Den Glauben bewahren in dunkler Zeit

Interview mit Bischof Athanasius Schneider


Rom

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der gehört zu den pro­fi­lier­te­sten Bischö­fen der katho­li­schen Kir­che. Er ist unter den rund 5000 Ober­hir­ten der Welt­kir­che eine her­aus­ra­gen­de Stim­me zur Ver­tei­di­gung der katho­li­schen Tra­di­ti­on. Agu­stín De Beitia von der argen­ti­ni­schen Tages­zei­tung La Pren­sa erin­ner­te in die­sen Tagen an einen anony­men Kom­men­tar, den er vor zehn Jah­ren in den sozia­len Netz­wer­ken ent­deckt hat­te. Dar­in hieß es: „Um heu­te einen recht­gläu­bi­gen Bischof zu fin­den, muß man bis nach Kasach­stan gehen.“ Damit war Msgr. Schnei­der gemeint, der Weih­bi­schof von Ast­a­na ist. Als Schwarz­meer­deut­scher, des­sen Eltern und Groß­el­tern unter Sta­lin in den Ural depor­tiert wur­den und dann nach Kir­gi­si­en zogen, wuchs er unter der Sowjet­herr­schaft auf. Er erleb­te aus eige­ner Erfah­rung, was es bedeu­tet, den Glau­ben im Ver­bor­ge­nen zu leben. Schließ­lich gelang der Fami­lie die Aus­rei­se in die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, wo man die Frei­heit zu fin­den erhoff­te, aller­dings bald fest­stel­len muß­te, wie sehr auch die Frei­heit ver­zerrt wer­den kann – auch in der Kir­che.
Nach „Domi­nus est“ über die hei­li­ge Kom­mu­ni­on und „Chri­stus vin­cit“, einem Gesprächs­buch mit Dia­ne Mon­tagna, ver­öf­fent­lich­te Bischof Schnei­der 2023 „Cre­do“, ein Kom­pen­di­um des katho­li­schen Glau­bens, von dem nach einer eng­li­schen, fran­zö­si­schen und ita­lie­ni­schen Aus­ga­be in die­sen Tagen auch eine spa­ni­sche vor­ge­legt wur­de. Von Kolum­bi­en bis Argen­ti­ni­en, der Hei­mat von Papst Fran­zis­kus, ist „Cre­do“ bereits im Buch­han­del erhält­lich. Agu­stín De Beitia ver­öf­fent­lich­te aus die­sem Anlaß in La Pren­sa ein aus­führ­li­ches Inter­view mit Bischof Schnei­der. Hier der Text:

Anzei­ge

Agu­stín De Beitia: Exzel­lenz, es gibt eine mas­si­ve Abkehr vom Glau­ben in der Welt. Es han­delt sich nicht mehr um den Abfall ein­zel­ner Per­so­nen, son­dern um die Abkehr gan­zer Bevöl­ke­run­gen vom Glau­ben, die die sozia­le und poli­ti­sche Ord­nung nicht mehr mit christ­li­chen Kri­te­ri­en durch­drin­gen. In dem Maße, in dem alle Begier­den, Moden und Brü­che mit der Ver­gan­gen­heit ange­sta­chelt wer­den, wird eine Spur von zer­stör­ten Häu­sern hin­ter­las­sen, und dau­er­haf­te, glück­li­che Fami­li­en wer­den eher die Aus­nah­me als die Regel. Sie spra­chen von einem neu­en Hei­den­tum, das die Chri­sten wie in den ersten Jahr­hun­der­ten der Geschich­te an den Rand drängt. Kön­nen Sie die­sen Ver­gleich näher erläutern?

