
Einen Nachtrag zur Bundestagswahl 2025 und eine Mahnung für die Zukunft verfaßte Gottfried Paschke als offenen Brief an den CDU-Bundesvorsitzenden und aller Voraussicht nach künftigen Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.
Warum sollten gläubige Christen die C‑Parteien wählen, Herr Merz?
Von Gottfried Paschke
Sehr geehrter Herr Merz,
eines der entscheidenden Motive zur Gründung der Parteien CDU und CSU nach dem zweiten Weltkrieg war der Wille, den Christen Deutschlands eine politische Stimme zu geben, einen christlich fundierten Staat zu errichten und eine christlichen Prinzipien verpflichtete Politik zu betreiben.
Da das „C“ nach wie vor Bestandteil der Parteinamen ist und man immer noch mit ihm vor Wahlen auf Stimmenfang geht, müssen sich die Unionsparteien auch heute an ihm messen lassen. Deshalb trage ich Ihnen, dem Spitzenkandidaten von CDU/CSU für die Bundestagswahlen am 23. Februar, im Folgenden einige Sachverhalte vor, angesichts deren sich insbesondere glaubenstreuen Christen einmal mehr die Frage stellt, was das „C“ noch wert ist und ob die C‑Parteien überhaupt noch wählbar sind.
1. Das Wahlprogramm hat, einschließlich Kurzfassung, einen Umfang von 79 Seiten.1 Vom Christentum ist erst und nur auf Seite 57, in einem Punkt eines Unterunterabschnitts die Rede. Die Ausführungen wirken bemüht, sind distanziert, rein beschreibend. Man nimmt den Standpunkt des neutralen Beobachters ein. Christentum und christlicher Glaube werden als Traditionsbestand und Kulturphänomen aus alter Zeit betrachtet, nicht als etwas Lebendiges, das den einzelnen wie auch Gesellschaft und Nation beseelt, antreibt, formt und trägt. „Die Kirchen“ finden lobend Erwähnung rein als Dienstleister und Sozialagenturen. Bezeichnenderweise ist der Punkt mit „Christliche Traditionen bewahren“ überschrieben. Hört sich an, als gehe es um Brauchtumspflege. Bekenntnis zur christlichen Religion, das diesen Namen verdient, sieht anders aus.
2. „Gender-Zwang aus ideologischen Gründen“ erteilen die Unionsparteien laut Wahlprogramm eine Absage.2 Im öffentlichen Bereich soll die Verwendung der Gendersprache unterbleiben. Dennoch versichert man: „Wir stehen zur geschlechtergerechten Sprache.“3 Wie ist das zu verstehen? Haben sich CDU/CSU von der Realität des Mann/Frau-Dualismus verabschiedet und der Genderideologie mit ihrem wahnwitzigen Konstrukt einer „Geschlechtervielfalt“ zugewandt? Es sieht so aus. Wenn das stimmt, sollten sie mit offenen Karten spielen und das „C“ aus dem Parteinamen streichen. Es träfe ein Wort des Apostels Paulus zu: „Sie vertauschten die Wahrheit Gottes mit der Lüge, sie beteten das Geschöpf an und verehrten es anstelle des Schöpfers […].“4
3. Über die Ehe liest man im Wahlprogramm: „Die Ehe als rechtlich verbindliche und auf Dauer angelegte Verbindung zweier Menschen steht unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes. Daran halten wir fest.“5 Dieser Ehebegriff ist mit dem naturrechtlichen und daher auch mit dem christlichen Verständnis von Ehe unvereinbar. Das Naturrecht lehrt, daß eine Ehe nur zwischen einem biologischen Mann und einer biologischen Frau zustande kommen kann. Ferner ist die Aussage, die „Ehe als rechtlich verbindliche und auf Dauer angelegte Verbindung zweier Menschen steht unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes“, schlichtweg falsch. Denn die Ehe, die laut Grundgesetz ebenso wie die Familie „unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung“ steht6, ist nichts anderes als die Ehe im traditionellen abendländisch-christlichen Sinne. Das folgt aus der Präambel des Grundgesetzes, die, indem sie von der „Verantwortung vor Gott und den Menschen“ spricht, zum Ausdruck bringt, daß das Grundgesetz seine sittliche Basis im Christentum hat. Zudem stellte das Bundesverfassungsgericht in zwei Entscheidungen ausdrücklich fest, daß eine Ehe im Sinne des Grundgesetzes nur zwischen einem Mann und einer Frau besteht.7 ‒ Fazit: Mit ihrem Eheverständnis verlassen CDU/CSU sowohl den Boden des Christentums als auch den des Grundgesetzes.
