Freimaurerei und Esoterik in Rußland seit dem 18. Jahrhundert (6. und letzter Teil)

Wiedergründung der Freimaurerei nach dem Ende der UdSSR


Freimaurerei in Rußland vom 18. Jhd. bis heute
Freimaurerei in Rußland vom 18. Jhd. bis heute

Frei­mau­re­rei und Eso­te­rik in Ruß­land seit dem 18. Jahr­hun­dert (Teil 1)
Frei­mau­re­rei und Eso­te­rik in Ruß­land seit dem 18. Jahr­hun­dert (Teil 2)
Frei­mau­re­rei und Eso­te­rik in Ruß­land seit dem 18. Jahr­hun­dert (Teil 3)
Frei­mau­re­rei und Eso­te­rik in Ruß­land seit dem 18. Jahr­hun­dert (Teil 4)
Frei­mau­re­rei und Eso­te­rik in Ruß­land seit dem 18. Jahr­hun­dert (Teil 5)

Von Pater Pao­lo M. Siano*

7. Freimaurerische Präsenz in Rußland vom 20. Jahrhundert bis 2020

In die­sem letz­ten Kapi­tel stel­le ich eini­ge Infor­ma­tio­nen über die rus­si­sche Frei­mau­re­rei von der Sowjet­zeit bis zum Jahr 2020 dar.

7.1 Die klandestine Freimaurerei in der UdSSR und in Europa jenseits des Eisernen Vorhangs

1961 ver­öf­fent­lich­te der Ver­lag Arnol­do Mond­ado­ri das Buch „Die Frei­mau­re­rei“ [Les francs-maçons, Edi­ti­ons du Seuil, Paris 1961] des fran­zö­si­schen Frei­mau­rers Ser­ge Hut­in, der inter­es­san­te Infor­ma­tio­nen über die frei­mau­re­ri­sche Prä­senz in den kom­mu­ni­sti­schen Län­dern Ost­eu­ro­pas lie­fer­te: „Heu­te ist die Frei­mau­re­rei in der UdSSR immer noch ver­bo­ten, aber auch wenn die Logen geschlos­sen sind, ver­sam­meln sich eini­ge Frei­mau­rer­brü­der, um unter­ein­an­der sym­bo­li­sche Riten zu prak­ti­zie­ren und sich freund­schaft­lich zu tref­fen. Ihre Rol­le ist unbe­deu­tend und sie haben kei­ne Mög­lich­keit, poli­tisch zu han­deln: Die rus­si­schen Frei­mau­rer haben weder den Wunsch noch die Mit­tel, das Regime zu stür­zen. In den Volks­de­mo­kra­tien Ost­eu­ro­pas ist die Frei­mau­re­rei, eine bür­ger­li­che Insti­tu­ti­on, offen­sicht­lich klan­de­stin. In der Tsche­cho­slo­wa­kei, wo die frü­he­ren Füh­rer Frei­mau­rer waren, wur­de der Orden auf­ge­löst; nur noch pri­va­te Tref­fen sind mög­lich, und es scheint, daß ziem­lich wich­ti­ge statt­fin­den“ (S. 128).

Und wei­ter: „In Bul­ga­ri­en und Polen gibt es gehei­me ‚Drei­ecke‘, deren Akti­vi­tä­ten den Behör­den gut bekannt zu sein schei­nen. Außer viel­leicht in Rumä­ni­en haben wir kei­ne Ver­haf­tun­gen wegen frei­mau­re­ri­scher Akti­vi­tä­ten als sol­che erlebt. Im Jahr 1957 konn­te ein bul­ga­ri­scher Frei­mau­rer sogar unge­straft von Sofia aus an den Groß­ori­ent von Frank­reich und die Groß­lo­ge von Frank­reich schrei­ben. Natür­lich ist das frei­mau­re­ri­sche Leben sehr ein­ge­schränkt, auch wenn die „Drei­ecke“ neue Initia­tio­nen vor­neh­men“ (S. 128).

Hut­in erfuhr von „einem bedeu­ten­den fran­zö­si­schen Frei­mau­rer“, daß sich um einen der wich­tig­sten bul­ga­ri­schen Frei­mau­rer etwa ein Dut­zend oder fünf­zehn Frei­mau­rer scha­ren, die sich jeden Sams­tag zum Tee tref­fen; wahr­schein­lich weiß die Poli­zei von ihren „phi­lo­so­phi­schen“ Akti­vi­tä­ten. Die­se frei­mau­re­ri­schen Akti­vi­tä­ten lau­fen seit 1945/​46 unun­ter­bro­chen, und eini­ge Jah­re vor 1961 hielt ein Frei­mau­rer zwei öffent­li­che Vor­trä­ge über Okkul­tis­mus und Frei­mau­re­rei vor etwa 100 oder 140 Per­so­nen. Sol­che Din­ge blei­ben nicht unbe­merkt (vgl. S. 128–130).

7.2 Russische Freimaurer in der französischen Freimaurerei (GLDF, GLNF…) des 20. Jahrhunderts

Gegen Ende 1994 oder kurz danach ver­öf­fent­lich­ten die Frei­mau­rer Félix Bon­a­fé und Jean-Paul Del­bert [Mit­glie­der der Gro­ßen Natio­nal­loge von Frank­reich] das Buch „Michel Gar­der. Sol­dat – Wider­stands­kämp­fer – Frei­mau­rer“ (ohne Datum, Ort und Ver­lag) über Michel Gar­der 33° (1916–1993), Oberst der fran­zö­si­schen Armee und Groß­kom­tur des Ober­sten Rates des 33. und letz­ten Gra­des des Alten und Ange­nom­me­nen Schot­ti­schen Ritus (RSAA) für Frank­reich, ver­bun­den mit der Gran­de Loge Natio­na­le Fran­çai­se (GLNF).

Michel Gar­der 33°

Michel Gar­der wur­de am 20. Okto­ber 1916 in Sara­tow, Ruß­land, gebo­ren (vgl. S. 9). Die Fami­lie Gar­der wan­dert nach Frank­reich aus. Wäh­rend des Zwei­ten Welt­kriegs kämpft Michel gegen die Deut­schen. Er wird ver­haf­tet und 1944 nach Ausch­witz-Bir­ken­au depor­tiert. Nach dem Krieg wird er befreit, hei­ra­tet und nimmt sei­ne mili­tä­ri­sche Lauf­bahn wie­der auf. 1958 erhält Haupt­mann Michel Gar­der das Zer­ti­fi­kat für höhe­re Mili­tär­stu­di­en. Gar­der beschäf­tigt sich mit Spio­na­ge und Gegen­spio­na­ge. Er befaßt sich auch mit höhe­ren stra­te­gi­schen Stu­di­en. Doch eine plötz­li­che Krank­heit, eine Ope­ra­ti­on und der Tod folg­ten (vgl. S. 41–47). Oberst Michel Gar­der 33° ist Groß­kom­tur des Ober­sten Rates des RSAA für Frankreich.

Wen­den wir uns nun dem Kapi­tel über das frei­mau­re­ri­sche Leben von Michel Gar­der 33° zu.

Mit der bol­sche­wi­sti­schen Revo­lu­ti­on von 1917 wur­de die Frei­mau­re­rei in Sowjet­ruß­land ver­bo­ten. Dar­auf­hin wur­de in Frank­reich eine Frei­mau­re­rei der Rus­sen gegrün­det, unter der Lei­tung des dama­li­gen rus­si­schen Kon­suls in Paris, „Bru­der“ Leont­jew Dimit­ri­je­witsch Kan­daour­off, der von der Gran­de Loge de France (GLDF) den Auf­trag erhielt, die künf­ti­gen Kader die­ser rus­si­schen Frei­mau­re­rei in Paris zu orga­ni­sie­ren. Am 21. Okto­ber 1921 grün­det der Frei­mau­rer Kan­daour­off unter der Obö­di­enz der Gran­de Loge de France und ihres Ober­sten Rates RSAA das Astrea-Kapi­tel, das ritu­ell vom 4. bis zum 18. Grad RSAA prak­ti­ziert und ein eige­nes Ritu­al hat, das von den alten Ritua­len der rus­si­schen Logen des 18. Jahr­hun­derts abge­lei­tet wur­de. Am 21. Okto­ber 1922 wird die Loge Astrea gegrün­det, die die ersten drei Gra­de prak­ti­ziert (vgl. S. 83). Damals gehör­ten der Loge Astrea rus­si­sche Adli­ge an, die vor den Sowjets geflo­hen waren. Im Jahr 1924 erhält Kon­sul Kan­daour­off den 33. Grad der RSAA (vgl. S. 83).