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Ja, die­ser Pro­zeß der Abkehr vom christ­li­chen Glau­ben und vom sitt­li­chen Leben, dem Leben, das dem christ­li­chen Geist und dem Natur­recht ent­sprach, ist seit meh­re­ren Jahr­hun­der­ten im Gan­ge. Die­ser Geist, den man als Säku­la­ris­mus bezeich­nen kann, will das sozia­le, poli­ti­sche und öffent­li­che Leben ohne jeden Bezug zum Glau­ben oder zur Reli­gi­on gestal­ten. Es ist ein voll­stän­di­ges Ein­tau­chen in ein mate­ria­li­sti­sches, kon­sum­ori­en­tier­tes Leben und nichts ande­res. Die­se Art des sozia­len und öffent­li­chen Lebens wur­de seit der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on geför­dert. Nach und nach ver­brei­te­te sich die­ser Geist des prak­ti­schen Mate­ria­lis­mus. Wir haben zwei Kräf­te im öffent­li­chen Leben: den säku­la­ren Geist der Frei­mau­rer­be­we­gung und den Geist des Kom­mu­nis­mus, des Sozia­lis­mus. Wäh­rend der Zeit des offi­zi­el­len Kom­mu­nis­mus in der Sowjet­uni­on war der Ost­block in den for­ma­len Mate­ria­lis­mus, die Staats­ideo­lo­gie, ein­ge­taucht. Zur glei­chen Zeit fand im soge­nann­ten „frei­en“ Westen ein par­al­le­ler Pro­zeß hin zum prak­ti­schen Mate­ria­lis­mus statt. Und jetzt, nach dem Zusam­men­bruch des sowje­tisch-kom­mu­ni­sti­schen Systems, umfaßt die­se Bewe­gung des Lebens ohne Gott, ohne Reli­gi­on, bereits alle. Dann wur­de ein wei­te­rer Schritt unter­nom­men: ein Fron­tal­an­griff auf das Natur­recht selbst und auf den gesun­den Men­schen­ver­stand, von öffent­li­chen und pri­va­ten Orga­ni­sa­tio­nen. Die Gen­der-Ideo­lo­gie will die Fami­lie und die Ehe selbst abschaf­fen, die von einem Mann und einer Frau gebil­det wird. Und jetzt haben wir den letz­ten, gefähr­lich­sten Schritt: einen Angriff und eine öffent­li­che Mani­fe­sta­ti­on der rei­nen Blas­phe­mie gegen Gott, genau­er gesagt gegen Chri­stus und gegen den katho­li­schen Glau­ben, durch Fil­me, Thea­ter und öffent­li­che Ver­an­stal­tun­gen. Das sieht man in Euro­pa sehr oft. Es geht nicht gegen den Islam, nicht gegen die Juden, nicht gegen Bud­dha, son­dern gegen Chri­stus, gegen die Got­tes­mut­ter, gegen das Aller­hei­lig­ste Sakra­ment. Das ist ein ähn­li­ches Phä­no­men wie vor zwei­tau­send Jah­ren, zur Zeit der Chri­sten­ver­fol­gung. Beach­ten Sie, daß in den ersten Jahr­hun­der­ten der Ver­fol­gung der Kir­che die Chri­sten als Fein­de der Mensch­heit betrach­tet wur­den. Sie waren Objek­te des Has­ses. Und ein Christ zu sein, war in der römi­schen Gesell­schaft fast iden­tisch mit einer Per­son, die gehaßt wurde.

Agu­stín De Beitia: Wie heu­te…

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Was wir heu­te sehen, ist ähn­lich. Wenn man heu­te ver­tei­digt, daß es nur zwei natür­li­che Geschlech­ter gibt, wenn man die natür­li­che Ehe ver­tei­digt oder sagt, daß homo­se­xu­el­le Hand­lun­gen der mensch­li­chen Natur wider­spre­chen, dann wird man des Has­ses bezich­tigt. Ich habe das in der Sowjet­uni­on erlebt. Ich weiß sehr gut, was ideo­lo­gi­scher Tota­li­ta­ris­mus bedeu­tet. In der Sowjet­uni­on wur­de eine Per­son, die im Wider­spruch zur öffent­li­chen Ideo­lo­gie stand, beschul­digt, ein Volks­feind zu sein. Ist es nicht inter­es­sant, dies im Lich­te des­sen zu sehen, was heu­te geschieht? Heu­te sind wir, wie die ersten Chri­sten, eine klei­ne Gemein­schaft inmit­ten einer bereits mora­lisch kor­rum­pier­ten Gesell­schaft. Wir müs­sen Zeu­gen sein und die Men­schen­wür­de gemäß dem Natur­recht verteidigen.

