
Vor bald einem Jahr wurde das Dokument Demos 2 bekannt, in dem das Pontifikat von Franziskus als desaströs bewertet wurde und in den höheren Rängen der Kirche für erhebliche Aufregung sorgte. Die Identität des Autors oder der Autoren konnte bisher nicht geklärt werden. In Santa Marta war man so erzürnt, daß die Polizei des Vatikans mit der Jagd auf den oder die Urheber beauftragt wurde. Nun soll der vatikanischen Gendarmerie ein Ermittlungsdurchbruch gelungen sein.
Die erste Demos-Denkschrift
Die Sache mit den Demos-Dokumenten ist gefinkelt. 2022 war auf dem Blog des Vatikanisten Sandro Magister erstmals eine ausführliche Denkschrift veröffentlicht worden, die das derzeitige Pontifikat einer vernichtenden Analyse unterzog und mit Demos (das Volk) unterzeichnet war. Damit wollte der Autor sagen, daß er für viele spricht. Und der Inhalt seiner Denkschrift hatte es ohnehin in sich.
Papst Franziskus wird darin die aktive Verfolgung der Traditionalisten und der kontemplativen Klöster, die Unterminierung der Rechtsstaatlichkeit und ein bevorzugt politisches Agieren vorgeworfen, aber gegen ihn auch ein ziemlich unverhüllter Häresievorwurf erhoben. Die päpstliche Autorität befinde sich unter Franziskus im freien Fall, er lasse es an doktrinärer Klarheit fehlen, schaffe Verwirrung selbst zu grundsätzlichen Fragen des Glaubens und der Moral und fördere schismatische Tendenzen. Das Pontifikat von Franziskus wird zusammenfassend als „Katastrophe“ bezeichnet.
Die Adressaten des Dokuments waren die Kardinäle.
Sofort begann eine Hexenjagd, wobei von Anfang an angenommen wurde, daß es sich beim Autor um einen Kardinal handelt, der durch das Pseudonym die Aufmerksamkeit auf den Inhalt der Denkschrift lenken wollte und nicht auf die Person.
Kurz nach dem Tod des australischen Kardinal George Pell enthüllte der Vatikanist Sandro Magister Anfang 2023, daß Pell „Demos“ war und die Denkschrift verfaßt hatte.
Die zweite Demos-Denkschrift
Dann tauchte Ende Februar 2024, zwei Jahre nach der ersten Denkschrift, eine zweite auf, die wiederum mit Demos unterzeichnet ist. Die Überschrift der ersten Denkschrift lautet: „Der Vatikan von heute“, die der zweiten: „Der Vatikan von morgen“. Darin wird mit Blick auf das nächste Konklave deutlich geäußert, daß die Zukunft der Kirche eine andere sein müsse als jene, die das Pontifikat von Franziskus hervorbringt.
Sieben Prioritäten werden genannt, um durch eine entschiedene Kurskorrektur das Boot des Petrus wieder auf Kurs zu bringen. An die erste Stelle stellte der Autor die Wiederherstellung der Klarheit in der Lehre. Es sei unumgänglich, entschlossen die grundlegenden Wahrheiten des katholischen Glaubens wieder zu bekräftigen. Die Kirche brauche keine Synodalität, aber die Wiederherstellung der Kollegialität, indem das autoritäre, zentralistische Regime, das von Franziskus etabliert wurde, abgebaut und die bischöfliche Jurisdiktion wieder respektiert werde.
Ebenso wird Transparenz bei den Finanzen gefordert und bei Kardinalsernennungen eine bessere Auswahl und Vorbereitung der Kandidaten angemahnt. Zu diesem Thema gibt es inzwischen auch die Internetseite The College of Cardinals Report von Edward Pentin (EWTN, National Catholic Register), die in Santa Marta zu neuen Wutausbrüchen geführt haben soll.
Auch bedürfe es wieder einer klaren christlichen Anthropologie, die von Ideologien wie der Gender-Ideologie und dem Transhumanismus gereinigt werden müsse.
Die Denkschrift wurde in fünf Sprachen verbreitet. Wiederum war das Kardinalskollegium der Adressat.
Fest stand, daß Kardinal Pell nicht der Autor der zweiten Demos-Denkschrift sein konnte, die sich auch in der Sprache von der ersten unterscheidet, obwohl die Stoßrichtung einer vernichtenden Kritik am Pontifikat von Franziskus dieselbe ist. Allerdings wurde erneut angenommen, daß ein Kardinal der Autor sein könnte.
Franziskus soll wütend gewesen sein. Die vatikanische Gendarmerie wurde angewiesen, Ermittlungen aufzunehmen, um den Urheber aufzuspüren.
Nun heißt es, die Polizei des Kirchenstaates sei fündig geworden. Die Jagd sei zu Ende. Die vatikanische Gendarmerie habe den anonymen Kardinal, nennen wir ihn „Demos 2“, ausfindig gemacht und identifiziert.
Die vatikanischen Ermittlungen zielen darauf ab, das für Franziskus unangenehme Kapitel zu schließen. Immerhin nimmt die innerkirchliche Kritik an seinem Pontifikat nicht ab, sondern zu.
Offenbar wollen Franziskus und sein Hofstaat auch eine dritte Demos-Denkschrift verhindern, indem sie den Autor der zweiten Denkschrift enttarnen und bloßstellen. Diese Vermutung äußerte gestern zumindest Luigi Bisignani, der Chefkolumnist der römischen Tageszeitung Il Tempo.
Für die nächste Zeit werden also Enthüllungen erwartet.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Il Tempo (Screenshot)