Der „verhinderte Stuhl“ von Benedikt XVI. – ein Narrativ ohne Beweise (Teil 2)

Im einen wie im anderen Fall ist der Weg eine Sackgasse


Der Amtsverzicht von Papst Benedikt XVI.
Der Amtsverzicht von Papst Benedikt XVI.

Der „ver­hin­der­te Stuhl“ von Bene­dikt XVI. – ein Nar­ra­tiv ohne Bewei­se (Teil 1)

Von Rober­to de Mattei*

Die Befür­wor­ter des soge­nann­ten „ver­hin­der­ten Stuhls“ von Bene­dikt XVI. stüt­zen ihre The­se auf eine breit ange­leg­te und arti­ku­lier­te Erzäh­lung, ohne aus­rei­chen­de Bewei­se zu lie­fern, um die­se zu recht­fer­ti­gen. Ihr Nar­ra­tiv wur­de bereits von Autoren ver­schie­de­ner Rich­tun­gen wider­legt. Wir erin­nern an die Stu­di­en von Frau Pro­fes­sor Geral­di­na Boni, Pro­fes­sor Manu­el Gana­rin und Don Samue­le Pin­na; an das Buch von Dr. Feder­i­co Michie­lan und Rechts­an­walt Fran­ces­co Patru­no „Non era più lui“ („Es war nicht mehr er“, Fede & Cul­tu­ra, Vero­na 2023); an die Arti­kel der Nuo­va Bus­so­la Quo­ti­dia­na von Dr. Lui­sel­la Scro­sa­ti; an die Vide­os von Don Tul­lio Roton­do und Don Danie­le Di Sor­co. Unser Bei­trag, der zu den vor­her­ge­hen­den hin­zu­kommt, stützt sich haupt­säch­lich auf die Ana­ly­se der wich­tig­sten Refe­renz­tex­te der Theo­rie des „ver­hin­der­ten Stuhls“: die Bücher „Codi­ce Ratz­in­ger“ („Code Ratz­in­ger“, Byoblu, Mai­land 2022) von Andrea Cionci; „Habe­mus anti­pa­pam?“ (Edi­zio­ni del Faro, Tri­ent 2023) von Pater Fer­nan­do Maria Cor­net und die Pre­digt vom 13. Okto­ber 2024 „Non con­seg­nerò il Leo­ne“ („Ich wer­de den Löwen nicht über­ge­ben“, von Pater Gior­gio Maria Faré. Wir zitie­ren die­se Wer­ke fort­an mit dem Namen des Autors.

Eine grundlegende Prämisse: Der Papst ist der oberste Gesetzgeber der Kirche

Eine theo­lo­gi­sche Prä­mis­se ist not­wen­dig. Das Erste Vati­ka­ni­sche Kon­zil defi­nier­te in sei­ner Kon­sti­tu­ti­on Pastor aeter­nus vom 18. Juli 1870 als Dog­ma des katho­li­schen Glau­bens (unab­hän­gig vom Unfehl­bar­keits­dog­ma) den Pri­mat des Petrus, d. h. den ober­sten Juris­dik­ti­ons­pri­mat des Pap­stes über die Kir­che (Denz‑H, Nr. 3053–3064). In Über­ein­stim­mung mit die­sem Dog­ma defi­nie­ren die Cano­nes 331 und 333 des Codex des kano­ni­schen Rechts die Auto­ri­tät des Pap­stes als höch­ste, umfas­sen­de, uni­ver­sa­le, ordent­li­che, unmit­tel­ba­re und freie Lei­tungs­ge­walt. Die ple­ni­tu­do pote­sta­tis legis­la­tiv­ae des Pap­stes, so erklä­ren die Kano­ni­sten, erstreckt sich auf alle Hand­lun­gen, die vom Apo­sto­li­schen Stuhl aus­ge­hen. Abge­se­hen von den Nor­men des natür­li­chen und posi­ti­ven gött­li­chen Rechts, von denen der Papst, wie jeder Mensch, nicht abwei­chen kann, kennt die päpst­li­che Gesetz­ge­bungs­ge­walt kei­ne per­so­nel­len, räum­li­chen oder sach­li­chen Gren­zen. Der Papst kann gel­ten­de Geset­ze und ande­re Bestim­mun­gen abän­dern oder auf­he­ben, auch wenn sie von sei­nen Vor­gän­gern oder von Kon­zi­li­en und a for­tio­ri von sei­nen Unter­ge­be­nen erlas­sen wur­den. „Der Papst“, so Pro­fes­sor Joël-Benoît d’O­no­rio, „ist die sou­ve­rä­ne Rechts­in­stanz der gesam­ten Kir­che und bleibt kraft sei­nes Pri­mats der uni­ver­sa­len Regie­rung ihr ober­ster Gesetz­ge­ber. Es ist ein Glau­bens­dog­ma und eine juri­sti­sche Rea­li­tät“ („Le Pape et le gou­ver­ne­ment de l’Eg­li­se“, „Der Papst und die Lei­tung der Kir­che“, Fleu­rus-Tar­dy, Paris 1992, S. 100).

Das bedeu­tet, daß der Papst dem kano­ni­schen Recht über­ge­ord­net ist, wenn auch in bezug auf das gött­li­che und natür­li­che Recht, das die Gren­ze sei­ner Macht dar­stellt. Das kano­ni­sche Recht umfaßt näm­lich Quel­len des mensch­li­chen Rechts, d. h. die von den gesetz­ge­ben­den Orga­nen der Kir­che im Lau­fe der Jahr­hun­der­te erlas­se­nen Vor­schrif­ten, und Quel­len des gött­li­chen Rechts, die Hei­li­ge Schrift und die Tra­di­ti­on. Der Papst kann von den kirch­li­chen Geset­zen abwei­chen und sie ändern, nicht aber das natür­li­che und gött­li­che Recht (Vin­cen­zo Del Giudi­ce: „Nozio­ni di diritto cano­ni­co“, „Grund­be­grif­fe des kano­ni­schen Rechts“, Giuf­fré, Mai­land 1970, S. 33–61).

Die Fül­le der juris­dik­tio­nel­len, legis­la­ti­ven und exe­ku­ti­ven Macht des Pap­stes ist ein unfehl­ba­res Dog­ma der Kir­che, aber die Unfehl­bar­keit erstreckt sich nicht auf sei­ne Regie­rungs­hand­lun­gen. Der Papst ist unfehl­bar, wenn er Glau­bens- und Moral­dog­men fest­legt, aber wenn er regiert, kön­nen sei­ne gesetz­ge­be­ri­schen und dis­zi­pli­na­ri­schen Hand­lun­gen auch unzu­rei­chend, unan­ge­mes­sen oder feh­ler­haft sein.