Hier die Namen eini­ger „sym­bo­li­scher“ rus­si­scher Logen, die zwi­schen 1925 und 1927 in Frank­reich gegrün­det wur­den: „Auro­re Boréa­le“, „Toi­son d’Or“ (aus der spä­ter die Loge „Jupi­ter“ wur­de), „Her­mès“; „Pro­mé­thée“ (vgl. S. 84).

Am 13. Juni 1956 wird der Pro­fa­ne Michel Gar­der als Frei­mau­rer in die bereits erwähn­te Loge „Astrea“ (GLDF) auf­ge­nom­men, die ritu­ell in rus­si­scher Spra­che arbei­tet. Am 23. Mai 1958 wird er Frei­mau­rer und am 12. Juni 1959 wird er Frei­mau­rer­mei­ster. Im Jahr 1965 kam es zu einer mas­si­ven Abwan­de­rung von Frei­mau­rern aus der Gran­de Loge de France in die Gran­de Loge Natio­na­le Fran­çai­se. Am 23. Juni 1965 trat die Loge „Astrea“ Nr. 100 in die GLNF über. Michel Gar­der ist ihr Stuhl­mei­ster (vgl. S. 84f). Michel Gar­der wird Groß­se­kre­tär, dann 2. Groß­auf­se­her und 1. Groß­auf­se­her der GLNF (vgl. S. 85).
1960 wird Gar­der [noch in der GLDF] in den Alten und Ange­nom­me­nen Schot­ti­schen Ritus (RSAA) auf­ge­nom­men. Um 1963/​64 erhält er den 30. Grad RSAA im Areo­pag „Ordo ab Chao“ Nr. 639 (vgl. S. 85).

Eine fran­zö­sisch-rus­si­sche Kom­mis­si­on der GLDF, bestehend aus vier bedeu­ten­den Frei­mau­rern (den Fran­zo­sen Charles Rian­dey und Michel Dum­es­nil de Gran­de­mont und den Rus­sen Pierre Bobrin­sky und Léon de Hoyer), erar­bei­tet ein fran­zö­si­sches Ritu­al des 30. Gra­des für den Areo­pag Kado­sch „Ordo ab Chao“, in das gno­sti­sche The­men auf­ge­nom­men wer­den („on fit ent­rer des motifs gno­sti­ques“, S. 85).

Bon­a­fé und Del­bert berich­ten, daß Michel Gar­der zwei rus­si­sche Schrift­stel­ler sehr schätz­te: Léon Che­stov (1866–1938) und Nico­las Ber­diaeff (1874–1948). Che­stov war fas­zi­niert vom neu­pla­to­ni­schen Den­ken und der Mystik des Plo­tin (vgl. S. 87). Auch Gar­der schätzt die neu­pla­to­ni­sche Mystik und den Gno­sti­zis­mus (vgl. S. 89). 1969 wur­de Gar­der mit dem 33. Grad RSAA „gekrönt“ (wie es im Frei­mau­rer­jar­gon heißt), und die „Kro­ne“ bezieht sich auf die kab­ba­li­sti­sche Sefi­rah „Kether“, den ersten Aus­druck des Prin­zips in der Welt der Mani­fe­sta­ti­on (vgl. S. 95)…

7.2.1 Ein RSAA-„Konsistorium“ 32. Grades für Rußland…

Bon­a­fé und Del­bert berich­ten, daß nach dem Ersten Welt­krieg, mit der Ankunft der rus­si­schen Frei­mau­rer in Frank­reich, der Ober­ste Rat des RSAA in Frank­reich (ver­bun­den mit der GLDF) es für not­wen­dig hielt, ein rus­sisch­spra­chi­ges „Kon­si­sto­ri­um“ (d. h. eine Loge des 32. Gra­des der RSAA) zu grün­den. Am 18. Dezem­ber 1926 wur­de in Paris das Kon­si­sto­ri­um „Ros­sia Nr. 563“ gegrün­det, das am 10. Febru­ar 1927 instal­liert wur­de (vgl. S. 97f). Der dama­li­ge Sou­ve­rä­ne Groß­kom­tur des RSAA von Frank­reich, René Ray­mond (1879–1958), ernann­te den bereits erwähn­ten Bru­der Kan­daour­off zum Prä­si­den­ten die­ses Kon­si­sto­ri­ums, der ankün­dig­te, daß die­ses Kon­si­sto­ri­um eines Tages der Aus­gangs­punkt für einen Ober­sten Rat der RSAA von Ruß­land wer­den wür­de (vgl. S. 98). Es wird tat­säch­lich so geschehen.

Am 18. Dezem­ber 1992 wur­de das Kon­si­sto­ri­um von Ros­sia nach lan­gem „Schlaf“ „wie­der­ge­bo­ren“, bestehend aus rus­si­schen und ukrai­ni­schen Frei­mau­rern. Den Vor­sitz die­ses „Kon­si­sto­ri­ums“ über­nimmt der „Très Illu­stre Frè­re Liou­bo­mer Hou­z­ar, 33ème“ (S. 98). Die Ent­schei­dung, die­ses Kon­si­sto­ri­um zu „erwecken“, hing von der Not­wen­dig­keit ab, ein Kon­si­sto­ri­um zu haben, das die sla­wi­sche frei­mau­re­ri­sche Tra­di­ti­on „schot­ti­scher“ Inspi­ra­ti­on bewah­ren und die Grün­dung eines Ober­sten Rates des RSAA Ruß­lands ermög­li­chen wür­de, indem es des­sen künf­ti­ge Füh­rer aus­bil­det. Das Ros­sia-Kon­si­sto­ri­um skiz­zier­te die Stra­te­gie für die Errich­tung und Ver­brei­tung des Alten und Ange­nom­me­nen Schot­ti­schen Ritus in Ruß­land und in der Ukrai­ne (vgl. S. 98).

Der dama­li­ge Groß­kom­tur des Ober­sten Rates, Michel Gar­der 33°, hielt auf dem Ros­sia-Kon­si­sto­ri­um eine Anspra­che in rus­si­scher Spra­che, in der er sich an Bru­der Geor­ges Der­gat­schew wand­te, der bei die­ser Gele­gen­heit den 32° ver­lie­hen bekam (vgl. S. 98f).

In die­ser Rede erklärt Michel Gar­der 33. unter ande­rem, daß der neue geweih­te Frei­mau­rer des 32. Gra­des (Der­gat­schew) einen Ein­zel­kampf füh­ren muß, um die Schlan­ge zu besie­gen und sie zum Die­nen zu zwin­gen [„vain­cre le ser­pent pour le con­tra­ind­re à ser­vir“: Dies ist eine ritu­el­le For­mu­lie­rung des 30. Gra­des des RSAA für Frank­reich], und daß er als Orga­ni­sa­tor und Bau­mei­ster arbei­ten muß, um den Grund­stein für eine zukünf­ti­ge Juris­dik­ti­on des RSAA für Ruß­land zu legen (vgl. S. 99). Der­gat­schew wur­de am 11. Dezem­ber 1993 zum 33. Grad „gekrönt“ und am 15. Mai 1994 schuf der Ober­ste Rat der RSAA für Frank­reich in Mos­kau ein Groß­kon­si­sto­ri­um (32. Grad), das nach „Michel Gar­der“ benannt wur­de (vgl. S. 99).

Es ist her­vor­zu­he­ben, daß Gar­der 33° klar­stellt, daß eine der Auf­ga­ben des Frei­mau­rers des 32. Gra­des dar­in besteht, „die Schlan­ge zu besie­gen, um sie zu zwin­gen, zu die­nen“ („vain­cre le ser­pent pour le con­tra­ind­re à ser­vir“: S. 99)… Eine Theo­rie, die an die magi­sche Men­ta­li­tät erinnert.

