
2021 wurden auf diplomatischer Ebene die Vorbereitungen für den Besuch von Papst Franziskus in Kanada intensiviert. Kanadas linker, globalistischer Premierminister Justin Trudeau (Liberale Partei) spielte ein doppeltes Spiel. Während er den Besuch willkommen hieß, holte er hinterrücks zum Frontalangriff auf die katholische Kirche aus. Als der Vatikan den Besuch offiziell bekanntgab, trat Trudeau an die Mikrophone und forderte das Kirchenoberhaupt auf, sich bei den „indigenen“ Kanadiern, also den Indianern, für in der Vergangenheit erlittene Mißhandlungen zu entschuldigen, denn die katholische Kirche habe die „kulturelle Auslöschung“ der Ureinwohner betrieben. Ein perfides Spiel.
Grund waren die ehemaligen katholischen Internatsschulen, sogenannte Residentials Schools, für Kinder von Indianern und Métis. Letztere sind Nachkommen aus Verbindungen von Europäern und Indianern, das französische Métis steht für Mestizen, die nicht europäische, sondern indianische Lebensweisen annahmen und in Kanada als eigene Volksgruppe anerkannt sind.
Diese Schulen erfüllten ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis in die 1970er Jahre (von 1894 bis 1947 obligatorisch) einen Erziehungs- und Integrationsauftrag im Auftrag des kanadischen Staates. Die Kinder der Indianer sollten in die europäische Kultur der Mehrheitsbevölkerung integriert und dafür ihrem Lebensumfeld entwöhnt werden. Von solchen Formen der „Inklusion“, die nach damaligem Verständnis durchaus wohlwollend gemeint waren, will man inzwischen nichts mehr wissen. Bereits Anfang der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts arbeitete eine Versöhnungs- und Wahrheitsfindungskommission des kanadischen Staates die Sache auf. Seither fanden mehrere staatliche Versöhnungsveranstaltungen statt.
Um sich selbst reinzuwaschen, putzte sich der kanadische Staat aber plötzlich bei der katholischen Kirche ab, die zum Sündenbock gestempelt wurde. Dies geschah vor allem durch den seit 2015 regierenden Premierminister Justin Trudeau. Trudeau hatte eines der skrupellosesten und grausamsten Abtreibungsgesetze durchgesetzt, empörte sich aber im Zuge des angekündigten Papstbesuchs über die damals von kirchlichen Einrichtungen geleistete Erziehungsarbeit. Dabei wurde sie im Auftrag des seinerzeit protestantisch dominierten kanadischen Staates, also der damaligen Staatsführung und deren Zielsetzungen, geleistet. Siehe zu den Hintergründen: Trudeaus Pranger.
Der Mainstream sekundierte und auch in Europa wurden die angeblichen „Verbrechen“ der katholischen Kirche an Kanadas Indianern per Knopfdruck breitgetreten. Deutsche Medien beteiligten sich noch vor kurzem daran, so die FAZ im Dezember des Vorjahres. Der Mainstream handelt als Auftragsempfänger, entsprechend werden gigantische Skandale übersehen und falsche Skandale aufgebauscht. Wenn es gegen die Kirche geht, sind die meisten Journalisten ohnehin bereitwillig dabei. Skrupellos.
Über die damaligen Ansichten und Methoden mag man geteilter Meinung sein. Die Frage ist kultureller Natur und betrifft vor allem die politische Kultur. Die Rede ist von Dingen, die seit mehreren Jahrzehnten Vergangenheit und damit Teil einer Form von Vergangenheitsbewältigung sind. Betroffene, die als Kinder in diesen Schulen untergebracht waren, leben aber noch. Sie waren auch Adressaten der päpstlichen Vergebungsbitten, die im Rahmen der Kanada-Reise erfolgten. Wie viele Vergebungsbitten braucht es aber, damit sie gelten?
