Wer sind die Papabili für das Konklave nach Franziskus?

Die Kardinäle beginnen sich zu gruppieren


Papabili 2025
Papabili 2025

Der Publi­zist Gaet­a­no Masciu­l­lo, Autor von Büchern über den Moder­nis­mus und jüngst über den Kampf der Frei­mau­rer gegen die Kir­che, wagt einen Aus­blick, wel­che unter den der­zei­ti­gen Kar­di­nä­len im kom­men­den Kon­kla­ve als Papa­bi­li eine Rol­le spie­len könnten.

Nach Franziskus: Wer sind die Papabili?

Von Gaet­a­no Masciullo*

Zum heu­ti­gen Tag besteht das Kar­di­nals­kol­le­gi­um aus 252 Pur­pur­trä­gern, von denen 138 im Kon­kla­ve stimm­be­rech­tig­te Kar­di­nä­le. Nicht weni­ger als 149 aller leben­den Pur­pur­trä­ger (oder 60 Pro­zent) wur­den von Fran­zis­kus ernannt. Von den Papst­wäh­lern sind es sogar 80 Pro­zent! Nur 103 der leben­den Kar­di­nä­le wur­den von den Vor­gän­gern des heu­ti­gen Kir­chen­ober­haupts ernannt. In den zwölf Jah­ren sei­nes Pon­ti­fi­kats haben wir eine sehr hohe Zahl von Kon­si­sto­ri­en und Kar­di­nals­er­nen­nun­gen erlebt, von denen vie­le Prä­la­ten aus ent­le­ge­nen Regio­nen der Welt und der Kir­che oder – wie wir heu­te lie­ber sagen – von den „Rän­dern“ kommen.

Das ist schein­bar ein Weg, um jenen Men­schen eine Stim­me zu geben, die bis­her in der Lei­tung der Kir­che an den Rand gedrängt wur­den, in Wirk­lich­keit ver­steht man bei genaue­rer und ernst­haf­ter Ana­ly­se, daß die­se Wahl Teil einer sehr prä­zi­sen Stra­te­gie von Fran­zis­kus ist, um nach sei­nem Abgang die Wahl eines Pap­stes „nach sei­nem Bild und Gleich­nis“ zu begün­sti­gen, der also fähig und bereit ist, das von ihm begon­ne­ne Werk einer tief­grei­fen­den neo­mo­der­ni­sti­schen Revo­lu­tio­nie­rung des Wesens der katho­li­schen Kir­che und ins­be­son­de­re des Papst­tums zu voll­enden oder zumin­dest fortzusetzen.

Es gibt zwei Effek­te, die Fran­zis­kus durch die Schaf­fung so vie­ler „peri­phe­rer“ Kar­di­nä­le bewirkt hat. Erstens: Die Mehr­heit der heu­ti­gen Kar­di­nä­le ist mit der kom­ple­xen kuria­len Logik der Macht nicht ver­traut. Zwei­tens ken­nen ein­an­der die Mit­glie­der des Kol­le­gi­ums in ihrer gro­ßen Mehr­heit nicht. Damit ist der Weg für die zwei­te Pha­se der Stra­te­gie geeb­net: In der Hoff­nung, daß die aus­ge­wähl­ten Kar­di­nä­le sich Fran­zis­kus gegen­über für den Titel, den sie erhal­ten haben, „dank­bar“ füh­len und sich bewußt sind, daß sie alle mehr oder weni­ger mit den pro­gres­siv­sten Ten­den­zen inner­halb der zeit­ge­nös­si­schen katho­li­schen Theo­lo­gie über­ein­stim­men, soll­ten sie im Kon­kla­ve dazu gedrängt wer­den, sich zu ver­ei­nen und die „fran­zis­ka­ni­sche“ Par­tei des Kol­le­gi­ums zu unter­stüt­zen, d. h. jene Kar­di­nä­le, die aktiv die berg­o­glia­ni­sche Agen­da ver­fol­gen, wel­che Par­tei – wie wir sehen wer­den – nicht so mehr­heits­fä­hig ist, wie es schei­nen mag.

Um die­se gro­ße Wis­sens­lücke unter den Kar­di­nä­len zu schlie­ßen, haben die bekann­ten Vati­ka­ni­sten Edward Pen­tin und Dia­ne Mon­tagna eine eben­so not­wen­di­ge wie lobens­wer­te Arbeit gelei­stet. The Col­lege of Car­di­nals Report ist eine inter­ak­ti­ve Web­site, die einen knap­pen, aber nicht ober­fläch­li­chen Über­blick über die wich­tig­sten Daten des Kol­le­gi­ums ins­ge­samt, aber auch über die ein­zel­nen Kar­di­nä­le bietet.

Auf die­se Wei­se kann sich jeder Kar­di­nal mit den Pro­fi­len sei­ner „pro­mi­nen­te­sten“ Kol­le­gen befas­sen und sein Votum auf sehr viel fun­dier­te­re Wei­se abge­ben. Die­se Inter­net­sei­te könn­te, wenn sie unter den Kir­chen­für­sten ver­brei­tet wird, als Dämp­fer für Berg­o­gli­os oben erwähn­te Stra­te­gie die­nen. Wohl­ge­merkt: Ich sage nicht, daß dies die Absich­ten von Pen­tin und Mon­tagna sind, es ist nur mei­ne eige­ne Überlegung.