Was Bru­der Geor­ges Der­gat­schew betrifft, so lesen wir spä­ter in Bon­a­fé-Del­berts Buch, daß Der­gat­schew der erste Stuhl­mei­ster der Loge Har­mo­nie N° 698 im Mos­kau­er Ori­ent ist, die am 11. Janu­ar 1992 in der Gran­de Loge Natio­na­le Fran­çai­se gegrün­det wur­de. Am 8. Sep­tem­ber 1992 ist Gar­der 33° zu Gast in die­ser rus­si­schen Loge, die immer noch von Der­gat­schew gelei­tet wird, zur Initia­ti­on von 12 Pro­fa­nen (vgl. S. 116). Gar­der 33° erklärt, daß das Initia­ti­ons­be­stre­ben in der Frei­mau­re­rei zunächst den Tod in der pro­fa­nen Welt und die Auf­er­ste­hung in der Welt des Hei­li­gen („la mort au mon­de pro­fa­ne et la renais­sance au mon­de du Sacré“), die Ent­deckung des Hei­li­gen in uns selbst und schließ­lich die Ver­wand­lung und Wahr­neh­mung des Schöp­fer­atems beinhal­tet… Es ist daher für den Frei­mau­rer not­wen­dig, zu ster­ben und in Hiram wie­der­ge­bo­ren zu wer­den, um zur Erkennt­nis zu gelan­gen („le sta­de de la Con­nais­sance“: vgl. S. 102f). Der Initia­ti­ons­weg der RSAA führt auch zur jüdi­schen Kab­ba­la und Alche­mie (vgl. S. 104).

7.3 Russische freimaurerische (und gnostische) Einflüsse im 30. Grad der RSAA in Frankreich (REAA–GLDF)

Im Jahr 2000 ver­öf­fent­lich­ten die Edi­ti­ons Maçon­ni­ques de France (ver­bun­den mit dem Grand Ori­ent de France) und die Edi­ti­ons Cêt­re gemein­sam die „Gran­de Ency­clo­pé­die Maçon­ni­que des Sym­bo­les“ von Jean-Pierre Bay­ard, Frei­mau­rer­mei­ster der Gran­de Loge de France (GLDF) und 33°. Schau­en wir uns eini­ge Arti­kel in die­ser frei­mau­re­ri­schen Enzy­klo­pä­die an.

Rit­ter Kado­sch, wei­ßer und schwar­zer Adler

In dem Arti­kel „Grand Inspec­teur et Grand Elu Che­va­lier Kado­sch ou Che­va­lier de l’Aigle Blanc et Noir (30° Degré)“ (pp. 195f) erklärt Bay­ard, daß der Frei­mau­rer Kado­sch (30°) ein Sol­dat des Ewi­gen („uni­vers com­plet‘, „sol­dat de l’uni­ver­sel et de l’é­ter­nel“) ist, ritu­ell das Flam­men­schwert, die Lan­ze des Hei­li­gen Georg, den Cadu­ce­us des Her­mes („l’é­pée flam­boy­an­te, la lan­ce infle­xi­ble de Saint-Geor­ges, le Cadu­cée d’Her­mès“) und kämpft gegen alle Des­po­tien und Unter­drücker der Gedan­ken- und Gewis­sens­frei­heit („tous les des­po­tis­mes, oppres­seurs de la liber­té de l’hom­me, de la liber­té de pen­sée, de la liber­té de con­sci­ence“ vgl. S. 195). In der Ein­wei­hung in den 30. Grad des RSAA erschei­nen zwei rät­sel­haf­te Gestal­ten, die im fran­zö­si­schen Text „Pour­suivants“ genannt wer­den, was wört­lich als „Pro­ku­ra­to­ren“ über­setzt wird, aber viel­leicht rich­ti­ger als „Rit­ter“: der „Pro­ku­ra­tor“ oder Wei­ße Rit­ter, der zur Besin­nung und zu hei­li­gen Wer­ten anregt, und der „Pro­ku­ra­tor“ oder Schwar­ze Rit­ter, der statt­des­sen zur Akti­on, zur Gewalt, zum Kampf anregt… Bay­ard erklärt, daß die Figu­ren des Wei­ßen Rit­ters und des Schwar­zen Rit­ters aus einem rus­si­schen Ritu­al stam­men und unse­re Dua­li­tät zei­gen (cf. p. 196).

Im Arti­kel „Pour­suivants“ (S. 365f) erklärt Bay­ard, daß beim 30. Grad RSAA die bei­den „Pro­ku­ra­to­ren“ oder Rit­ter, der eine in Weiß, der ande­re in Schwarz geklei­det, die Dua­li­tät der Welt, Gut und Böse, Ego und Selbst, Yin und Yang, Son­ne und Mond, Mas­ku­li­num und Femi­ni­num, kurz, die Not­wen­dig­keit und Kom­ple­men­ta­ri­tät der Gegen­sät­ze dar­stel­len (vgl. S. 365f). Bay­ard erklärt, daß die­ser Teil des Ritu­als des 30. Gra­des des RSAA von den rus­si­schen Frei­mau­rern im Exil wäh­rend der bei­den Welt­krie­ge ein­ge­führt wur­de und vom Ober­sten Rat der RSAA in Frank­reich bewahrt wird (vgl. S. 366), d. h. dem­je­ni­gen, der mit der GLDF ver­bun­den ist.

In dem Buch „Du Che­va­lier d’O­ri­ent… au Che­va­lier Kado­sch. Etu­de du quin­ziè­me au tren­tiè­me degré du Rite Ecos­sais Anci­en et Accep­té“ (Edi­ti­ons du Rocher, Mona­co 2009) zeigt der Frei­mau­rer Jean Mon­det [GLDF und RSAA] auch den 30. Grad RSAA in der vom Ober­sten Rat (RSAA) von Frank­reich (SCDF) prak­ti­zier­ten Form. Der Kado­sch trägt einen Dolch, schwarz und sil­ber­far­ben, um „den Ver­rä­ter zu töten“ („tuer le traît­re“, vgl. S. 472)… (Ist das nur sym­bo­lisch zu ver­ste­hen?). Beim 30. Grad ist die „bat­te­rie“ der ritu­el­len Schlä­ge 7 (2–2‑2–1), was die Auf­lö­sung der Dua­li­tät in der end­gül­ti­gen Ein­heit sym­bo­li­siert („La dua­li­té, une tri­ple dua­li­té et donc sur tous les plans de l’êt­re, réso­lue dans l’u­ni­té fina­le“, S. 473).

Nach Mon­det ist der Frei­mau­rer des 30. Gra­des RSAA ein Ver­mitt­ler zwi­schen dem Gött­li­chen und dem Mensch­li­chen, und das wäre der Sinn der mysti­schen Trep­pe mit den bei­den Stüt­zen, die der Kado­sch-Frei­mau­rer hin­auf- und hin­ab­stei­gen muß (vgl. S. 476f); der Kado­sch-Frei­mau­rer hat also eine prie­ster­li­che Funk­ti­on („l’ac­tion du Kado­sch qui n’est alors qu’un inter­mé­di­ai­re, un agent divin et cela cor­re­spond par­fai­te­ment à sa fonc­tion sacer­do­ta­le“, S. 477)…

1935 wur­de in Frank­reich unter dem Gehor­sam des SCDF (Ober­ster Rat von Frank­reich des RSAA) ein Areo­pag (Kam­mer des 30. Gra­des, Kado­sch) gegrün­det, der sich aus rus­si­schen Frei­mau­rern zusam­men­setz­te, die nach der bol­sche­wi­sti­schen Revo­lu­ti­on von 1917 nach Frank­reich geflüch­tet waren. Die­se rus­si­schen Frei­mau­rer füh­ren den bereits erwähn­ten Dia­log zwi­schen dem Wei­ßen Rit­ter und dem Schwar­zen Rit­ter („Les Pour­suivants“) ein, der von den fran­zö­si­schen Ritua­len über­nom­men und bei­be­hal­ten wird und zu einer Beson­der­heit des Ober­sten Rates der RSAA in Frank­reich wird („une spé­ci­fi­té du SCDF“: vgl. S. 487).