Agu­stín De Beitia: Die­se Redu­zie­rung der Gemein­schaft der katho­li­schen Gläu­bi­gen auf ein Extrem, das mit dem der Urkir­che ver­gleich­bar ist, ist sug­ge­stiv. Man kann sie in escha­to­lo­gi­scher Hin­sicht sehen, nicht wahr? Sie scheint ein Echo auf die Wor­te unse­res Herrn zu sein, der sag­te: „Wenn ich wie­der­kom­me, wer­de ich dann auf der Erde noch Glau­ben vorfinden?“

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Genau. Das ist rich­tig. Im Buch der Offen­ba­rung, dem letz­ten Buch der Bibel, sehen wir, daß die Welt immer anti­christ­li­cher wird, immer mehr Haß gegen die Chri­sten und immer mehr Angrif­fe. Und in die­sem Buch sind die christ­li­chen Gemein­schaf­ten in der Min­der­heit. Chri­stus selbst hat im Evan­ge­li­um von der klei­nen Her­de gespro­chen. Aber wir müs­sen evan­ge­li­sie­ren und den Geist Chri­sti und der Hoff­nung in unse­re Zeit, in unse­re Gesell­schaft bringen.

Agu­stín De Beitia: Wir haben vor­hin von die­sem neu­en Hei­den­tum in der Welt gespro­chen. Und es war zu erwar­ten, daß die­se Men­ta­li­tät auch in der Kir­che Ein­zug hal­ten wür­de. Heut­zu­ta­ge ist es schwer, Prie­ster an ihrer Klei­dung, ihrer Spra­che oder ihrer dok­tri­nä­ren Hal­tung zu erken­nen. Wir kom­men an den Punkt, an dem wir unse­ren Kin­dern sagen müs­sen, daß das, was sie gera­de in der Pre­digt gehört haben, nicht rich­tig ist oder daß Mäd­chen kei­ne Mini­stran­tin­nen sein soll­ten oder daß Lai­en die Eucha­ri­stie nicht aus­tei­len soll­ten. Wir müs­sen unse­re Kin­der vor dem ver­tei­di­gen, was unse­re eige­nen Hir­ten ihnen sagen! Es ist unvor­stell­bar. Ist dies eine Zeit der Finsternis?