Die Ver­fech­ter des „ver­hin­der­ten Stuh­les“ zei­gen oft, daß sie die­se grund­le­gen­den Wahr­hei­ten igno­rie­ren oder ver­wech­seln, wie aus ihren „The­sen“ her­vor­geht, die wir ver­su­chen wer­den in geord­ne­ter Wei­se dar­zu­le­gen und ihnen unse­re Ant­wort fol­gen zu lassen.

War die Declaratio vom 11. Februar 2013 ein echter Verzicht?

THESE: Nach Ansicht der Ver­fech­ter des „ver­hin­der­ten Stuhls“ ist die Ver­zichts­er­klä­rung Bene­dikts XVI. vom 11. Febru­ar 2013 „nicht exi­stent“ und hat kei­nen recht­li­chen Wert, denn sowohl der Titel, den Bene­dikt XVI. dem Doku­ment gege­ben hat, als auch eine Ana­ly­se des Tex­tes zei­gen, daß es sich nur um einen „dekla­ra­to­ri­schen Akt sei­ner Ent­schei­dung zum Ver­zicht, aber nicht um einen Akt des tat­säch­li­chen Ver­zichts“ han­delt (Cor­net, S. 55). Die For­mel „Ich erklä­re, zu ver­zich­ten“ ist nicht das­sel­be wie „Ich ver­zich­te“ (Faré, S. 5).

ANTWORT: Die sprach­li­che Spitz­fin­dig­keit, die nicht nur der Leh­re, son­dern auch dem gesun­den Men­schen­ver­stand wider­spricht, will das Han­deln des Pap­stes in juri­sti­sche Regeln ein­zu­schlie­ßen, auf die der Papst aber nicht ange­wie­sen ist, auch weil sie nicht im Kir­chen­recht gere­gelt sind. Anders als bei der Wahl, für die es die kano­ni­sche For­mel „Accep­to“ („Ich neh­me an“) gibt, gibt es kei­ne Norm, die den Ver­zicht auf das Papst­tum regelt. Der Papst als ober­ster Gesetz­ge­ber der Kir­che kann sich also so aus­drücken, wie er es für rich­tig hält, solan­ge sein Ver­zichts­wil­le offen­kun­dig ist. Die Ungül­tig­keits­the­se, so stel­len die Kano­ni­sten Geral­di­na Boni und Manu­el Gaga­rin fest, „bean­sprucht einer­seits, eine Beschrän­kung der pri­ma­tia­len Macht ein­zu­füh­ren, und steht damit im Wider­spruch zum posi­ti­ven gött­li­chen Recht; kommt aber ander­seits kei­nes­wegs so weit, zu bewei­sen, daß dem Ver­zicht der ‚Wil­le abzu­dan­ken‘ fehlt“. Der Ver­zicht von Bene­dikt XVI. am 11. Febru­ar war für alle Kar­di­nä­le offen­sicht­lich und wur­de durch den Voll­zug des Aktes am 28. Febru­ar 2013 bestä­tigt. Was es nicht gibt, ist nicht der Ver­zicht, son­dern der Beweis sei­ner Nichtexistenz.

Macht das Intervall zwischen der Verzichtserklärung und ihrem Inkrafttreten sie ungültig?

The­se: Zwi­schen der Erklä­rung Bene­dikts XVI. vom 11. Febru­ar und dem Inkraft­tre­ten des Ver­zichts am 28. Febru­ar gab es ein Inter­vall. Für die Befür­wor­ter des „ver­hin­der­ten Stuh­les“ ist „ein auf­ge­scho­be­ner Ver­zicht kein Ver­zichts­akt und kann auch nicht als sol­cher betrach­tet wer­den, son­dern nur die Ankün­di­gung eines Ver­zichts“ (Cor­net, S. 95); „die Appo­si­ti­on einer Frist macht den Ver­zichts­akt nicht nur null und nich­tig, son­dern sogar inexi­stent, ein sol­cher Akt hat kei­ne Wir­kung“ (Faré, S. 5).

ANTWORT: Unab­hän­gig von den Grün­den, aus denen Bene­dikt XVI. eine Frist zwi­schen dem Tag der Ankün­di­gung und dem Tag der tat­säch­li­chen Been­di­gung sei­nes Amtes set­zen woll­te, hat der Papst die Mög­lich­keit, über die Moda­li­tä­ten des Ver­zichts auf das Pon­ti­fi­kat zu ent­schei­den, zumal, wie bereits gesagt, das Kir­chen­recht kei­ne beson­de­ren Moda­li­tä­ten für den Ver­zicht vor­schreibt. Außer­dem stimmt es nicht, daß „das Inkraft­tre­ten der Ent­schei­dung auf­ge­scho­ben wur­de“ (Cionci, S. 42). Auf­ge­scho­ben wur­de nicht die Ent­schei­dung auf sein Amt zu ver­zich­ten, die am 11. Febru­ar 2013 öffent­lich erklärt wur­de, son­dern das Inkraft­tre­ten, das kei­ner wei­te­ren Rati­fi­zie­rung bedurf­te. Der Beweis für die The­se wur­de nicht erbracht.

Sind munus und ministerium zwei verschiedene Begriffe?

THESE: In der Decla­ra­tio vom 11. Febru­ar ver­zich­tet Bene­dikt XVI. nicht auf das munus des Papst­tums, wie es der Canon 332 § 2 des Codex des kano­ni­schen Rechts ver­langt, son­dern auf das mini­ste­ri­um, das sich nur auf die prak­ti­sche Aus­übung sei­nes Amtes bezieht. „Wenn der Papst nicht mehr Papst sein will, muß er auf das Munus petrinum ver­zich­ten, sonst ist der Ver­zicht (auf das Papst­tum) null und nich­tig“ (Cor­net, S. 49). Und da Bene­dikt sei­ne Absicht erklärt hat, auf das mini­ste­ri­um und nicht auf das munus zu ver­zich­ten, hat er auf­ge­hört, „die Rol­le des Pap­stes aus­zu­üben, ist aber Papst geblie­ben“ (Faré, S. 7).