„Le Pour­suivant Noir“ (geklei­det in schwar­zer Robe) wen­det sich an die Anwär­ter des 30. Gra­des Kado­sch: Er ruft sie zu Gewalt auf, zur Erobe­rung der Welt, zur Ver­ach­tung von Ver­bo­ten und zur Zer­stö­rung als Not­wen­dig­keit für den Wie­der­auf­bau („P. Noir: „N’ayez crain­te de détrui­re. Ne savez-vous pas qu’il faut fai­re place net­te pour con­strui­re?“); er glaubt, daß alles Mate­rie ist und daß die Kado­sch die Mate­rie mit ihrem Wil­len beherr­schen müs­sen (vgl. S. 488)…

Im Gegen­satz dazu sagt „Le Pour­suivant Blanc“ (er trägt ein wei­ßes Gewand) den Anwär­tern des 30. Gra­des Kado­sch: Leh­ne Gewalt ab, übe dich in Demut, hal­te alles in der Welt für hei­lig, alles ist hei­lig, ver­eh­re Sym­bo­le, glau­be, daß alles Geist ist, zer­stö­re nicht, son­dern ver­wen­de gut die Mate­ria­li­en alter Kon­struk­tio­nen, um neue zu bau­en (vgl. S. 488)…

Der Logik der coni­unc­tio oppo­si­torum fol­gend, erklärt Mon­det, daß die bei­den Rit­ter, der Schwar­ze und der Wei­ße, zwei Sei­ten der Per­sön­lich­keit des Frei­mau­rers und eines jeden von uns sind… Mon­det bekräf­tigt, daß man, wenn man den Idea­len des „Pour­suivant Blanc“ fol­gen muß, nicht bru­tal gegen die ent­ge­gen­ge­setz­ten Idea­le, d. h. die des „Pour­suivant Noir“, vor­ge­hen darf, da man sonst in sei­ne bru­ta­le Metho­de ver­fällt… Mon­det stellt fest, daß, wenn alles Geist ist, wie der „Pour­suivant Blanc“ lehrt, der Geist auch in der Mate­rie ist, und man dann die Mate­rie ver­gei­sti­gen muß (vgl. S. 488)… Mon­dets fol­gen­de Theo­rie ist eben­falls gno­stisch und „schwarz“: Der „Schwar­ze Rit­ter“ spricht vom Erobern, vom Gewin­nen der Welt… Auch Jesus gewann die Welt, der Geist war in Jesus und Jesus brach­te ihn her­aus, des­halb wur­de er zum Chri­stus (vgl. S. 488f)… Mon­det stellt Jesus als „Pour­suivant Noir“ vor…

Nach­dem er den drei­fa­chen Eid abge­legt hat, erfährt der neue Frei­mau­rer Kado­sch, daß er die Waf­fe hat, um zu kämp­fen. Wel­che Waf­fe? Das moder­ne Ritu­al des Kado­sch (SCDF) erklärt es: Es ist das Flam­men­schwert des Erz­engels Micha­el, der Speer des Hei­li­gen Georg und der Cadu­ce­us des Her­mes. Die Wir­kung einer sol­chen Waf­fe? Das glei­che Ritu­al erklärt sie: Was von einer sol­chen Waf­fe berührt wird, wird geadelt und wird zum Ver­bün­de­ten des Kado­sch-Rit­ters im Dienst der Sache, für die er kämpft (vgl. S. 489). Was den gei­sti­gen Kampf des Kado­sch (30. Grad) gegen den Dra­chen oder den Wäch­ter der Schwel­le („le dra­gon“, „le guar­dien infle­xi­ble du seuil“) betrifft, erklärt Mon­det, daß die zu benut­zen­de Waf­fe nicht tötet, son­dern ver­wan­delt: Man muß den Dra­chen nicht töten, son­dern ihn tran­szen­die­ren (vgl. S. 489)… In die­sem Zusam­men­hang bringt Mon­det das Bei­spiel der bei­den ver­ti­kal ver­schlun­ge­nen Schlan­gen auf dem Cadu­ce­us, dem Stab des Her­mes: „Saint-Michel, Saint-Geor­ges n’ont pas tué le dra­gon, ils l’ont tran­s­cen­dé. Les deux ser­pents du cadu­cée ne ram­pent plus sur la terre, ils se sont ver­ti­cal­i­sés“ (S. 489). Es ist nicht schwer zu ver­ste­hen, daß die logi­sche Kon­se­quenz die­ser vom Frei­mau­rer Mon­det erläu­ter­ten Ein­wei­hungs­theo­rien die Ver­ei­ni­gung von Gegen­sät­zen ist: Gut und Böse, St. Georg und der Dra­che, St. Micha­el und der Teufel…

Dann erklärt Mon­det, daß die Uni­form (oder das Mot­to) des 30. Gra­des „Vin­ce­re Aut Mori“ (Sie­gen oder Ster­ben) lau­tet; der Kado­sch wird ein Sol­dat des Uni­ver­sel­len und Ewi­gen (vgl. S. Mon­det bekräf­tigt, daß der Kado­sch das Böse nicht unter­drücken, son­dern in das Gute ver­wan­deln muß: „D’a­près l’uti­li­sa­ti­on qu’il fait de ses armes, il ne s’a­git pas, pour le Kado­sch, de sup­p­ri­mer le mal, mais de le trans­for­mer en bien“ (S. 493).

Die Über­le­gun­gen des deut­schen Mysti­kers Jakob Böh­me, wonach das Böse der Schat­ten des Guten ist, erschei­nen Mon­det zufol­ge in der Per­spek­ti­ve des Kado­sch 30. Gra­des zutref­fend: „Pour lui, le mal n’est pas l’ab­sence de bien, il en est l’ombre“ (S. 494).

Mon­det macht deut­lich, daß er min­de­stens den 30. Grad hat, da er über die­sen Grad schreibt, daß unser Ziel die Umwand­lung des Bösen in das Gute ist: „Cet­te visi­on nous paraît bien s’ad­ap­ter au tren­tiè­me degré car elle don­ne des pistes pour tra­vail­ler à not­re but, la trans­for­ma­ti­on du mal en bien“ (S. 495).

Die Kado­sch sind Rit­ter des Schwar­zen und Wei­ßen Adlers, denn sie bil­den ihre Ein­heit, indem sie das Licht (oder den hel­len Teil) und die Dun­kel­heit (oder den dunk­len Teil) in sich aus­glei­chen: „Ce com­bat, mené en nous, nous trans­for­mera en réels Che­va­liers de l’Aigle Blanc et Noir, ayant con­struit leur unité en équi­li­brant leur par­tie sombre et leur par­tie clai­re“ (S. 495).

Mon­det erklärt, daß der Frei­mau­rer im 30. Grad das Schwarz und Weiß des karier­ten Bodens der Loge (der ersten drei Gra­de) wie­der­ent­deckt und in sich auf­nimmt: „Il a retrou­vé le Noir et le Blanc des pre­miers degrés et il les accep­te main­tenant tous les deux en lui“ (ebd., S. 497).

Die Schwarz-Weiß-Dua­li­tät („cet­te dua­li­té“) usw. wird auch durch den zwei­köp­fi­gen Adler (bice­pha­lous) gut dar­ge­stellt, den der Frei­mau­rer im 30. Grad RSAA sieht und der ihn auch in den höhe­ren Gra­den beglei­ten wird, wenn er koop­tiert wird (vgl. S. 497).

7.4 Neues über die Freimaurerei in Rußland bis zum Jahr 2020

In der eng­li­schen digi­ta­len Frei­mau­rer­zeit­schrift „The Squa­re“ Nr. 4/​2020 gibt es einen Arti­kel über die rus­si­sche Frei­mau­re­rei, „Rus­si­an Free­ma­son­ry“, geschrie­ben von dem rus­si­schen Frei­mau­rer Euge­ne L. Kuz­mischin 33°–95°, der Schrif­ten der Frei­mau­rer Caglio­stro, Albert Pike, Albert Mackey, Arthur E. Wai­te, John Yar­ker, Robert Ambe­lain usw. ins Rus­si­sche über­setzt hat. Hier sind eini­ge Neu­ig­kei­ten aus dem Arti­kel von „Bru­der“ Kuzmischin.