Mit Hil­fe die­ses unschätz­ba­ren Instru­ments, das nun für jeder­mann zugäng­lich ist, kön­nen wir 22 Papa­bi­li unter den Kar­di­nä­len aus­fin­dig machen und dar­un­ter 12 beson­ders her­aus­ra­gen­de. Wenn wir uns vor­stel­len, daß die­se Kar­di­nä­le gemäß einer „par­la­men­ta­ri­schen“ Sitz­ord­nung ver­teilt sind, wobei die dem Schutz der katho­li­schen Tra­di­ti­on gün­stig­sten Kar­di­nä­le auf der rech­ten Sei­te und die radi­kal­sten Neo­mo­der­ni­sten auf der lin­ken Sei­te ste­hen, ergibt sich fol­gen­des Bild:

In Rot habe ich die Kar­di­nä­le her­vor­ge­ho­ben, die der Tra­di­ti­on am posi­tiv­sten gegen­über­ste­hen. In Vio­lett habe ich die Papa­bi­li mar­kiert, die zwar nicht aus­drück­lich oder offen­kun­dig Freun­de der katho­li­schen Tra­di­ti­on (ins­be­son­de­re der lit­ur­gi­schen Tra­di­ti­on) sind, die man aber den­noch als der Ratz­in­ger-Linie nahe­ste­hend und daher aus theo­lo­gi­scher, mora­li­scher und pasto­ra­ler Sicht als kon­ser­va­tiv betrach­ten kann. Es wird ersicht­lich, daß die Tra­di­tio­na­li­sten und Kon­ser­va­ti­ven im gro­ßen und gan­zen die Mehr­heit bil­den, auch wenn man das glau­ben könn­te, aber viel­leicht hilft uns das, bes­ser zu ver­ste­hen, war­um Fran­zis­kus sich für die oben beschrie­be­ne Stra­te­gie ent­schie­den hat.

Im lin­ken Bereich fin­den wir den pro­gres­siv­sten Flü­gel der Papst­kan­di­da­ten. Im kobalt­far­be­nen Bereich fin­den wir drei Kar­di­nä­le, die man als „gemä­ßigt“ bezeich­nen könn­te, sehr dis­kret in ihren Äuße­run­gen, die aber höchst­wahr­schein­lich mit der „fran­zis­ka­ni­schen“ Par­tei sym­pa­thi­sie­ren. Im blau­en Teil schließ­lich fin­den wir die eigent­li­che Fran­zis­kus-Par­tei, die­je­ni­gen, die Berg­o­glio wie­der­holt als sei­ne Favo­ri­ten und Schütz­lin­ge bezeich­net hat (in Wahr­heit haben sei­ne Dau­phins in den ver­gan­ge­nen Jah­ren mal mehr und mal weni­ger Gunst vom Seher erfah­ren). Die Namen der aus­sichts­reich­sten Kan­di­da­ten sind in fet­ten wei­ßen Buch­sta­ben geschrieben.

Unter der Annah­me, daß die „fran­zis­ka­ni­sche“ Par­tei im Kon­kla­ve eine Nie­der­la­ge erlei­det, ist es ange­bracht, unse­re kur­ze Ana­ly­se der Papst­wahl mit einer Prä­mis­se zu ergän­zen. Die Kir­che wird nach dem Tod von Berg­o­glio einen sehr muti­gen und star­ken, vor allem aber einen jun­gen Papst brau­chen, der die in den letz­ten Jah­ren ent­stan­de­nen Schä­den ent­schlos­sen behe­ben kann. Wenn kei­ne unvor­her­ge­se­he­nen Ereig­nis­se ein­tre­ten, wird es min­de­stens zwan­zig Jah­re dau­ern, um die Din­ge in lit­ur­gi­scher, dok­tri­nä­rer, mora­li­scher und recht­li­cher Hin­sicht in Ord­nung zu brin­gen, ganz zu schwei­gen von den Pro­ble­men in der Ver­wal­tung des Vati­kans, dem IOR und vie­len ande­ren schwer­wie­gen­den Pro­ble­men, die lan­ge vor die­sem Pon­ti­fi­kat ent­stan­den sind.

Wenn die Kar­di­nä­le den authen­ti­schen Weg der katho­li­schen Kon­ter­re­vo­lu­ti­on gehen wol­len, brau­chen sie einen jun­gen Kan­di­da­ten, und in der aktu­el­len Liste gibt es nur sehr weni­ge, die sich für die­ses Pro­jekt eig­nen wür­den, außer viel­leicht Kar­di­nal Pier­bat­ti­sta Piz­za­bal­la (59 Jah­re), der von Fran­zis­kus selbst kre­iert wur­de. Es ist daher nicht aus­zu­schlie­ßen, daß die Kar­di­nä­le bei der Abstim­mung beschlie­ßen, sich außer­halb die­ser Liste umzu­se­hen, d. h. auf eini­ge Außen­sei­ter zu set­zen, wie z. B. auf den sehr jun­gen Kana­di­er Fran­cis Leo (53), der eben­falls von Fran­zis­kus zum Kar­di­nal erho­ben wurde.