Die unglaublichste Anschuldigung: Massengräber von Kindern
Doch darum ging es in der ganzen Angelegenheit eigentlich gar nicht. Das Thema war weit größer und spektakulärer. Die unglaublichsten Anschuldigungen, die verbreitet wurden, um die katholische Kirche an den Pranger zu stellen, waren Meldungen von Massengräbern. Laut dieser Schwarzen Legende habe man in der Nähe solcher katholischer Schulen Massengräber von Kindern entdeckt, die in den Internaten ums Leben gekommen, wahrscheinlich, so die unterschwellige Andeutung, getötet worden waren. Am 27. Mai 2021 hatte die Indianer-Anführerin Rosanne Casimir (First Nations) bekanntgegeben, daß auf dem Gelände der ehemaligen Kamloops Indian Residential School in British Columbia die Überreste von 215 Kindern gefunden worden waren. Einen Monat später wurde behauptet, daß sich in der Nähe der ehemaligen Internatsschule in Marieval schätzungsweise sogar 751 anonyme Gräber befänden. Die New York Times sekundierte umgehend. Damit war der Skandal mit der Kirche als Angeklagter zum internationalen Thema geworden.
Sofort wurden in Kanada von allen wichtigen Persönlichkeiten und Institutionen von Staat und Gesellschaft die Behauptungen ungeprüft als wahr akzeptiert und zu großer Empörung, Trauer und Bestürzung aufgerufen. Die Kirche stand über Nacht am Pranger als Kindermörder. Der Angriff richtete sich sogar gegen das Christentum insgesamt. Die Anglikanische Kirche zum Beispiel hatte gut 30 Prozent der in Internaten untergebrachten Kinder betreut. Damit nicht genug, bekam die Angelegenheit auch einen rassistischen Zungenschlag wegen des möglicherweise gigantischen Mißbrauchs und der Ermordung indianischer Kinder „durch Christen europäischer Herkunft und katholische Ordenseinrichtungen“. Rund 30 Prozent der kanadischen Bevölkerung sind inzwischen nicht europäischer Abstammung und spielen bei Wahlen eine immer wichtigere Rolle.
Schnell geisterten die schlimmsten Spekulationen herum: An den Internatsschulen müßten grausamste Dinge geschehen sein. Der Phantasie schienen keine Grenzen gesetzt und sie wurde von Medien mit Nachdruck befeuert. Justin Trudeau machte daraus eine politische Frage und schwang sich als moralische Instanz auf, die er nie war. Er ließ zum Zeichen einer Staatstrauer über Beweise eines „beschämenden systemischen Rassismus“ die Fahnen in ganz Kanada auf halbmast setzen.
Lange bevor Trudeau Premierminister wurde, hatte sich der kanadische Staat aber schon offiziell bei den Ureinwohnern entschuldigt. Gleiches hatte die Kirche getan, weil man heute den damals von der Regierung beschlossenen Gradual Civilization Act von 1857 ganz anders sieht. Alles schien längst geklärt, doch dann tauchten die Schauergeschichten von angeblichen „Massengräbern“ auf. Entsprechende Untersuchungen wurden aufgenommen. Als Antwort veröffentlichten Prof. Tom Flanagan und Richter Brian Giesbrecht von der Indian Residential Schools Research Group (IRSRG) in der Dorchester Review den Artikel: „The False Narrative of the Residential School Burials“, in der sie betonten, daß alle Untersuchungen ergeben hatten, daß es in der 113jährigen Geschichte der katholischen Indianer-Internatsschulen nicht die Spur eines einzigen angeblichen getöteten Schülers gibt.
Schnell kam der Verdacht auf, Trudeau sei als Ablenkungsmanöver mit antiklerikalem Zungenschlag auf den Zug der Schwarzen Legende aufgesprungen, um die Kirche unter Druck zu setzen, ihre Kritik gegen sein grausames Abtreibungsgesetz abzustellen oder den Einfluß der Kirche zumindest durch ihre Diskreditierung zu neutralisieren.