ANTWORT: Wie­der ein­mal spielt man auf den sprach­li­chen Aspekt an und igno­riert das Kir­chen­recht. Wie ein bedeu­ten­der Kano­nist, Pro­fes­sor Juan Igna­cio Arrie­ta, geschrie­ben hat, ist die Ver­wen­dung der Begrif­fe „munus“, „mini­ste­ri­um“ und „offi­ci­um“ sowohl in der Leh­re als auch in den offi­zi­el­len Tex­ten der Kir­che „schwan­kend“, da sie nicht ein­deu­tig sind („Fun­zio­ne pubbli­ca e uffi­cio eccle­sia­sti­co“, „Öffent­li­che Funk­ti­on und kirch­li­ches Amt“, in „Ius eccle­siae“, 1/​1995, S. 92).

Wenn die Ver­wen­dung des Wor­tes „mini­ste­ri­um“ anstel­le des Wor­tes „munus“ die Nich­tig­keit des Ver­zichts zur Fol­ge hät­te, wäre auch die Papst­wahl von Joseph Ratz­in­ger nich­tig, da der neu­ge­wähl­te Bene­dikt XVI. in sei­ner ersten Rede am 20. April 2005 fünf­mal den Begriff „mini­ste­ri­um“ und nicht „munus“ ver­wen­de­te, um den ihm anver­trau­ten „Dienst an der Gesamt­kir­che“ zu bezeichnen.

Wie Don Danie­le Di Sor­co uns dar­an erin­nert, Ubi lex non distin­guit, nec nos distin­gue­re debe­mus. Wenn das Gesetz nicht unter­schei­det, kön­nen wir das auch nicht. Wir kön­nen nicht ein­fach eine begriff­li­che Unter­schei­dung ein­füh­ren (in unse­rem Fall die zwi­schen munus und mini­ste­ri­um), die es im Kir­chen­recht nicht gibt. Und damit ist auch in die­sem Fall kein Beweis gegeben.

Ist die Motivation für den Verzicht akzeptabel?

THESE: Die von Bene­dikt XVI. ange­führ­te Begrün­dung für den Ver­zicht, näm­lich das Nach­las­sen der „Kraft des Lei­bes und der See­le“ auf­grund des fort­ge­schrit­te­nen Alters, steht in kei­nem Ver­hält­nis zur Schwe­re des Ver­zich­tes. „Die­se Recht­fer­ti­gung ist nicht akzep­ta­bel“ (Faré, S. 8).

ANTWORT: Das Vor­han­den­sein eines Miß­ver­hält­nis­ses zwi­schen der Geste und ihrer Moti­va­ti­on ist unbe­strit­ten, aber es ist nicht klar, war­um man aus die­sem Miß­ver­hält­nis die Ungül­tig­keit des Aktes ablei­ten soll­te, indem man auf obsku­re Hin­ter­grün­dig­kei­ten zurück­greift, und statt­des­sen die Mög­lich­keit einer mora­li­schen Ver­ant­wor­tung von Bene­dikt XVI. aus­schließt. Wie Kar­di­nal Wal­ter Brand­mül­ler andeu­tet, bedeu­tet die Tat­sa­che, daß der Ver­zicht des Pap­stes mög­lich ist, „nicht, daß er auch mora­lisch erlaubt ist. Für die Recht­mä­ßig­keit brau­chen wir hin­ge­gen objek­ti­ve, insti­tu­tio­nel­le Grün­de, die sich am bonum com­mu­ne Eccle­siae ori­en­tie­ren, nicht per­sön­li­che Grün­de“ (Ren­un­tia­tio Papae. Eini­ge histo­risch-kano­ni­sche Über­le­gun­gen, Archi­vio Giurid­ico, 3–4 (2016), S. 655–674). Die Tat­sa­che, daß die­se Grün­de feh­len, wirft Fra­gen über das Ver­hal­ten von Bene­dikt XVI. auf, beweist aber kei­nes­wegs die Nicht­exi­stenz des Verzichts.

War der Verzicht Benedikts XVI. frei?

THESE: Bene­dikt XVI. wur­de auf­grund des „Drucks der glo­ba­li­sti­schen Mäch­te“ (Faré, S. 14) zum Ver­zicht gezwun­gen oder ver­an­laßt, und dies hat sei­nen Ver­zicht ungül­tig gemacht. Außer­dem hat­te er „Kennt­nis von Infor­ma­tio­nen gehabt, die ihm die Gewißheit gaben, daß die Wahl sei­nes Nach­fol­gers auf jeden Fall nich­tig sein wür­de, weil sie gegen die Nor­men von Uni­ver­si Domi­ni­ci Gre­gis ver­stößt“ (Faré, S. 15).

ANTWORT: Der Codex des kano­ni­schen Rechts regelt den Ver­zicht des Pap­stes in can. 332 § 2 mit den Wor­ten: „Papa liber­um habet, ren­un­tia­re offi­cio suo. Ren­un­tia­tio tamen debet esse libe­ra et vol­un­t­a­ria, neque coac­ta, et decla­ra­tio ren­un­tia­tio­nis cla­re expri­men­da est“, „Der Papst kann jeder­zeit frei von sei­nem Amt zurück­tre­ten. Der Rück­tritt muß jedoch frei und ohne jeden Zwang erklärt wer­den und die Erklä­rung des Rück­tritts muß klar sein“. Der Rück­tritt Bene­dikts XVI. wur­de am 28. Febru­ar 2013 aus frei­en Stücken und ritu­ell bekun­det, als er erklär­te: „Ich bin nicht mehr Papst der katho­li­schen Kir­che“. Wenn Bene­dikt XVI. unter Druck gestan­den hät­te, hät­te er dies sagen müs­sen, statt­des­sen hat er immer bekräf­tigt, daß sei­ne Ent­schei­dung frei und in vol­lem Wis­sen getrof­fen wur­de. Selbst in sei­nen „Letz­ten Gesprä­chen“ mit Peter See­wald (Drö­mer, 2016) bekräf­tig­te er, daß sei­ne Ent­schei­dung völ­lig frei und ohne jeden Zwang getrof­fen wurde.

Die Kon­sti­tu­ti­on Uni­ver­si Domi­ni­ci Gre­gis von Johan­nes Paul II. vom 22. Febru­ar 1996 ver­bie­tet unter Andro­hung der Exkom­mu­ni­ka­ti­on latae sen­ten­tiaejede Form von Pak­ten, Abspra­chen, Ver­spre­chun­gen oder ande­ren Ver­pflich­tun­gen jeg­li­cher Art“, die die Wahl­män­ner unter den Kar­di­nä­len zwin­gen könn­ten, „ihre Stim­me einem oder meh­re­ren zu geben oder zu ver­wei­gern“, und stellt fest, daß „eine sol­che Ver­pflich­tung null und nich­tig ist und dass nie­mand ver­pflich­tet ist, sie ein­zu­hal­ten“, betrach­tet aber die Wahl, die auf die­se Manö­ver fol­gen wür­de, nicht als ungültig.