Ein wei­te­res Ele­ment ist zu berück­sich­ti­gen: Die Unzu­frie­den­heit unter den Kar­di­nä­len ist weit ver­brei­tet. Die­se zwölf Jah­re waren selbst für die­je­ni­gen, die dem Favo­ri­ten der Grup­pe von St. Gal­len sehr nahe ste­hen, schwer zu bewäl­ti­gen. Daher könn­te man auch fol­gen­de Über­le­gung anstel­len. Im Fal­le des Todes von Fran­zis­kus wer­den vie­le Kar­di­nä­le, die bis­her zurück­hal­tend und dis­kret auf­ge­tre­ten sind, ihre kon­trä­ren Posi­tio­nen offen äußern kön­nen. So hat Fidu­cia sup­pli­cans bekannt­lich bei afri­ka­ni­schen Kar­di­nä­len, die der berg­o­glia­ni­schen Agen­da ursprüng­lich sehr nahe stan­den, gro­ße Empö­rung und Ent­täu­schung aus­ge­löst. Im Fal­le einer Abdan­kung von Fran­zis­kus (eine Aus­sicht, die unwahr­schein­lich ist, aber nicht völ­lig aus­ge­schlos­sen wer­den soll­te) könn­ten die­se Kar­di­nä­le das Pro­fil der Dis­kre­ti­on wah­ren, und in die­sem Fall könn­te die Wahl auf einen „Kompromiß“-Kandidaten fal­len, wäh­rend sie die Zeit abwar­ten, um ihre Pflicht zu erfüllen.

Die Traditionalisten und Konservativen unter den Papabili

Begin­nen wir also mit dem eher tra­di­tio­na­li­sti­schen Flü­gel. Am wei­te­sten rechts von allen steht der US-ame­ri­ka­ni­sche Kar­di­nal Ray­mond Bur­ke, der nicht vor­ge­stellt wer­den muß. Er ist ein ent­schie­de­ner Geg­ner des Dia­ko­nats der Frau, der Seg­nung von Homo­se­xu­el­len, der Abschaf­fung des prie­ster­li­chen Zöli­bats, der Ein­schrän­kung der triden­ti­ni­schen Mes­se, der Geheim­ver­trä­ge mit der Volks­re­pu­blik Chi­na, der Kom­mu­ni­on für wie­der­ver­hei­ra­te­te Geschie­de­ne und der Über­win­dung von Hum­a­nae Vitae, doch es ist sehr unwahr­schein­lich, daß er zum Papst gewählt wird. Kürz­lich hat er sich sogar posi­tiv zu Donald Trump geäu­ßert, was sicher­lich einen gro­ßen Teil der Kar­di­nä­le ver­är­gert hat. Nichts­de­sto­trotz wird Bur­ke sicher­lich eine her­aus­ra­gen­de Rol­le bei der Koor­di­nie­rung der Anti-Fran­zis­kus-Par­tei spie­len, was auch die zahl­rei­chen Ver­su­che des der­zei­ti­gen Inha­bers der Cathe­dra Petri in den ver­gan­ge­nen Jah­ren erklärt, sein Wir­ken ein­zu­schrän­ken und zu behindern.

Da wäre dann der guinei­sche Kar­di­nal Robert Sarah, der auf der Web­site von Pen­tin und Mon­tagna als einer der zwölf Favo­ri­ten genannt wird. Wahr­schein­lich liegt das an sei­ner afri­ka­ni­schen Her­kunft: Er wäre der erste afri­ka­ni­sche Papst nach Gel­asi­us I., der im 5. Jahr­hun­dert Papst war. In dem sechs­sei­ti­gen Arti­kel, der im Juli 2022 von Paris-Match ver­öf­fent­licht wur­de, wird er als eine Per­son mit „enor­mem Ein­fluß“ beschrie­ben. Trotz­dem hat Kar­di­nal Sarah nie öffent­lich sein akti­ves Inter­es­se an der Wahl zum Papst bekun­det. Statt­des­sen hat er wei­ter­hin geschrie­ben, gepre­digt und Inter­views gege­ben und sich dabei auf die „Ver­tei­di­gung des Glau­bens“ kon­zen­triert. Wäh­rend des ver­gan­ge­nen Kon­kla­ves gehör­te er nicht zu den favo­ri­sier­ten Papa­bi­li. Bekannt ist jedoch, wie viel stil­le Hil­fe Sarah Bene­dikt XVI. bei der För­de­rung der Treue zur kirch­li­chen Leh­re gelei­stet hat, und viel­leicht wird dies beim Kon­kla­ve berück­sich­tigt werden.

Der deut­sche Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler, ehe­ma­li­ger Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, gilt als theo­lo­gisch ortho­dox und steht zugleich fest hin­ter den Leh­ren des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils. Mül­ler ver­tritt in meh­re­ren Fra­gen tra­di­tio­nel­le Posi­tio­nen, lehnt die Wei­he von Frau­en zum Dia­ko­nat ab und wehrt sich gegen Ände­run­gen des prie­ster­li­chen Zöli­bats im latei­ni­schen Ritus. Er hat den deut­schen Syn­oda­len Weg und das, was er als Abwei­chung von der eta­blier­ten kirch­li­chen Leh­re wahr­nimmt, kri­ti­siert. Als Kri­ti­ker des Glo­ba­lis­mus und der Agen­da 2030 hat er öffent­lich Zwei­fel und Fra­gen zu den Hand­lun­gen von Fran­zis­kus geäu­ßert, sich aber bemüht, direk­te Kri­tik am Papst zu ver­mei­den. Die Lit­ur­gie scheint jedoch nicht sei­ne Prio­ri­tät zu sein.

