
Am 22. Januar vollendete Kardinal Christoph Schönborn sein 80. Lebensjahr. Am selben Tag wurde er als Erzbischof von Wien emeritiert und verlor sein Stimmrecht im Konklave. Aus dem konservativen Kirchenmann, der Johannes Paul II. und Benedikt XVI. nahestand, wurde einer der Hauptinterpreten von Franziskus. An diesen Wandel erinnert der Sozialethiker Stefano Fontana und kritisiert die „Überlebensstrategie“ des Wiener Erzbischofs. Fontana zeigt auch, wie Schönborn von außen wahrgenommen wurde.
Schönborn, Kurswechsel als Mittel zum „Überleben“
Von Stefano Fontana*
Der Wiener Kardinalerzbischof Christoph Schönborn ist am 22. Januar achtzig Jahre alt geworden und hat die Bühne der offiziellen Kirchenpolitik verlassen. Sicherlich wird man noch von ihm hören, Emeriti sind ja oft redseliger als Ordinarien. Auf jeden Fall läuft seine Zeit ab.
Die Medien berichten nicht über alle Kardinäle und Erzbischöfe, die achtzig werden. Über Schönborn hatten sie aber das Bedürfnis zu sprechen. Das geschieht dann, wenn der Achtzigjährige das Symbol für etwas ist, wenn er während seiner ganzen Laufbahn mehr war als er selbst, wenn er einen „Typus“ verkörpert hat, sowohl menschlich als auch kirchlich, wenn er in gewisser Weise eine Epoche bezeichnet hat. Von ihm zu sprechen hat also nicht nur eine individuelle biographische Bedeutung. Es geht nicht darum, die Geschichte eines Menschen zu schreiben, sondern einen Querschnitt durch die Kirche in einer bestimmten Epoche zu geben.
Schönborns Epoche ist die des Übergangs zum Pontifikat von Franziskus. Der Kardinal ist ein gelehrter Mann, ein studierter Dominikaner, der von Johannes Paul II. zum Kardinal ernannt wurde. Und er gilt als ein Mann, der Benedikt XVI. „sehr nahe“ stand. Zu den wichtigsten Themen, die der deutschsprachigen kirchlichen Welt besonders wichtig sind, hatte er stets eine ausgewogenere Position vertreten, und ohne sich zu verstecken. Wenn man bedenkt, daß er von Kardinal König zum Priester geweiht worden war, der Karl Rahner auf das Konzil gebracht hatte, und daß die Diözese Wien während seines langen Episkopats (1995–2025) große Spannungen und den offenen Ungehorsam von kirchlichen Basisgruppen erlebt hatte, kann man sagen, daß sein Management keine übermäßigen Neuerungen kannte, sondern eine substantielle Widerspiegelung der Linie der Pontifikate von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. war, durch die er ohne besondere Brüche navigierte.
Am 27. März 2008 nahm er in einer Rede auf Kath.net eine klare Haltung zu Empfängnisverhütung, Abtreibung und Homosexualität ein und behauptete, daß Europa in diesen Fragen dreimal „Nein“ zu seiner Zukunft sage. Im Jahr darauf sprach er auf einer Pressekonferenz in Wien davon, daß die katholischen Bischöfe Paul VI. bei Humanae vitae nicht unterstützt hätten, sodaß der Kirche in der Folge der Mut gefehlt habe, sich mit der gebotenen Deutlichkeit gegen Abtreibung und Homosexualität auszusprechen. Auch in der Frage des Mißbrauchs in der Kirche hatte er sich lautstark geäußert, in diesem Fall vielleicht übermäßig, aber schließlich blieb er doch bei der klaren Ratzinger-Benedikt-Linie. Aus einer adligen Familie stammend, gebildet, diplomatisch, ausgleichend, sehr gut in die vatikanischen Kongregationen integriert, schien der Kardinal ein Bezugspunkt von gewisser Zuverlässigkeit in der brodelnden Welt Mitteleuropas zu sein.
Dann kam der Kurswechsel, katalysiert durch die zweiteilige Familiensynode (2014/2015), deren Protagonist er war, und das nachsynodale Schreiben Amoris laetitia. Mit zwei berühmten Interviews von Antonio Spadaro in La Civiltà Cattolica im September 2015 und Juli 2016 hat er sich als offizieller Interpret des umstrittenen Schreibens angeboten. Er selbst hatte sie ja im vatikanischen Presseamt vorgestellt und Papst Franziskus hatte in einer seiner fliegenden Pressekonferenzen die Journalisten, die nach der korrekten Interpretation dieses Textes mit vielen Unklarheiten fragten, an Schönborn verwiesen.
In diesen Interviews und in anderen Reden hat der Kardinal bewiesen, daß er die Neuerungen von Amoris laetitia voll und ganz übernommen hat: Er sprach von einer „historischen Synode“, feierte die Methode der Unterscheidung, sagte, daß die Aufgabe der Kirche darin bestehe, „zu beobachten, zu begleiten, zu unterscheiden“, und sagte, daß allein von der Doktrin auszugehen bedeute, nach starren Schablonen vorzugehen, wo doch jeder Fall anders sei. Aber schon 2014 hatte er in einem Interview mit Gian Guido Vecchi im Corriere della Sera das trügerische Hauptkriterium der neuen Moral des Familienlebens genannt: „In jeder Situation kann man immer sehen, was fehlt oder was schon da ist … Wenn etwas fehlt, heißt das nicht, daß es nicht auch gute Dinge gibt“. In diesem kleinen großen Fehler liegt der ganze Unterschied zur vorherigen Ära.
