Von Roberto de Mattei*
Am 13. Dezember feierten wir das Gedenken an die heilige Lucia, Jungfrau und Märtyrerin. Lucia, die Schutzpatronin von Syrakus, ist neben der Heiligen Agatha und der Heiligen Rosalia, die in Catania bzw. Palermo strahlen, eine der drei Heiligen des christlichen Siziliens. Ihr Name wird im Kanon des ersten Hochgebets der heiligen Messe zusammen mit den Namen von Agatha, Agnes und Cäcilia genannt.
Die heilige Lucia wurde um 283 n. Chr. in Syrakus in einer adligen und wohlhabenden Familie geboren. Die junge Frau, eine Christin, war seit ihren frühesten Lebensjahren einem Heiden zur Ehe versprochen. Sie hatte sich jedoch mit dem Jungfräulichkeits-Gelübde dem Herrn geweiht und lehnte daher die Eheschließung ab. Ihr Freier denunzierte sie daraufhin als Christin beim Präfekten Pascasius. Dieser befahl ihr, den römischen Göttern zu opfern, doch Lucia weigerte sich, den einzigen wahren Gott, den sie anbetete, zu verleugnen. In den Akten ihres Martyriums wird von den Folterungen berichtet, denen die Staatsbehörden sie unterzogen. Unter der Androhung, sie unter den Prostituierten auszusetzen, wurde sie so schwer, daß weder die Kraft von zwei Ochsen noch die von Dutzenden von Soldaten sie bewegen konnte. Lucia wurde dann mit Öl übergossen und auf den Scheiterhaufen gelegt, aber die Flammen konnten ihr nichts anhaben. Schließlich wurde sie enthauptet, oder genauer, lateinischen Quellen zufolge, wurde ihr ein Dolch in die Kehle gerammt. Sie starb als Prophetin, die den Sturz des Christenverfolgers Kaiser Diokletian und den bald kommenden Frieden für die Kirche vorhersagte, wie es einige Jahre später mit der Ankunft von Konstantin dem Großen eintreten sollte.
Der Leichnam der heiligen Lucia blieb viele Jahrhunderte lang in Syrakus, doch im 12. Jahrhundert wurde er auf abenteuerliche Weise nach Venedig übergeführt, wo er heute in einer Glasurne in der Kirche der heiligen Jeremias und Lucia für die Verehrung durch die Gläubigen ausgestellt ist.
Der Überlieferung nach wurden Lucia ihre schönen Augen ausgerissen, die aber auf wundersame Weise wieder an ihren Platz zurückkehrten. Aus diesem Grund wird Lucia in der Ikonographie häufig mit einem Tablett dargestellt, auf dem ihre Augen liegen, und sie wird angerufen, um Blindheit zu heilen. Lucias Name, der aus dem lateinischen lux abgeleitet ist, bedeutet Licht und symbolisiert das materielle Licht der Augen, aber vor allem das geistige Licht der Seele. In der Tat leuchtet die Seele im Zustand der Gnade hell, wie eine von der Sonne erleuchtete Kristallkugel, weil sie das Lumen Christi empfängt, das göttliche Licht, das Jesus Christus ist.
Dante Alighieri hielt die heilige Lucia „in höchster Verehrung“, vielleicht weil er dank ihrer Fürsprache die Heilung von einer schweren Augenkrankheit erlangte, die im Convivio (III; IX,15) erwähnt wird.
Virgil offenbart im zweiten Gesang der Hölle Dante, daß die „drei gesegneten Frauen“, die ihn auf seinem Erlösungsweg begleiten werden, Beatrice, die vom Dichter geliebte Frau, die heilige Lucia und die Jungfrau Maria sind (Inferno, II, 75–120).
Im Fegefeuer steigt Lucia, die Frau mit den „schönen Augen“, persönlich von ihrem „glückseligen Platz“ im Paradies herab, und während Dante schläft, nimmt sie ihn sanft in die Arme und legt ihn vor den Eingang zum Purgatorium. Der Dichter schreibt: „Eine Frau kam und sagte: Ich bin Lucia, laß mich den Schlafenden nehmen, / so will ich ihm den Weg erleichtern“ (Purgatorio, IX, 57).