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Ja, das ist sie sicher­lich. Ich stim­me mit Ihrer Beob­ach­tung über­ein. Das erin­nert mich dar­an, daß Joseph Ratz­in­ger, der spä­te­re Papst Bene­dikt XVI., vor 60 Jah­ren, als er noch Theo­lo­gie­pro­fes­sor war, einen Arti­kel schrieb, in dem er sag­te, daß die Zeit kom­men wird, in der die Kir­che Men­schen getauft haben wird, die zwar for­mal katho­lisch, aber in Wirk­lich­keit Hei­den sind. Eine inter­es­san­te Über­le­gung. Pro­phe­tisch. Der welt­li­che Geist ist bereits in die Kir­che ein­ge­drun­gen. Die­se Kri­se hat mit dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil vor 60 Jah­ren begon­nen und ist all­mäh­lich in das Leben der Kir­che ein­ge­drun­gen und ange­wach­sen. Es ist eine Bewe­gung der Anpas­sung an die Welt. Schon der hei­li­ge Pau­lus warn­te die Chri­sten im Römer­brief, sich nicht dem Geist der Welt anzu­pas­sen. Dies ist bereits gesche­hen. Es ist ein natu­ra­li­sti­scher Geist, d. h. ohne eine über­na­tür­li­che Visi­on. Es ist eine anthro­po­zen­tri­sche Sicht­wei­se, die sich nur auf den Men­schen kon­zen­triert. Und die Welt will kei­ne kla­re Leh­re in der Reli­gi­on, son­dern Zwei­deu­tig­keit. Die Welt will eine Super­markt­re­li­gi­on, in der man sich bedie­nen kann, was man will. Wir müs­sen die kirch­li­che, theo­lo­gi­sche Spra­che fal­len las­sen und eine flie­ßen­de, vage Spra­che ver­wen­den, um der Welt zu gefal­len. Das­sel­be gilt für die Lit­ur­gie. Die Lit­ur­gie muß also eine mensch­li­che Begeg­nung sein, nicht hei­lig, nicht über­na­tür­lich, nicht erha­ben. Die­se von Ihnen erwähn­te Her­ab­stu­fung der Lit­ur­gie ist eine Anpas­sung an die pro­te­stan­ti­schen Gemein­schaf­ten, die kei­ne fei­er­li­che Lit­ur­gie haben. Sie haben von Pre­dig­ten gespro­chen: Wir müs­sen unse­re Kin­der vor den Pre­dig­ten schlech­ter Prie­ster schüt­zen. All das ist Aus­druck einer sehr ern­sten inne­ren Kri­se in der Kir­che. Aber wir dür­fen nicht aus den Augen ver­lie­ren, daß die Kir­che immer in der Hand Chri­sti ist. Selbst in den kata­stro­phal­sten Zei­ten. Wir dür­fen nicht ver­ges­sen, daß in die­sen Zei­ten die Lai­en, die Ein­fa­chen, die Klei­nen in der Kir­che den Instinkt für den katho­li­schen Glau­ben bewah­ren, den sie in der Tau­fe und der Fir­mung erhal­ten haben: Es ist der Wunsch nach einem rei­nen katho­li­schen Glau­ben, der Wunsch nach einer wür­di­gen, hei­li­gen Lit­ur­gie, nach wür­di­gen Prie­stern, nach Prie­stern, die Män­ner Got­tes sind. Gott sei Dank nimmt die­ses Phä­no­men in vie­len Tei­len der Welt zu.

Agu­stín De Beitia: Beob­ach­ten Sie es auch?

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Ich kann das bei der Jugend beob­ach­ten, und das ist ein Grund zur Hoff­nung. Es fin­det eine Erneue­rung der Kir­che statt. Die Chri­sten sind bereits eine Min­der­heit in der gan­zen Welt, und die­se wah­ren Katho­li­ken, das sage ich Ihnen, sind ihrer­seits eine Min­der­heit in der Min­der­heit. Aber Gott liebt die Klei­nen und hat die Mäch­ti­gen in der Geschich­te immer gegen die Klei­nen getauscht. So han­delt Gott auch in unse­rer Zeit.

„Cre­do“, der von Bischof Atha­na­si­us Schnei­der zusam­men­ge­stell­te Kate­chis­mus des katho­li­schen Glau­bens, liegt bereits in ita­lie­ni­scher, fran­zö­si­scher, eng­li­scher und nun auch spa­ni­scher Aus­ga­be vor

Agu­stín De Beitia: Neben die­sen tröst­li­chen Zei­chen zeigt sich lei­der auch, daß die Kri­se in der Kir­che noch einen Schritt wei­ter­ge­gan­gen ist. Und das Pro­blem ist nun, daß der Tota­li­ta­ris­mus und der Haß auf den tra­di­tio­nel­len Glau­ben, von dem wir vor­hin gespro­chen haben, nicht mehr nur aus der Welt kommt, son­dern aus der Struk­tur der Kir­che selbst. Es ist der Haß auf die Tra­di­ti­on, auf die Lit­ur­gie und auf die tra­di­tio­nel­le Glau­bens­leh­re. Das ist eine neue und erschrecken­de Situation.

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Ich stim­me zu.

Agu­stín De Beitia: Bei die­ser Beob­ach­tung fra­ge ich mich, ob wir nicht auf eine Situa­ti­on zusteu­ern, die Sie bereits ken­nen. Sie, der Sie in der Sowjet­uni­on auf­ge­wach­sen sind und den Tota­li­ta­ris­mus erlebt haben, wer­den wis­sen, was ein Glau­bens­le­ben im Unter­grund ist. Ich fra­ge mich, ob wir nicht auf einen Glau­ben und eine Lit­ur­gie zusteu­ern, die im Ver­bor­ge­nen gelebt wer­den müs­sen, um dem Haß der Kir­che selbst zu entgehen.

