
Im katholischen Medienbereich lassen sich drei Gruppen unterscheiden: die kirchenamtlichen Medien, die von den Bischofskonferenzen abhängig sind (wie Katholisch.de, KNA usw.); die nicht kirchenamtlichen, konservativen Medien, die sich jedoch im kirchenamtlichen Mainstream bewegen (wie Kath.net, Radio Horeb usw.) und die unabhängigen katholischen Medien wie unter anderen Katholisches.info. Wie die erste Gruppe mit dem Nachleben von Papst Franziskus umgeht, ist im Grunde wenig interessant. Wesentlich interessanter ist die zweite Gruppe. Wie verhält man sich dort, nun, da der „neue Cäsaropapismus“ mit Franziskus wieder in das Grab zurückzukehren scheint. Bisher herrscht Fehlanzeige. So wie man 2013 in diesem zweiten Bereich wenig differenziert dem neuen Papst zugejubelt hatte, wie man eben zuvor Johannes Paul II. und Benedikt XVI. zugejubelt hatte, so hält man offenbar an dieser widersprüchlichen Haltung auch nach seinem Ableben fest. Zwei Beispiele werden in die Chronik aufgenommen, um zu dokumentieren, warum u. a. auch deshalb ein solches Pontifikat möglich war, wobei keine Namen genannt werden, da es nicht um eine persönliche Kritik geht, sondern darum, aufzuzeigen, wie katholische Medien die katholische Öffentlichkeit beeinflussen.
Die Buchempfehlung von Papst Franziskus
Ein Moderator von Radio Horeb erinnerte heute an den Moment der Wahl von Franziskus am fernen 13. März 2013. Er erzählte von seinen persönlichen Erinnerungen und erwähnte den ersten Angelus des neuen Papstes am 17. März 2013. Und tatsächlich verdient es dieser Moment, in Erinnerung gerufen zu werden, allerdings etwas differenzierter, als es der Radio-Horeb-Mitarbeiter heute getan hat.
Franziskus empfahl bei seinem ersten Angelus ein Buch mit der Betonung, daß er nicht grundsätzlich Werbung für die Bücher seiner Kardinäle machen wolle, es sich also um eine Ausnahme handle. Welches Buch empfahl Franziskus? Das 2012 von Kardinal Walter Kasper herausgegebene Buch „Barmherzigkeit: Grundbegriff des Evangeliums. Schlüssel christlichen Lebens“. Die italienische Ausgabe war kurz zuvor, Anfang 2013, veröffentlicht worden. Die Enpfehlung beeindruckte den Radiomoderator schwer, sodaß er gleich am nächsten Tag sich im Buchhandel das Kasper-Buch besorgte. Als weitere Hinweise zum Buch erwähnte er begeistert: „Barmherzigkeit“ und „Zärtlichkeit“ und „sogar körperliche Zärtlichkeit“. Dies läßt allerdings nicht auf eine gewinnbringende Lektüre schließen. Eine kritische Reflexion fehlte.
In der Tat war es höchst außergewöhnlich, daß ein neugewählter Papst gleich beim ersten Auftritt dieser Art einen einzelnen Kardinal so aufs Podest hebt. Franziskus gab zu verstehen, daß er Kaspers Thesen so sehr verinnerlicht hatte („Es hat mir so gut getan, dieses Buch…, aber es hat mir so gut getan, so gut“), um sein ganzes Pontifikat in ein „Pontifikat der Barmherzigkeit“ verwandeln zu wollen, allerdings einer „neuen Barmherzigkeit“.

Das päpstliche Lob für Kasper mußte nicht nur von Anfang an verwundern, sondern in Sorge versetzen. In der Tat hatte Franziskus mit seiner scheinbar freundlichen Nebensache gleich zu Beginn einen zentralen Punkt seines Regierungsprogramms präsentiert: die Aufweichung der katholischen Ehe- und Morallehre, auf die vor allem Theologen im deutschen Sprachraum drängten, allen voran Kardinal Kasper. Kasper erhielt dann im Februar 2014 das Exklusivrecht, beim Kardinalskonsistorium – dem einzigen des ganzen bergoglianischen Pontifikats – die Einführungsrede zur Kursänderung in Sachen Ehe und Familie zu halten, um die „neue Barmherzigkeit“ durch faktische Anerkennung von Ehescheidung und Zweitehe zu präsentieren.
Der Widerspruch unter den versammelten Kardinälen war so groß, daß Franziskus seither ganz darauf verzichtete, die Kardinäle, seine Berater, noch einmal einzuberufen. Andere Meinungen waren unter Franziskus nicht erwünscht.
Das Ergebnis der Kasparschen Theologie, die Franziskus an jenem 17. März 2013 lobte, war dann das umstrittene nachsynodale Dokument Amoris laetitia mit den faktischen Änderungen der kirchlichen Ehe- und Morallehre bis hin zur „Öffnung“ gegenüber der Homosexualität, denn in den berüchtigten Fußnoten 351 und 329 von Amoris laetitia wurde nicht nur die genannte Öffnung vollzogen, sondern auch die Zulassung Homosexueller zur Kommunion festgeschrieben – natürlich verklausuliert, aber zweifelsfrei.
