Eine Änderung des Konklaves? „Fake News“

Gezerre hinter den Kulissen


Kardinal Gianfranco Ghirlanda am Tag seiner Kardinalskreierung mit Pater Antonio Spadaro, einem weiteren Jesuiten
Kardinal Gianfranco Ghirlanda am Tag seiner Kardinalskreierung mit Pater Antonio Spadaro, einem weiteren Jesuiten

Wie­der­holt tau­chen Fra­gen auf wie jene, wor­an man erken­ne, daß der­zeit etwa im Vati­kan Anspan­nung und Unru­he herr­schen. Die Ant­wort soll an einem kon­kre­ten, aktu­el­len Bei­spiel auf­ge­zeigt wer­den: Kar­di­nal Gian­fran­co Ghir­lan­da, ein Jesu­it wie Papst Fran­zis­kus und bekann­ter Kano­nist, ging gestern an die Öffent­lich­keit, um ein Demen­ti auszusprechen.

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Seit eini­gen Wochen kur­sie­ren hart­näcki­ge Gerüch­te, Papst Fran­zis­kus wol­le Hand an die Wahl­ord­nung des Kon­kla­ve legen. Ob dies tat­säch­lich die Absicht des noch amtie­ren­den Pap­stes ist oder nicht, dar­über wird hef­tig dis­ku­tiert. Die gesam­te Dis­kus­si­on erfolgt außer­halb der offi­zi­el­len Kanä­le und grün­det auf Gerüch­ten, Spe­ku­la­tio­nen und Indi­zi­en. Ghir­lan­da, 2022 von Fran­zis­kus zum Kar­di­nal kre­iert, habe, so die Gerüch­te, den Auf­trag von Fran­zis­kus erhal­ten, die Ände­run­gen der Wahl­ord­nung auszuarbeiten.

Nun demen­tier­te der Pur­pur­trä­ger gegen­über der spa­ni­schen Tages­zei­tung ABC, an einem Doku­ment zur Ände­rung der Sedis­va­kanz und des Kon­kla­ves zu arbei­ten oder gear­bei­tet zu haben. Man kann die­ses Demen­ti für glaub­haft hal­ten oder auch nicht, sprin­gen­der dar­an ist der Punkt, daß Ghir­lan­da über­haupt ein sol­ches öffent­lich aus­ge­spro­chen hat. Erstens stün­de es ihm nicht zu, von sich aus eine sol­che Äuße­rung zu täti­gen, zwei­tens, war­um etwas demen­tie­ren, das offi­zi­ell nicht auf der Tages­ord­nung steht.

Ghir­lan­da ist der Haupt­be­ra­ter von Papst Fran­zis­kus in kir­chen­recht­li­chen Fra­gen. Es erscheint kaum vor­stell­bar, daß er von sich aus an die Öffent­lich­keit tritt, um zu erklä­ren, daß der Papst „der­zeit kei­ne Reform der Kon­kla­ve­ord­nung erwägt“. Ein sol­ches Vor­ge­hen läßt erken­nen, daß sich im Vati­kan bereits alles auf das nahen­de Kon­kla­ve kon­zen­triert und daher Span­nung und Unru­he herrschen.

Eine Wahl­rechts­än­de­rung könn­te natür­lich schlag­ar­tig die Ist-Situa­ti­on im Wahl­kör­per und alle damit ver­bun­de­nen Rech­nun­gen über den Hau­fen wer­den. Das wie­der­um wirft Fra­gen auf, zu wes­sen Nut­zen dies gesche­hen wür­de und was das genau bedeu­ten könn­te. Längst wer­den hin­ter den Kulis­sen die Stimm­rech­te gezählt, wer­den Grup­pen aus­fin­dig gemacht und mög­li­che Mehr­hei­ten errechnet.

Zur Fra­ge nach dem Cui bono wird vor allem Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Pie­tro Paro­lin genannt, dem bei einer Sen­kung des not­wen­di­gen Quo­rums von der der­zei­ti­gen Zwei-Drit­tel-Mehr­heit auf eine abso­lu­te Mehr­heit die besten Aus­sich­ten zuer­kannt wer­den, die Nach­fol­ge von Fran­zis­kus antre­ten zu kön­nen. Ist die Wahl also schon ent­schie­den? Die­se Fra­ge wur­de auf­ge­regt hin und her gereicht.

