Marco Tosatti veröffentlichte die Zuschrift von Monsignore X. Tosatti gehört zu den bekanntesten Journalisten Italiens. Viele Jahre war er Vatikan-Korrespondent der Tageszeitung La Stampa und schrieb auch für deren Online-Plattform Vatican Insider, aber auch für andere führende Medien wie die Tageszeitung Il Giornale. Seit 2011 betreibt er den Blog Stilum Curiae, auf dem er Kommentare zur katholischen Kirche veröffentlicht und das Pontifikat von Papst Franziskus kritisch begleitet.
Die Identität von Monsignore X ist in der Öffentlichkeit nicht bekannt. Es wird jedoch angenommen, daß es sich um einen hochrangigen Priester oder sogar Bischof handelt, der tiefgehende Einblicke in die katholische Kirche hat und möglicherweise in der römischen Hierarchie tätig ist. Die Anonymität bietet die Möglichkeit, auf kritische Aspekte hinzuweisen, und schützt vor persönlichen Repressalien. Hier nun die jüngste Zuschrift von Monsignore X an Marco Tosatti:
„Lieber Tosatti,
gestern habe ich mich gefragt, weshalb eine Seele, die nach Heiligkeit strebt, sich einer anderen ‚überlegen‘ fühlen sollte und damit das Risiko des ‚Pharisäertums‘ eingeht. Wäre dies der Fall, würden wir nicht von einer Seele sprechen, die nach Heiligkeit strebt, sondern eher von einer Seele, die sich darin täuscht, die Heiligkeit anzustreben.
Wo aber begegnet man solchen Seelen jemals? Vielleicht in den Romanen jener, die die Religion hassen und die Gläubigen lächerlich machen wollen?
Welche Romane mag also lesen, wer sich davon überzeugt hat, daß es in der Katholizität Seelen gibt, die sich überlegen fühlen, weil sie Gutes tun? Immer Er? Er, Er, Er?
Der Avvenire schrieb am 28. November über die Audienz für die Akademische Gemeinschaft des Päpstlichen Instituts Johannes Paul II. [die am 25.11. stattfand]. Der Papst sagte [den Anwesenden, die kräftig applaudierten]:
‚Geschieden, wiederverheiratet, zusammenlebend, die Kirche öffnet ihre Türen weit für alle, alle, alle.‘
Zugleich forderte er die ‚regulären‘ Paare auf, sich ’nicht überlegen zu fühlen‘, denn es besteht ‚die Gefahr des Pharisäertums‘ (d. h. sich als Heuchler, Formalisten, Schönfärber zu erweisen).
Lieber Tosatti, ich erwarte, daß er beim nächsten Mal normale (und katholische) Paare mit einer gefährlichen Tendenz zum ‚Pharisäertum‘ auffordern wird, sich zu trennen, sich scheiden zu lassen und zusammenzuleben, um mit ihrem Verhalten nicht die anderen zu demütigen, die der Papst so liebt.
Ich nutze diese Gelegenheit, um eine Überlegung zu dem sehr langwierigen und ewigen Streit über die Legitimität oder Nichtlegitimität dieses Pontifex anzustellen.
Ich bejahe, daß er Papst ist, gewiß, ich bin mir dessen sicher.
Aber er ist der Papst einer anderen Kirche.
Vielleicht ist das der entscheidende Punkt.
Er ist der Papst einer Kirche, in der man durch die päpstliche Lehre nicht gerettet, sondern verdammt wird. Alle, alle, alle …
Es ist nicht die Kirche des Vaterunsers von ‚Dein Reich komme‘, von ‚Dein Wille geschehe‘, von ‚erlöse uns von dem Bösen‘. Nein, nein, nein.“
Der Bischof rechts im Bild oben, der mit besonderer Geste seine Begeisterung für Papst Franziskus zum Ausdruck brachte, ist Msgr. Vincenzo Paglia, jener Papstvertraute, der ab dem Sommer 2016 im Auftrag von Franziskus das von Johannes Paul II. zur Verteidigung von Ehe und Moral gegründete Päpstliche Institut Johannes Paul II. für Studien zu Ehe und Familie zertrümmerte und als Neugründung von Franziskus und unter einem anderen Namen neu erstehen ließ – mit neuer Ausrichtung.
Mit der päpstlichen Wortmeldung stand die erschütternde Frage im Raum, warum dann Paare, die im Sakrament der Ehe leben, sich an die Gebote halten, dies überhaupt tun (sollen), wenn der Papst jede andere Form zwischenmenschlicher Beziehungen faktisch für gleichwertig erklärt.
Der Avvenire, die Tageszeitung der italienischen Bischöfe, sah sich genötigt, gleich am nächsten Tag, dem 29. November, einen Kommentar von Luciano Moia, dem Ressortleiter „Familie und Leben“ nachzuschieben, mit dem erklärt werden sollte, daß Franziskus schon das Ehesakrament hochhalte und dieses weiterhin die Grundlage der kirchlichen Ehe- und Familienlehre sei, weil es schon einen Unterschied zwischen „regulären“ und „irregulären“ Paaren gebe.
Dieses Ritual ist bekannt, seit Franziskus auf dem Stuhl Petri sitzt. Die Kirche sehnt sich jedoch nach einem Papst, der klare Worte spricht, ohne daß es nachträgliche Zusätze, Fußnoten, Richtigstellungen und ellenlange Interpretationen Dritter braucht. Tatsache ist, daß diese Auslegungen zudem in den meisten Fällen über keinerlei Autorität verfügen, wie auch der genannte Kommentar im Avvenire.
Franziskus hat am 25. November wieder einmal einen Stein in den Teich geworfen, wie er es so gerne tut, und läßt ihn nun Kreise ziehen. Es sind Kreise der Auflösung und der Zersetzung. In der Tat setzten die ersten konkreten Maßnahmen von Franziskus 2013 bei der Auflösung der kirchlichen Ehe- und Morallehre an, als er die Familiensynode einberief. In dem nachsynodalen Schreiben Amoris laetitia von 2016 findet sich die faktische Gleichstellung regulärer und irregulärer Situationen, nicht nur heterosexueller, sondern auch homosexueller.
Text/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)
Die Kirche öffnet ihre Türen weit für alle, alle, alle? – Für Geschiedene, Wiederverheiratete, Zusammenlebende?
Das gilt aber nicht für normale Katholiken, die ihr Leben nach der traditionellen Lehre und Liturgie ausrichten:
https://de.catholicnewsagency.com/news/8097/wie-ein-museum-totenstille-im-petersdom-nach-verbot-heiliger-messen-durch-vatikan
Was würde Theo Lingen sagen? „Das ist traurig, traurig, traurig!“
Leider ist es nur allzu wahr: Diesem Papst ist im Grunde nichts heilig, weil im alles eben alles ist. Doch allmählich wird das so egalitär, dass es sich immer mehr selbst entlarvt. Am Ende steht ein Pontifikat, das von der Freimaurerei ebenso geprägt ist wie von Apostasie. Eine ziemliche Pleite, würde ich sagen.