
Von Caminante Wanderer*
Es mag seltsam erscheinen, daß wir die Rückkehr von Papst Franziskus nach Santa Marta als gute, ja sogar sehr gute Nachricht betrachten, auch wenn ihn dort eine lange Rekonvaleszenz erwartet, von der wir nicht wissen, ob, wie und wann er davon herauskommen wird.
Sicher ist, daß die Dinge im Vatikan viel komplizierter geworden sind, als irgendjemand hätte erwarten können, und die Aussage von Glaubenspräfekt Kardinal Víctor Manuel Fernández, daß der Pontifex „wieder sprechen lernen muß“, sollte nicht als Lästerung verstanden werden. Ich denke, es sollte eine indirekte Warnung sein, daß Franziskus im Krankenhaus die Kontrolle über die Leitung der Kirche verliert: Ein alter Mann, der kaum noch sprechen kann, kann nicht die Entscheidungen treffen, die im Vatikan Tag für Tag veröffentlicht werden. Und der verwöhnte Kardinal des Pontifex ist sauer, weil nicht mehr er es ist, der ihm die Dokumente zur Unterschrift vorlegt, wie es lange Zeit der Fall war, sondern andere.
Wer sind diese anderen? Alle sind sich darin einig, daß es Kardinalstaatssekretär Parolin ist. Die Anwesenheit des Papstes in Santa Marta wird die Isolation aber durchbrechen, und es ist wahrscheinlich, wie es heißt, daß er zwischen sich und das Hornissennest, das ihn umgeben wird, eine äußerst vertrauenswürdigen Person stellen wird, die ihm und der päpstlichen Unterschrift den Rücken freihält. Es heißt, daß es nicht einmal ein Kardinal sein wird.
Aber abgesehen von diesem Umstand, von dem wir sehen werden, wie er ausgeht und wie lange er andauert, ist sicher, daß das Konklave, wenn der Papst an dieser Krankheit stirbt, viel komplizierter und gefährlicher für die Kirche sein wird als erwartet.
Der Kardinal, der im Moment am ehesten gewählt werden könnte, ist Pietro Parolin. Als guter Italiener hat er eine saubere und gut durchdachte Karriere gemacht, mit guten Manieren und Allianzen mit allen relevanten Gruppen in der Kirche, außer den Traditionalisten, die er – wie Franziskus – für hoffnungslos verloren hält (er ist bekannt für seine heftige Opposition gegen die überlieferte Messe und dafür, daß er einer der Initiatoren von Traditionis custodes war).
Seinem Geschick ist es zu verdanken, daß Parolin trotz der Tendenz von Papst Franziskus, seine engsten Mitarbeiter mit einiger Regelmäßigkeit zu entlassen, zwölf Jahre lang auf seinem Posten geblieben ist. Allerdings begann er sich vorzeitig von diesem abzuseilen und sich wie ein stellvertretender Papst zu verhalten. Das war der Grund für die vorzeitige Entlassung aus der Gemelli-Klinik: Ein kranker Papst im Krankenhaus ist nicht dasselbe wie ein kranker Papst im Vatikan, abgesehen davon, ist bisher noch kein Papst in einem Krankenhaus gestorben.
Jeder in den Heiligen Palästen weiß, daß Bergoglio Parolin nicht mag, und daß Parolin Bergoglio nicht mag. Zwei, die nach Macht streben, müssen sich logischerweise gegenseitig abstoßen. Und deshalb tut der Papst alles, um seinem Staatssekretär den Karrieresprung auf den Thron des Petrus zu erschweren.
Wir haben an dieser Stelle bereits über die Verlängerung der Amtszeit von Kardinal Giovanni Battista Re als Dekan des Kardinalskollegiums gesprochen, ein Amt, das Parolin zweifellos gerne übernehmen würde; und wir wissen auch, daß der erste Rosenkranz für die Genesung des Papstes auf dem Petersplatz von Parolin und nicht von Re geleitet wurde, obwohl dieser ranghöher ist, aber Parolin den Vortritt ließ. Der Palast tanzt, um sich für die Weltbevölkerung ins Blickfeld zu rücken.
Und es wird auch Parolin sein, der am 2. April die Messe zum 20. Todestag von Johannes Paul II. zelebrieren wird. Eine typisch vatikanische Geste des Zynismus: Der Papst, der die Ostpolitik beendet und eine führende Rolle beim Sturz des Kommunismus in Rußland und Osteuropa gespielt hat, wird von dem Kardinal „gefeiert“, der diese gescheiterte Politik der Annäherung an die kommunistischen Regime durch das Abkommen mit der Regierung der Volksrepublik China erneuert hat, womit er die Kirche und ihre Märtyrer den Entscheidungen der Kommunistischen Partei ausgeliefert hat.