Papst Franziskus und sein voreiliges Mea culpa
Schon bevor Papst Franziskus im Sommer 2022 nach Kanada reiste, stand also fest, daß die Behauptungen haltlos waren. Es gab keine Massengräber. Das üble Schauermärchen entpuppte sich als Kartenhaus, am Leben erhalten von politisch und medial interessierten Kreisen. Deshalb schien die Wahrheit keine Rolle zu spielen. Trudeau und seine Helfer zogen den Angriff gegen die Kirche durch.
Papst Franziskus empfing Monate vor seiner Abreise Delegationen von Indianern, Inuit und Métis, die er um Vergebung bat. Beim Angelus am 6. Juni 2021 beklagte er die „schockierende Entdeckung der Überreste von 215 Kindern“. In den darauffolgenden Wochen hatten Gutmenschen in kanadischen Kirchengemeinden unter Berufung auf die voreiligen Worte von Franziskus jeweils 215 Paar Kinderschuhe vor den Kircheneingängen oder in den Kirchen selbst aufgestellt als Entschuldigungsgesten und Vergebungsbitten. Trudeau rief dem Papst Ende Juni sinngemäß über den Atlantik zu, er sei in Kanada nur willkommen, wenn er komme, um sich für die Schandtaten zu entschuldigen. Der ganze Papstbesuch in Kanada vom 24.–29. Juli 2022 wurde so auf die Begegnung mit den drei genannten Bevölkerungsgruppen ausgerichtet, die zusammen nicht einmal fünf Prozent der kanadischen Bevölkerung ausmachen. Bei der Volkszählung 2021 erklärten sich 2,9 Prozent der Kanadier als Indianer (First Nations), 1,7 Prozent als Métis und 0,2 Prozent als Inuit.

Der gesamte Besuch bekam eine Schlagseite, die das Anliegen eines Pastoralbesuches ziemlich verzerrte. Franziskus vollzog in Kanada ein großes undifferenziertes Mea culpa und schien damit den Anklägern der Kirchen auf ganzer Linie rechtzugeben, anstatt auf die haltlosen Lügen zu antworten. Auf diese Weise wurde die niederträchtige Kampagne gegen die Kirche stillschweigend akzeptiert. Franziskus entschuldigte sich faktisch implizit für grausamste Verbrechen, die nie geschehen waren. Die Kirche wurde zum Täter gemacht und der Versuch unternommen, die Geschichte umzuschreiben. Der Ansehensschaden für die Kirche in Kanada war enorm.
Franziskus hatte keine Notwendigkeit gesehen, die wahrscheinlich schlimmste antikirchliche Kampagne des 21. Jahrhunderts in einem demokratischen Staat zu entlarven. Zu den schwerwiegenden Folgen gehört auch, daß in Kanada als „Vergeltung“ für die angeblichen Verbrechen insgesamt mehr als 110 Kirchen vor und nach dem Papstbesuch niedergebrannt wurden.
Trudeaus Pranger entpuppt sich als Lügenkonstrukt
Seither sind drei Jahre vergangen, und auch die von Trudeau eingeleiteten umfassenden Untersuchungen mit Ausgaben in der Höhe von ganzen 216,5 Millionen Dollar haben nichts erbracht. Von den Anschuldigungen bleibt nichts übrig. Das von Trudeau eingesetzte National Advisory Committee on Residential Schools, Missing Children and Unmarked Burials wird mit Ende März aufgelöst. Der entsprechende Beschluß der Regierung wurde bereits gefaßt. Und warum? Weil keine Massengräber gefunden wurden. Um genau zu sein, wurde, Gott sei Dank, nicht eine einzige Leiche gefunden.
Die kanadische Regierung setzte 216,5 Millionen Dollar in den Sand, um einem Gerücht hinterherzulaufen, weil dieses politisch gerade gut ins Konzept paßte. Werden sich Trudeau und seine Adlaten nun bei der Kirche und den Katholiken entschuldigen? Wird nun eine Untersuchungskommission eingesetzt, um die Initiatoren und Drahtzieher der Lügenkampagne zu ermitteln? Wird es irgendwelche Konsequenzen geben?
Text: Giuseppe Nardi
Bild: IRSRG/Vatican Media (Screenshots)
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