
Von Roberto de Mattei*
Am 2. April 2025, dem von ihm so genannten „Tag der Befreiung“, kündigte US-Präsident Donald Trump die Einführung eines allgemeinen Zolls von 10 Prozent auf alle Einfuhren in die Vereinigten Staaten an. Darüber hinaus verhängte er höhere Zölle auf 57 Handelspartner und begründete diese Maßnahmen mit der Notwendigkeit, als unfair empfundene Handelspraktiken zu korrigieren und die US-Handelsbilanz wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Trumps Initiative hat weltweit Bestürzung und Proteste ausgelöst, ist aber an sich nicht skandalös. Zölle, auf Englisch Tariffs, sind ein klassisches Instrument des Protektionismus, d. h. der Wirtschaftspolitik eines Staates zum Schutz seiner heimischen Industrie und Produktion vor ausländischer Konkurrenz. Dies geschieht durch die Erhebung indirekter Steuern auf Waren, die die Grenzen eines Staates überschreiten, unabhängig davon, ob es sich um Importe oder Exporte handelt. Ausländische Produkte sind dann weniger wettbewerbsfähig als einheimische Produkte.
Dem Protektionismus steht die Wirtschaftspolitik des Freihandels gegenüber, die jedes Hindernis für den internationalen Handel als schädlich für einen Staat betrachtet. Der bekannteste Theoretiker des Freihandels ist der britische Wirtschaftswissenschaftler David Ricardo (1772–1823). Alle Studenten der Wirtschaftswissenschaften sind mit seiner Theorie des komparativen Vorteils vertraut, nach der jedes Land vom internationalen Handel profitieren kann, da der Handel zwischen den Ländern die Spezialisierung der Produktion fördert und eine größere weltweite Produktion ermöglicht.
Ricardo wurde von seinem deutschen Zeitgenossen Friedrich List (1789–1846) bekämpft, der den Einsatz von Zöllen und staatlichen Eingriffen, insbesondere zum Schutz junger Industrien, befürwortete. Lists These von der aufkeimenden Industrie wurde erstmals von US-Finanzminister Alexander Hamilton (1755–1804) mit dem Ziel vertreten, eine starke Nation auf der Grundlage einer robusten und autarken Industrie aufzubauen.
Von Anfang an verfolgten die Vereinigten Staaten eine protektionistische Politik, um die heimische industrielle Entwicklung gegen die europäische, damals insbesondere britische Konkurrenz zu unterstützen. Der Tariff Act von 1789 war eines der ersten Instrumente, die der US-Kongreß nach der Unabhängigkeit verabschiedete. Fast ein Jahrhundert lang, zumindest bis zum Bürgerkrieg (1861–1865), war die Erhebung von Zöllen auf alle importierten Produkte die Haupteinnahmequelle der Bundesregierung. Der Tariff Act von 1930 (Smoot-Hawley Tariff Act), der von Präsident Herbert Hoover zum Schutz der amerikanischen Wirtschaft vor der Großen Depression initiiert wurde, konnte die globale Krise jedoch nicht lösen und leitete eine Phase des Rückgangs des Protektionismus ein.
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Vereinigten Staaten führend beim Aufbau einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung, die auf der Liberalisierung des Handels beruhte. Sie gehörten zu den Hauptbefürwortern des GATT (später WTO, die Welthandelsorganisation) und unterzeichneten mehrere Freihandelsabkommen, darunter das NAFTA mit Kanada und Mexiko. Mit dem Vertrag von Maastricht von 1992 wurde Europa in diesen Globalisierungsprozeß einbezogen, der durch die Abschaffung der Grenzen und die Globalisierung der Märkte erfolgen sollte.