Seit 2020 wird es in Ruß­land nur noch weni­ge Frei­mau­rer geben, viel­leicht nicht mehr als 1500, die sich auf etwa ein Dut­zend Obö­di­en­zen ver­tei­len. Kuz­mischin ver­an­schau­licht die Geschich­te der rus­si­schen Frei­mau­re­rei seit dem 18. Jahr­hun­dert. Ich beschrän­ke mich auf die Nach­rich­ten, die das 20. Jahr­hun­dert bis zum Jahr 2020 betref­fen. Zu Beginn des 20. Jahr­hun­derts, zur Zeit des Zaren Niko­laus II., wur­den in St. Peters­burg zahl­rei­che Logen durch den Grand Ori­ent de France und die Gran­de Loge de France gegrün­det. Eini­ge rus­si­sche Frei­mau­rer haben auch Kon­tak­te zu bri­ti­schen Logen. Die mei­sten rus­si­schen Frei­mau­rer poli­ti­sie­ren jedoch die frei­mau­re­ri­sche Tätig­keit. Die rus­si­sche Frei­mau­re­rei jener Zeit umfaß­te vor allem Abge­ord­ne­te des Par­la­ments (der Duma), Jour­na­li­sten und Mit­glie­der poli­ti­scher Par­tei­en.
1910 beschloß der Ober­ste Rat der rus­si­schen Frei­mau­rer, Ritua­le, Sym­bo­le, Gewän­der, Eide und Vor­trä­ge abzu­leh­nen und sich nur noch auf die par­la­men­ta­ri­sche Tätig­keit zu kon­zen­trie­ren, wobei der Titel „Frei­mau­rer“ des Gro­ßen Ori­ents der Völ­ker Ruß­lands bei­be­hal­ten wer­den soll­te. Dis­si­den­te Frei­mau­rer wer­den gezwun­gen, aus­län­di­sche Logen zu besu­chen oder ritu­el­le Tätig­kei­ten in klei­nen Logen aus­zu­üben. Mit der bol­sche­wi­sti­schen Revo­lu­ti­on von 1917 wur­den die rus­si­schen Frei­mau­rer ins Exil gezwun­gen und grün­de­ten Logen in Frank­reich, Groß­bri­tan­ni­en, Deutsch­land, der Tsche­cho­slo­wa­kei, Ser­bi­en, Chi­na… Die größ­te rus­si­sche Frei­mau­rer­ge­mein­schaft ist die in Frank­reich unter der Ägi­de der Gran­de Loge de France und ihres Ober­sten Rates des Alten und Ange­nom­me­nen Schot­ti­schen Ritus.

Im Jahr 1985 begann in der UdSSR die Pere­stroi­ka. 1986 ließ sich eine Grup­pe älte­rer rus­si­scher Frei­mau­rer ver­schie­de­ner Obö­di­en­zen in Paris nie­der, um den Bei­tritt sowje­ti­scher Bür­ger zur Frei­mau­re­rei zu erleich­tern. 1990 ließ sich ein „Phi­lo­so­phie­leh­rer“ aus Mos­kau, Georg Der­gat­schow, dank frei­mau­re­ri­scher Kon­tak­te in Paris im Grand Ori­ent de France als Frei­mau­rer ein­wei­hen, um dann eine Loge in Mos­kau zu grün­den. Auf die­se Wei­se began­nen min­de­stens drei fran­zö­si­sche Groß­lo­gen mit ihrer Mis­sio­nie­rung in der Sowjet­uni­on, aus der die heu­ti­ge Rus­si­sche Föde­ra­ti­on her­vor­ging. Der fran­zö­sisch-rus­si­sche Frei­mau­rer Michel Gar­der (GLNF) über­re­de­te sei­nen Freund Georg Der­gat­schow, der GLNF bei­zu­tre­ten. 1992 ist Der­gat­chew Stuhl­mei­ster der ersten GLNF-Loge in Mos­kau, der sich ehe­ma­li­ge Mit­glie­der der GODF und GLDF anschlie­ßen. Wei­te­re GLNF-Logen wer­den in Mos­kau, St. Peters­burg, Arch­an­gelsk, Woro­nesch und Jaros­law gegründet.

1995 wur­de die Groß­lo­ge von Ruß­land von der GLNF gegrün­det, die vom Kreis der regu­lä­ren männ­li­chen Frei­mau­rer in Gemein­schaft mit der Ver­ei­nig­ten Groß­lo­ge von Eng­land (UGLE) aner­kannt wur­de. Im Jahr 1996 wur­de der Ober­ste Rat des RSAA von Ruß­land gegrün­det. Im Jahr 2001 kam es auf­grund von Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten und „Feh­den“ unter den rus­si­schen Frei­mau­rern zum ersten Schis­ma. Sechs Logen spal­te­ten sich von der Groß­lo­ge von Ruß­land (GLR) ab und grün­de­ten die Rus­si­sche Regu­lä­re Groß­lo­ge (GLRR). Im Jahr 2006 kommt es zu einer zwei­ten Spal­tung der Groß­lo­ge von Ruß­land. Die UGLE und die Groß­lo­ge des Distrikts Washing­ton-Colum­bia ver­su­chen, die Ange­le­gen­heit brü­der­lich zu schlich­ten… 2008 ent­steht die Ver­ei­nig­te Groß­lo­ge von Ruß­land (GLUR).

Eine klei­ne Grup­pe von Frei­mau­rern, die auch Mar­ti­ni­sten sind, ver­las­sen ihre Obö­di­enz und schlie­ßen sich der Gro­ßen Sym­bo­li­schen Loge von Frank­reich des Alten und Pri­mi­ti­ven Ritus von Mem­phis-Mis­ra­im an. Im Jahr 2009 ver­fügt die­se gemisch­te Obö­di­enz über ihre erste Loge in Mos­kau. Im Jahr 2015 kon­sti­tu­iert sich die­se Grup­pe als Sym­bo­li­sche Groß­lo­ge von Ruß­land, die aus­schließ­lich den 95-Grad-Mem­phis-Mis­ra­im-Ritus prak­ti­ziert und etwa 150 Mit­glie­der zählt (dar­un­ter viel­leicht auch Euge­ne L. Kuz­mischin selbst, wenn man sei­nen 33°–95° Grad betrachtet).

Die Groß­lo­ge von Ruß­land von Groß­mei­ster Andrej Bog­d­anow prak­ti­ziert den RSAA und die ita­lie­nisch-rumä­ni­sche Ver­si­on des Mem­phis-Mis­ra­im-Ritus. Ein bri­ti­sches Roy­al Arch Chap­ter und ein Supre­me Chap­ter des fran­zö­si­schen Ritus sind eben­falls in Mos­kau ansäs­sig. Dar­über hin­aus wird eine Grup­pe der Groß­lo­ge von Ruß­land in die hohen Gra­de des Gro­ßen Rek­ti­fi­zier­ten Prio­rats von Frank­reich (Rite Ecos­sais Rec­ti­fié) auf­ge­nom­men.

Im Jahr 2011 grün­de­te eine Grup­pe rus­si­scher Frei­mau­rer­mei­ster aus ver­schie­de­nen rus­si­schen Obö­di­en­zen in Mos­kau den Groß­ori­ent der Völ­ker Ruß­lands (GOPR), der dem fran­zö­si­schen Frei­mau­rer­kreis CLIPSAS ange­hört, der unter der Schirm­herr­schaft des Grand Ori­ent de France steht. Der GOPR ist gemischt-obser­vant (männ­lich und weib­lich) und prak­ti­ziert den RSAA, den fran­zö­si­schen Ritus und den Mem­phis-Mis­ra­im-Ritus. Im Jahr 2020 hat der GOPR rund 400 Mitglieder.

Im Jahr 2011 trat eine Grup­pe der Ver­ei­nig­ten Groß­lo­ge von Ruß­land aus der Obö­di­enz aus und schloß sich der fran­zö­si­schen gemisch­ten Frei­mau­re­rei Le Droit Humain an, deren Logen in Mos­kau, St. Peters­burg und Wla­di­mir gegrün­det wur­den. Die rus­si­sche Loge Le Droit Human hat etwa 60 Mit­glie­der und prak­ti­ziert aus­schließ­lich den RSAA.

In den Jah­ren 2011/​2012 wur­den die ersten bei­den in Ruß­land gegrün­de­ten Logen der GODF und GLDF von ehe­ma­li­gen Mit­glie­dern der Ver­ei­nig­ten Groß­lo­ge von Ruß­land „erweckt“ und nah­men ihre frei­mau­re­ri­sche Arbeit unab­hän­gig von den ande­ren rus­si­schen Frei­mau­rer­grup­pen wie­der auf.

Im Jahr 2013 wur­de eine Grup­pe rus­si­scher Frei­mau­rer der Ver­ei­nig­ten Groß­lo­ge von Ruß­land und der Sym­bo­li­schen Groß­lo­ge von Ruß­land in Frank­reich in den Schot­ti­schen Rek­ti­fi­zier­ten Ritus („Gro­ßes Schot­ti­sches Rek­ti­fi­zier­tes Prio­rat von Okzita­ni­en“) aufgenommen.