Ist die Declaratio eine Ankündigung eines verhinderten Stuhls?

THESE: Die Decla­ra­tio von Bene­dikt XVI. ist eine „Ankün­di­gung des Selbst­exils in sede impe­di­ta“ (Cionci, S. 56), was durch die Ver­wen­dung des Titels „eme­ri­tier­ter Papst“ und ande­rer päpst­li­cher Sym­bo­le, wie der wei­ßen Sou­ta­ne, des apo­sto­li­schen Segens und des bei­be­hal­te­nen päpst­li­chen Wap­pens, deut­lich wird. „Bene­dikt XVI. wird in die Geschich­te ein­ge­hen als der eme­ri­tier­te Papst, der ver­dienst­vol­le, der auf­op­fe­rungs­vol­le Held, der einen escha­to­lo­gi­schen Krieg gewon­nen hat“ (Cionci, S. 175).

ANTWORT: Der ver­hin­der­te Stuhl liegt nach Canon 412 vor, wenn „der Diö­ze­san­bi­schof in einer sol­chen Wei­se an der Aus­übung sei­nes Amtes gehin­dert ist, daß er wegen Gefäng­nis, Gefan­gen­schaft, Ver­ban­nung oder kör­per­li­cher oder gei­sti­ger Unfä­hig­keit weder das Bis­tum besu­chen noch auch mit den Gläu­bi­gen in irgend­ei­ner Wei­se, selbst nicht schrift­lich, in Kon­takt tre­ten kann“. Der Canon spricht also von einer „völ­li­gen“ Ver­hin­de­rung, wobei er die Fäl­le genau benennt und prä­zi­siert, daß die Unfä­hig­keit zur Kom­mu­ni­ka­ti­on nach außen, auch durch Brie­fe, gege­ben sein muß. Dies war bei Bene­dikt XVI. sicher­lich nicht der Fall, der stets die vol­le Frei­heit sei­ner Hand­lun­gen bekräf­tigt hat. Die miß­bräuch­li­che Ver­wen­dung des Titels „eme­ri­tier­ter Papst“ und ande­rer päpst­li­cher Sym­bo­le stellt sicher­lich ein Pro­blem dar und kann stig­ma­ti­siert wer­den, aber sie ist nicht die Lösung des Pro­blems. Die Bewei­se sind auch in die­sem Fall nicht vorhanden.

Verwendet Benedikt XVI. eine verschlüsselte Sprache?

THESE: „Um zu kom­mu­ni­zie­ren, durch Über­win­dung der For­men der Zen­sur, die durch den Sta­tus des ver­hin­der­ten Stuhls auf­er­legt wer­den“, ver­wen­de­te Bene­dikt XVI. eine „ver­schlüs­sel­te Spra­che“, „eine logi­sche Metho­de, die sich oppor­tu­ner und prä­zi­ser Kunst­grif­fe bedient: 1. absicht­li­che und/​oder offen­sicht­li­che Irr­tü­mer; 2. spe­ku­la­ti­ve Zwei­deu­tig­kei­ten (Amphi­bo­lo­gien); 3. ober­fläch­li­che Unge­reimt­hei­ten und anfäng­li­che Mißver­ständ­nis­se“ (Cionci, S. 89). „Er will nur von denen ver­stan­den wer­den, die ‚Augen zum Sehen‘ haben, sonst wür­de er sei­ne Schrif­ten nicht mit sol­chen Ein­schü­ben über­häu­fen“ (Cionci, S. 87).

ANTWORT: Das Vor­han­den­sein von Irr­tü­mern, Mehr­deu­tig­kei­ten oder Unge­reimt­hei­ten in den Wor­ten Bene­dikts XVI. bedeu­tet nicht, daß sie eine ande­re Wahr­heit ver­mit­teln wol­len als die, die der Sinn des Sat­zes aus­drückt, son­dern zeigt nur, daß Joseph Ratz­in­ger in der Lei­tung der Kir­che nicht unfehl­bar war, wie kein Papst, und sich auch manch­mal unge­nau, mehr­deu­tig oder begriff­lich ver­wor­ren aus­ge­drückt hat.

Der Dis­kurs ist ein Zir­kel­schluß. Man möch­te, daß die Erklä­rung des Pro­blems in dem Pro­blem ent­hal­ten ist, das erklärt wer­den soll. Ist es Bene­dikt XVI., der die Vati­ka­ni­sten „ver­höhnt“ (Cionci, S. 149–153) oder ist es Andrea Cionci, der uns verhöhnt?

Hat Benedikt XVI. sein Denken kaschiert?

THESE: Bene­dikt XVI. hat sein Den­ken ver­heim­licht, indem er „jene Tech­nik anwand­te, die in den Moral­lehr­bü­chern ‚brei­ter men­ta­ler Vor­be­halt‘ genannt wird, d. h. das Weg­las­sen von Details und die Ver­wen­dung von Aus­drücken, die von denen, die sie aus­spre­chen und hören, unter­schied­lich inter­pre­tiert wer­den kön­nen“ (Faré, S. 16).

ANTWORT: Die­ser Ent­wurf für „Ein­ge­weih­te“ wird durch alle öffent­li­chen Äuße­run­gen von Bene­dikt XVI. wider­legt. Und, wie Pater Samue­le Pin­na bemerkt, „hät­te Papst Bene­dikt in sei­nem Man­dat als Ober­hir­te ver­sagt, wenn er wirk­lich einen sol­chen anti-evan­ge­li­schen Plan gehabt hät­te, mit der Kon­se­quenz, daß er die gno­sti­sche Häre­sie in der Kir­che ein­führt“ („La rin­un­cia di Bene­det­to XVI“, „Der Rück­tritt von Bene­dikt XVI.“, Alpha Ome­ga, 25/​2022, S. 401). Die­sen Plan Bene­dikt XVI. zuzu­schrei­ben wür­de auch eine ernst­haf­te Ankla­ge gegen ihn dar­stel­len, denn es wür­de auf einen Man­gel an über­na­tür­li­chem Geist hin­wei­sen, der durch eine gute Dosis machia­vel­li­sti­scher Geris­sen­heit ersetzt wur­de, die in der Lage ist, die Kir­che zu schä­di­gen und die Gläu­bi­gen zu ver­wir­ren (Patru­no: Non era più lui, S. 184f).

Papa dubius papa nullus?