Und Franziskus? Er reagierte nun damit, daß er Parolin nicht allein in seinen Zimmern in der Gemelli-Klinik empfing, sondern nur in Begleitung des Substituten Erzbischof Edgar Peña Parra, den er von beiden bevorzugt. Eine Art Demütigung für den Staatssekretär: Im vatikanischen Sprachgebrauch ist das ein klares Zeichen dafür, daß der Papst ihm nicht mehr vertraut und deshalb Zeugen bei den Treffen dabeihaben will.
Andererseits ist es wahrscheinlich gerade dieses beschleunigte Tempo, das Parolin seiner Karriere verpaßt, das seine Wahl in Mißkredit bringen wird. Wenn es stimmt, daß die Möglichkeit bestand, einige der Konklaveregeln zu ändern – es war die Rede davon, daß die Wahl mit absoluter Mehrheit und nicht mehr mit Zweidrittelmehrheit erfolgen würde und daß Kardinäle, die keine Wahlmänner sind, nicht mehr zu den vorangehenden Generalkongregationen zugelassen würden –, so ist diese Möglichkeit meines Erachtens durch die Eile des Staatssekretärs zunichte gemacht worden. Sollte die absolute Mehrheit für die Wahl reichen, würde bereits am zweiten Tag des Konklaves zweifellos Parolin auf der Mittelloggia des Petersdoms erscheinen. Und er ist es auch, der am meisten daran interessiert ist, ein Veto gegen die Teilnahme der über achtzigjährigen Kardinäle einzulegen und ihnen damit das Wort zu verbieten und sie von den Gesprächen auszuschließen.
Parolin weiß nämlich, daß seine Feinde ihn dort, in den Generalkongregationen, als das zeigen werden, was er ist. Und der wichtigste Kontrahent dort ist alte chinesische Kardinal Joseph Zen. Er sagte nämlich: „Parolin hat einen vergifteten Verstand. Er hat sehr nette Umgangsformen, aber ich traue ihm nicht“. Und auch: „Parolin weiß, daß er ein Lügner ist und der Papst von ihm manipuliert wird“. Niemand würde wollen, daß ein so ehrwürdiger alter Mann wie Zen, der viele Jahre der Verfolgung und auch der Gefangenschaft auf dem Buckel hat, ihn mit solcher Klarheit vor den Papstwählern bloßstellt. Ich glaube daher nicht, daß Papst Franziskus beabsichtigt, die Konklaveregeln zu ändern, die nur seinen Gegner begünstigen.
Was will Franziskus also, und wer ist sein Dauphin?
Schwer zu sagen, denn niemand weiß, was in einem Jesuiten vorgeht, wie man so schön sagt. Sein Favorit ist wahrscheinlich Kardinal Matteo Zuppi, den er von einem einfachen römischen Weihbischof zum Erzbischof von Bologna und zum Vorsitzenden der Italienischen Bischofskonferenz befördert hat und der den zusätzlichen Vorteil hat, Parolin in einer gegenseitigen und aufrichtigen Abneigung verbunden zu sein.
Wie Sandro Magister vergangene Woche meinte, ist Zuppi zwar Mitglied der Gemeinschaft Sant’Egidio, aber genau aus diesem Grund nicht der Kandidat dieser mächtigen und einflußreichen Gemeinschaft. Die Kardinäle, so Magister, würden kaum für jemanden stimmen, der, sobald er Papst ist, die wirkliche Macht seinen Mitbrüdern der Gemeinschaft übertragen würde, allen voran dem Gründer Andrea Riccardi. Der Schattenkandidat der Gemeinschaft Sant’Egidio wäre vielmehr der Portugiese José Tolentino de Mendonça, Präfekt des Dikasteriums für Kultur und Bildung.
Tolentino ist ein Kandidat, der Beglaubigungen vorweisen kann. Geboren in Fuchal auf der Insel Madeira, lebte er viele Jahre in Angola und dann in Lissabon, wo er als Universitätsdozent und in verschiedenen kulturellen Aktivitäten tätig war und auch Gedichtbände verfaßte. Wie Zuppi wurde auch er durch eine Laune von Papst Franziskus vom einfachen lusitanischen Priester zum Kardinal erhoben. Seine Wahl würde dafür sorgen, daß die Kirche zum Garanten eines kulturellen Christentums wird, das sich zwar nicht von dogmatischen oder moralischen Aspekten befreit, diese aber mehr oder weniger beiseite läßt, um sich der Wahrung der christlichen kulturellen Werte im Dialog mit anderen Religionen und Ungläubigen zu widmen. Kurzum, eine bescheidene, leise Kirche, bevölkert von rechtschaffenen Menschen und vor allem weit entfernt von Extremen.