Es folgten weitere entlarvende Schritte, wie die Begrüßung der Transsexualität während des Gedenkens an die AIDS-Opfer am 1. Dezember 2017 im Stephansdom: „Im bunten Garten des Herrn ist Platz für die ganze Vielfalt“. In jüngerer Zeit erklärte er sich unzufrieden mit dem Responsum vom Februar 2021, mit dem die Glaubenskongregation die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare verbot, und stimmte mit der gegenteiligen Position überein, die in der Instruktion Fiducia supplicans (18. Dezember 2023) desselben Dikasteriums festgelegt wurde.
War es Opportunismus? War die Prorogatio um fünf Jahre vor der „Pensionierung“, ein Novum im gegenwärtigen Pontifikat, eine Belohnung für erwiesene Treue? Auf jeden Fall kann es nicht alles gewesen sein. Es gibt sogar Leute, die bestreiten, daß es eine Wende gegeben hat, und versuchen, Schönborn als Beweis für die Kontinuität zwischen Franziskus und den beiden vorherigen Pontifikaten hinzustellen. Vielleicht ist es einfacher, diese Dinge auf andere Weise zu erklären. Auch in der Kirche sind die Wellen der theologischen Neuerungen – die „Winde der Lehre“ – wie störende Fluten, die sich ausbreiten, überall eindringen, konditionieren, die Linie diktieren, sich aufdrängen und Konformität schaffen. Viele lassen sich dazu verleiten, dem Strom zu folgen, um weiterhin dabei zu sein und nicht abgeschnitten zu werden, um die Gewißheit zu haben, mit ihrer eigenen Zeit zu denken.
*Stefano Fontana, Direktor des International Observatory Cardinal Van Thuan for the Social Doctrine of the Church; zu seinen jüngsten Publikationen gehören „La nuova Chiesa di Karl Rahner“ („Die neue Kirche von Karl Rahner. Der Theologe, der die Kapitulation vor der Welt lehrte“, 2017), gemeinsam mit Erzbischof Paolo Crepaldi „Le chiavi della questione sociale“ („Die Schlüssel der sozialen Frage. Gemeinwohl und Subsidiarität: Die Geschichte eines Mißverständnisses“, 2019), „La filosofia cristiana“ („Die christliche Philosophie. Eine Gesamtschau auf die Bereiche des Denkens“, 2021); alle erschienen im Verlag Fede & Cultura, Verona.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanMedia (Screenshot)
Kardinal Schönborn ist sich treu geblieben. Schon unter Benedikt XVI sprach er in Interviews von dem Prinzip der Gradualität.
Von der persönlichen Größe und Lauterkeit des Kardinals bin ich immer beeindruckt gewesen, bis heute. Er gehört zu den ganz wenigen Kirchenmännern, die eine hohe Bildung bei gleichzeitiger Herzensbildung besitzen. Dass er nicht nur den Adelsstand, sondern vor allem den Adel der Seele hat, dürfte jeder bemerkt haben, der je das Glück hatte, ihn kennenzulernen. Was ich mir – gerade von ihm – gewünscht hätte, wäre eine öffentlich klarere Verteidigung der Lehre des Katechismus gewesen, der ihm selber ja so sehr am Herzen liegt. Ich denke, man muss jemand immer im Ganzen sehen und nicht in Details. Und hier würde ich sagen: Der Kardinal ist ein großer, meiner Ansicht nach heiligmäßiger Mann. Ich habe es immer als großes Glück empfunden, von ihm geweiht worden zu sein. Seine irritierenden Positionen gehören zur Summe dessen, was heute katholisch ist – halt ein Durcheinander. Aber das ist in seinem Fall sicher nicht dominierend – anders als bei Franziskus.
Diese unsägliche Häresie der „Allversöhnung“!
dieses unmännliche Harmoniebedürfnis ?!
Frucht der Verneinung in den Wandlungsworten (nur in manchen Landessprachen) die korrekte Übersetzung von „pro multis“ zu beten, wie von B.XVI gefordert ??
( … das alte Wienerlied „Wir kommen alle, alle alle in den Himmel … “ lässt grüßen ???)
Frage:
1) Kann man die Wahrheit mit der Lüge
2) kann man Christus mit dem Antichristen
3) kann man Jesus mit dem Teufel
VERSÖHNEN … ?
Antwort:
NEIN! NIEMALS.
Der Gedanke allein birgt schon die LÜGE in sich!
Aber, zur Unterscheidung der Geister, muss sie gestellt und auf Antwort – beharrlich! – insistiert werden.
Genesis 3:
„15. Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe, und zwischen deiner Nachkommenschaft und ihrer Nachkommenschaft:
Sie wird dir den Kopf zertreten,
und du wirst ihrer Ferse nachstellen.“
[Offenb 12,1]
„O Gott, lass Hirn regnen !“
Ich korrigiere: den Heiligen Geist (Joel 3,1 )
„… und nach diesem Elend zeige uns Jesus, die gebenedeite Frucht Deines Leibes:
O gütige, o milde, o süße Jungfrau Maria!“