
Papst Franziskus mag sie einfach nicht, die heilige Liturgie des Gründonnerstags. Selbst im 13. Jahr seines Pontifikats und trotz seines prekären Gesundheitszustandes zeigt er kein Interesse am ersten der drei heiligen Tage, jenem Tag, der konstitutiv für die heilige Eucharistie und das Priestertum ist. Wie selbstverständlich sendet er einen Delegaten in die römische Bischofskirche, der für ihn dort zelebrieren soll. Damit reißt er, offensichtlich gewollt, wie die Systematik zeigt, ein gigantisches Loch im Selbstverständnis der Katholiken auf. Für heute hat Franziskus „den Wunsch geäußert“, statt seiner Kathedrale das römische Gefängnis Regina Coeli zu besuchen. Dieses Gefängnis wird er bereits zum zweiten Mal in seiner Amtszeit am Gründonnerstag aufsuchen, während er an diesem Tag noch nie in seiner Bischofskirche war. Ein Gestus, der massive Fragen aufwirft, die in der Kirche nicht gestellt werden, weil der Papst unantastbar ist? Jorge Mario Bergoglio, der den Papst gerne abzustreifen scheint, wie sein jüngster würdeloser Auftritt im Petersdom in schwarzen Hosen und Poncho zeigte, ist es aber mit Sicherheit nicht.
Für Franziskus gibt es den Gründonnerstag nicht, jedenfalls nicht öffentlich. Er verschwindet an diesem Tag konsequent hinter hohen Mauern. Was dort genau geschieht, entzieht er der Kirche. Man erinnere sich, wie er Moslems die Füße wusch und ihnen sogar die heilige Kommunion spendete.
Franziskus stellt seine persönlichen Vorlieben, also Jorge Mario Bergoglio, über den Papst, der an der Spitze der Kirche die Liturgie zelebrieren sollte. Der argentinische Jesuit macht das Handeln des Papstes unsichtbar. Und er tut dies konsequent und gnadenlos seit seiner Wahl. Die bange Frage ist: Warum immer am Gründonnerstag?
Die notorischen Claqueure, die den angeblich so sozialen Gestus des Papstes feiern, ein Gefängnis zu besuchen und „Ausgegrenzten“ die Füße zu waschen, können das gigantische Loch nicht zudecken, das er damit reißt. Einen Gefängnisbesuch könnte er an jedem beliebigen Tag des Jahres absolvieren. Wenn Franziskus dies jedoch konsequent am Gründonnerstag tut, so macht er dies gezielt, um der Gründonnerstagsliturgie auszuweichen und der Kirche ihr Oberhaupt zu entziehen. Das ist eine Form von Amputation.
Der einzige Tag im Jahr, den die Bischöfe in ihrer Bischofskirche sein sollen
Der Gründonnerstag ist der einzige Tag im Kirchenjahr, an dem den Bischöfen der katholischen Kirche vorgeschrieben ist, die heilige Liturgie in ihrer Bischofskirche mit ihrer Diözese zu zelebrieren. Die Liturgie soll für alle Gläubigen der Diözese zugänglich sein. Die Missa in Coena Domini bildet den sichtbaren Auftakt zu den heiligsten Tagen der Christenheit, dem Triduum Paschale oder Triduum Sacrum, also den drei heiligen Tagen, die vom Letzten Abendmahl über den Kreuzestod bis zur Auferstehung reichen. Dieses Ostertriduum ist von einer immensen Bedeutungsdichte.
Als Bischof von Rom zelebriert der Papst also die Gründonnerstagsliturgie in seiner Bischofskirche, der Lateranbasilika, die nicht von ungefähr „Haupt und Mutter aller Kirchen“ genannt wird. So war es zumindest bis 2012, als Papst Benedikt XVI. sein letztes Ostertriduum als Kirchenoberhaupt feierte. Seit der Wahl von Franziskus ist die Gründonnerstagsliturgie des Papstes verschwunden. Franziskus macht sie systematisch unsichtbar. Nicht ein einziges Mal feierte er sie öffentlich und mit seiner Diözese, obwohl er mehr als jeder Vorgänger darauf pocht, „Bischof von Rom“ zu sein. Dieser Widerspruch ist dabei noch der unbedeutendste.
