Der gute Hirte gibt sein Leben hin für die Schafe

Er hat die Tür seiner Kathedrale nicht verriegelt


Die Ermordung des heiligen Thomas Becket in der Kathedrale von Canterbury
Die Ermordung des heiligen Thomas Becket in der Kathedrale von Canterbury

Von Pater Tho­mas Cre­an*

Der 29. Dezem­ber war eines der gro­ßen Feste der Weih­nachts­ok­tav, nach dem hei­li­gen Ste­pha­nus, dem hei­li­gen Johan­nes dem Evan­ge­li­sten und den Hei­li­gen Unschul­di­gen Kin­dern. Es ist das Fest des hei­li­gen Tho­mas Becket, der auch als hei­li­ger Tho­mas von Can­ter­bu­ry bekannt ist. Die­ses Fest ist so wich­tig, daß es hier­zu­lan­de, in Lon­don, an die Stel­le des Sonn­tags tritt, und so wird die Mes­se nicht in den für die Weih­nachts­zeit typi­schen wei­ßen oder gol­de­nen Gewän­dern zele­briert, son­dern in Rot, um das Blut der Mär­ty­rer vor Augen zu führen.

Die Geschich­te des hei­li­gen Tho­mas Becket ist wohl­be­kannt: In sei­ner Jugend war er ein Freund des Königs Hein­rich II. von Eng­land. Der König wähl­te ihn spä­ter aus, um den frü­he­ren Erz­bi­schof von Can­ter­bu­ry nach des­sen Tod zu erset­zen. Tho­mas warn­te den König, daß er, wenn er ihn zum Erz­bi­schof mach­te, wahr­schein­lich gezwun­gen sein wür­de, eini­ge von Hein­richs Plä­nen zu ver­ei­teln. Wir alle wis­sen, daß der König dar­auf bestand, nach sei­nem Kopf zu han­deln, wäh­rend der hei­li­ge Tho­mas nach sei­ner Wei­he sei­ne höfi­schen und sogar welt­li­chen Gewohn­hei­ten änder­te und sich einem Leben des Gebets und der Buße hingab.

Sei­ne Pro­phe­zei­ung erfüll­te sich, als er sich wei­ger­te, dem König das Recht zuzu­ge­ste­hen, den Kle­rus vor könig­li­che Gerich­te zu stel­len statt vor die der Bischö­fe. Wir wis­sen auch, daß Erz­bi­schof Tho­mas Becket lie­ber sie­ben Jah­re lang ins Exil ging, als auf die Rech­te der Kir­che zu ver­zich­ten, und daß er, als er nach Eng­land zurück­kehr­te und den Frie­den wie­der­her­stell­te, bald her­aus­fand, daß König Hein­rich in sei­nem Glau­bens­be­kennt­nis nicht auf­rich­tig war.

Das Ende der Geschich­te ist berühmt: Vier Rit­ter des Königs rei­sen im Win­ter heim­lich nach Can­ter­bu­ry, um ihrem Herrn zu gefal­len. In ihren Rüstun­gen ras­seln sie durch die Kreuz­gän­ge und betre­ten die Kathe­dra­le, wo sie auf Tho­mas tref­fen. Als sie ihn mit ihren Schwer­tern erschla­gen, sind sei­ne letz­ten Wor­te: „Für den Namen Jesu und den Schutz der Kir­che bin ich bereit, den Tod in Kauf zu nehmen“.

Ist die Geschich­te des hei­li­gen Tho­mas Becket nur ein roman­ti­sches Mär­chen aus dem Mit­tel­al­ter oder viel­leicht eine erbau­li­che Geschich­te ohne Bezug zu heu­te? Ganz und gar nicht: Die Wahr­hei­ten, für die die­ser Mär­ty­rer starb, sind Glau­bens­wahr­hei­ten, die die welt­li­chen Mäch­te aller Zei­ten anzu­fech­ten ver­su­chen, näm­lich daß der Staat kein Recht hat, über die von Chri­stus gegrün­de­te Kir­che zu herr­schen und die Geset­ze Got­tes außer Kraft zu setzen.

