
Das Athenäum Sant’Anselmo in Rom, die Hochschule des Benediktinerordens, steht im Mittelpunkt von Beschwerden, die bei zwei römischen Dikasterien eingebracht wurden. Der Vorwurf lautet auf Machtmißbrauch. Kaum hat der bisherige Rektor der Hochschule, der österreichische Benediktiner Pater Bernhard Eckerstorfer, das Athenäum auf dem Aventin verlassen, stehen die Zeichen auf Sturm.
Pater Eckerstorfer, den manche gerne als nächsten Erzbischof von Wien gesehen hätten, wurde am 25. Januar zum Abt seines Heimatklosters Kremsmünster gewählt. Damit legte er sein Amt in Rom nieder und kehrte in seine Heimat zurück. Am kommenden 30. März wird in Kremsmünster seine Benediktion als Abt stattfinden.
Beim Dikasterium für die Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften des apostolischen Lebens, geleitet seit dem 6. Januar von einer Frau, Sr. Simona Brambilla, und dem Dikasterium für Kultur und Bildung, geleitet von Kardinal José Tolentino Calaça de Mendonça, sind Beschwerden eingegangen, wie das von römischen Priestern betriebene Nachrichtenportal Silere non possum berichtet. Es gehe um „sehr schwerwiegende Vorfälle“, die, wie es im Artikel heißt, vom Portal „überprüft werden konnten“.
Die römischen Priester beklagen grundsätzlich die zu kleine Mannschaft im Ordensdikasterium, um die vielen eingehenden Beschwerden aus aller Welt zeitnahe behandeln zu können. Das führe nicht nur zu langen Verzögerungen, sondern begünstige auch die Vetternwirtschaft. Wer gute Beziehungen habe, könne Verfahren beschleunigen oder verlangsamen. Das gelte für Opfer wie für Täter. So werden manche ohne Nennung von Gründen und ohne ordentliches Verfahren verurteilt wie Kardinal Cipriani Thorne und andere schon freigesprochen, bevor es überhaupt zu Ermittlungen kommt. Es sei auch weder in der Sache angemessen noch dem Ansehen der Kirche dienlich, so Silere non possum, daß Ermittlungen manchmal erst dann eingeleitet werden, wenn Medien Mißstände oder Täter aufgedeckt haben. Sr. Brambilla, die erste Präfektin der Ordenskongregation, für deren Ernennung Papst Franziskus die von ihm selbst erlassene Konstitution gebrochen hat, habe einen Akt über einen italienischen Karmeliten erst eröffnet, als Silere non possum darüber berichtet hatte.
Die Vorfälle, die Sant’Anselmo berühren, sind sehr unterschiedlicher Art und betreffen verschiedene Personen. Ein Fall betrifft den gewesenen Abtprimas der Benediktinischen Konföderation Abt Gregory J. Polan aus den USA. Polan war von 2016 bis 2024 Abtprimas und als solcher auch Großkanzler der Hochschule. Zentrale Aufgabe des Großkanzlers ist es laut Statuten, für den „Schutz der Lehre und der Disziplin der Kirche“ zu sorgen. „Dies geschieht überhaupt nicht, wenn man Andrea Grillo das Unterrichten erlaubt“, so Silere non possum.
Der Hausliturgiker von Papst Franziskus
Andrea Grillo, ein progressiver Laie, das Klischee eines Linksintellektuellen, gehört zu den radikalsten Gegnern des überlieferten Ritus. Grillo gehört zu den Köpfen hinter dem traditionsfeindlichen Motuproprio Traditionis custodes. Er forderte seit Jahren die Beseitigung von Summorum Pontificum und die Einschränkung des Zugangs zum überlieferten Ritus. Grillos Facebook-Seite ist berüchtigt, da der bergoglianische Choleriker dort nicht nur sein Lob für Papst Franziskus und seine progressive Agenda ausbreitet, etwa die Einführung weiblicher Diakone, sondern alle massiv angreift, die nicht seiner Meinung sind oder in sein Weltbild passen. Das Spektrum reicht von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni über US-Präsident Donald Trump, und was in der Politik gilt, gilt erst recht in der Kirche. Ob Konservative oder Traditionalisten, sie alle werden von Grillo verbal hingerichtet. Auch in Padua, wo Grillo ebenfalls am Liturgischen Institut der Benediktinerabtei von Santa Giustina lehrt, sei man sich bewußt, daß „viele Bischöfe gerade wegen Andrea Grillos Anwesenheit keine Priester zum Studium hierher schicken“, wie akademische Autoritäten zitiert werden.