Der uru­gu­ay­ische Kar­di­nal Dani­el Fer­nan­do Stur­la Ber­hou­et hat eine stark ratz­in­ge­ria­ni­sche Linie. Er sieht den Kampf gegen die insti­tu­tio­na­li­sier­te säku­la­re Kul­tur und die zuneh­men­de Ver­brei­tung eines reli­giö­sen Gefühls ohne Gott als eine Her­aus­for­de­rung für die Kir­che. Er betont oft die zen­tra­le Bedeu­tung der Eucha­ri­stie für das Glau­bens­le­ben. Er urteil­te sehr hart über Fidu­cia sup­pli­cans und bezeich­ne­te das Doku­ment als „zwei­deu­tig, spal­te­risch und ver­wir­rend“. Auch er steht der Syn­oda­li­tät sehr skep­tisch gegenüber.

Der ita­lie­ni­sche Kar­di­nal Mau­ro Pia­cen­za hat admi­ni­stra­ti­ve Fähig­kei­ten und eine tie­fe spi­ri­tu­el­le Sen­si­bi­li­tät bewie­sen, Eigen­schaf­ten, die ihn für die Lei­tung der Kir­che nicht nur in Ita­li­en, son­dern welt­weit geeig­net machen wür­den. Er ist ein Ver­fech­ter der Ortho­do­xie und als Spi­ri­tu­al von Prie­stern hoch ange­se­hen. Obwohl er sich bis­her noch nicht öffent­lich zur Fra­ge von Tra­di­tio­nis cus­to­des geäu­ßert hat, ist von ihm bekannt, daß er in pri­va­ten Gesprä­chen jede Ein­schrän­kung der über­lie­fer­ten Form des Römi­schen Ritus ent­schie­den ablehnt. Als Lieb­ha­ber lehr­mä­ßi­ger Klar­heit hat er wie­der­holt die Schön­heit und Wirk­sam­keit des Sakra­ments der Beich­te als Heil­mit­tel für indi­vi­du­el­le Übel betont. Von beson­de­rer Bedeu­tung ist die Auf­merk­sam­keit, die Pia­cen­za der Reform des Kle­rus wid­me­te: Er beton­te oft, wie wich­tig es ist, daß die Prie­ster in der Leh­re gut aus­ge­bil­det und in mora­li­schen und bio­ethi­schen Fra­gen auf dem neue­sten Stand sind. Sein hohes Alter (80) macht ihn jedoch nicht zu einem vor­ran­gi­gen Kandidaten.

Im Gegen­satz zu letz­te­rem steht der (viel­leicht noch wenig bekann­te) sin­ga­le­si­sche Kar­di­nal Mal­colm Ran­jith, der im Lau­fe der Jah­re vie­le Funk­tio­nen inne­hat­te, vom Pfar­rer bis zum Bischof in ver­schie­de­nen Diö­ze­sen, vom apo­sto­li­schen Nun­ti­us über den Kuri­en­be­am­ten bis zum Metro­po­li­tan-Erz­bi­schof. Als erfah­re­nen Poly­glott sehen ihn eini­ge als eine Figur, die in per­fek­ter Kon­ti­nui­tät zu Bene­dikt XVI. steht. Auch sei­ne geo­gra­fi­sche Her­kunft spricht für ihn: Er stammt aus dem glo­ba­len Süden, kon­kret aus Asi­en, einem Gebiet, in dem die Kir­che schnell wächst. Auf der lit­ur­gi­schen Ebe­ne befür­wor­tet er Ele­men­te wie die Wie­der­her­stel­lung der Chor­schran­ken bzw. der Kom­mu­ni­on­bän­ke und der knien­den Mund­kom­mu­ni­on. Er teilt eini­ge pasto­ra­le Ele­men­te auch mit Papst Fran­zis­kus, wie z. B. die Sor­ge um die Armen. Dies ist jedoch ein wei­te­res Ele­ment, um ihn als poten­ti­el­len Wunsch­kan­di­da­ten auch der­je­ni­gen Kar­di­nä­le zu betrach­ten, die kei­ne Tra­di­tio­na­li­sten sind.

Der nie­der­län­di­sche Kar­di­nal Wil­lem Eijk gilt als wei­te­rer Favo­rit für das Papst­amt, da er sich durch gleich meh­re­re Merk­ma­le aus­zeich­net. Als gro­ßer Exper­te für bio­ethi­sche Fra­gen auf­grund sei­ner medi­zi­ni­schen und theo­lo­gi­schen Aus­bil­dung ist er bekannt für sein Fest­hal­ten an der katho­li­schen Leh­re und sei­ne Bereit­schaft, die­se zu ver­tei­di­gen, auch bei unpo­pu­lä­ren The­men wie Hum­a­nae Vitae und der Unauf­lös­lich­keit der Ehe. Er zeig­te auch gro­ßes Geschick bei der finan­zi­el­len und pasto­ra­len Umstruk­tu­rie­rung der Diö­ze­sen, in denen er tätig war, kor­ri­gier­te lit­ur­gi­sche Miß­stän­de und för­der­te neue Initia­ti­ven für jun­ge Men­schen. Als Erz­bi­schof muß­te er sich den Her­aus­for­de­run­gen des sexu­el­len Miß­brauchs durch Geist­li­che stel­len, indem er Unter­su­chungs­kom­mis­sio­nen und Hilfs­pro­gram­me ein­rich­te­te. Als stark maria­nisch gepräg­ter Pur­pur­trä­ger sprach er sich gegen die Frau­en­or­di­na­ti­on, die Seg­nung gleich­ge­schlecht­li­cher Paa­re und die Gen­der-Theo­rien aus.