THESE: „Papa dubi­us, papa nullus.“

ANTWORT: Der Zwei­fel an der Legi­ti­mi­tät des Pap­stes muß von den Kar­di­nä­len unmit­tel­bar nach der Wahl geäu­ßert wer­den und „posi­tiv und unlös­bar“ sein (vgl. F. M. Cap­pel­lo: Sum­ma Iuris cano­ni­ci, Bd. I, Gre­go­ria­na, Rom 1961, S. 297), wie es zu Beginn des Abend­län­di­schen Schis­mas der Fall war, bei dem im übri­gen der Papst, der 1378 von einer gro­ßen Grup­pe von Kar­di­nä­len ange­foch­ten wur­de (Urban VI.), der wah­re Papst war. Die­ser Fall trifft also sicher­lich nicht zu.

Viel­mehr besagt der kano­ni­sche Grund­satz, daß die Auto­ri­tät im „Zwei­fel in der Sache“ gül­tig bleibt: „Bei einem tat­säch­lich vor­lie­gen­den oder recht­lich anzu­neh­men­den all­ge­mei­nen Irr­tum und eben­falls bei einem posi­ti­ven und begrün­de­ten Rechts- oder Tat­sa­chen­zwei­fel ersetzt die Kir­che für den äuße­ren wie für den inne­ren Bereich feh­len­de aus­füh­ren­de Lei­tungs­ge­walt“ (Canon 144, §1).

In unsi­che­ren Situa­tio­nen lau­tet das Kri­te­ri­um, das die Anwen­dung des Rechts lei­tet, favor iuris, um die Sicher­heit und Sta­bi­li­tät der Rechts­be­zie­hun­gen zu wah­ren. So muß „im Zwei­fels­fall die Ehe als gül­tig ange­se­hen wer­den, bis das Gegen­teil bewie­sen ist“ (Canon 1060, bekräf­tigt durch Canon 1150: „Im Zwei­fels­fall erfreut sich das Glau­bens­pri­vi­leg der Rechts­gunst“).

Jeder Zwei­fel oder jede Unge­wiß­heit über die Gül­tig­keit der Papst­wahl wird durch die fried­li­che Akzep­tanz der Welt­kir­che aus­ge­räumt. Wie Kar­di­nal Jour­net im Gefol­ge der gesam­ten theo­lo­gi­schen Tra­di­ti­on erklärt, „ist die fried­li­che Annah­me der Welt­kir­che, die sich gegen­wär­tig mit dem Gewähl­ten wie mit dem Ober­haupt, dem sie sich unter­wirft, ver­eint, ein Akt, in dem die Kir­che ihr Schick­sal fest­legt. Sie ist daher an sich ein unfehl­ba­rer Akt und als sol­cher unmit­tel­bar erkenn­bar“ (L’Eg­li­se du Ver­be Incar­né, Hrsg. Saint Augu­stin, Saint Just-la-Pen­due 1998, Bd. I, S. 976).

Das war auch bei der Wahl von Papst Fran­zis­kus der Fall. Kein ein­zi­ger der am Kon­kla­ve teil­neh­men­den Kar­di­nä­le hat die Gül­tig­keit der Wahl in Fra­ge gestellt.

Sind die Irrlehren von Franziskus der „Lackmustest“ für seine Illegitimität?

THESE: Der „Lack­mus­test“ für die Usur­pa­ti­on des Papst­throns sind die „von Berg­o­glio ver­kün­de­ten Ket­ze­rei­en“. In der Tat „könn­te ein kano­nisch gewähl­ter Papst kein hart­näcki­ger Häre­ti­ker sein, da das Dog­ma der päpst­li­chen Unfehl­bar­keit unter­mi­niert wür­de“ (Faré, S. 9).

ANTWORT: Die Exi­stenz von Häre­si­en, die Papst Fran­zis­kus hart­näckig ver­kün­det hat, wird behaup­tet, aber nicht mit ange­mes­se­nen theo­lo­gi­schen und kano­ni­schen Begrif­fen bewie­sen. Der „Lack­mus­test“ für die recht­mä­ßi­ge Wahl von Papst Fran­zis­kus ist viel­mehr die all­ge­mei­ne Annah­me sei­ner Wahl durch die Kar­di­nä­le und Bischö­fe. Die mög­li­chen Irr­leh­ren von Fran­zis­kus, die von Kar­di­nä­len nach­ge­wie­sen und erklärt wur­den, könn­ten viel­leicht den Ver­lust des Pon­ti­fi­kats zur Fol­ge haben, aber sicher nicht rück­wir­kend die Ungül­tig­keit sei­ner Wahl bewei­sen. Außer­dem stel­len die­se mög­li­chen Irr­leh­ren das Dog­ma der päpst­li­chen Unfehl­bar­keit nicht in Fra­ge, da kei­ne von ihnen ex cathe­dra ver­kün­det wurde.

Wer ist der Nachfolger von Benedikt XVI.

THESE: Da Fran­zis­kus nicht der legi­ti­me Nach­fol­ger von Bene­dikt XVI. ist, befin­det sich die katho­li­sche Kir­che seit dem Todes­tag von Bene­dikt XVI. am 31. Dezem­ber 2022 nicht mehr in „sede impe­di­ta“, son­dern in „sede vacan­te“, „in der Erwar­tung, daß ‚die­je­ni­gen, die dafür zustän­dig sind‘, einen legi­ti­men Nach­fol­ger des Apo­stels Petrus an die Spit­ze des mysti­schen Lei­bes Chri­sti auf Erden wäh­len“ (Cor­net, S. 118).

ANTWORT: Die Wider­le­gung der The­se kommt von den Ver­fech­tern selbst, die behaup­ten, der ver­hin­der­te Stuhl wäre in einen unbe­setz­ten Stuhl über­ge­gan­gen, die sich wie­der­um über die kano­ni­sche oder außer­ka­no­ni­sche Lösung der Magna quae­stio uneins sind, die sie sich aus­den­ken. Die „kano­ni­sche“ Lösung der Fra­ge, die durch Peti­tio­nen und Appel­le an die kirch­li­che Auto­ri­tät erfol­gen soll­te, wider­spricht ihren Prä­mis­sen. Wenn die Kir­che in der Tat „heu­te von einem Gegen­papst und Hier­ar­chien besetzt ist, die größ­ten­teils nicht mehr katho­lisch sind“ (Cionci, S. 25) und wenn „alle Hand­lun­gen Berg­o­gli­os seit sei­ner Wahl null und nich­tig sind“ und ins­be­son­de­re „die Ein­set­zung der Kar­di­nä­le nicht gül­tig ist“ (Faré, S. 13 ), ist es unlo­gisch, an Kar­di­nä­le wie Vic­tor Manu­el Fernán­dez zu appel­lie­ren, der von Papst Fran­zis­kus in den Pur­pur erho­ben und von ihm zum Prä­fek­ten des Dik­aste­ri­ums für die Glau­bens­leh­re ernannt wur­de, eben­so wie es unlo­gisch ist, sich auf ein bevor­ste­hen­des Kon­kla­ve zu ver­las­sen, in dem die Mög­lich­keit, „gül­ti­ge“, also von Bene­dikt XVI. kre­ierte Kar­di­nä­le zu fin­den, abnimmt und kei­ner von ihnen die Wahl von Fran­zis­kus in Fra­ge gestellt hat.