Weit relevanter ist, daß am Gründonnerstag der Einsetzung des Allerheiligsten Altarsakraments durch Jesus Christus gedacht wird und untrennbar damit verbunden der Einsetzung des Weihepriestertums. Anders ausgedrückt: An diesem Tag setzte Jesus Christus die heilige Liturgie ein. Damit ist ebenso untrennbar die Bedeutung der Kirche als Sakralraum verbunden, insbesondere des Presbyteriums, für das gilt, was Gott in der ersten direkten Begegnung zu Moses sagte: „Der Ort, wo Du stehst, ist heiliger Boden“ (Ex 3,5).
Substantiell, konstitutiv und essentiell
Es gehört zu den ungeklärten Rätseln des derzeitigen Pontifikats, warum Franziskus dies alles unbeachtet läßt und seit 2013 ein zwar wichtiges Element der Gründonnerstagsliturgie überbetont: die Fußwaschung. Er tut dies auf Kosten des Wichtigeren und das geschieht nicht zufällig, wie die nun bevorstehende dreizehnte Wiederholung zeigt. Er tut es systematisch, weshalb man unterstellen kann, daß er es programmatisch tut. Franziskus hat diesen Schritt bis heute nicht erklärt.
Die Fußwaschung zeigt er dabei als „sozialen Gestus“ im Gewand eines politisch korrekten Aktivismus. Die Einsetzung des Weihesakraments (Priestertum) und des Altarsakraments (Eucharistie) treten durch das Unsichtbarmachen an einem unbekannten, geschlossenen Ort in den Hintergrund. Einher ging 2016 damit, daß Franziskus eine generelle Änderung einführte und die symbolische Handlung der Fußwaschung seither auch an Frauen und Mädchen vollzogen werden kann. Franziskus heischt damit nach Zuspruch, denn im Zeitalter der Gender-Ideologie dürfte für viele dieser Schritt „längst überfällig“ gewesen sein, allerdings nur, weil die eigentliche Bedeutung der Geste nicht mehr bekannt ist und Franziskus sich auch nicht die Mühe machte, sie zu erklären.
Die Fußwaschung ist eben keine soziale Geste als Ausdruck und Aufforderung zu genereller Demut nach dem Motto: je größer der soziale Rangunterschied, desto größer die Demut. Die Fußwaschung nahm Jesus Christus an den Aposteln vor als Zeichen dafür, daß die apostolische Sukzession immer ein demütiges Dienen sein muß. Um dies zum Ausdruck zu bringen, wuschen Päpste immer Bischöfen und Kardinälen die Füße, da sie ihre direkten Untergebenen sind. Der Sinn ist also wesentlicher tiefer als nur eine nette und demütige Geste. Doch wie gesagt: Die Fußwaschung ist nicht das zentrale, wenn auch ein wichtiges Element der Gründonnerstagsliturgie als Mahnung zum richtigen Verständnis des Priestertums. In Wirklichkeit geht es um das Priestertum, das allen anderen Religionen und auch dem Protestantismus fehlt:
Traditionell war der Gründonnerstag wegen der Einsetzung des Priestertums der Tag, oft der einzige im Jahr, an dem über das sakramentale Priestertum gepredigt wurde. Auch das ist verschwunden, denn gegenüber Gefangenen und meist andersgläubigen Migranten erübrigt sich das Thema. Tatsächlich wurde es von Franziskus in seinen meist sehr kurzen Predigten nie angesprochen.
Ein Programm ist kein Zufall
Alles Zufall? Das sakramentale Priestertum, das Altarsakrament und die Gründung der Kirche mit den daraus folgenden Ansprüchen gehören zu den „Hürden“ im ökumenischen und interreligiösen Dialog.
Der Gründonnerstag unter Papst Franziskus hat es insgesamt in sich. Am Gründonnerstag 2018 veröffentlichte Eugenio Scalfari, der atheistische Freimaurer und Freund des Papstes, ein Interview mit dem Kirchenoberhaupt, dessen Inhalt Kardinal Raymond Burke als „unerträglich“ bezeichnete:
„Daß ein bekannter Atheist den Anspruch erhebt, eine Revolution in der Lehre der katholischen Kirche zu verkünden, und dabei behauptet, im Namen des Papstes zu sprechen und die Unsterblichkeit der menschlichen Seele und die Existenz der Hölle zu leugnen, ist ein schwerwiegender Skandal.“
Die Anomalie
Die Abwesenheit des Bischofs an diesem Tag von seiner Bischofskirche stellt eine Anomalie dar. Franziskus läßt seine Bischofskirche und seine Herde verwaist und besucht am Gründonnerstag bevorzugt ein Gefängnis. Bei den „Unsichtbaren“ hinter den Gefängnismauern macht er auch die Missa in Coena Domini unsichtbar.