4. In der Kurzfassung Ihres Wahlprogramms heißt es: „Wir schaffen das Selbstbestimmungsgesetz der Ampel wieder ab.“8 In der ausführlichen Fassung steht davon nichts. Ein „Geschlechtswechsel“ auch bei Kindern und Jugendlichen wird nicht prinzipiell ausgeschlossen. Nur einen „leichtfertigen Geschlechtswechsel“ will man verhindern.9 Auch für Erwachsene soll kein „leichtfertiger Geschlechtswechsel“ möglich sein.10 Unbeachtet bei alldem bleibt, daß ein Wechsel des Geschlechts überhaupt nicht möglich ist. Ein biologischer Mann bleibt ein Mann, und eine biologische Frau bleibt eine Frau. Weder ein Sprechakt noch eine schriftlich dokumentierte Erklärung, noch ein chirurgischer Eingriff kann daran etwas ändern. Das Wahlprogramm verliert darüber kein Wort. Es fehlt Mut zur Wahrheit und zur Kritik anhand der biologischen Fakten und anhand der christlichen Schöpfungslehre und Anthropologie. Lieber ignoriert man die Realität und schwimmt feige im Strom zeitgeistiger Illusionen und Hirngespinste mit. Eine Partei, die sich christlich nennt, muß aber in einer derart wichtigen Angelegenheit intervenieren und Klartext reden. Warum haben CDU/CSU nicht schon längst ein Normenkontrollverfahren gegen das Selbstbestimmungsgesetz in die Wege geleitet?
5. Das Wahlprogramm zweier Parteien mit dem „C“ im Namen hätte einen sofortigen Stop der Frühsexualisierung in Kindergärten und Schulen ankündigen müssen, ebenso eine Offensive zur Überwindung des chronischen Geburtendefizits bei der einheimischen Bevölkerung und die Abschaffung des Gesetzes „zum Schutz vor Konversionsbehandlungen“11. Dieses unter der CDU-Kanzlerin Merkel und dem CDU-Gesundheitsminister Spahn erlassene Gesetz bestimmt, unter welchen Umständen die Durchführung sogenannter Konversionstherapien verboten ist. Ausnahmslos untersagt es das Anbieten, Vermitteln und Bewerben solcher Therapien. Bei Verstößen drohen exorbitante Geldbußen sowie Geldstrafen bis hin zur Freiheitsstrafe. Faktisch bedeutet das Gesetz das Aus für die Konversionstherapie. Menschen mit nichtheterosexueller Neigung ist damit die Möglichkeit genommen, sich dieser Therapie zu unterziehen. Und genau das ist gewollt.
6. Die Äußerungen des Wahlprogramms zum Paragraphen 218 sind für Parteien, die sich christlich nennen, inakzeptabel. Handlungsbedarf sieht man keinen. Man klammert sich an die geltende Rechtslage. Sie, so meint man, „bildet einen mühsam gefundenen gesellschaftlichen Kompromiß ab, der das Selbstbestimmungsrecht der Frau und den Schutz des ungeborenen Kindes berücksichtigt“.12 Bei jährlich einhunderttausend und mehr Abtreibungen kann es mit dem „Schutz des ungeborenen Kindes“ aber nicht weit her sein. Wenn irgendwo Handlungsbedarf besteht, dann hier. Der Kompromiß kann so mühsam zustande gekommen sein, wie er will, er ist nicht nur ein oberfauler, sondern vor allem ein blutiger Kompromiß, ein Kompromiß, der mit massenhaften Tötungen ungeborener Kinder erkauft wurde und wird. Daß auch die Parteien, die sich christlich nennen, keinen Finger rühren wollen, um die pränatalen Exekutionen zu beenden, ist ein unsäglicher Skandal. Das Blut eines jeden dieser ermordeten Kleinen schreit zum Himmel.
