Die päpstliche Erkältung und das Rupnik-Syndrom

Vorweihnachtszeit im Vatikan


Papst Franziskus bei der Weihnachtsansprache an die Römische Kurie am 21. Dezember
Papst Franziskus bei der Weihnachtsansprache an die Römische Kurie am 21. Dezember

Der Gesund­heits­zu­stand von Papst Fran­zis­kus ist sta­bil, doch habe man „Vor­sichts­maß­nah­men“ getrof­fen. So hieß es am gest­ri­gen Sonn­tag zur Begrün­dung, wes­halb Fran­zis­kus den Ange­lus nicht auf dem Peters­platz bete­te, son­dern ohne Volks­be­tei­li­gung ganz allein in der Haus­ka­pel­le von San­ta Mar­ta, von wo aus Gebet und Anspra­che auf den Peters­platz über­tra­gen wurden.

Am ver­gan­ge­nen Frei­tag, dem 20. Dezem­ber, hat­te Fran­zis­kus selbst bei einer Audi­enz für den Ita­lie­ni­schen Boc­cia­ver­band (FIB) gesagt, „erkäl­tet“ zu sein.

Kurz dar­auf gab das vati­ka­ni­sche Pres­se­amt auf sei­nem Tele­gram-Kanal bekannt, daß das Kir­chen­ober­haupt am Sonn­tag zum Ange­lus­ge­bet nicht am Fen­ster des Apo­sto­li­schen Pala­stes erschei­nen wer­de. Vati­kan­spre­cher Matteo Bruni schrieb:

„Auf­grund der star­ken Käl­te, ver­bun­den mit den Erkäl­tungs­sym­pto­men der letz­ten Tage, wird Papst Fran­zis­kus mor­gen, am Sonn­tag, dem 22. Dezem­ber, das Ange­lus­ge­bet in der Kapel­le der Casa San­ta Mar­ta ver­rich­ten, auch mit Blick auf die Ver­pflich­tun­gen der kom­men­den Woche.“

Die Erkäl­tung hin­der­te Fran­zis­kus aber nicht, die zahl­rei­chen für Sams­tag, den 21. Dezem­ber, geplan­ten Ter­mi­ne wahr­zu­neh­men, dar­un­ter auch die Weih­nachts­grü­ße sowohl an die Römi­sche Kurie, in den ersten Jah­ren sei­nes Pon­ti­fi­kats bekannt und gefürch­tet wegen sei­ner „Weih­nachts­schel­ten“, wie auch jene an die Mit­ar­bei­ter des Staa­tes der Vati­kan­stadt. Dabei geschah Eigen­wil­li­ges, man­che wür­den sagen, Symptomatisches.

Das Rup­nik-Werk, das Fran­zis­kus meinte

Wäh­rend sei­ner Anspra­che an die Römi­sche Kurie wich Fran­zis­kus plötz­lich von sei­ner vor­be­rei­te­ten Rede ab und nahm direk­ten Bezug auf ein Werk des umstrit­te­nen und unter Miß­brauchs­vor­wurf ange­klag­ten Prie­ster­künst­lers und ehe­ma­li­gen Jesui­ten Mar­ko Ivan Rup­nik, das Fran­zis­kus in sei­nem Arbeits­zim­mer hän­gen hat.

Bereits in der Ver­gan­gen­heit hat­te Fran­zis­kus min­de­stens zwei Mal direkt auf die­ses Werk ange­spielt, dar­un­ter ein­mal in einer kur­zen Video­bot­schaft zum 16. Mario­lo­gi­schen Kon­greß „Die Mario­lo­gie von Papst Fran­zis­kus“ im bra­si­lia­ni­schen Aparecida.