2017 grün­den 40 rus­si­sche Frau­en (bereits initi­ier­te Frei­mau­re­rin­nen) in St. Peters­burg eine Loge im Gehor­sam gegen­über der Frau­en­groß­lo­ge von Frank­reich. Eine zwei­te Loge wird im Jahr 2020 in Mos­kau gegründet.

Im Jahr 2020 grün­det eine beträcht­li­che Anzahl von Mit­glie­dern der Ver­ei­nig­ten Groß­lo­ge von Russ­land die Sou­ve­rä­ne Groß­lo­ge von Russ­land in St. Petersburg.

Das rus­sisch-ukrai­ni­sche Model Wale­ri­ja Luk­ja­no­wa, Spitz­na­me „Odes­sa Bar­bie“, wur­de als Frei­mau­re­rin im Gro­ßen Weib­li­chen Ori­ent von Mexi­ko-Stadt ein­ge­weiht und bie­tet ihren „Anhän­gern“ eine „astra­le Ein­wei­hung“ in die Frei­mau­re­rei an. .…

Mit Aus­nah­me der Groß­lo­ge von Ruß­land unter­hal­ten alle ande­ren rus­si­schen Frei­mau­rer­grup­pen Kon­tak­te untereinander.

7.4.1 Der Alte und Angenommene Schottische Ritus in Rußland

Am 14. März 2015 wur­de auf der Face­book-Sei­te des Ober­sten Rates des Alten und Ange­nom­me­nen Schot­ti­schen Ritus in Ruß­land (Der Ober­ste Rat für Ruß­land) ein frei­mau­re­ri­scher Ter­min­ka­len­der mit dem Titel „Mei­len­stei­ne des Schot­ti­schen Ritus in Russ­land (1774–2014)“ ver­öf­fent­licht. Die rus­si­sche Frei­mau­re­rei fei­er­te den 240. Jah­res­tag der Schot­ti­schen Frei­mau­re­rei in Russ­land. Hier sind nur eini­ge Daten, die ich inter­es­sant finde:

  • 1774: „Jelagin – Ein­wei­hung in den Ritus der 7 Gra­de (Lon­don)“.
  • 1939: „Ein­set­zung des Ober­sten Rates von Ruß­land im Exil (Paris)“.
  • 1994: „Ein­set­zung des Kon­si­sto­ri­ums ‚Mikhail Gar­der‘ Nr. 911“.

Obwohl die­se Face­book-Sei­te seit 2015 nicht mehr aktua­li­siert wur­de, ist es den­noch inter­es­sant fest­zu­stel­len, daß die Figur des Frei­mau­rers Iwan I. Jelagin von dem RSAA Ruß­lands als Dreh- und Angel­punkt betrach­tet wird: Jelagin, Groß­mei­ster der rus­si­schen Frei­mau­re­rei, ein Enthu­si­ast und Exper­te der jüdi­schen Kab­ba­la, der in Lon­don in den Ritus der sie­ben Gra­de ein­ge­weiht wur­de… Über Jelagin, einen Kab­ba­li­sten, habe ich hier im zwei­ten Teil mei­ner Stu­die geschrie­ben.

In dem Buch „The Rite of Seven Degrees“ (Lewis Maso­nic, Shep­per­ton, UK, 2021) erklärt David Har­ri­son (Frei­mau­rer­mei­ster der UGLE), daß der „Ritus der 7 Gra­de“ (der im 18. Jahr­hun­dert auch von rus­si­schen Frei­mau­rern prak­ti­ziert wur­de) die fol­gen­den Initia­ti­ons­kon­zep­te lehrt (und erfahr­bar macht): sym­bo­li­scher Tod oder mysti­scher Tod, Wie­der­ge­burt-Tod, Wie­der­ein­glie­de­rung in die Gemein­schaft mit Gott („mysti­scher Tod“, „Wie­der­ge­burt“, „Gemein­schaft mit Gott“…), Nach­ah­mung des gro­ßen Bau­mei­sters des Uni­ver­sums, Iden­ti­fi­zie­rung des Kan­di­da­ten mit Hiram, Not­wen­dig­keit des Opfers-Todes-Wie­der­ge­burt (vgl. S. 54–60)…

Sicher­lich wis­sen die rus­si­schen Frei­mau­rer des RSAA auch, daß die Eso­te­rik, die Gno­sis (und der Gno­sti­zis­mus), das alche­mi­sti­sche Kon­zept des mysti­schen Todes und der Tod-Wie­der­ge­burt, der mysti­sche Auf­stieg – wie er von der jüdi­schen Kab­ba­la auf­ge­zeigt wird – zur Wie­der­ein­glie­de­rung oder Wie­der­ver­ei­ni­gung mit dem Gött­li­chen für den RSAA grund­le­gend sind…

*Pater Pao­lo Maria Sia­no gehört dem Orden der Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta (FFI) an; der pro­mo­vier­te Kir­chen­hi­sto­ri­ker gilt als einer der besten katho­li­schen Ken­ner der Frei­mau­re­rei, der er meh­re­re Stan­dard­wer­ke und zahl­rei­che Auf­sät­ze gewid­met hat. Durch sei­ne Ver­öf­fent­li­chun­gen bringt er den Nach­weis, daß die Frei­mau­re­rei von Anfang an bis heu­te eso­te­ri­sche und gno­sti­sche Ele­men­te ent­hielt, die ihre Unver­ein­bar­keit mit der kirch­li­chen Glau­bens­leh­re begründen.

Übersetzung/​Fußnoten: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana/​MiL/​ROA (Screen­shots)

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3 Kommentare

  1. Zur Ortho­do­xie als Gegen­pol zur Frei­mau­re­rei in Russ­land wäre dar­auf hin­zu­wei­sen, dass deren alte byzan­ti­ni­sche Mes­se auch von der katho­li­schen Kir­che als legi­tim und gül­tig aner­kannt wird und ähn­lich wirk­sam ist die die alte latei­ni­sche triden­ti­ni­sche Messen.
    Auch zählt die rus­sisch-ortho­do­xe Kir­che noch man­ches Son­der­gut zum bibli­schen Kanon des alten und neu­en Testa­men­tes der Bibel hin­zu, so etwa den 1. Cle­mens­brief (wie auch die Kir­che von Antio­chia in Syri­en) und den Hir­ten­brief des Her­mas. Die­se bei­den Schrif­ten wur­den auch noch vom Hei­li­gen Ire­nae­us von Lyon, der von Justin dem Mär­ty­rer die Logos-Theo­lo­gie über­nahm und wei­ter­ent­wickel­te, zum bibli­schen Kanon des Neu­en Testa­men­tes hin­zu­ge­zählt. Es gibt durch die Ver­schwi­ste­rung der christ­li­chen Theo­lo­gie mit der grie­chi­schen Phi­lo­so­phie und dem Logos-Begriff im Neu­en Testa­ment der Bibel (sie­he auch „Weis­heits­li­te­ra­tur“ im alten Testa­ment der Bibel) durch­aus eine Nähe zur her­me­ti­schen Phi­lo­so­phie der Her­me­tik, sie­he dazu auch Philo(n) von Alex­an­dri­en als jüdi­schen Theo­lo­gen und Mer­ka­ba-Mysti­ker und her­me­ti­schen Phi­lo­so­phen bzw. Her­me­ti­ker. Es gab und gibt eben auch eine christ­li­che Her­me­tik, sie­he dazu etwa den Hei­li­gen Bern­hard von Clairvaux und Ste­phen Har­ding und Hugo de Payens und die bei­den Hei­li­gen und Kir­chen­leh­rer Alber­tus Magnus und Hil­de­gard von Bin­gen und Bona­ven­tura und den Seli­gen und Mär­ty­rer Raymn­un­dus Lul­lus bzw. Ramon Lull und Kar­di­nal Niko­laus von Kues als Cus­a­nus und den Jesui­ten Atha­na­si­us Kir­cher und den Prie­ster Mar­si­lio Fici­no und den Heil­prak­ti­ker Para­cel­sus und die Heil­prak­ti­ker­schu­le der Hygie­ni­ker im 18. und 19. Jahr­hun­dert nach Para­cel­sus und van Helmonte.