7. Unbedingt und als einer der wichtigsten Punkte hätte in das Wahlprogramm der C‑Parteien das Versprechen gehört, diejenigen Teile des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, die sogenannte Gehsteigbelästigungen untersagen13, zu kassieren. Diese Gesetzesteile verbieten es, vor Abtreibungskliniken und Beratungsstellen gegen das Töten ungeborener Kinder und für deren Lebensrecht zu demonstrieren, sich dort zum gemeinsamen Gebet zu versammeln oder mit Frauen, die diese Einrichtungen aufsuchen, ins Gespräch zu kommen. Bei Nichtbefolgen drohen horrende Geldbußen. Was aber soll an solchen durchweg friedlichen Demonstrationen, Gebetsversammlungen und Gesprächen verwerflich sein? Der Vorwurf der „Gehsteigbelästigung“ ist ein an den Haaren herbeigezogener verleumderischer Vorwand, um die Absichten der für die Verbote Verantwortlichen zu verbergen. Die Verbote existieren, weil die Abtreibungslobby den Anblick der Lebensschützer nicht erträgt und ihr todbringendes Geschäft bedroht sieht. Sie sind klar grundgesetzwidrig und eine Schande für einen Rechtsstaat. Was, sehr geehrter Herr Merz, werden Sie und die Unionsparteien unternehmen, damit diese Verbote fallen und Lebensschützer wieder vor Abtreibungskliniken und Beratungsstellen beten, demonstrieren und Gespräche führen können?
8. Eine ganze Reihe der Absichtserklärungen, Ankündigungen und Versprechen, die das aktuelle Wahlprogramm der Unionsparteien auflistet, sind nichts weiter als schöne Worte, um gutgläubige Wähler zu ködern. Keines dieser Vorhaben, sehr geehrter Herr Merz, werden Sie mit den Parteien, die für Sie nach eigenem Bekunden als Koalitionspartner in Frage kommen, realisieren können. Die einzige Partei, mit der sich die Projekte verwirklichen ließen, lehnen Sie rigoros ab. Abgesehen davon, daß ich das für einen fatalen strategischen Fehler halte, ist die Art und Weise Ihres Umgangs mit der AfD großenteils einfach niederträchtig. So behandelt man seine Mitmenschen nicht, schon gar nicht als christlicher Politiker.
Das hier Zusammengetragene, sehr geehrter Herr Merz, ist für glaubenstreue Christen nicht gerade eine Wahlempfehlung zugunsten der Unionsparteien. Können Sie mir einen triftigen Grund nennen, weshalb Christen, die ihren Glauben ernst nehmen, dennoch CDU/CSU wählen sollten?
Erlauben Sie mir abschließend eine Anregung. Demnächst beginnt die Fastenzeit. Das wäre doch eine gute Gelegenheit, Ihren Umgang mit den Kollegen von der AfD zu überdenken und die Dinge im zwischenmenschlichen Bereich zum Guten zu wenden. Es wäre auch gut für Deutschland.
Mit freundlichen Grüßen
Gottfried Paschke
Bild: Google Maps (Screenshot)
1 Politikwechsel für Deutschland. Wahlprogramm von CDU und CSU.
https://www.cdu.de/app/uploads/2025/01/km_btw_2025_wahlprogramm_langfassung_ansicht.pdf.
Aufgerufen am 22.2.2025.
2 Ebenda, S. 56.
3 Ebenda, S. 56.
4 Röm 1,25
5 Politikwechsel für Deutschland. Wahlprogramm von CDU und CSU, S. 60.
https://www.cdu.de/app/uploads/2025/01/km_btw_2025_wahlprogramm_langfassung_ansicht.pdf.
Aufgerufen am 22.2.2025.