Der unga­ri­sche Kar­di­nal Péter Erdő ist ein wei­te­rer Spit­zen­kan­di­dat. Gebo­ren und auf­ge­wach­sen unter dem kom­mu­ni­sti­schen Regime, wuß­te Erdő aus erster Hand, was es bedeu­tet, die Reli­gi­ons­frei­heit für Katho­li­ken zu ver­tei­di­gen. Als inter­na­tio­nal aner­kann­ter Kano­nist hat sei­ne Ernen­nung zum Gene­ral­be­richt­erstat­ter für die Fami­li­en­syn­oden (2014 und 2015), eine Posi­ti­on, die tra­di­tio­nell einem poten­ti­el­len Nach­fol­ger des Pap­stes vor­be­hal­ten ist, sein Anse­hen wei­ter erhöht. Er gilt ein­hel­lig als ein Mann des Aus­gleichs und der Ein­heit, der in der Lage ist, mit ver­schie­de­nen Posi­tio­nen inner­halb der Kir­che in Dia­log zu tre­ten. Obwohl er die Form des Novus Ordo bevor­zugt, ist er bereit, die tra­di­tio­nel­le Form zuzu­las­sen. Letzt­lich scheint Erdő der per­fek­te Kan­di­dat zu sein, wenn die Kar­di­nä­le jeman­den wäh­len wol­len, der die Kir­che auf der kon­ser­va­ti­ven Linie im Sin­ne Ratz­in­gers wei­ter­füh­ren wird, ohne den Ein­druck eines abrup­ten Kurs­wech­sels nach Fran­zis­kus zu erwecken.

Der bereits erwähn­te ita­lie­ni­sche Kar­di­nal Pier­bat­ti­sta Piz­za­bal­la wird von eini­gen als „zu jung“ ange­se­hen, aber viel­leicht könn­te gera­de die­ses Ele­ment ihn begün­sti­gen (ver­ges­sen wir nicht die Logik, die den jun­gen Woj­ty­la auf den Petrus­thron hob). Sei­ne Erfah­rung und sei­ne Füh­rungs­qua­li­tä­ten resul­tie­ren aus sei­nem lan­gen Dienst in einer so wich­ti­gen und kom­ple­xen Regi­on wie dem Hei­li­gen Land. Die­se Erfah­rung ver­leiht ihm eine aus­ge­wo­ge­ne Sicht­wei­se und die Fähig­keit zum Dia­log mit den ver­schie­de­nen reli­giö­sen und poli­ti­schen Gemein­schaf­ten in die­ser Welt­ge­gend. Sei­ne bibli­sche und sprach­li­che Aus­bil­dung ist ein wei­te­res Unter­schei­dungs­merk­mal. Er gilt als Mann des Aus­gleichs und der Offen­heit und ist in der Lage, die Treue zur Tra­di­ti­on mit einem schar­fen Blick für die Moder­ne zu ver­bin­den. Sei­ne fran­zis­ka­ni­sche Spi­ri­tua­li­tät und sei­ne Sor­ge um die Armen und Lei­den­den sind wei­te­re Ele­men­te, die ihn für die Mit­glie­der der Fran­zis­kus-Par­tei inter­es­sant machen könnten.

Das Pro­fil des ita­lie­ni­schen Kar­di­nals Ange­lo Bag­nas­co, auch wenn er nicht mehr zur Wahl steht (82 Jah­re alt), scheint per­fekt für den Fall, daß sich die Kar­di­nä­le für einen „Über­gangs­papst“ ent­schei­den, der nach den inter­nen Spal­tun­gen inner­halb der Kir­che wäh­rend der Jah­re von Papst Fran­zis­kus den­noch einen tra­di­tio­nel­len Ansatz und eine kon­ser­va­ti­ve Füh­rung wei­ter­führt. Er ver­fügt über mensch­li­che und spi­ri­tu­el­le Qua­li­tä­ten, die ihn zu einer maß­geb­li­chen und ange­se­he­nen Per­sön­lich­keit machen würden.

Der bur­me­si­sche Kar­di­nal Charles Maung Bo scheint der idea­le Kan­di­dat für die Wahl eines Pap­stes zu sein, der über eine gro­ße pasto­ra­le Erfah­rung in schwie­ri­gen Kon­tex­ten ver­fügt und einen pasto­ra­len Schwer­punkt auf Men­schen­rech­te und sozia­le Gerech­tig­keit legt (in die­ser Hin­sicht wür­de er von den Berg­o­glia­nern geschätzt wer­den) sowie ein tie­fes Ver­ständ­nis für die Her­aus­for­de­run­gen der asia­ti­schen Welt hat, die im Leben der Kir­che immer wich­ti­ger zu wer­den scheint. Bo ist jedoch auch ein star­ker Befür­wor­ter der von Papst Fran­zis­kus geför­der­ten Syn­oda­li­tät. Er glaubt, daß es wich­tig ist, auf die Stim­men aller Mit­glie­der der Kir­che zu hören.