Der Dank an den Papstmacher
Nicht minder wesentlich war, daß Franziskus mit seinem Lob an jenem 17. März 2013 sich bei jenem Mann öffentlich bedankte, von dem er selbst offensichtlich überzeugt war, ihm sein Pontifikat zu verdanken. Das geschah alles ganz öffentlich.
In der Tat gehörte Kardinal Kasper der Mafia von Sankt Gallen an, von der die Öffentlichkeit damals aber noch gar nichts wußte. Sie sollte erst 2015 durch die Gesprächigkeit des belgischen Purpurträgers Godfried Danneels enthüllt werden, der diesem Geheimzirkel selbst angehörte, den er freimütig „Mafia“ nannte. Die Gesprächigkeit hatte sich aus dem Gefühl des Triumphs ergeben, indem sich dieser geheime Zirkel hoher Prälaten durch die Wahl von Franziskus endlich am Ziel sah.
Seit 2014 weiß man zudem, daß Kasper einer Vierergruppe von Kardinälen angehörte, dem sogenannten Team Bergoglio, das die Wahl Jorge Mario Bergoglios, des damaligen Erzbischofs von Buenos Aires, zum Papst vorbereiten und durchsetzen sollte. Kasper kam dabei eine Schlüsselstellung zu, denn er hatte nach Buenos Aires zu fliegen, um zu klären, ob Bergoglio dazu bereit sei, im Konklave der Kandidat der Mafia von Sankt Gallen zu sein. Dazu mußte sich Bergoglio mit seinem Wort verpflichten, keinen Rückzieher zu machen. Die Bestätigung für diese Mauscheleien und Wahlabsprachen hinter den Kulissen erfolgte durch Franziskus selbst an jenem 17. März 2013, ganz offen – allerdings, ohne daß die Öffentlichkeit die eigentliche Zusammenhänge durchschauen konnte – durch das ungewöhnliche Lob für Kasper und sein Buch: Kasper sei „in gamba“, ein „tüchtiger“ Theologe, einer eben, der „auf Draht“ ist, der „etwas drauf hat“. Kein Zweifel: Der neugewählte Papst bedankte sich bei seinem wichtigsten Papstmacher.
Weitere solche päpstliche Buchempfehlungen für Kasper-Bücher folgten, etwa im Zusammenhang mit dem Reformationsgedenken. Den Auftakt zum nächsten Coup d’etat machte der Papstbesuch bei den Lutheranern in Rom im November 2015 – in Anwesenheit eines wiederum ausdrücklich namentlich genannten und sichtlich zufriedenen Kasper. Erfolgte im März 2013 der erste Schritt zur Zulassung aller Personen „in irregulären Beziehungen“ zur heiligen Kommunion, so erfolgte in dem späteren Schritt ab 2015 die Zulassung nicht katholischer protestantischer Ehegatten zur heiligen Kommunion. Auch dieser Schritt war längst von deutscher Seite vorbereitet worden. Franziskus wußte eben, wem er sein Pontifikat verdankte und wem er sich verpflichtet fühlte. Kaspers These, daß Luther „recht hatte“, wurde dabei von Franziskus ausdrücklich wiederholt.

Als die fünf Kardinäle Burke, Müller, De Paolis, Brandmüller und Caffarra im Vorfeld der ersten Bischofssynode über die Familie 2014 die Publikation „In der Wahrheit bleiben“ zur Verteidigung der katholischen Ehe- und Morallehre veröffentlichten, empörte sich Franziskus hinter verschlossenen Türen vor den versammelten italienischen Bischöfen. Wie durchsickerte, soll er dort in Anspielung auf Todsünden ausgerufen haben:
„Einige Kardinäle haben ein Buch herausgegeben mit der einzigen Absicht, gegen Kasper zu kämpfen, das schon ist eine Todsünde.“
Die Veröffentlichung eines Buches zur Verteidigung des Ehesakraments und der Familie wurde von Franziskus, weil der Inhalt seiner Agenda der „neuen Barmherzigkeit“ widersprach, als eine „Todsünde“ diskreditiert. Vox Papae. Zuvor hatte schon Kardinal Kasper in Richtung der fünf Kardinäle geätzt: „Sie wollen einen Krieg“. Kardinal Burke bekam die Konsequenzen kurz darauf mit aller Härte zu spüren, indem ihn Franziskus über Nacht von seinem Amt als oberster Richter entließ und aus dem Vatikan warf. Das war Franziskus und sein Pontifikat.
Dies alles scheint am Moderator von Radio Horeb zur Gänze vorübergegangen zu sein, da er alles auf den simplen äußeren Gestus einer Buchempfehlung reduzierte und ihm selbst die Lektüre des Buches offensichtlich nichts sagte, da sie kein Warnruf für ihn war.
Man kann blind durchs Lebens stolpern, wenn Tabus das Denken verbieten.
Ein Papst wie du und ich?