Aber hat Kardinal Tolentino wirklich eine Chance, gewählt zu werden? Wohl kaum. Zwei wichtige Faktoren sprechen gegen ihn. Erstens hat er keine pastorale Erfahrung; er war nie Pfarrer, nicht einmal Pfarrvikar, geschweige denn Diözesanbischof. Er hat nicht den Stallgeruch von Schafen, sondern riecht nach Büchern und Vernissagen. Und zweitens, was noch wichtiger ist. Er ist 59 Jahre alt, also sehr jung. Ich glaube nicht, daß sich ein Papstwähler dazu überreden läßt, für eine Person zu stimmen, die ein Pontifikat von 25 oder 30 Jahren vorhersehen läßt, ganz nach dem Motto: Wenn er statt einer Ente ein Bläßhuhn wird, sind wir erledigt.
Kurz gesagt, es ist eine sehr gute Nachricht für die Kirche, daß Papst Franziskus nach Santa Marta zurückgekehrt ist und daß er vielleicht noch einige Monate am Leben bleiben wird, lang genug, um die Ambitionen von Parolin zu vereiteln, der die dunkelste Option ist, der die Kirche ausgeliefert sein könnte.
PS: Nun könnte jemand die folgende Frage stellen: Wenn Papst Franziskus Parolin nicht mag, warum setzt er ihn nicht ab, so wie er Müller oder Burke abgesetzt hat? Ganz einfach: weil Franziskus schon am Beginn seines Pontifikats beschlossen hatte, sich nicht mit der Kaste anzulegen.1
Die Kirche wird seit Jahrhunderten von einer Kaste regiert, um es mit den Worten Javier Mileis zu sagen. Das ist wohl oder übel so, und ohne die Kaste, oder ohne einen Pakt mit der Kaste, kann kein Papst regieren. Im vergangenen Jahrhundert haben neun Päpste regiert, Johannes Paul I. nicht mitgezählt. Vier von ihnen gehörten nicht der Kaste an: Pius X., Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus. Die übrigen – Benedikt XV., Pius XI., Pius XII., Johannes XXIII. und Paul VI. – gehörten ihr an. Diejenigen, die es nicht waren, mit Ausnahme von Ratzinger, haben sich schnell mit ihr verbündet. Pius X. wählte als Staatssekretär Rafael Merry del Val, der seit seiner Zeit als Seminarist zur Kaste gehörte, und Johannes Paul II. wählte Kardinal Agostino Casaroli, die Crème de la Crème der vatikanischen Kaste.
Benedikt XVI. kannte sie sehr gut: Er hatte zwanzig Jahre lang mit der Kaste zu tun und wußte, wie sie sich verhält und wozu sie fähig ist. Und er war der einzige, der den Mut hatte, ihr die Stirn zu bieten und Kardinal Tarcisio Bertone, ebenfalls kein Mitglied der Kaste, zu seinem Staatssekretär zu ernennen. Bertone war zwar nicht der richtige Mann, denn er war ungeschickt und leichtsinnig, aber die Kaste hat dies Benedikt nie verziehen und stellte ihm alle möglichen Fallen. Und als er den Einsatz verdoppelte und eine Untersuchungskommission zur Überprüfung der römischen Kurie, konkret gegen die Kaste, einsetzte und das Ergebnis zwei große Fälle waren, mußte er zurücktreten. Und die Kaste hat ihm auch nach seinem Rücktritt nicht verziehen: Sie wählte Bergoglio anstelle von Scola, der Benedikts Kandidat war.
Das erste, was Franziskus tat, der weiß, wie man sich in den Kreisen der Macht bewegt und trotz seines endlosen Geschwätzes über die Kurienreform, war, der Kaste sofort klarzumachen, daß er mit ihr zusammenarbeiten würde. Und so war es. So ernannte er sofort Msgr. Battista Ricca, Vorposten der rosa Mafia, auf einen hohen vatikanischen Posten und nahm den „Vorschlag“ der Kardinäle Achille Silvestrini und Jean Tauran klaglos an und holte, wie von der Kaste gewünscht, Pietro Parolin als Staatssekretär ins Haus, um ihn aus dem Exil in Caracas zu befreien, in das ihn Benedikt XVI. geschickt hatte, der sehr wohl wußte, wer er war.
Nun aber scheint Papst Franziskus entschlossen, den Aufstieg von Kardinal Parolin auf den Stuhl Petri zu behindern, aber er wird ihn nicht aus dem Amt werfen, schon gar nicht in dieser letzten Phase seines Lebens. Oder wird er gerade deshalb dazu ermutigt werden? Das glaube ich nicht. Gleichgesinnte treten sich nicht gegenseitig auf die Füße.
*Caminante Wanderer, argentinischer Blogger und Philosoph
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Caminante Wanderer
1 Die Kaste meint die Riege der Vatikandiplomaten. Auch Kardinal Re gehört der Kaste an, weshalb er Parolin als seinen Nachfolger als Kardinaldekan einsetzen wollte und ihm jüngst auf dem Petersplatz den Vortritt ließ.