Der kana­di­sche Kar­di­nal Marc Ouel­let war wäh­rend des Kon­kla­ves 2013 ein star­ker Anwär­ter auf das Papst­amt, muß­te aber in den letz­ten Jah­ren fest­stel­len, daß sein Anse­hen als Favo­rit für das Papst­amt abnahm. Zu den Fak­to­ren, die ihn anfangs dazu mach­ten, gehör­te sei­ne gro­ße Erfah­rung in der Kir­che auf­grund sei­ner jahr­zehn­te­lan­gen Lei­tung des heu­ti­gen Bischofs­dik­aste­ri­ums. Sein Enga­ge­ment für die Ein­heit und die Gemein­schaft inner­halb der Kir­che waren wei­te­re Fak­to­ren, die für ihn spra­chen, da er als „kon­ser­va­ti­ver Prä­lat mit moder­ner Sicht­wei­se“ gilt. Auf der lit­ur­gi­schen Ebe­ne hat er unter dem Pon­ti­fi­kat von Fran­zis­kus eine beson­ders feind­se­li­ge Hal­tung gegen­über der über­lie­fer­ten Lit­ur­gie gezeigt.

Der in der Schweiz gebo­re­ne schwe­di­sche Kar­di­nal Anders Arbo­re­li­us, den Fran­zis­kus 2022 als „eine Per­son, die uns den Weg in die Zukunft zei­gen kann“, lob­te, ist eben­falls ein belieb­ter Papa­bi­le. Er ist für sei­ne offe­ne und opti­mi­sti­sche Per­sön­lich­keit bekannt und ver­fügt über umfang­rei­che Erfah­rung im Dienst der Kir­che, da er meh­re­re wich­ti­ge Posi­tio­nen inne­hat­te, dar­un­ter den Vor­sitz der Skan­di­na­vi­schen Bischofs­kon­fe­renz und die Mit­glied­schaft in ver­schie­de­nen vati­ka­ni­schen Dik­aste­ri­en. Er ist ein star­ker För­de­rer des inter­re­li­giö­sen Dia­logs (man darf nicht ver­ges­sen, daß er selbst vom Luther­tum zur katho­li­schen Kir­che kon­ver­tiert ist) und wird als sehr beschei­de­ner und selbst­lo­ser Mensch wahr­ge­nom­men: Eigen­schaf­ten, die man bei einem Papst sehr schätzt, vor allem nach den Erfah­run­gen mit Bergoglio.

Die „gemäßigten“ und neomodernistischen Päpste

Kom­men wir nun zum ande­ren Flü­gel der Liste der Favo­ri­ten. Begin­nen wir mit den „gemä­ßig­ten“ Moder­ni­sten. Dabei han­delt es sich um drei Kar­di­nä­le, die sich bis­her nicht zu kon­tro­ver­sen The­men geäu­ßert haben, aber die­ses vor­sich­ti­ge Schwei­gen könn­te ein ohren­be­täu­ben­des Sym­ptom für Kryp­to-Moder­nis­mus sein.

Der fran­zö­si­sche Kar­di­nal Jean-Marc Noël Ave­li­ne wird von eini­gen als Schütz­ling von Fran­zis­kus ange­se­hen. Sein Enga­ge­ment in den Berei­chen Migra­ti­on und inter­re­li­giö­ser Dia­log deckt sich mit den Prio­ri­tä­ten des der­zei­ti­gen Amts­in­ha­bers. Es ist bekannt, daß sich die bei­den regel­mä­ßig im Vati­kan tref­fen, auch außer­halb der offi­zi­el­len Arbeits­zei­ten, und er ist von lin­ken poli­ti­schen und kirch­li­chen Krei­sen beson­ders geschätzt. Schließ­lich befür­wor­tet Ave­li­ne eine star­ke Dezen­tra­li­sie­rung in der Kir­che. In Anbe­tracht die­ses letz­ten Ele­ments und da – wie ein­gangs erwähnt – die Par­tei von Fran­zis­kus sich den Wil­len der St.-Gallen-Mafia zu eigen gemacht hat, das Kon­zept des Papst­tums an sich zu revo­lu­tio­nie­ren, könn­te Ave­li­ne in der Tat ein gefähr­li­cher Anwär­ter im näch­sten Kon­kla­ve sein.

Der kon­go­le­si­sche Kapu­zi­ner­kar­di­nal Fri­do­lin Ambon­go Besun­gu ist ein star­ker Ver­fech­ter der lit­ur­gi­schen Inkul­tu­ra­ti­on und des Zai­ri­schen Ritus. Nach der Ver­kün­di­gung Fidu­cia sup­pli­cans geriet Ambon­go ins Ram­pen­licht der Medi­en, weil er das Doku­ment als unan­ge­mes­sen und sogar „euro­zen­trisch“ kri­ti­sier­te. In Afri­ka gibt es in der Tat ande­re The­men als die Seg­nung homo­se­xu­el­ler Paa­re. Wäh­rend er die tra­di­tio­nel­len Wer­te der Kir­che in Fra­gen wie der Fami­lie und dem prie­ster­li­chen Zöli­bat ver­tei­digt, hat er sich bei ande­ren The­men, wie dem Dia­ko­nat der Frau, offen für einen Dia­log gezeigt.