In den 2000er Jahren kam es jedoch zur Krise der neuen Weltordnung, die sich zu einer großen internationalen Unordnung entwickelt. Die Corona-Maßnahmen versetzten der Globalisierung einen schweren Schlag, indem die Freizügigkeit der Bürger stark eingeschränkt wurde. Europa stand dabei an vorderster Front, und die europäischen Proteste gegen Handelsschranken zeugen von einer gehörigen Portion Heuchelei. In den vergangenen Jahren hat die EU eine Vorreiterrolle in der grünen Wirtschaft und im Kampf gegen den Klimawandel übernommen. Zu ihren vorrangigen politischen Maßnahmen gehört der sogenannte „grüne Protektionismus“, d. h. der Einsatz umweltpolitischer Maßnahmen (wie Emissionssteuern, Klimaregelungen, grüne Standards), die die Einfuhr von Waren aus Drittländern einschränken oder an Bedingungen knüpfen. Diese Wirtschaftspolitik ist nicht von der liberalistischen Logik David Ricardos inspiriert, sondern von der protektionistischen Logik Friedrich Lists, denn sie schützt strategische Industrien im Namen eines „höheren Zwecks“ oder einer „Notlage“, was gestern die industrielle Entwicklung und heute der Klimawandel ist. In der Praxis handelt es sich um eine Form des Handelsprotektionismus, der sich als Umweltschutz tarnt.
Auch die Regierung Biden hat protektionistische Maßnahmen ergriffen, um die Green Economy zu fördern. Der Inflation Reduction Act, der 2022 in den USA verabschiedet wurde, sieht Hunderte von Milliarden Dollar an Subventionen für Unternehmen vor, die grüne Technologien (wie Elektroautos, Solarzellen und Batterien) herstellen, sofern ein Teil der Produktion auf amerikanischem Boden stattfindet. Dies ist eine offensichtliche Form des Protektionismus.
Der Mythos der Globalisierung scheint nun hinter uns zu liegen. Die erste Präsidentschaft von Donald Trump (2017–2021) war eine Rückkehr zum Protektionismus mit der Einführung von Zöllen auf Stahl, Aluminium und chinesische Waren, um das Handelsdefizit zu verringern. In seiner Antrittsrede im Weißen Haus am 20. Januar 2025, mit der er seine zweite Amtszeit antrat, bezog sich Trump auf den 25. US-Präsidenten William McKinley (1843–1901), den „Vater“ einer Welle von Zöllen, die 1890 verabschiedet wurden und zum amerikanischen Gilded Age (Goldenen Zeitalter) beigetragen haben.
Sollte uns Donald Trumps Zollkrieg also ruhig und zufrieden zurücklassen? Ganz und gar nicht. Nach dem Fall der Berliner Mauer wurde im Namen der „Weltrepublik“ eine fragile und voneinander abhängige Welt geschaffen. Ein zu starkes Eingreifen in dieses schwache System kann einen Dominoeffekt auslösen, der eine Reihe von Systemkrisen auslöst, die sich gegenseitig verstärken und zu einem weltweiten wirtschaftlichen Zusammenbruch führen können. Es sei daran erinnert, daß es in der Wirtschaft nicht nur um Zahlen und Algorithmen geht, sondern daß Märkte zutiefst emotional sind und wirtschaftliche Entscheidungen oft nicht nur auf dem beruhen, was gerade geschieht, sondern auch darauf, was man glaubt, daß es geschehen wird. Die große Krise von 1929 wurde vor allem durch einen Zusammenbruch des Vertrauens verursacht, der in eine kollektive Panik umschlug.
Die Pandemie hinterließ tiefe Spannungen, die noch heute die Psyche der Menschen beeinflussen. In Europa haben der russisch-ukrainische Krieg und die unkontrollierte Einwanderung dazu beigetragen, diese psychologische Instabilität zu verstärken, die schnell zu politischer und wirtschaftlicher Destabilisierung und damit zu Chaos führen kann. Die moderne Zivilisation, die auf den Trümmern der mittelalterlichen Zivilisation entstanden ist, scheint kurz vor dem Zusammenbruch zu stehen, aber die Rückkehr zur Ordnung wird entweder religiös und moralisch sein, oder sie wird nicht stattfinden.
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017, und Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine bislang ungeschriebene Geschichte, 2. erw. Ausgabe, Bobingen 2011.
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Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
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