In unse­rer Zeit, in die­sem Land und anders­wo, haben wir erlebt, daß der Staat das Recht bean­sprucht, genau die­se Din­ge zu tun. Wir haben erlebt, daß der Staat Kir­chen schließt, Tau­fen, Beich­ten und die Kran­ken­sal­bung ver­bie­tet und die öffent­li­che Dar­brin­gung des hei­li­gen Meß­op­fers unter­sagt. Der Staat kann in die­sen Fra­gen Rat­schlä­ge ertei­len, wenn es um die öffent­li­che Gesund­heit geht, aber es ist allein Sache der Bischö­fe zu ent­schei­den, wie und wann sie die Sakra­men­te Chri­sti spen­den. Wir haben erlebt, daß der Staat das Recht bean­sprucht hat, die Ehe zu zer­stö­ren und neu zu gestal­ten und zwei Män­ner oder zwei Frau­en für ver­hei­ra­tet zu erklä­ren. Wir haben erlebt, daß er das Recht bean­sprucht, die Tötung unge­bo­re­ner Kin­der und jetzt auch die Tötung alter und kran­ker Men­schen zu erlau­ben. All die­se Geset­ze sind null und nich­tig und, was noch schlim­mer ist, sie sind ein schwe­res Ver­ge­hen gegen Gott. Wir kön­nen kei­ne Kom­pro­mis­se mit ihnen eingehen.

Der hei­li­ge Tho­mas Becket gibt uns ein glor­rei­ches Bei­spiel für den Wider­stand gegen unge­rech­te Geset­ze. „Für den Namen Jesu und den Schutz der Kir­che bin ich bereit, den Tod in Kauf zu neh­men.“ Das ist ein ermu­ti­gen­des Bei­spiel, denn der hei­li­ge Tho­mas Becket war zwar mutig, aber nicht anders gear­tet als wir. Er scheu­te den Gedan­ken an einen zukünf­ti­gen Kon­flikt mit König Hein­rich. Selbst nach­dem er Erz­bi­schof gewor­den war, mach­te er eini­ge Zuge­ständ­nis­se an die Wün­sche des Königs, für die ihn sein Gewis­sen spä­ter zurecht­wies. Er war ein Hohe­prie­ster wie der in der Epi­stel beschrie­be­ne, der Mit­leid mit den Unwis­sen­den und Irren­den hat­te, denn auch er war von ähn­li­chen Gebre­chen geplagt. Aber er war ein guter Hir­te, der dem Bei­spiel und der Leh­re unse­res Herrn folg­te und sich wei­ger­te, sei­ne Scha­fe im Stich zu las­sen, wenn die Wöl­fe kamen. Er hat die Tür sei­ner Kathe­dra­le nicht ver­rie­gelt, als die Rit­ter kamen, weil er sag­te, daß die Kir­che Got­tes nicht wie ein Feld­la­ger ver­tei­digt wer­den muß. Er zog die Lie­be Got­tes, der für uns ein Kind wur­de, der Gunst der Gro­ßen die­ser Welt vor.

Ich schlie­ße mit den Wor­ten eines berühm­ten Dich­ters, der ein Stück über das Leben des hei­li­gen Tho­mas Becket geschrie­ben hat. Er stellt sich vor, wie einer von Beckets Prie­stern ihn nach sei­nem Mar­ty­ri­um mit fol­gen­den Wor­ten anspricht: „O gro­ßer Hei­li­ger, des­sen Ruhm uns ver­bor­gen ist, bete für uns in dei­ner Näch­sten­lie­be. Nun, da du vor Gott stehst, ver­eint mit allen Hei­li­gen und Mär­ty­rern, die dir vor­aus­ge­gan­gen sind, geden­ke unser“.

*Pater Tho­mas Cre­an, eng­li­scher Domi­ni­ka­ner, stu­dier­te Phi­lo­so­phie und Theo­lo­gie am St. John’s Col­lege in Oxford, 1995 trat er in den Domi­ni­ka­ner­or­den ein und wur­de 2001 zum Prie­ster geweiht. Er pro­mo­vier­te an der Katho­li­schen Hoch­schu­le ITI in Tru­mau in Öster­reich, Autor meh­re­rer Bücher, dar­un­ter „A Catho­lic Replies to Pro­fes­sor Daw­kins“, „The Mass and the Saints“ und zuletzt „Vin­di­ca­ting the Fili­o­que“ über das Kon­zil von Flo­renz (Emma­us Aca­de­mic, 2023), lebt im Domi­ni­ka­ner­prio­rat von Haver­stock Hill im Nor­den Londons.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Mar­ty­ri­um des hl. Tho­mas Becket, Buch­ma­le­rei des 12. Jahrhunderts

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