schen Lei­bes Chri­sti, ver­trau­en wir heu­te alle unse­re Hoff­nun­gen an, in der Gewiß­heit, daß auf die Tage des Lei­dens der Kir­che bald die Tage ihrer Auf­er­ste­hung und Herr­lich­keit fol­gen werden.

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017, und Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil. Eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, 2. erw. Aus­ga­be, Bobin­gen 2011.
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Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL/​Famiglia Cri­stia­na (Screen­shots)



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1 Kommentar

  1. Die Fuß­wa­schung im Johan­nes­evan­ge­li­um, mit der Jesus die tra­di­tio­nel­le jüdi­sche Lit­ur­gie auf den Kopf stell­te, zeigt deut­lich, dass die Nach­fol­ger Jesu in die Welt gesandt wur­den, um zu die­nen: „Tut ein­an­der, wie ich euch getan habe…“

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