Die außer­ka­no­ni­sche Lösung, die über For­men der pro­phe­ti­schen Ein­set­zung von oben oder der Wahl des Pap­stes von unten durch die Gemein­schaft der Gläu­bi­gen ver­läuft, wie sie zum Bei­spiel von Dr. Ales­san­dro Minu­tel­la und Prof. Luca Bru­no­ni dar­ge­legt wur­de, kün­digt statt­des­sen eine neue „Kir­che des Gei­stes“ an, ähn­lich wie die täu­fe­ri­schen und kon­gre­ga­tio­na­li­sti­schen Gemein­schaf­ten, die im 16. Jahr­hun­dert „links von Luther“ ent­stan­den sind. Wir befin­den uns hier aber außer­halb der katho­li­schen Kirche.

Im einen wie im ande­ren Fall ist der Weg eine Sack­gas­se, aus der es kei­nen Aus­weg gibt, denn der Aus­gangs­punkt ist eine fal­sche theo­lo­gi­sche und juri­sti­sche Auf­fas­sung vom Pri­mat des Pap­stes, ver­bun­den mit einer phan­ta­sie­vol­len Dar­stel­lung des­sen, was am 11. Febru­ar 2013 gesche­hen sei.

Befrei­en wir also unse­ren Geist von die­sem Nar­ra­tiv und erneu­ern wir unse­re Lie­be zum Papst­tum mit auf­rich­ti­gem Her­zen, indem wir uns Wort für Wort die Kon­sti­tu­ti­on Pastor aeter­nus des Ersten Vati­ka­ni­schen Kon­zils zu eigen machen, in der wir die Ant­wort auf alle ekkle­sio­lo­gi­schen Pro­ble­me der heu­ti­gen Zeit fin­den werden.

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017, und Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil. Eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, 2. erw. Aus­ga­be, Bobin­gen 2011.

Bücher von Prof. Rober­to de Mat­tei in deut­scher Über­set­zung und die Bücher von Mar­tin Mose­bach kön­nen Sie bei unse­rer Part­ner­buch­hand­lung beziehen.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

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9 Kommentare

  1. Das ist jetzt der lächer­lich­ste Arti­kel von katho​li​sches​.info seit es die Site gibt.
    Er zitiert das I. Vati­ca­num und bemerkt, dass der Papst nicht gegen Gött­li­ches Recht ver­sto­ssen kön­ne. Was muss die Fol­ge­rung sein, wenn er es doch tut? Das­sel­be I. Vati­ca­num stand vor der Auf­ga­be, die Unfehl­bar­keit und den Juris­dik­ti­ons­pri­mat, mit denen hier so glän­zend argu­men­tiert wird, über­haupt erst zu begrün­den! Und die Begrün­dung lau­tet im Wesent­li­chen, dass der ech­te Papst ein Cha­ris­ma hat, wel­ches ihm erlaubt, im Gro­ssen und Gan­zen mit der Stim­me des Hl. Gei­stes zu spre­chen. Nun zitiert die­ser frag­wür­di­ge Arti­kel hier unter anderem:

    »Der Papst kann von den kirch­li­chen Geset­zen abwei­chen und sie ändern, nicht aber das natür­li­che und gött­li­che Recht (Vin­cen­zo Del Giudi­ce: „Nozio­ni di diritto cano­ni­co“, „Grund­be­grif­fe des kano­ni­schen Rechts“, Giuf­fré, Mai­land 1970, S. 33–61).«

    Also ist der­je­ni­ge, der es tut, nicht der Papst!

    Und mit sol­chen Argu­men­ten ist dem gan­zen Arti­kel zu begeg­nen. Er setzt ein­fach immer vor­aus, Berg­o­glio müs­se der Papst sein, und dann stimmt es halb­wegs, was er sagt, aller­dings soll­te er dann die ekla­tan­ten Wider­sprü­che ein­ge­ste­hen zwi­schen der Annah­me, dass der Hl. Petrus und der Hl. Geist im Gro­ssen und Gan­zen aus dem Papst spre­chen, und den elen­den Behaup­tun­gen, die von die­sem Berg­o­glio kom­men, wie die fall­grup­pen­wei­se Auf­lös­lich­keit der Ehe, die Ände­rung der Leh­re durch Ände­rung des Inhal­tes des Kate­chis­mus, das Mär­chen, dass die lit­ur­gi­schen Ände­run­gen der letz­ten Jahr­zehn­te zwin­gend aus dem Evan­ge­li­um fol­gen wür­den oder hin­ter allem ste­hend der abso­lut hass­erfüll­te eigen­stän­di­ge reli­giö­se Plu­ra­lis­mus. Wer sowas ver­kün­det, war zu kei­nem Zeit­punkt der Papst, moch­ten die Kar­di­nä­le noch so gut­gläu­big sein. Die Krö­nung des Arti­kels ist nun daher also die Annah­me, Berg­o­glio ver­kün­de nicht nach­ge­wie­se­ner­ma­ssen Häre­si­en. Wer so etwas sagen kann, hat die letz­ten 11 Jah­re nun wirk­lich kei­ne Zei­tung auf­ge­schla­gen. Oder mit geschlos­se­nen Augen sei­nen Arti­kel verfasst.

    • Sehen Sie nicht, daß der gan­ze Arti­kel von Mat­tei ein retho­ri­sches Spiel ist? Er ver­wen­det in etwa die glei­che retho­ri­sche Form, die Bene­dikt XVI gewählt hat, um ver­meint­lich abzudanken!

  2. Noch etwas zum Rück­tritt Benedikts:

    Die­ser stand nicht nur unter Druck, son­dern war ins­be­son­de­re im Irr­tum, als er zu sei­nem Rück­zug blies. Das belegt nicht nur die Rede zur Letz­ten Gene­ral­au­di­enz vom 27.2.13, die er sel­ber noch als „rein ideell“ abtat, son­dern ins­be­son­de­re die Rede S. E. Erz­bi­schof Gäns­weins vom 20.5.16, in wel­cher die­ser das Papst­amt als teil­bar dar­stell­te und dies von Bene­dikt auto­ri­sie­ren liess. Das bedeu­tet: Bene­dikt hielt das Bischofs­amt im Gegen­satz zum Hl. Cypri­an und der Dog­ma­tik für teil­bar. Das reicht völ­lig aus.