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Ich wür­de nicht sagen, von der Kir­che selbst. Die Kir­che ist immer unse­re Mut­ter und hei­lig. Es wird aber not­wen­dig sein, sich vor jenen Unter­wan­de­rern zu schüt­zen, die vom welt­li­chen Geist beseelt sind, die hohe kirch­li­che Ämter besetzt haben, die nicht mehr den Glau­ben haben und des­halb die Wahr­heit has­sen, in der Leh­re, in der Lit­ur­gie. Die­se Kar­di­nä­le, Bischö­fe und Prie­ster miß­brau­chen ihr kirch­li­ches Amt, sodaß an man­chen Orten die guten katho­li­schen Gläu­bi­gen, die ein­fach den Glau­ben der Hei­li­gen, den Glau­ben von immer, die Lit­ur­gie von immer, von ihren Vor­fah­ren, von den Hei­li­gen wol­len, die Mes­se heim­lich oder semi-klan­de­stin fei­ern müs­sen, sogar inner­halb der Struk­tur der offi­zi­el­len Kirche.

Agu­stín De Beitia: Ken­nen Sie Prä­ze­denz­fäl­le für die­ses Phänomen?

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Das ist ein sehr sel­te­nes Phä­no­men, das aber im 4. Jahr­hun­dert auf­trat, als der Aria­nis­mus auch die hohen kirch­li­chen Ämter besetz­te und die guten Gläu­bi­gen auch aus den Kir­chen ver­trie­ben wur­den. Aber sol­che Zei­ten sind immer rela­tiv kurz. Dann enden sie und Gott greift wie­der ein. Und das wird auch heu­te der Fall sein. Aber die­se Prie­ster und Gläu­bi­gen müs­sen, auch wenn sie die Mes­se auf die­se Wei­se fei­ern müs­sen, immer den wah­ren, katho­li­schen, kirch­li­chen Geist bewah­ren. Das heißt, für den Papst zu beten, ihn anzu­er­ken­nen, nicht die­sen soge­nann­ten sedis­va­kan­ti­sti­schen Bewe­gun­gen oder ande­ren sek­tie­re­ri­schen Strö­mun­gen zu fol­gen. Immer für den Orts­bi­schof zu beten. Und eine Lie­be auch für die­se Hir­ten zu bewah­ren auch dann, wenn sie lei­der ver­folgt wer­den. Das ist der wah­re katho­li­sche christ­li­che Geist. Wir müs­sen auch jene Prie­ster der tra­di­tio­nel­len Leh­re, der Lit­ur­gie, mei­den, die zu Lei­tern eines kirch­li­chen Ghet­tos ohne jeden Obe­ren wer­den. Das kann nicht sein. Wir müs­sen nach Prie­stern mit gesun­dem Men­schen­ver­stand und Lie­be zur Kir­che suchen, die einen Vor­ge­setz­ten haben, einen Prie­ster oder einen Bischof. Wir befin­den uns in einer Not­si­tua­ti­on. Aber wir müs­sen so weit wie mög­lich inner­halb der offi­zi­el­len Struk­tu­ren der Kir­che wei­ter­ar­bei­ten. Denn die Fein­de haben einen gro­ßen Teil der kirch­li­chen Ämter besetzt. Aber es sind unse­re Ämter, es ist unse­re Kir­che. Ich glau­be, daß die­se Kri­se nur durch ein gött­li­ches Ein­grei­fen gelöst wer­den kann. Wir wis­sen nicht, wann und wie. Aber Gott muß ein­grei­fen, und er wird uns Päp­ste schen­ken, die stark und mutig sind und den katho­li­schen Glau­ben verteidigen.

Agu­stín De Beitia: Sie haben vor­hin auf den Aria­nis­mus hin­ge­wie­sen. Bei einer ande­ren Gele­gen­heit haben Sie auch auf zwei ande­re mög­li­che Ver­glei­che mit dem hin­ge­wie­sen, was heu­te in der Kir­che geschieht. Sie haben das zehn­te Jahr­hun­dert oder „dunk­le Jahr­hun­dert“ und die Kri­se von Avi­gnon erwähnt. Was hat es damit auf sich?

