
Von Roberto de Mattei*
Die Belagerung des Alcázar von Toledo war eine der epischsten Seiten des Spanischen Bürgerkriegs, in dem zwischen 1936 und 1939 die nationalen und katholischen Kräfte auf der einen Seite und die republikanische und sozialistisch-kommunistische Volksfront auf der anderen Seite blutig aufeinander trafen. Die Belagerung begann am 21. Juli 1936, wenige Tage nach Ausbruch des Bürgerkriegs, und dauerte bis zum 27. September, als die Belagerten von der Armee von General Francisco Franco befreit wurden.
Der Alcázar war eine mittelalterliche Festung, Sitz der Militärschule, die sich in der Stadt Toledo befand, in einem von der Volksfront kontrollierten Gebiet. Auf der Flucht vor den Massakern der kommunistischen und anarchistischen Milizen, die den bewaffneten Flügel der republikanischen Regierung bildeten, fanden rund 1 800 Menschen in den Mauern dieser Festung Zuflucht und wurden von Oberst José Moscardó, dem Direktor der Militärschule, aufgenommen. Es handelte sich neben den jungen Kadetten der Schule um Mitglieder der Guardia Civil und um etwa 500 Zivilisten, darunter ältere Menschen, Frauen und Kinder. Die republikanischen Streitkräfte waren zahlenmäßig und waffentechnisch weit überlegen, den Belagerten fehlten Lebensmittel und Munition, und die Armee der nationalen Kräfte war weit entfernt. Dennoch beschlossen die Belagerten, bis zum bitteren Ende Widerstand zu leisten.
Ihr heldenhafter Geist wird durch eine berühmte Episode symbolisch zusammengefaßt. Die kommunistische Volksmiliz nahm einen 17jährigen Sohn von Oberst Moscardó, Luís, gefangen, der sich außerhalb des Alcázar aufhielt. Der Kommandeur der Volksmiliz, Cándido Cabello, rief den Oberst an und teilte ihm mit, daß sein Sohn sofort getötet würde, wenn der Alcázar nicht kapituliere. Er gab ihm zehn Minuten Zeit zu antworten und holte den Jungen ans Telefon. Oberst Moscardó richtete diese bewegenden Worte an seinen Sohn: „Übergib deine Seele Gott und stirb wie ein Patriot, indem du rufst ‚Lang lebe Christus König‘ und ‚Lang lebe Spanien‘“. „Das werde ich, Papa“, antwortete Luís, der zwei Tage später erschossen wurde. Dann sagte der Oberst zum Kommandeur der Roten: „Die zehn Minuten, die du mir angeboten hast, kannst du dir sparen. Der Alcázar wird sich niemals ergeben!“.
Die Belagerung dauerte 72 Tage, in denen die Verteidiger des Alcázar eine Reihe von Infanterieangriffen, Luftangriffen, Artilleriebeschuß, Tränengasangriffen und unaufhörlichem Gewehrfeuer ertragen mußten. Innerhalb der Festung überlebten die Menschen, indem sie ein wenig Pferdefleisch und altes Brot aßen; das Wasser war das faulige Wasser aus der alten Zisterne der Festung.
In der letzten Phase der Belagerung gruben rote Bergleute aus Asturien drei Stollen unter den Alcázar und plazierten unter den Mauern drei starke Sprengladungen. Doch auch dieser Versuch erwies sich als erfolglos. Oberst Moscardò hatte die Krankenstation in eine Kapelle umgewandelt und darin eine Statue der Heiligen Jungfrau aufgestellt. Als die Minen explodierten und dieser Teil der Festung in einer Staubwolke zusammenbrach, blieb die Marienstatue unversehrt, und einige Frauen beteten unverletzt um sie herum, während die Trümmer neue unüberwindbare Hindernisse für den Angriff der Milizionäre bildeten.

Die größte Hilfe, die den Belagerten vom Himmel zuteil wurde, war jedoch nicht die materielle Hilfe, sondern die Gnade der Tapferkeit, die Entschlossenheit, bis zum Ende zu kämpfen und eine unehrenhafte Kapitulation abzulehnen. Das Opfer des Sohnes von Oberst Moscardó flößte den Belagerten des Alcázar einen übernatürlichen Mut ein, und sie schworen von diesem Moment an, bis zum Sieg oder zum Tod zu kämpfen. Und der Sieg kam zu ihnen.
Der Alcázar ist ein historisches Symbol für die geistige Festung, in der wir uns verbarrikadieren müssen, um der schrecklichen Belagerung unserer Zeit standzuhalten, die in erster Linie psychologischer und moralischer Natur ist. Wir werden von einem Feind angegriffen, der unseren Verstand destabilisieren, unsere psychische und spirituelle Abwehr brechen, uns in Verwirrung stürzen und uns den Meistern des Chaos unterwerfen will. Doch es gibt geistliche Familien von Freunden des Kreuzes und des Kampfes, die in diesem Kampf nicht nachgeben. In seinem Brief an die Freunde des Kreuzes, dessen Lektüre so gut zur Fastenzeit paßt, schreibt der heilige Ludwig Maria Grignion de Montfort: „Freunde des Kreuzes! Ihr habt euch als gekreuzigte Soldaten zusammengetan, um gegen die Welt zu kämpfen, nicht indem ihr aus Angst vor der Niederlage flieht, sondern als tapfere und gute Kämpfer, die sich auf das Schlachtfeld begeben, ohne aufzugeben und ohne dem Feind den Rücken zuzukehren. Habt Mut! Kämpft tapfer! Seid stark im Geist und im Herzen vereint. Diese Eure Einheit ist viel stärker und furchterregender gegen die Welt und die Hölle, als es die äußeren Kräfte einer kompakten Nation für die Feinde eines Staates sind“.
Und Plinio Corrêa de Oliveira, der diesen Brief Montforts kommentierte, beschwor, um ihn vollständig zu verstehen, genau den immerwährenden Geist des Alcázar.
Der Alcázar kann auch ein Verein sein, ein kulturelles Zentrum, eine einfache Gruppe von katholischen Laien, Männern und Frauen, die durch die Liebe zu Gott und zur Kirche, durch die Verehrung der göttlichen Vorsehung und der heiligen Jungfrau vereint sind. Der spirituelle und moralische Alcázar ist in erster Linie unser Herz, das eine uneinnehmbare Festung ist, wenn die Gottesmutter ihren Platz darin hat. In diesem Fall könnten wir an dem Tag, an dem wir uns dem Gericht Gottes stellen, nicht die Worte von Oberst Moscardó, sondern die des heiligen Paulus (2 Timotheus 4, 1–8) wiederholen: „Mein General, ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt. Jetzt fehlt mir nur noch die Krone der Gerechtigkeit, die du mir versprochen hast.“

*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017, und Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine bislang ungeschriebene Geschichte, 2. erw. Ausgabe, Bobingen 2011.
Bücher von Prof. Roberto de Mattei in deutscher Übersetzung und die Bücher von Martin Mosebach können Sie bei unserer Partnerbuchhandlung beziehen.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: MiL
Danke für diese bewegende Schilderung!!
Von niemandem wird davon gesprochen, von den offiziellen Geschichtsbüchern ganz zu Schweigen… Das hier gehört sicher zu den unvergesslichen Seiten einer lebenslangen Lektüre… Gott zum Gruss! Mut zum Widerstand!