Der ita­lie­ni­sche Kar­di­nal Fer­nan­do Filoni gehört zwar nicht zu den Spit­zen­kan­di­da­ten für das Amt des Pap­stes, genießt aber auf­grund sei­ner umfang­rei­chen diplo­ma­ti­schen und kuria­len Erfah­rung hohes Anse­hen. Es gibt jedoch auch Aspek­te, die sei­ner Wahl im Wege ste­hen könn­ten: Er hat ins­be­son­de­re kei­ne Erfah­rung in der Lei­tung von Diö­ze­sen und wird mit der ita­lie­ni­schen „alten Gar­de der Büro­kra­tie“ iden­ti­fi­ziert. Viel­leicht machen ihn aber gera­de die­se Eigen­schaf­ten zum idea­len Sicher­heits­kan­di­da­ten für die Kar­di­nals­wäh­ler, die den Sta­tus quo der Kir­che noch eine Zeit lang bewah­ren wollen.

Damit kom­men wir zu den ech­ten Moder­ni­sten, den Revo­lu­tio­nä­ren an vor­der­ster Front. Der Schwei­zer Kar­di­nal Kurt Koch ver­fügt über ein umfas­sen­des Wis­sen über die Kir­che und ihre theo­lo­gi­schen Her­aus­for­de­run­gen, was heu­te sehr wich­tig erscheint, wenn man bedenkt, wie wich­tig es ist, die Ein­heit der Kir­che in einem Umfeld wie dem deut­schen Sprach­raum zu bewah­ren, das sehr anfäl­lig für Spal­tun­gen und Schis­men ist. Er ist für sei­ne Skep­sis gegen­über dem deut­schen Syn­oda­len Weg bekannt, was die Sym­pa­thie eini­ger kon­ser­va­ti­ve­rer Wäh­ler wecken könn­te, aber ins­ge­samt ist er kein Freund der Tra­di­ti­on: In bezug auf den weib­li­chen Dia­ko­nat hat er sich im Lau­fe der Jah­re zwei­deu­tig geäu­ßert, wäh­rend er sich in lit­ur­gi­scher Hin­sicht wie­der­holt für eine Ver­söh­nung von Vetus und Novus Ordo aus­ge­spro­chen hat, um nur eine Form als (Hegel­sche) Syn­the­se zu haben. Kurz­um, Koch weist vie­le Par­al­le­len zu Ratz­in­ger auf: ein Pro­gres­si­ver, der sich im Lau­fe der Zeit gemil­dert hat, der aber immer noch sehr stark moder­ni­stisch geprägt ist.

Der ita­lie­ni­sche Kar­di­nal Pie­tro Paro­lin ist der der­zei­ti­ge Staats­se­kre­tär des Vati­kans, eine sehr pro­mi­nen­te Rol­le in der Römi­schen Kurie. Er hat sich in den letz­ten Jah­ren wie­der­holt für Anlie­gen ein­ge­setzt, die inner­halb der Kir­che als kon­ser­va­tiv gel­ten, aber man darf nicht ver­ges­sen, daß sein Han­deln immer sehr revo­lu­tio­när war. Um die Wahr­heit zu sagen, wäre Paro­lin der idea­le Kan­di­dat für ein Pon­ti­fi­kat in vol­ler Kon­ti­nui­tät mit Fran­zis­kus, weil er die glei­chen Refor­men ver­fol­gen wür­de, aber auf eine weni­ger auf­fäl­li­ge und mehr diplo­ma­ti­sche und prag­ma­ti­sche Wei­se. Paro­lin gilt auch als Ver­fech­ter der Ost­po­li­tik, einer Stra­te­gie der Zusam­men­ar­beit mit feind­li­chen Mäch­ten durch Kom­pro­mis­se und Ver­söh­nung, ins­be­son­de­re in den Bezie­hun­gen zu Chi­na. In der Tat spiel­te er eine ent­schei­den­de Rol­le bei der Wie­der­auf­nah­me direk­ter Kon­tak­te zwi­schen dem Hei­li­gen Stuhl und Peking. Ich per­sön­lich den­ke, daß die Chan­cen für Paro­lin, zum Nach­fol­ger von Fran­zis­kus gewählt zu wer­den, heu­te sehr hoch sind. Wir dür­fen jedoch nicht das alte römi­sche Sprich­wort ver­ges­sen, daß der­je­ni­ge, der als Papst in das Kon­kla­ve hin­ein­geht, als Kar­di­nal her­aus­kommt.