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Ja, weil die aria­ni­sche Kri­se in der gesam­ten Kir­che so weit ver­brei­tet war. Die Mehr­heit des Epi­sko­pats akzep­tier­te die Häre­sie. Die Katho­li­ken, die die Gött­lich­keit Chri­sti ver­tei­dig­ten, waren eine klei­ne Min­der­heit und wur­den aus­ge­grenzt. Das ist dem, was wir heu­te erle­ben, sehr ähn­lich.
Was wäh­rend des dunk­len Jahr­hun­derts, des zehn­ten Jahr­hun­derts, geschah, war eine gro­ße Kri­se des Papst­tums selbst. Das Papst­tum, der Hei­li­ge Stuhl, befand sich in den Hän­den römi­scher Mafia­grup­pen. Die Mafia besetz­te den Hei­li­gen Stuhl und setz­te ver­kom­me­ne, unwür­di­ge Söh­ne auf den Stuhl Petri! Des­halb wur­de es auch das dunk­le Jahr­hun­dert genannt. Aber die­se Päp­ste gal­ten als gül­tig und sie ernann­ten auch recht­mä­ßi­ge Bischö­fe. Die Kir­che hat die­se Zeit über­lebt. Und dann griff Gott wie­der ein und schenk­te uns hei­li­ge Päp­ste, wie Gre­gor VII. und sogar die Gre­go­ria­ni­sche Reform im 11. Jahr­hun­dert.
Was die ande­re Kri­se betrifft, die von Avi­gnon, so hat der Hei­li­ge Stuhl Rom ver­las­sen. Auch das wider­spricht der Struk­tur der Kir­che, denn der Stuhl Petri befin­det sich in Rom und nicht anders­wo. Die­ses Exil war also eine sehr star­ke Anoma­lie, die 70 Jah­re dau­er­te. Und als die Päp­ste nach Rom zurück­kehr­ten, war die Kri­se auch nicht gelöst. Es begann die Zeit der Renais­sance, eines neu­heid­ni­schen Huma­nis­mus, und dann kamen die Renais­sance-Päp­ste, die eben­falls unmo­ra­lisch waren. Es gab nicht so vie­le von ihnen, aber eini­ge Fäl­le waren sehr trau­rig wie Alex­an­der VI. Die­se drei Zei­ten, so möch­te ich sagen, waren sehr tie­fe Kri­sen, die etwa 70 oder höch­stens 80 Jah­re andau­er­ten. Heu­te erwar­ten wir, daß Gott jetzt ein­greift, denn die­se Kri­se ist spek­ta­ku­lär, ein­zig­ar­tig. Denn die Kri­se durch­dringt heu­te alle Ebe­nen, die Leh­re, das mora­li­sche Leben, die Lit­ur­gie, alles. Vor allem der Rela­ti­vis­mus der Leh­re, der die Grund­la­ge unse­res Glau­bens zer­stört. Wenn es kei­ne bestän­di­ge Wahr­heit gibt, wenn die Wahr­heit sich ändert, wenn sie sich ver­schiebt, wenn sie sich bewegt, dann haben wir nichts Siche­res zu glau­ben. Das ist die Grund­krank­heit des heu­ti­gen kirch­li­chen Lebens, der lehr­mä­ßi­ge, mora­li­sche und lit­ur­gi­sche Relativismus.

Agu­stín De Beitia: Die­ser lehr­mä­ßi­ge Rela­ti­vis­mus ist um so schwer­wie­gen­der, als er auf einer vor­aus­ge­gan­ge­nen Kri­se beruht: der Kri­se der Wahr­heit. Der Begriff der Wahr­heit ist von der rea­len Welt abge­kop­pelt. Sie haben soeben per Video­schal­tung an einer Kon­fe­renz teil­ge­nom­men, die hier in Bel­la Vista vom Katho­li­schen Bil­dungs­kreis des Hei­li­gen Bern­hard von Clairvaux orga­ni­siert wur­de und die den Titel „Lie­be und Wahr­heit in Zei­ten der Defi­ni­tio­nen“ trug. Gibt es eine Kri­se der Wahrheit?