  2. Zur Ortho­do­xie als Gegen­pol zur Frei­mau­re­rei in Russ­land wäre dar­auf hin­zu­wei­sen, dass deren alte byzan­ti­ni­sche Mes­se auch von der katho­li­schen Kir­che als legi­tim und gül­tig aner­kannt wird und ähn­lich wirk­sam ist wie die alte latei­ni­sche triden­ti­ni­sche Mes­sen. Auch zählt die rus­sisch-ortho­do­xe Kir­che noch man­ches Son­der­gut zum bibli­schen Kanon des alten und neu­en Testa­men­tes der Bibel hin­zu, so etwa den 1. Cle­mens­brief (wie auch die Kir­che von Antio­chia in Syri­en) und den Hir­ten­brief des Her­mas. Die­se bei­den Schrif­ten wur­den auch noch vom Hei­li­gen Ire­nae­us von Lyon, der von Justin dem Mär­ty­rer die Logos-Theo­lo­gie über­nahm und wei­ter­ent­wickel­te, zum bibli­schen Kanon des Neu­en Testa­men­tes hin­zu­ge­zählt. Es gibt durch die Ver­schwi­ste­rung der christ­li­chen Theo­lo­gie mit der grie­chi­schen Phi­lo­so­phie und dem Logos-Begriff im Neu­en Testa­ment der Bibel (sie­he auch „Weis­heits­li­te­ra­tur“ im alten Testa­ment der Bibel) durch­aus eine Nähe zur her­me­ti­schen Phi­lo­so­phie der Her­me­tik, sie­he dazu auch Philo(n) von Alex­an­dri­en als jüdi­schen Theo­lo­gen und Mer­ka­ba-Mysti­ker und her­me­ti­schen Phi­lo­so­phen bzw. Her­me­ti­ker. Es gab und gibt eben auch eine christ­li­che Her­me­tik, sie­he dazu etwa den Hei­li­gen Bern­hard von Clairvaux und Ste­phen Har­ding und Hugo de Payens und die bei­den Hei­li­gen und Kir­chen­leh­rer Alber­tus Magnus und Hil­de­gard von Bin­gen und Bona­ven­tura und den Seli­gen und Mär­ty­rer Raymn­un­dus Lul­lus bzw. Ramon Lull und Kar­di­nal Niko­laus von Kues als Cus­a­nus und den Jesui­ten Atha­na­si­us Kir­cher und den Prie­ster Mar­si­lio Fici­no und den Heil­prak­ti­ker Para­cel­sus und die Heil­prak­ti­ker­schu­le der Hygie­ni­ker im 18. und 19. Jahr­hun­dert nach Para­cel­sus und van Helmonte.

  3. Der Kol­lek­tiv­na­me häre­ti­scher Systeme

    Gno­sti­zis­mus, ein Kol­lek­tiv­na­me häre­ti­scher Syste­me in den ersten Jahr­hun­der­ten der Kirche.Das (grie­chi­sche) Wort, wel­chem bei dem uralten Über­set­zer des hl. Ire­nä­us das latei­ni­sche agni­tio ent­spricht (z. B. 1, 1, 1; 4, 33, 8), bedeu­tet eigent­lich Erkennt­nis, das Wis­sen, im bibli­schen und christ­li­chen Sprach­ge­brauch gewöhn­lich mit beson­de­rer Bezie­hung auf reli­giö­se Gegen­stän­de. Der alte christ­li­che Sprach­ge­brauch rich­tet sich nach den bibli­schen. Die hei­li­ge Schrift kennt aber eine zwei­fa­che Gno­sis, ein ech­tes und ein fal­sches Wis­sen, deren eines sie rühmt und emp­fiehlt, wäh­rend sie das ande­re brand­markt und ver­wirft. Wie das Wis­sen noch heut­zu­ta­ge ent­we­der als Stei­ge­rung des Glau­bens oder als Gegen­satz des Glau­bens auf­tritt, so in der christ­li­chen Urzeit die Gnosis.
    Zwei­fa­che Gnosis
    Die ech­te Gnosis

    Die ech­te Gno­sis, die Gno­sis im guten Sinn des Wor­tes, ist ein immer tie­fe­res Ein­drin­gen in das inne­re Wesen des unwan­del­bar fest gehal­te­nen, von Gott geof­fen­bar­ten Glau­bens, ver­bun­den mit einer auf festen Beweis­grün­den ruhen­den Über­zeu­gung von des­sen Wahr­heit, ein immer all­sei­ti­ge­res Erfas­sen des­sel­ben mit allen Kräf­ten des mensch­li­chen Gei­stes, so daß der­sel­be vom Ver­stand aus das gan­ze Leben durch­dringt (vgl. Röm. 15, 14; 1. Kor. 1, 5; 8, 1. 7. 10. 11; 12, 8; 13, 2. 8;14, 6; 2. Kor. 6, 6; 11, 6; Kol. 2, 3; 2. Petr. 1, 5. 6; 3, 18). Das ist die Gno­sis, wel­che der Sohn Got­tes geof­fen­bart und der Mensch­heit über­ge­ben hat (Cle­mens Alex. Strom. 6, 7, ed. Pot­ter II, 771); das ist „die voll­kom­me­ne und ver­läß­li­che Gno­sis“, um derent­wil­len die Chri­sten zu Korinth in den ersten Zei­ten allent­hal­ben gerühmt waren (Cle­mens Rom. ep. I, c. 1); das ist jenes erha­be­ne Ide­al christ­li­cher Gei­stes­bil­dung und voll­kom­me­ner Hand­lungs­wei­se, (…) und wel­ches die edel­sten gebil­det­sten Män­ner der ersten Jahr­hun­der­te unab­läs­sig anstreb­ten. Daher wird auch das Ide­al des voll­kom­me­nen Chri­sten von Cle­mens von Alex­an­dri­en in sei­nen begei­ster­ten Schil­de­run­gen immer mit dem Namen Gno­sti­cus bezeich­net (s. das gan­ze 6. und 7. Buch der Stroma­ta, vgl. Strom. 2, 17). Eben die­ser alex­an­dri­ni­sche Cle­mens, wel­cher der vor­nehm­ste Stimm­füh­rer der wah­ren Gno­sis im Alter­tum ist, erklärt an ver­schie­de­nen Stel­len, was er unter der­sel­ben ver­ste­he, und wie die­sel­be nur auf dem Grund des Glau­bens gedei­he; so Paed. 1, 6, ed. Pot­ter I, 116; Strom. 2, 17 p. 468; 3, 5 p. 531; 6, 1 p. 736; 6, 8 p. 774 und beson­ders 7, 10 p. 864–866 (wo er sie den „voll­kom­me­nen und siche­ren Beweis des­sen“ nennt, „was man im Glau­ben bereits erfaßt hat, den Auf­bau auf der Grund­la­ge des Glau­bens, wodurch man zum unfehl­ba­ren Ver­ständ­nis gelangt“). –

    https://​katho​lisch​glau​ben​.info/​k​i​r​c​h​e​n​l​e​x​i​k​o​n​-​d​i​e​-​i​r​r​l​e​h​r​e​-​d​e​s​-​g​n​o​s​t​i​z​i​s​m​us/

    Zur Bibel gehört auch die 4 bzw. 5 Ele­men­te-Leh­re von den Ele­men­te-Prin­zi­pi­en als „Prin­ci­pi­is“ bzw. Ele­men­tar­kräf­ten. Im Ayur­ve­da als der tra­di­tio­nel­len indi­schen Heil­kunst Indi­ens auch die „Tatt­was“ genannt. Auch die bei­den Hei­li­gen und Kir­chen­leh­rer Alber­tus Magnus und Hil­de­gard von Bin­gen sowie Orig­e­nes und Philo(n) von Alex­an­dri­en als jüdi­scher Theo­lo­ge und Mer­ka­ba-Mysti­ker und Her­me­ti­ker kann­ten und ver­wand­ten sie. Man fin­det sie auch in der Hil­de­gard-Medi­zin der Hei­li­gen und Kir­chen­leh­re­rin Hil­de­gard von Bin­gen und so wei­ter usw.