Silere non possum wirft den Verantwortlichen in Sant’Anselmo in diesem Zusammenhang vor, daß ihnen das Geld wichtiger sei als eine fundierte Lehre. Das Nachrichtenportal schreibt kryptisch, über alle Finanzberichte des Athenäums zu verfügen, seit Grillo dort mit seiner Lehrtätigkeit begonnen hat, und empfiehlt in seine Richtung: „Schweigen ist eine gute Sache, besonders für jemanden, der für seine dummen Ideen mit seinem eigenen Schweiß bezahlen sollte, nicht mit dem Schweiß anderer“.

Ein italienischer Selbstbediener
Polans Entscheidungen seien „keineswegs förderlich für den guten Ruf und die gute Positionierung der Universität“ gewesen. Zu den Aufgaben des Abtprimas als Großkanzler gehört auch die Ernennung des Ökonomen und des Sekretärs des Athenäums. Der bisherige Sekretär, ein Mönch, wurde einfach beiseite geschoben und als neuer Sekretär wurde Marco Cardinali, ein Laie, ernannt, der, nachdem Silere non possum über ihn berichtet hatte, sofort alle seine Accounts auf sozialen Netzwerken löschte.
Cardinali war einst Seminarist in Rom, wurde aber entlassen. Dann trat er in die Benediktinerabtei Sankt Paul vor den Mauern ein, bis er dort rausgeworfen wurde. Wie aus im Vatikan aufliegenden Unterlagen hervorgeht, hatte er sich 247.000 Euro der Abtei „angeeignet“. Silere non possum beklagt, daß es das Phänomen von Laien gebe, die präpotent die Kirche benutzen für den Ausbau ihrer persönlichen Macht.
Ein polnischer Mönch
Ein polnischer Benediktiner, der in Sant’Anselmo lehrte und „von Studenten und Professoren gleichermaßen geschätzt“ war, sei „Opfer von Druck, Mobbing und regelrechtem Machtmißbrauch durch Abtprimas Gregory Polan geworden“, so gehe es aus den Eingaben bei den Dikasterien hervor, wie Silere non possum betont. Polan beschuldige diesen Mönch, der anonyme Autor einer der Beschwerden zu sein, die sich in den vergangenen Jahren anhäuften.
Als es Polan nicht gelungen war, den Mönch und Dozenten freiwillig zum Rückzug nach Polen zu bewegen, setzte er ein Dekret auf, mit dem er diesem mitteilte, daß es ihm „ab dem 31. Juli 2024 nicht mehr gestattet ist, in Sant’Anselmo zu leben“. Bis zum genannten Termin habe er sein Zimmer zu räumen. Seine Lehrveranstaltungen an der Hochschule werden andere Professoren übernehmen. Gründe wurden nicht genannt. In einem zweiten Schreiben an den Abt fuhr Polan das gewichtigste Instrument des Machtmißbrauchs auf: den Gehorsam.
Mit etwas Geschick und Entschlossenheit kann ein Oberer leicht eine Situation konstruieren, um einen mißliebigen Untergebenen in die Gehorsamsfalle tappen zu lassen. Dann wird Ungehorsam konstatiert und es werden mit dem Impetus der moralischen Rechtfertigung Maßnahmen ergriffen.
Silere non possum beklagt auch die unterschiedliche, „erniedrigende“ Behandlung von Priestern und Ordensleuten an höheren kirchlichen Lehranstalten. Ein Priester werde als Lehrbeauftragter mit einem „Hungerlohn“ abgespeist, während ein Laie für die gleiche Tätigkeit das Dreifache erhalte. Silere non possum stellt dazu die sinngemäße Frage: Ist die Würde eines priesterlichen Arbeiters weniger wert als die eines Laien?
Text: Giuseppe Nardi
Bild: collegiosantanselmo.com (Screenshot)