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Ja, genau. Das ist der Geist der moder­nen Phi­lo­so­phie. Wir sind nicht in der Lage, eine Wahr­heit als Rea­li­tät anzu­er­ken­nen, also kön­nen wir nicht auf phi­lo­so­phi­scher, geschwei­ge denn theo­lo­gi­scher Ebe­ne spre­chen und Wahr­heits­an­sprü­che stel­len. Der Kan­ti­a­nis­mus ist neben der Phi­lo­so­phie Hegels sehr stark in das Leben der Kir­che ein­ge­drun­gen und ist heu­te in vie­len Semi­na­ren und theo­lo­gi­schen Fakul­tä­ten sehr prä­sent. Aber unser Glau­be beruht auf der mensch­li­chen Fähig­keit, die unver­än­der­li­che Wahr­heit zu erken­nen und von ihr zu spre­chen, so wie sie ist, unver­än­der­lich. Das ist Gott, Chri­stus, der die Wahr­heit selbst ist. Die Wahr­heit, der Weg, das Leben. Die ein­zi­ge sta­bi­le Wahr­heit für die heu­ti­ge Welt ist das Finanz­we­sen, die Mathe­ma­tik. Alle ande­ren Wahr­heits­be­grif­fe hän­gen in der Luft. Aber die Kir­che ist der feste Fels. Wir müs­sen beten, daß der Hei­li­ge Stuhl, die Päp­ste, sich so zei­gen kön­nen, fest, aus Lie­be zu Chri­stus, aus Lie­be zu den See­len, um die See­len aus der Unwis­sen­heit zu ret­ten und das ein­zi­ge Licht zu brin­gen, das wah­re Licht Chri­sti. Das ist die Wahr­heit. Und auch wir müs­sen die­se wah­re Befrei­ung brin­gen, die Befrei­ung von der Dun­kel­heit, und das Glück und die Freu­de der Wahr­heit bringen.

Agu­stín De Beitia: Nach all dem, wor­über wir gespro­chen haben, ist es nicht ver­wun­der­lich, daß Ihr neue­stes Buch, „Cre­do“, ein Kom­pen­di­um des katho­li­schen Glau­bens ist und daß Sie es in einer Abhand­lung mit dem Titel „Den Glau­ben bewah­ren“ vor­ge­legt haben. War­um haben Sie sich ent­schlos­sen, die­ses Buch zu schrei­ben, und war­um einen Kate­chis­mus, wo es doch schon den von Johan­nes Paul II. gibt?

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Es war nicht mei­ne Initia­ti­ve, es zu schrei­ben. Ich wur­de qua­si von gläu­bi­gen Lai­en dazu gedrängt, die mich dar­um baten. Ich habe das akzep­tiert, weil ich die Not­wen­dig­keit erkann­te, ange­sichts der weit ver­brei­te­ten und tief­grei­fen­den Ver­wir­rung über die Leh­re in der Kir­che. Und ich habe es als Geste der Lie­be zu den Gläu­bi­gen getan. Des­halb habe ich mich für eine tra­di­tio­nel­le­re Fra­ge-Ant­wort-Form ent­schie­den, denn der offi­zi­el­le Kate­chis­mus der Kir­che ist nicht in die­ser Form, son­dern ein Trak­tat, was für eini­ge Gläu­bi­ge schwe­rer zu ver­ste­hen ist. Und es gibt auch neue Fra­gen und Pro­ble­me, die ich anspre­che, sowie eini­ge klei­ne Unklar­hei­ten, die in eini­gen Tei­len des offi­zi­el­len Kate­chis­mus der Kir­che zu fin­den sind und die ich ver­sucht habe mit Zita­ten aus dem tra­di­tio­nel­len Lehr­amt auf­zu­klä­ren und ein­deu­ti­ger dar­zu­stel­len. Das war mei­ne Absicht, und ich hof­fe, daß es eine Hil­fe für das Glau­bens­le­ben, für die Gläu­bi­gen, für die Semi­na­ri­sten und für alle Men­schen sein kann, die auf­rich­tig nach der Wahr­heit suchen.