Der süd­afri­ka­ni­sche Kar­di­nal Ste­phen Bris­lin ist offen­bar ein weni­ger favo­ri­sier­ter Papst­kan­di­dat als ande­re, aber er hat in der Ver­gan­gen­heit ein­ge­räumt, daß sei­ne Wahl tech­nisch mög­lich ist. Er spricht sich nach­drück­lich für die Ein­be­zie­hung von LGBT in die Kir­che und das Frau­en­dia­ko­nat aus und hält Víc­tor Manu­el Fernán­dez, den der­zei­ti­gen Prä­fek­ten des Dik­aste­ri­ums für die Glau­bens­leh­re, für einen „wah­ren Gigan­ten mit gro­ßem Intel­lekt und Erfah­rung“. Ich glau­be, es ist nicht nötig, noch etwas hinzuzufügen.

Der phil­ip­pi­ni­sche Kar­di­nal Luis Tag­le gilt seit lan­gem als Berg­o­gli­os Nach­fol­ger, so sehr, daß er den Spitz­na­men „asia­ti­scher Fran­zis­kus“ erhal­ten hat. Im Jahr 2022 been­de­te er jedoch sei­ne Amts­zeit als Prä­si­dent der Cari­tas Inter­na­tio­na­lis, nach­dem bei einer unab­hän­gi­gen Prü­fung Män­gel in der Ein­rich­tung fest­ge­stellt wor­den waren. Die­se Ereig­nis­se nähr­ten Spe­ku­la­tio­nen, Kar­di­nal Tag­le habe die Gunst von Papst Berg­o­glio ver­lo­ren. Als Mit­glied der Schu­le von Bolo­gna, der zufol­ge das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil in völ­li­ger Abkehr von frü­he­ren Leh­ren und Prak­ti­ken inter­pre­tiert wer­den muß, hat sich Tag­le sehr „offen“ zu The­men wie der Kom­mu­ni­on für sakra­men­tal unver­hei­ra­te­te Paa­re und der Homo­se­xua­li­tät geäu­ßert und ange­deu­tet, daß die uni­ver­sel­len mora­li­schen Grund­sät­ze „nicht in allen Situa­tio­nen gel­ten“ könn­ten. Außer­dem ist er ein gro­ßer Befür­wor­ter der Geheim­ab­kom­men zwi­schen Chi­na und dem Vatikan.

Der por­tu­gie­si­sche Kar­di­nal José Tolen­ti­no de Men­don­ça gilt, obwohl er nicht zu den füh­ren­den Papa­bi­li gehört, als mög­li­cher Kom­pro­miß­kan­di­dat für das näch­ste Kon­kla­ve. Trotz sei­nes rela­tiv jun­gen Alters (59) steht er Fran­zis­kus sehr nahe. Für die Papst­wäh­ler, die sich ein sehr lan­ges Pon­ti­fi­kat der Kon­ti­nui­tät wün­schen, sicher­lich hete­ro­dox und moder­ni­stisch, mit einem noch grö­ße­ren revo­lu­tio­nä­ren Impuls als Fran­zis­kus, könn­te die­ser Kar­di­nal der idea­le Kan­di­dat sein. In einem Kon­kla­ve wird er wahr­schein­lich Stim­men unter sei­nen por­tu­gie­si­schen und bra­si­lia­ni­schen Brü­dern sam­meln, bei denen er gro­ßen Ein­fluß haben soll. Es gäbe in der Tat viel zu beten, soll­te er gewählt werden.…

Schließ­lich haben wir noch den ita­lie­ni­schen Kar­di­nal Matteo Zup­pi, der buch­stäb­lich das Gegen­teil von Kar­di­nal Bur­ke ist. Wäh­rend letz­te­rer nie all­zu vie­le Skru­pel hat­te, pro­gres­si­ve Öff­nun­gen inner­halb der Kir­che zu kri­ti­sie­ren, sie in aller Deut­lich­keit zu ver­ur­tei­len und dadurch den Haß und die Abnei­gung eines gro­ßen Teils des Wel­tepi­sko­pats (nicht nur des offen moder­ni­sti­schen) auf sich zu zie­hen, hat sich Zup­pi eben­so expli­zit für die radi­ka­le­ren neo­mo­der­ni­sti­schen Instan­zen der zeit­ge­nös­si­schen Theo­lo­gie aus­ge­spro­chen. Im Mai 2022 wur­de er zum Vor­sit­zen­den der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz gewählt. Er hat an meh­re­ren Syn­oden des Vati­kans teil­ge­nom­men und betrach­tet die Syn­oda­li­tät als „grund­le­gend“ für die Erneue­rung der Kir­che. Obwohl er pro­gres­si­ve Nei­gun­gen hat, ver­sucht er, den Dia­log mit todos, todos, todos zu füh­ren, auch mit denen, die theo­lo­gisch und lit­ur­gisch kon­ser­va­tiv sind, und die Kanä­le mit denen offen­zu­hal­ten, die die Lit­ur­gie aller Zei­ten befür­wor­ten (wer weiß aber, ob er die­sen Ansatz als Papst fort­set­zen würde?).

*Gaet­a­no Masciu­l­lo, 1993 in Bari gebo­ren, stu­dier­te Phi­lo­so­phie und Geschich­te, frei­er Publi­zist, Autor meh­re­rer Bücher, zuletzt „La Tia­ra e la log­gia. La lot­ta del­la massoneria con­tro la Chie­sa“ („Tia­ra und Loge. Der Kampf der Frei­mau­re­rei gegen die Kir­che“) mit einem Vor­wort von Don Nico­la Bux, Vero­na 2023.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Gaet­a­no Masciullo

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