Am Sams­tag sag­te Fran­zis­kus zu den in der Aula del­la Bene­di­zio­ne ver­sam­mel­ten Kurialen:

„Es gibt ein Gemäl­de, das ich in mei­nem Arbeits­zim­mer habe, das genau die Syn­kat­aba­sis dar­stellt [σύν“ (syn) = „zusam­men“ und „κατάβασις“ (katá­ba­sis) = „Abstieg“, soviel wie „gemein­sa­mes Her­ab­stei­gen“]. Da ist die Jung­frau mit ihren Hän­den wie eine klei­ne Lei­ter, und das Kind steigt die Lei­ter hin­un­ter. Das Kind hält mit der einen Hand das Gesetz und mit der ande­ren Hand hält es sich an sei­ner Mut­ter fest, um nicht zu fal­len. Das ist die Auf­ga­be der Jung­frau: das Kind zu brin­gen. Und das ist es, was sie in unse­ren Her­zen tut.“

Rup­nik wur­de von Fran­zis­kus dabei nicht erwähnt, den­noch kann – da Fran­zis­kus die Poli­tik der Gesten liebt – dar­in eine von vie­len Soli­da­ri­sie­rungs- und Unter­stüt­zungs­ge­sten für sei­nen ehe­ma­li­gen Ordens­mit­bru­der sehen. Rup­nik war von der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on wegen Miß­brauchs bereits exkom­mu­ni­ziert wor­den, doch ver­schwand die­se Exkom­mu­ni­ka­ti­on wie­der auf wun­der­sa­me Wei­se, was nur dem Papst selbst mög­lich wäre. Spä­ter, als zu vie­le neue Miß­brauchs­vor­wür­fe bekannt wur­den, ord­ne­te Fran­zis­kus plötz­lich ein neu­es Ver­fah­ren an und prä­sen­tier­te sich damit der Öffent­lich­keit als tat­kräf­ti­ger Miß­brauchs­be­kämp­fer. Doch in Wirk­lich­keit wird das Ver­fah­ren gegen Rup­nik seit­her ver­schleppt. Fran­zis­kus hält also wei­ter­hin sei­ne schüt­zen­de Hand über den ehe­ma­li­gen Jesui­ten, der schon frü­her so mäch­ti­ge Pro­tek­to­ren hat­te, daß sei­ne Kunst den bedeu­tend­sten Hei­lig­tü­mern welt­weit „ver­paßt“ wur­de. Die Fol­ge ist ein erheb­li­ches Image­pro­blem, das die Kir­che heu­te damit hat. Fran­zis­kus scheint dies aller­dings nicht zu bekümmern.

Am gest­ri­gen vier­ten Advents­sonn­tag erfolg­te im Zuge des Ange­lus auch die tra­di­tio­nel­le Seg­nung der „Bam­bi­nel­li“, der Figu­ren des Jesus­kin­des für die Krip­pen. Die­se steht nor­ma­ler­wei­se am drit­ten Advents­sonn­tag auf dem Pro­gramm, war aber wegen des Kor­si­ka-Besuchs von Fran­zis­kus ver­scho­ben worden.

Fran­zis­kus bei sei­ner Anspra­che zum gest­ri­gen Ange­lus in der Haus­ka­pel­le von San­ta Marta

Fran­zis­kus hielt dann tat­säch­lich das sonn­täg­li­che Ange­lus­ge­bet in der Haus­ka­pel­le von San­ta Mar­ta und wur­de von dort aus auf Groß­bild­schir­me auf dem Peters­platz über­tra­gen. Er zeig­te sich sit­zend und völ­lig allein. Dabei fiel auf, daß er, im Gegen­satz zu ähn­li­chen Anläs­sen in der Ver­gan­gen­heit, sei­ne Anspra­che selbst ver­las und nicht einen Mit­ar­bei­ter des vati­ka­ni­schen Staats­se­kre­ta­ri­ats damit beauf­trag­te.

Es konn­te also fest­ge­stellt wer­den, daß es Fran­zis­kus gesund­heit­lich gut geht. In der Tat hieß es anschlie­ßend, sein Gesund­heits­zu­stand sei sta­bil, man habe aber sicher­heits­hal­ber Gebet, Anspra­che und „Bambinelli“-Segnung ohne Volks­be­tei­li­gung in die Haus­ka­pel­le ver­legt, um Fran­zis­kus nicht der Käl­te am Fen­ster des Apo­sto­li­schen Pala­stes aus­zu­set­zen. In Rom hat­te es gestern um die Mit­tags­zeit rund 12 Grad, aber bei wech­sel­haf­tem Wet­ter mit Regenschauern.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va (Screen­shots)

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