Agu­stín De Beitia: Wel­ches sind die neu­en Themen?

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Gen­der-Ideo­lo­gie, zum Bei­spiel. Die Freimaurerei…

Agu­stín De Beitia: Behan­deln Sie in Ihrem Buch auch eini­ge der Zwei­deu­tig­kei­ten des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Konzils?

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Ich erwäh­ne zwei­deu­ti­ge Aus­drücke in den Tex­ten des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils. Es sind nur ein oder zwei. Und auch zwei­deu­ti­ge Aus­drücke im Kate­chis­mus selbst. Sie bezie­hen sich auf die­se Ten­denz, die Ein­zig­ar­tig­keit des katho­li­schen Glau­bens zu rela­ti­vie­ren. Ein­zig­ar­tig­keit bedeu­tet, daß der katho­li­sche Glau­be die ein­zig wah­re, von Gott gewoll­te Reli­gi­on ist. Eini­ge Äuße­run­gen des Kon­zils rela­ti­vie­ren die­se Wahr­heit und räu­men ein, daß auch ande­re christ­li­che Reli­gio­nen ein Weg sind. Das schafft Ver­wir­rung und schwächt die Gül­tig­keit des katho­li­schen Glau­bens, der katho­li­schen Kir­che. Dann spre­che ich eini­ge der rela­ti­vi­sti­schen Äuße­run­gen von Papst Fran­zis­kus über alle Reli­gio­nen und das Pro­blem an, daß Geschie­de­ne die Kom­mu­ni­on emp­fan­gen kön­nen, was Papst Fran­zis­kus der Kir­chen­pro­vinz Bue­nos Aires for­mell gewährt hat. Das ist ein Pro­blem, zu dem wir nicht schwei­gen dür­fen. Wir müs­sen es respekt­voll, aber deut­lich anspre­chen, denn es ist etwas, das die gan­ze Kir­che betrifft. Und schließ­lich gehe ich auf die Unzu­läng­lich­kei­ten in eini­gen Tei­len der neu­en Mes­se aus lehr­mä­ßi­ger Sicht ein. Ich konn­te dies nicht im dun­keln lassen.

Agu­stín De Beitia: Sie haben bereits bei ande­ren Gele­gen­hei­ten das Pro­blem der Art und Wei­se ange­spro­chen, wie heu­te die Eucha­ri­stie emp­fan­gen wird. Auf wel­che Pro­ble­me der neu­en Mes­se spie­len Sie in dem Buch an?

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Ich bezie­he mich auf die Mes­se selbst, auf die Struk­tur der neu­en Mes­se. Ich spre­che den kri­tisch­sten Punkt an, näm­lich die Offer­to­ri­ums­ge­be­te der neu­en Mes­se, die im Grun­de pro­te­stan­ti­sche, jüdi­sche Gebe­te sind, die die Absicht aus­drücken, ein Abend­essen, ein Ban­kett zu fei­ern. Das ist sehr gefähr­lich, denn das Offer­to­ri­um muß die Absicht zum Aus­druck brin­gen, mit der wir das Kreu­zes­op­fer Chri­sti fei­ern. Das ist es, was die frü­he­ren Gebe­te zum Aus­druck brach­ten, die abge­schafft wur­den. Und das ist ein schwe­rer Feh­ler. Es ist kei­ne Häre­sie, aber es ist ein schwe­rer Feh­ler, der den Opfer­cha­rak­ter der Mes­se untergräbt.

Agu­stín De Beitia: Und wir wis­sen, daß die Lit­ur­gie einen Ein­fluß auf den Glau­ben hat, auf­grund der „Lex oran­di, lex cre­den­di“ (wie man betet, so glaubt man)?

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Ganz genau. Und in die­sem Fall brin­gen die­se Gebe­te den Glau­ben nicht klar zum Aus­druck. Im Gegen­teil, sie unter­gra­ben, unter­wan­dern den wah­ren Glauben.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: La Prensa/​MiL (Screenhots)

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