6 Art. 6 Abs.1 GG
https://www.buzer.de/6_GG.htm.
Aufgerufen am 22.2.2025.
7 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags: Der Begriff der Ehe im Grundgesetz und anderen Verfassungen. Sachstand WD 3 – 3000 – 142/17. Deutscher Bundestag 2017.
https://www.bundestag.de/resource/blob/526424/…/wd‑3–142-17-pdf-data.pdf.
Aufgerufen am 22.2.2025.
8 Politikwechsel für Deutschland. Wahlprogramm von CDU und CSU, S. 7.
https://www.cdu.de/app/uploads/2025/01/km_btw_2025_wahlprogramm_langfassung_ansicht.pdf.
Aufgerufen am 22.2.2025.
9 Politikwechsel für Deutschland. Wahlprogramm von CDU und CSU, S. 62.
https://www.cdu.de/app/uploads/2025/01/km_btw_2025_wahlprogramm_langfassung_ansicht.pdf.
Aufgerufen am 22.2.2025.
10 Ebenda.
11 KonvBehSchG
https://www.gesetze-im-internet.de/konvbehschg/BJNR128500020.html,
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/konversionstherapienverbot.html.
Aufgerufen am 24.2.2025.
12 Politikwechsel für Deutschland. Wahlprogramm von CDU und CSU, S. 62.
https://www.cdu.de/app/uploads/2025/01/km_btw_2025_wahlprogramm_langfassung_ansicht.pdf.
Aufgerufen am 22.2.2025.
13 § 8 SchwKG
https://www.gesetze-im-internet.de/beratungsg/__8.html.
§ 13 SchwKG
https://www.gesetze-im-internet.de/beratungsg/__13.html.
§ 35 SchwKG
https://www.gesetze-im-internet.de/beratungsg/__35.html.
§ 36 SchwKG
https://www.gesetze-im-internet.de/beratungsg/__36.html.
Aufgerufen am 23.2.2025.
Ich kann all dem nur zustimmen. Leider hat man seitens CDU/CSU in den vergangenen Jahrzehnten nicht einem dieser unchristlichen Gesetze etwas entgegengehalten, nämlich das Gesetz Gottes, überall ist man letztendlich eingeknickt. Das ist der Grund, warum sich unsere Gesellschaft in diesem katastrophalen Zustand befindet.
Danke Herr Paschke,
aber verehrte Leute von katholisches.info, hättet ihr das hier nicht etwas früher veröffentlichen können und auch, z.B. an den DVCK, weiterleiten?
Jetzt ist es vielleicht besser als überhaupt nichts, aber nützt im Moment nicht mehr viel.
Für die Zukunft an katholisches.info: Auch die Unterlassungssünden können sehr schwere Sünden sein!
Der Redaktion von „katholisches.info“ ist kein Vorwurf zu machen. Ich schickte ihr den Text am Tag der Bundestagswahl, also am 23. Februar. Veröffentlicht wurde er am 25. Februar.
Angemerkt sei, daß der Brief auch als persönliches Schreiben an Friedrich Merz direkt ging. Die Reaktion war eine vorgefertigte Bla-bla-Standardantwort aus der Abteilung „Bürgerpost“ der CDU-Zentrale (Konrad-Adenauer-Haus, Berlin).
Die Entscheidung, die CDU zu gründen, beinhaltete auch den Verzicht auf die Neugründung einer dezidiert katholischen Partei, wie die einstige„Zentrumspartei“. Sie sollte so weder katholisch noch evangelisch sondern nur christlich sein.Das ist schon ein sehr reduktionistisches Christentumsverständnis. Die SPD legte in ihrem Godesbergerprogramm ihre einstige Weltaschauung, den Marxismus ab und substituierte sie durch „Grundwerte“. So erging es der christlichen Religion auch in der CDU, sie wurde durch Grundwerte ersetzt,die aus dem Liberalismus stammten und kaum noch christlich sind.Die Grundwerte von CDU und SPD sind nun solche Allerweltsphrasen, daß damit jede Politik verbindbar ist.