  3. „Wenn Bene­dikt XVI. unter Druck gestan­den hät­te, hät­te er dies sagen müs­sen, statt­des­sen hat er immer bekräf­tigt, daß sei­ne Ent­schei­dung frei und in vol­lem Wis­sen getrof­fen wurde.“
    Con­tra­dic­tio in se. Natür­lich muss jemand, der unter einem der­ar­ti­gen Zwang steht, die­sen Zwang ver­leug­nen, über­haupt wenn das Ein­ge­ständ­nis des Zwan­ges die erzwun­ge­ne Hand­lung offen nich­tig machen wür­de. Ähn­lich schwach sind auch etli­che ande­re „Beweis­füh­run­gen“ die­ses Autors, des­sen trans­at­lan­ti­sche Ver­an­ke­rung mitt­ler­wei­le den Lesern die­ses Blogs völ­lig klar ist. Dass er auf die nähe­ren Umstän­de, die die­sen Zwang aller Wahr­schein­lich­keit nach begrün­det haben (SWIFT-System-Erpres­sung) über­haupt nicht ein­geht, ist unter die­sen Umstän­den nicht ver­wun­der­lich. War­um wider­legt der Autor die­se Umstän­de nicht? Mit die­ser unred­li­chen Schein­lo­gik hin­ge­gen kann er nicht gewinnen.
    Sol­che Trick­se­rei­en zie­hen sich wie ein roter Faden durch die­sen Text (vgl etwa die unter Ver­weis auf das dic­tum Don Danie­le Di Sor­cos erfolg­te impli­zi­te Gleich­set­zung von „Gesetz“ mit „Kir­chen­recht“, die jedoch ein­deu­tig falsch ist, vgl bloß cc. 23–28 CIC).
    Die­se Unred­lich­keit tritt ganz beson­ders auch in der For­mu­lie­rung der letz­ten „The­se“ in Erschei­nung. Klar, die nun­meh­ri­ge Unmög­lich­keit der apo­sto­li­schen Suk­zes­si­on ist ein ech­tes, kaum lös­ba­res Pro­blem. Dies hat der Autor zurecht erkannt. Aber einen ver­fehl­ten Lösungs­an­satz in die The­se auf­zu­neh­men und die­se dadurch als sol­che zu wider­le­gen, ist ein all­zu bil­li­ger Trick. Aus dem Umstand, dass eine „Sanie­rung“ eines Miss­stan­des nicht (so ohne wei­te­res) mög­lich ist, kann doch nicht gefol­gert wer­den, dass es den Miss­stand nicht gibt!
    Wie schon anhand ande­rer Arti­kel fest­ge­stellt, tut man gut dar­an, die­sem Autor gründ­lich zu miss­trau­en. Man beach­te hie­bei beson­ders die bil­li­ge Beschwich­ti­gung am Schluss – Frie­de Freu­de Eier­ku­chen oder eben (unaus­ge­spro­chen) pax americana.

  4. Erstaun­lich, daß eine sach­li­che Wider­le­gung des „ver­hin­der­ten Stuhls“ wie Amphet­ami­ne für die Sedis­va­kan­ti­sten erscheint. 

    Schau­en wir auf das 1. Vati­ka­num 1870. Im Jahr 1846 hat­te die Sehe­rin Mela­nie in La Salet­te die gro­ße Bot­schaft der Got­tes­mut­ter emp­fan­gen. Die Gotts­mut­ter warnt: „Im Jah­re 1864 wird Luzi­fer mit einer gro­ßen Men­ge von Teu­feln aus der Höl­le los­ge­las­sen. Sie wer­den den Glau­ben all­mäh­lich aus­lö­schen, selbst in Men­schen, die Gott geweiht sind.“ 

    Die luzi­fe­ri­schen Kräf­te sind in kür­ze­ster Form der Drang, den eige­nen Wil­len durch­zu­set­zen. Nun ver­ab­schie­det das Kon­zil 1870 die Kon­sti­tu­ti­on Pastor Aeter­nus, die den Papst ent­ge­gen der kirch­li­chen Tra­di­ti­on über die Gesamt­kir­che setzt. Nicht nur steht damit der Papst über den Kon­zi­len. Der Exprie­ster Peter de Rosa beschrieb Pastor Aeter­nus 1988 so: „Der Papst wur­de zum Bischof aller Diö­ze­sen“. Wie Recht er damit hat­te, zeigt der Blick auf die Gegen­wart. Wir sehen, wie Fran­zis­kus will­kür­lich in alle Diö­ze­sen ein­ge­reift. Dies wäre ohne das 1. Vati­ka­num nicht mög­lich gewe­sen. Das Kon­zil ermög­licht dem Papst, sei­nen eige­nen Wil­len in der gan­zen Kir­che wie nie zuvor durch­zu­set­zen. Luzi­fe­ri­scher Will­kür wird die Tür weit aufgerissen. 

    Pastor Aeter­nus beruht auf einer Aus­sa­ge des Herrn: „Tu es Petrus, et super hanc petram aedi­fi­c­abo Eccle­si­am meam.“ 

    Nun ist dies eines der wider­sprüch­lich­sten Din­ge in der Bibel. Wenn wir ins alte Testa­ment schau­en, wer­den Pro­phe­ten, Köni­ge und ande­re Per­so­nen mit äußer­ster Gründ­lich­keit auf ihr Ver­hal­ten über­prüft. Zum Bei­spiel fällt Sauls König­tum mit einem Ver­hal­tens­feh­ler. Und nun kommt Simon, der Fischer. Nach­dem ihn Jesus mit Petrus benennt, unter­lau­fen Petrus ver­schie­den­ste Ver­hal­tens­feh­ler. Er wird mit „wei­che Satan“ vom Herrn gerügt. Er leug­net Jesus drei­mal am Kreu­zi­gungs­tag. Tat­säch­lich hat Petrus sei­ne gro­ße Stun­de am Pfingst­tag mit der Rede in Jeru­sa­lem, die durch und durch beein­druckend ist. Aber spä­ter muß er sich von Pau­lus zurecht­wei­sen las­sen, weil er die Hei­den benach­tei­ligt. Die Rüge durch Pau­lus zeigt, auch nach der Aus­gie­ßung des hei­li­gen Gei­stes ist Petrus noch immer fehl­bar. Wir wis­sen auch, daß die Urge­mein­de in Jeru­sa­lem nicht von Petrus, son­dern von Jako­bus gelei­tet wur­de. Die Per­son, die wir in der Bibel fin­den, kann nie und nim­mer der unüber­wind­li­che Fels sein. Womit wir wie­der bei der Fra­ge der Sedis­va­kanz ange­langt sind.