    Vier-Ele­men­ten-Leh­re

    https://​www​.kath​pe​dia​.com/​i​n​d​e​x​.​p​h​p​?​t​i​t​l​e​=​V​i​e​r​-​E​l​e​m​e​n​t​e​n​-​L​e​hre

    Der spät­an­ti­ke Theo­lo­ge Pseu­do-Dio­ny­si­us Areo­pa­gi­ta, des­sen neu­pla­to­nisch gepräg­te Wer­ke im Mit­tel­al­ter hohes Anse­hen genos­sen, führ­te den Begriff „Theur­gie“ in die christ­li­che Theo­lo­gie ein. Er bezeich­ne­te damit das Wir­ken des Hei­li­gen Gei­stes und Jesu Chri­sti und ins­be­son­de­re die von Gott her­bei­ge­führ­te Wirk­sam­keit der Sakramente.
    Auch der christ­li­che Mysti­ker Dio­ny­si­os Areo­pa­gi­ta ver­wen­de­te das Wort „Theur­gie“ also im Zusam­men­hang mit dem Hei­li­gen Geist als Geist Gottes.
    Der stark vom Neu­pla­to­nis­mus beein­fluss­te spät­an­ti­ke Theo­lo­ge Pseu­do-Dio­ny­si­us Areo­pa­gi­ta über­nahm den Begriff „Theur­gie“ in die christ­li­che Theologie.
    Theur­gie (grie­chisch θεουργία theour­gía „Got­tes­werk“) ist eine anti­ke Bezeich­nung für reli­giö­se Riten und Prak­ti­ken, die es ermög­li­chen soll­ten, mit gött­li­chen Wesen in Ver­bin­dung zu tre­ten und von ihnen Hil­fe zu erlan­gen. Der Aus­üben­de wird „Theurg“ genannt. Nach der gän­gi­gen Auf­fas­sung der anti­ken Theur­gen wur­de nicht ver­sucht, die erwünsch­te Reak­ti­on der Göt­ter mit magi­schen Mit­teln zu erzwin­gen, son­dern es ging um ein Zusam­men­wir­ken von Gott und Mensch, bei dem sich der Theurg gött­li­chem Ein­fluss öff­ne­te. Sie­he dazu auch Johan­nes „Scottus“ Eri­uge­na und Cle­mens von Alex­an­dri­en als Hei­li­gen Kle­mens und sei­nen Schü­ler Orig­e­nes und den Hei­li­gen und Kir­chen­leh­rer Alber­tus Magnus zur Her­me­tik als her­me­ti­schen Phi­lo­soph und christ­li­chen Hermetiker.
    Und Moses war laut Neu­em Testa­ment auch in aller Weis­heit der Ägyp­ter kun­dig. Es gibt eben die­se Weis­heits­leh­ren und Weis­heits­tra­di­tio­nen der gött­li­chen Geheim­nis­se und Myste­ri­en als Myste­ri­en-Kul­te, sie­he auch die Weis­heits­li­te­ra­tur. „Sopia“ und „Logos“ sind dort wich­ti­ge Begrif­fe – sie­he aber auch „Myste­ri­en“ und „Myster­ion“ und „Myste­ri­um“ als gött­li­che Geheim­nis­se und den Bene­dik­ti­ner Odo Casel mit sei­ner wie­der­ent­deck­ten Myste­ri­en- und Bogu­mil-Theo­lo­gie dazu Justin den Mär­ty­rer zur Mer­curi­us als römi­scher Name des Her­mes Tris­me­gi­stos im Zusam­men­hang mit dem Logos. Auch in der christ­li­chen Mystik wur­de die Her­me­tik rezipiert.

    Offe­ne Geheim­nis­se – her­me­ti­sche Tex­te und ver­bor­ge­nes Wis­sen in der mit­tel­al­ter­li­chen Rezep­ti­on von Augu­sti­nus bis Alber­tus Magnus
    Janu­ary 2008
    Authors:
    Mat­thi­as Heiduk
    Leib­niz-Zen­trum für Archäologie

    https://​www​.rese​arch​ga​te​.net/​p​u​b​l​i​c​a​t​i​o​n​/​2​7​9​8​4​6​3​2​0​_​O​f​f​e​n​e​_​G​e​h​e​i​m​n​i​s​s​e​_​-​_​h​e​r​m​e​t​i​s​c​h​e​_​T​e​x​t​e​_​u​n​d​_​v​e​r​b​o​r​g​e​n​e​s​_​W​i​s​s​e​n​_​i​n​_​d​e​r​_​m​i​t​t​e​l​a​l​t​e​r​l​i​c​h​e​n​_​R​e​z​e​p​t​i​o​n​_​v​o​n​_​A​u​g​u​s​t​i​n​u​s​_​b​i​s​_​A​l​b​e​r​t​u​s​_​M​a​g​nus

    Die Stu­die unter­sucht erst­mals umfas­send und syste­ma­tisch die Rezep­ti­on her­me­ti­scher Tra­di­tio­nen in der latei­ni­schen Lite­ra­tur von der Spät­an­ti­ke bis zum Aus­gang des 13. Jahr­hun­derts. Sie nimmt dabei sämt­li­che Schrif­ten des betref­fen­den Zeit­raums in den Blick, in denen die mythi­sche Urhe­ber­schaft der hybri­den Gestalt des Her­mes Tris­me­gi­stos in Anspruch genom­men wird. Ziel der Unter­su­chung ist, die spe­zi­fi­schen histo­ri­schen Kon­tex­te der Aneig­nung auf­zu­decken und so dem mit­tel­al­ter­li­chen Dis­kurs um die Her­me­ti­ca ein eigen­stän­di­ges Pro­fil zu ver­lei­hen. Zen­tra­le Fra­gen berüh­ren die Rah­men­be­din­gun­gen für Über­set­zung und Ver­brei­tung der hand­schrift­li­chen Über­lie­fe­rung, den Umgang mit dem antik-paga­nen Mythos Her­mes Tris­me­gi­stos im christ­li­chen Umfeld des Mit­tel­al­ters, die sozia­len Milieus und intel­lek­tu­el­len Befind­lich­kei­ten der Rezi­pi­en­ten und die Aus­prä­gun­gen und Umfor­mun­gen des Her­mes-Mythos im Wan­del der Rezep­ti­ons­mo­ti­ve. Wich­ti­ge Ergeb­nis­se der Unter­su­chung las­sen sich in fol­gen­den The­sen zusam­men­fas­sen: Mit dem Aus­klang der Anti­ke erfolg­te kein radi­ka­ler Abbruch der Tra­di­ti­ons­bil­dung um Her­mes in der abend­län­disch-latei­ni­schen Lite­ra­tur, die hand­schrift­li­che Über­lie­fe­rung und die Aus­le­gung der Kir­chen­vä­ter sorg­ten für Kon­ti­nui­tä­ten. Ab dem 12. Jahr­hun­dert mach­ten sich neue Impul­se in der Rezep­ti­on bemerk­bar. Zum einen ver­lieh der Rück­griff auf die Auto­ri­tät des Her­mes im Wett­streit der Schu­len wach­sen­des Pre­sti­ge in den gelehr­ten Aus­ein­an­der­set­zun­gen, zum ande­ren eröff­ne­ten die Über­set­zun­gen neu­er Tex­te aus dem Grie­chi­schen und Ara­bi­schen eine Viel­zahl neu­er her­me­ti­scher Tra­di­tio­nen, die im Kon­text der Aneig­nung neu­en Wis­sens und neu­er Wis­sen­schafts­stan­dards gese­hen wur­den. Bis zum Ende des 13. Jahr­hun­derts war der Trans­fer von Her­me­ti­ca natur­kund­li­chen, alche­mi­schen, astro­lo­gi­schen und magi­schen Inhalts weit­ge­hend abge­schlos­sen und die fol­gen­den Jahr­hun­der­te bau­ten in ihrer Aus­ein­an­der­set­zung auf die­sem mit­tel­al­ter­li­chen Bestand auf. Ein spe­zi­fi­sches Milieu von Rezi­pi­en­ten in Geheim­ge­sell­schaf­ten oder her­me­ti­schen Zir­keln lässt sich für das Mit­tel­al­ter nicht fest­stel­len, war doch die Beschäf­ti­gung mit den Her­me­ti­ca mit kei­nen sank­ti­ons­be­haf­te­ten Tabus ver­bun­den. Gleich­wohl erweist sich die Aneig­nung der Auto­ri­tät des Her­mes als viel­fäl­tig und ori­gi­nell mit zustim­men­den wie ableh­nen­den Kon­no­ta­tio­nen. Das ver­brei­te­te Dik­tum, wonach die Her­mes-Rezep­ti­on ein epo­chen­spe­zi­fi­sches Phä­no­men der Renais­sance sei und mit­tel­al­ter­li­che Spu­ren allen­falls als mar­gi­na­les Vor­spiel betrach­tet wer­den kön­nen, wird durch die Stu­die auf brei­ter Basis widerlegt.

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