Das andere Beispiel aus dem eingangs erwähnten zweiten katholischen Medienbereich ist der erste Nachruf auf Franziskus der österreichischen Nachrichtenseite Kath.net, der gestern nachmittag veröffentlicht wurde. Die unterzeichnete Redakteurin war schon in den vergangenen zwölf Jahren nicht durch die Fähigkeit zu einer kritischen Analyse des bergoglianischen Handelns aufgefallen, dafür aber als eiserne Papistin. Diesem Ruf machte sie auch gestern Ehre, da sie sich zur Überschrift und Kernaussage aufschwang: „Franziskus war ein Papst wie du und ich“, kurzum ein „Dorfpfarrer für die ganze Welt“.
Solche papistischen Ergüsse zwingen zum Ausruf: Nein, nein, und nochmal nein, die Welt braucht keinen Papst „wie du und ich“. Gott bewahre. Ganz im Gegenteil. Das ist keine bloße Polemik, sondern berührt das Wesen des Papsttums.
Franziskus tat freilich sein „Bestes“, um das Papsttum konsequent falsch zu betonen, indem er es dort abbaute, wo es hingehört, und dort betonte, wo es nichts verloren hat. Dazu gehörte es, sich penetrant als „Bischof von Rom“ zu präsentieren statt als Papst. Die Kath.net-Redakteurin schafft es aber, noch päpstlicher als der Papst zu sein. Wenn Franziskus sich in reduktiver Absicht zum Bischof stilisierte, zum bloßen Primus inter pares, reduzierte ihn die Autorin gar noch zum „Dorfpfarrer“. Alle Achtung. „Demütiger“ geht es wirklich kaum mehr. Doch leider sind es nur nette Worte ohne Substanz.
Einst hieß es: „Wenn das der Führer wüßte“, was sträflich ausblendete, daß dieser Führer es sehr wohl wußte und so wollte. Gleiches gilt für den mißglückten Versuch einer Ehrenrettung für Papst Franziskus durch die Kath.net-Redakteurin. Nein, Franziskus wurde nicht durch „geschickte Einflüsterer“ hintergangen, sondern hatte sich diese gefallenen Prälaten, die eine Schande für die Kirche sind, gezielt um sich gesammelt. Das ist nicht nur ein Unterschied in der Perspektive.
Entlarvend ist, daß der Autorin zur Frage, „was im Rückblick auf sein Pontifikat bleibt“, gemeint ist Positives, eigentlich nichts einfällt. Diesbezüglich hat sie nolens volens doch noch den Kern der Sache getroffen.
Franziskus hinterläßt eine verunsicherte, schwankende Kirche
Was durch diese zwei angeführten Beispiele im Umgang mit dem Tod von Franziskus bleibt, ist ein unverändert bitterer Beigeschmack, daß selbst nach einem so debakulösen Pontifikat nicht einmal der zweite katholische Medienbereich zu einer realistischen Betrachtung und kritischen Einschätzung der Lage imstande ist. Denkverbote verhindern gewiß nicht den persönlichen Durchblick der handelnden Personen, sie verhindern aber, daß die damit verbundenen Medien ehrlich und unverblümt berichten und somit die katholische Öffentlichkeit in vollem Umfang informieren.
Wie lassen sich die vergangenen zwölf Jahre für die Kirche zusammenfassen? Als verlorene Jahre. Verloren sind sie für eine positive Aufbauarbeit, die nicht erfolgte. Weit schlimmer fällt das Urteil unter dem negativen Aspekt aus, denn Franziskus hinterläßt eine Landschaft, in die er ganze Schneisen der Verwüstung geschlagen hat.
Die Kirche zeigt sich nach ihm kleiner, leerer und verunsicherter. Er hat eine Vielzahl von „Prozessen“ losgetreten, die einen gemeinsamen Nenner haben: aufzuweichen, zu schwächen, zu verunsichern. Die Kirche, die Franziskus hinterläßt, ist eine schwankende Kirche, da der Papst selbst ihr Stück für Stück den Boden unter den Füßen entzogen hat.
Hier wird sein Nachfolger, besser ist es, im Plural von Nachfolgern zu sprechen, denn die Aufräum- und Aufbauarbeit ist gigantisch, anzusetzen haben. Lobhudelei ist völlig fehl am Platz.
Nun zweifeln aufmerksame Beobachter, daß ein solchermaßen „umgebautes“ Wahlkollegium unter den Kardinälen überhaupt imstande sein wird, einen geeigneten Nachfolger des Petrus zu wählen, der die Kirche tatsächlich als Hohepriester im Kultus, als Meister und Vater in der Lehre und als Hirte in der Seelsorge zu führen vermag, als daß man rundweg sagen könnte: Er stärkt seine Brüder im Glauben.
Doch hierzu müssen wir uns der zweiten göttlichen Tugend, der Hoffnung, anvertrauen, sodaß die göttliche Vorsehung wirken möge. Wir haben das Gebet und wir haben die Möglichkeit, Meßintentionen zur Erwählung eines heiligen, tatkräftigen und gottgefälligen Papstes zu stiften. Machen wir davon großzügig Gebrauch.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL/VaticanMedia (Screenshots)