Die Gefangenen zu besuchen ist eine edle Tat und gehört zu den leiblichen Werken der Barmherzigkeit. Dafür stünden dem Papst allerdings viele Tage im Jahr zur Verfügung. Vielleicht könnte Franziskus einmal ein Lebensrechtszentrum oder eine Schwangerenberatungsstelle der Lebensrechtsbewegung besuchen, wo täglich unter schwersten Anfeindungen um das Leben der ungeborenen Kinder gerungen und der ‚Wegwerfkultur‘ widerstanden wird. Franziskus machte jedoch bisher einen politisch korrekten Bogen darum herum. Und wenn er einen solchen wichtigen Schritt setzen würde, dann bitte nicht während der Gründonnerstagsliturgie.
So bleibt ein dunkler Schatten: Ein Gefängnisbesuch zur konsequenten Verdunkelung des Gründonnerstags ist hingegen ein schwerwiegender Schritt.
Die unsichtbaren Orte
Wo Franziskus bisher den Gründonnerstag verbrachte, anstatt in seiner Bischofskirche zu zelebrieren. In der Lateranbasilika wird an seiner Stelle heute Kardinalvikar Baldassare Reina feiern, der Generalvikar des Papstes für die Diözese Rom:
- 2013: Besuch im Jugendgefängnis von Casal del Marmo bei Rom
- 2014: Besuch einer Behinderteneinrichtung bei Rom
- 2015: Besuch im römischen Gefängnis Rebibbia
- 2016: Besuch im Flüchtlingsheim in Castelnuovo di Porto in Latium
- 2017: Besuch im Hochsicherheitsgefängnis von Paliano in Latium
- 2018: Besuch im römischen Gefängnis Regina Coeli
- 2019: Besuch im Gefängnis von Velletri in Latium
- 2020: Unter Verweis auf eine angebliche Corona-Pandemie gestrichen1
- 2021: Unter Verweis auf eine angebliche Corona-Pandemie gestrichen1
- 2022: Besuch im Gefängnis von Civitavecchia in Latium
- 2023: Besuch im Jugendgefängnis von Casal del Marmo bei Rom
- 2024: Besuch im römischen Frauengefängnis Rebibbia
- 2025: Besuch im römischen Gefängnis Regina Coeli
Der heutige Gefängniskomplex, der Platz für 750 Gefangene bietet, aber meist mit deutlich über tausend Gefangenen belegt ist, entstand aus zwei Klöstern, die im 17. Jahrhundert errichtet wurden. Das eine Kloster war ein Karmelitinnenkloster, das andere ein Kloster des Ordens von der Heimsuchung Mariens (Salesianerinnen), ab 1793 der Serviten-Terziarinnen (Servitinnen, Mantellate). Unter Napoleon wurden beide Klöster aufgehoben, konnten nach 1815 aber wiederbesiedelt werden. Nach der gewaltsamen Eroberung Roms durch den neuen italienischen Staat wurden 1873 beide Klöster erneut aufgehoben und die Gebäude vom neuen Staat enteignet. Sowohl die Karmelitinnen als auch die Dienerinnen Mariens (Mantellate) mußten ihre Klöster verlassen und unter teils prekären Umständen vorübergehende Unterkünfte in verschiedenen Klöstern Roms beziehen. Erst 1908 bzw. 1909 konnten sie wieder je eigene Klöster errichten. Beide Konvente existieren noch heute, allerdings aufgrund der schnellen städtebaulichen Veränderungen in Rom an neuen Orten. Durch massive Umbauten entstand der Komplex des neuen Hauptgefängnisses der italienischen Hauptstadt, der 1881 eröffnet wurde: Aus dem Karmel wurde das Männergefängnis und aus dem Mantellate-Kloster das Frauengefängnis.
1958 besuchte mit Johannes XXIII. erstmals ein Papst das Gefängnis, aber nicht am Gründonnerstag. 1964 tat es ihm Paul VI. gleich und im Heiligen Jahr 2000 auch Johannes Paul II. im Zusammenhang mit seinem Schreiben an die Gefangenen. Franziskus kam erstmals 2018 in das Gefängnis, aber eben am Gründonnerstag und ohne in seiner Bischofskirche zu zelebrieren.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Google Maps (Screenshot)