Ghir­lan­da, selbst alters­be­dingt nicht mehr Papst­wäh­ler, demen­tier­te nun kate­go­risch. Es sei „abso­lut falsch“, es sei­en „Fake News“, daß er an einem sol­chen Doku­ment arbei­te. Womit er indi­rekt auch sag­te, es sei undenk­bar, daß Fran­zis­kus nicht ihn, sei­nen Haus­ka­no­ni­sten, mit einer sol­chen Auf­ga­be beauf­tragt hätte.

Offen­sicht­lich ist Fran­zis­kus oder wer der­zeit den Zugang zu San­ta Mar­ta kon­trol­liert, dar­an inter­es­siert, das Wahl­kol­le­gi­um zu beru­hi­gen. Eini­ge Stim­men sagen, weil Fran­zis­kus die Wahl Paro­lins ver­hin­dern wol­le, viel­leicht aber auch nur, um den Ein­druck einer bereits gelau­fe­nen Wahl zu vermeiden.

War es Paro­lin, der Ghir­lan­da zu Fran­zis­kus ans Kran­ken­bett brach­te, um den Rück­tritt des Pap­stes vor­zu­be­rei­ten, wie es man­che Stim­men behaup­ten. Auf eini­ge die­ser Fra­gen wer­den die näch­sten Tage und Wochen Ant­wort geben, ande­re wer­den spä­ter Ant­wort fin­den, man­che nie.

Der Vati­kan ist mit Demen­tis sehr zurück­hal­tend. Über das, was nicht ist, muß man nicht spre­chen. Unter Fran­zis­kus erfolg­ten sie nicht ein­mal mehr, wo sie inhalt­lich drin­gend gebo­ten schie­nen. Als aber der staat­li­che ita­lie­ni­sche Rund­funk erst­mals die Mel­dung einer Wahl­rechts­än­de­rung und eines mög­li­chen Rück­tritts bekannt­gab – Fran­zis­kus war gera­de eine Woche im Kran­ken­haus –, gab es umge­hend ein offi­zi­el­les Demen­ti durch das vati­ka­ni­sche Pres­se­amt. Eine unge­wöhn­li­che Situa­ti­on, sowohl was die Tat­sa­che selbst als auch die Eile betrifft.

Nun erklär­te Kar­di­nal Ghirlanda:

„Ich habe den Hei­li­gen Vater wäh­rend sei­nes Auf­ent­halts in der Gemel­li-Kli­nik nicht besucht. Das ist etwas völ­lig Erfundenes.“

Den ABC-Arti­kel ver­faß­te Javier Mar­tí­nez-Bro­cal, ein Fran­zis­kus nahe­ste­hen­der Vati­ka­nist, was die Wahr­schein­lich­keit nahe­legt, daß hier San­ta Mar­ta direkt eine Bot­schaft aus­sen­den wollte.

2022 hat­te Ghir­lan­da, damals soeben zum Kar­di­nal erho­ben, gegen­über ABC erklärt, es gebe kei­nen Auf­trag, die Gesetz­ge­bung für einen Papst-Rück­tritt zu ändern oder die recht­li­che Fest­schrei­bung der von Bene­dikt XVI. ein­ge­führ­ten Figur eines „eme­ri­tier­ten Pap­stes“ vor­zu­neh­men. Wört­lich sag­te der Kano­nist am 18. Dezem­ber 2022:

„Nein. Ich habe das The­ma nicht ange­faßt, und ich bin auch nicht auf die Idee gekom­men, das zu tun. Es ist wohl so, daß der Hei­li­ge Geist kein Inter­es­se dar­an hat, daß ich mich mit sol­chen Din­gen befasse.“

Damals füg­te Ghir­lan­da hin­zu, daß prak­tisch alle Päp­ste des 20. Jahr­hun­derts die Wahl­rechts­ord­nung des Kon­kla­ves geän­dert hät­ten, er aber noch kei­nen sol­chen Auf­trag erhal­ten habe.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: X/​JesuitNews (Screen­shot)

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