    • Das ist nicht dumm. Aller­dings müss­ten wir dann den Christ­ka­tho­li­ken Recht geben und nicht dem I. Vati­ca­num. Als Katho­lik hal­te ich die­ses bis zum Beweis des Gegen­teils für rich­tig und neh­me lie­ber an, es habe wie­der ein­mal ein ungül­ti­ges Kon­kla­ve gege­ben wie schon mehr­mals in der Kirchengeschichte.

  5. Zum Mit­schrei­ben ein paar Fakten:
    – Das I. Vati­ca­num hat nicht nur Unfehl­bar­keit und Juris­dik­ti­ons­pri­mat defi­niert, son­dern bei­des auch begrün­det. Und, o Wun­der, die Begrün­dung lau­tet, dass der ech­te Papst ein Cha­ris­ma hat, wel­ches ihm eine Hal­tung schenkt, aus wel­cher beson­ders in Fra­gen des Glau­bens und der Sit­ten der Hl. Petrus und der Hl. Geist spre­chen. Nun ist es aber mehr als äusserst zwei­fel­haft, ob der Hl. Geist aus jeman­dem spre­chen kann, der in einem Fall, in wel­chem Chri­stus klar geur­teilt hat, sagt „wer bin ich um zu urtei­len“, der nach 2000 Jah­ren Dar­stel­lun­gen der Kir­che mit der Drei­fal­tig­keit in deren Mit­te ruft „ich glau­be an Gott, nicht an einen katho­li­schen Gott, Den gibt es nicht“ und der sagt, Chri­stus sei nicht göttlich.
    – Der Autor des Arti­kels, auch wenn sonst hono­ra­bel, ver­steigt sich hier zur Behaup­tung, es sei­en kei­ne Häre­si­en nach­weis­bar. Ist es etwa kei­ne Häre­sie, zu behaup­ten, die Ehe sei in gewis­sen Fall­grup­pen auf­lös­lich, das Evan­ge­li­um zwin­ge zu den Ände­run­gen der Lit­ur­gie der letz­ten 60 Jah­re, der Kate­chis­mus sei sei­nem Inhal­te nach zu ändern, also in der Leh­re, oder es exi­stie­re neben der all­ge­mei­nen christ­li­chen Tole­ranz ein eigen­stän­di­ger reli­giö­ser Plu­ra­lis­mus, der die Reli­gi­ons­frei­heit zur Fol­ge habe? Nach­dem nota­be­ne das II. Vati­ka­num noch klar gesagt hat­te, die katho­li­sche Kir­che ver­ach­te nichts von dem, was in ande­ren Reli­gio­nen „wahr und hei­lig“ sei? (Zitat aus dem Kon­zils­do­ku­ment Nost­ra Aet­a­te) Wor­aus wohl fol­gen muss, dass eben nicht die Tole­ranz an sich, son­dern die Wahr­heit und Hei­lig­keit das Mass der Dul­dung ist?
    – Bene­dikt XVI. ver­kün­de­te zwar weder per­ma­nent noch wie­der­holt schwer­wie­gend­ste dog­ma­ti­sche Irr­tü­mer. Den­noch lag er in einem dog­ma­ti­schen Punk­te eben­falls falsch: Er glaub­te, das Papst­amt sei teil­bar, und er habe in beson­de­rer Wei­se teil dar­an, und zwar auch nach 2013. Das ergibt sich aus der Rede zur Letz­ten Gene­ral­au­di­enz am 27.2.13 sowie aus der Rede Erz­bi­schof Gäns­weins vom 20.5.16, die von Bene­dikt auto­ri­siert wurde.
    – Man braucht kein Anti­ka­tho­lik zu sein, wenn man glaubt, Berg­o­glio sei der Papst, aber man han­delt sich eine gan­ze Rei­he von dog­ma­ti­schen Pro­ble­men ein, die bis dato völ­lig unge­löst erschei­nen. Alarm ist dann ange­bracht, wenn man die­se Pro­ble­me bei­sei­te­schiebt, als wären sie inexi­stent. Statt des­sen ist hier zu for­dern, dass man dazu steht. Z. B. ist zu fra­gen, wel­chen Stel­len­wert das I. Vati­ca­num und das II. Vati­ca­num haben, wenn der Argen­ti­ni­er wirk­lich der Pon­ti­fex ist. Stimmt es, dass Kon­zi­li­en das Papier nicht wert sind, auf denen sie geschrie­ben sind, wenn einer, den man für den Papst hält, ihnen per­ma­nent wider­spricht? Und kann ich mei­nen Kin­dern in der Schu­le noch sagen, die Kir­che leh­re, was sie immer gelehrt habe, wenn der Kate­chis­mus von Jesui­ten umge­än­dert wer­den muss? Kann ich sagen, mei­ne Reli­gi­on sei die rich­ti­ge, wenn alle Reli­gio­nen gleich­wer­tig sind? Ich bit­te Herrn Mat­tei demü­tig, aber entshie­den um Antwort.

  6. Pro­fes­sor de Mat­tei ist es anzu­er­ken­nen, dass er sich dem Dia­log stellt. 

    Und ja, auch ich bin der Mei­nung, dass eini­ge Gegen­ar­gu­men­te de Matt­eis eher Argu­men­te für Vor­be­hal­te gegen­über der Recht­mä­ßig­keit des der­zeit den petri­ni­schen Stuhl Beset­zen­den sind und auch ich tei­le die Vor­be­hal­te der vor­her­ge­hen­den Kommentatoren.

    Ein Punkt, den ich für mich nicht lösen kann ist, wie es sein kann, dass Kar­di­nal Bur­ke nichts zu mög­li­chen Hemm­nis­sen einer Gül­tig­keit der Wahl ver­lau­ten lässt. Kann er nichts dazu sagen, weil in die­sem Fall sei­ne Abbe­ru­fung als höch­ster Rich­ter ungül­tig gewe­sen wäre und er als immer noch höch­ster Ver­tre­ter der Judi­ka­ti­ve nicht gleich­zei­tig Anklä­ger sein könn­te? Wie wäre die­ses Dilem­ma zu lösen?

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