Im Paradies befindet sich Lucia im „seligen Hof des Himmels“ neben Petrus, Anna, der Mutter der Jungfrau Maria, Moses und Johannes dem Evangelisten (Paradiso, XXXII, 138).
Laut einem der aufmerksamsten Kommentatoren Dantes, Giuseppe Giacalone (1918–2006), der dem heiligen Thomas von Aquin folgt (insbesondere der Summa Theologiae, II-II, 17), stellt Lucia in der Göttlichen Komödie die Hoffnung dar, die den in der Finsternis der Sünde verlorenen Menschen erleuchtet und ihn auf den Weg des Heils und der Erlösung führt.
Das Fest der heiligen Lucia, das auf den 13. Dezember fällt, erinnert an zwei wichtige historische Ereignisse: Der 13. Dezember 1294 war der Tag, an dem Coelestin V. nach nur vier Monaten im Amt auf das Papsttum verzichtete; am 13. Dezember 1545 wurde das Konzil von Trient eröffnet, das den Weg für die protestantische Revolution versperrte.
Die Zahl 13 ist im Zusammenhang mit den Erscheinungen von Fatima von Bedeutung, denn die Gottesmutter erschien den drei Hirtenkindern zwischen Mai und Oktober 1917 an jedem 13. des Monats, mit einer Ausnahme im August, weil die Hirtenkinder verhaftet wurden. Lucia ist auch der Name der bekanntesten Seherin von Fatima, Lucia dos Santos (1907–2005), deren Seligsprechungsprozeß nach der bereits erfolgten Heiligsprechung ihrer Cousins Jacinta und Francisco Marto im Gange ist.
Am 13. Dezember 1908 wurde der große brasilianische Denker Plinio Corrêa de Oliveira in São Paulo, Brasilien, geboren. Seine Mutter hieß Lucilia Ribeiro dos Santos, und sowohl Mutter als auch Sohn starben im Ruf der Heiligkeit. Plinio Corrêa de Oliveira war ein Apostel von Fatima und kämpfte für die Wiederherstellung der christlichen Zivilisation, einer Zivilisation, die sich, wie die mittelalterliche Zivilisation, vom göttlichen Licht erleuchten läßt und in diesem Licht erstrahlt.
„Licht der Erkenntnis, ganz erfüllt von Liebe / Von Liebe wahren Heiles voller Wonne / Der Wonne, welcher keine Süße gleichkommt“, wie Beatrice in der Göttlichen Komödie sagt, indem sie sich auf das Empyreum, das höchste Himmelsreich, bezieht (Paradiso, XXX, 40–42).
„Lux in tenebris lucet“ (Joh 1,5). In den Tagen des Advents kündigt der Name Lucia das göttliche Licht an, das kommen wird, um die Kirche auf wunderbare Weise zu trösten.
Es ist sehr traurig, daß das offizielle „Maskottchen“ des Heiligen Jahres 2025, das „Luce“, „Licht“, genannt wird, nicht die heilige Lucia ist, sondern, wie man auf der Internetseite von Vatican News lesen kann, „ein Pilgermädchen, das mit der Ästhetik von Manga gemacht wurde“, d. h. ein Ausdruck der „Pop“-Subkultur, das eher Greta Thunberg ähnelt als der strahlenden Heiligen mit diesem Namen. Deshalb wollen wir in der intellektuellen und moralischen Unklarheit der gegenwärtigen Stunde mit den Worten von Dom Guéranger zur heiligen Lucia beten:
„Wir wenden uns an dich, o Jungfrau Lucia, um die Gnade zu erlangen, in deiner Demut den zu sehen, den du jetzt in Herrlichkeit betrachtest. Erlaube uns, uns unter dein mächtiges Patronat zu stellen. Der Name, den du erhalten hast, bedeutet Licht: Sei deshalb unsere Fackel in der Nacht, die uns umgibt. O du ewig leuchtende Lampe der Schönheit der Jungfräulichkeit, erleuchte unsere Augen; heile die Wunden, die die Konkupiszenz in ihnen verursacht hat, damit sie sich über die Kreatur erheben zu jenem wahren Licht, das in der Finsternis leuchtet und das die Finsternis nicht begreift.“
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017, und Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine bislang ungeschriebene Geschichte, 2. erw. Ausgabe, Bobingen 2011.
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Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons