
Von Roberto de Mattei*
Donald Trump ist der 47. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Sein Sieg erfolgte nicht knapp, sondern mit deutlichem Abstand. Trump wurde durch ein Volksvotum gekrönt, das ihm auch eine Mehrheit in beiden Häusern des Parlaments sichert. Wenn man bedenkt, daß auch der Oberste Gerichtshof eine den Republikanern nahestehende Mehrheit hat, dann verleiht die Wahl am 5. November 2024 dem neuen Präsidenten eine Kraft zu regieren, die nur wenige seiner Vorgänger hatten. Vor allem aber entsteht das Bild eines gestärkten Amerikas, das sich in seinem Slogan „Make America Great Again“ („Macht Amerika wieder großartig“) wiedererkennt.
Das geschieht am Vorabend des G20-Gipfels der Parlamentspräsidenten, der vom 7. bis 8. November in Brasilia stattfindet. Die G20 ist eine informelle Gruppe, die nicht nur die G7-Staaten, sondern auch einige (nicht alle) der neun BRICS-Länder (Akronym für Brasilien, Rußland, Indien, China, Südafrika) umfaßt, die unter chinesischer Führung expandieren: Insgesamt sind es also 19 Länder plus die Europäische Union und die Afrikanische Union. In der G20 koexistieren die Seele, die sich an den USA orientiert, und der antiwestliche Geist der BRICS, angeführt von China und Rußland. Ziel der BRICS ist es, ein alternatives Modell zu der von den USA errichteten liberalen Ordnung zu schaffen und insbesondere der Hegemonie des Dollars als Leitwährung des internationalen Zahlungssystems ein Ende zu setzen, auch wenn derzeit keine Währung mit der amerikanischen konkurrieren kann. Die Parole der BRICS ist die multipolare Ordnung als Gegenmodell zur „unipolaren Dominanz“ der USA.
Alexander Dugin, der 2013 einen von Wladimir Putin geschätzten Essay mit dem Titel „Theorie der unipolaren Welt“ verfaßte (in: „Die vierte politische Theorie“, dt. Ausg. Arktos Verlag, London 2013), schlägt vor, „die letzte überlebende hegemoniale Kultur“ (S. 32f), die westliche, zu dekonstruieren und durch Eurasien zu ersetzen. Präsident Putin und der chinesische Staatschef Xi Jinping, die den Einmarsch in der Ukraine als einen Schritt zum Ende der amerikanischen Unipolarität sehen, streben keine multipolare Welt an, sondern die russisch-chinesische Hegemonie über einen kulturell und materiell sich auflösenden Westen.
Für Putin ist der Westen das anglo-amerikanisch geführte Reich der liberalen Demokratien, in dem die Cancel Culture und die „Woke“-Ideologie dominieren, mit einem Wort, das neue „Reich des Bösen“, dem Rußland, das Bollwerk der traditionellen Werte, gegenübersteht. Dieses Narrativ hat einen Teil der konservativen Welt, einschließlich der Katholiken, für sich gewonnen, aber die Wahl von Trump zeigt, daß die USA nicht am Abgrund stehen. Der Sieg von Kamala Harris hätte bedeutet, daß eine kommunistische Liberal an die Spitze der Vereinigten Staaten gelangt wäre, die entschlossen ist, eine lebens- und familienfeindliche Politik zu betreiben. Genau diesem moralischen Verfall stellt sich Donald Trump entgegen, in der Überzeugung, daß Amerika nicht dem unumkehrbaren Untergang geweiht ist. Doch welche Folgen wird die Wahl Trumps für die internationale Politik haben, insbesondere im Hinblick auf die großen aktuellen Konflikte?
Trump ist, anders als Harris, kein Ideologe und kann als Vertreter eines konservativen „politischen Realismus“ betrachtet werden. Allerdings hat Amerika die Fehler der Realpolitik bereits in der Ära Nixon und Kissinger erlebt, als sich der damalige US-Präsident bei seinem historischen Besuch in Peking 1972 der Illusion hingab, Rußland zu isolieren, indem er neue freundschaftliche Beziehungen zu China einleitete. Das Ergebnis war, daß China dank dieser politischen und wirtschaftlichen Öffnung zu einer der größten Mächte der Welt wurde und mit den Vereinigten Staaten konkurrierte.
Die Operation, die Trump im Sinn haben könnte, ähnelt derjenigen, die Nixon versuchte, aber unter umgekehrten Vorzeichen. Nixons Idee, inspiriert von Kissinger, bestand darin, China zu isolieren, indem er es von Rußland trennte, das damals der Hauptfeind war. Jetzt, da China der Hauptfeind ist, müßte man, um es zu isolieren, Freundschaft mit Putin schließen. Kurzum, im Namen der Realpolitik sollte man die Ukraine opfern und sie zu einem ungerechten Frieden mit dem Kreml zwingen. Dieser politische Zynismus übersieht jedoch die Dimension der Ideen, die der Geschichte zugrunde liegen. Wenn Trump Kamala Harris beschuldigt, eine Kommunistin zu sein, zeigt er, daß er weiß, daß der Kommunismus nicht tot und begraben ist, wie manche uns glauben machen wollen. Aber wenn der Kommunismus im eigenen Land noch lebendig ist, sollte er dann international tot sein? In China ist man verpflichtet, Marx, Lenin, Mao und das Denken von Xi Jinping zu studieren, der sich und die Kommunistische Partei Chinas als „unnachgiebige marxistische Atheisten“ präsentiert. In Rußland ist Putin ein Nationalkommunist, der sich offen auf Stalin beruft und die Grenzen der untergegangenen Sowjetunion wiederherstellen möchte. Die Freundschaft zwischen Putin und Xi Jinping hat ein stärkeres ideologisches Fundament als ihre jeweiligen politischen Interessen.
Im Osten ist das Korea von Kim Jong-un der verlängerte Arm der Volksrepublik China, die von einem Diktator regiert wird, der sich ständig auf die Lehre und Praxis des Kommunismus beruft. Kim Jong-un bekräftigte auf dem letzten Kongreß der Kommunistischen Partei, daß der größte Feind Koreas die USA seien, und ordnete die Entwicklung von landgestützten und Unterwasser-Atomraketen an, da sein Land seine militärischen Fähigkeiten gegenüber den USA stärken müsse. Und mit der Entsendung nordkoreanischer Soldaten in die russische Region Kursk beteiligt sich Nordkorea in diesen Tagen offiziell an der Invasion der Ukraine. Auf dem Schlachtfeld werden ein paar Tausend Nordkoreaner den Ausgang des Konflikts sicherlich nicht verändern, aber ihre Anwesenheit hat einen hohen symbolischen Wert. Das Militär Nordkoreas, das eine politische Projektion des kommunistischen Chinas ist, befindet sich nur wenige Kilometer von den Grenzen Polens, Europas und der NATO entfernt. Wie wird Donald Trump mit dieser Herausforderung umgehen? Das ist die große Frage für alle, denen die Zukunft Europas am Herzen liegt.
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017, und Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine bislang ungeschriebene Geschichte, 2. erw. Ausgabe, Bobingen 2011.
Bücher von Prof. Roberto de Mattei in deutscher Übersetzung und die Bücher von Martin Mosebach können Sie bei unserer Partnerbuchhandlung beziehen.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
Seit dem Corona-Regime stimme ich mit Prof. de Mattei in verschiedenen politischen Beurteilungen nicht mehr überein. Ich bedauere auch, dass er schon seit einiger Zeit zu Corona schweigt, auch ihm aber offenbar die Größe fehlt, den Irrtum seiner Corona-Propaganda einzugestehen. Dennoch lese ich seine Analysen mit Interesse, denn diese Meinung gibt es unter Konservativen ja, auch bei uns. Ich weiß also schon, worauf ich mich in Gesprächen einstellen muss. Zum Inhalt:
Die Nixon-Öffnung gegenüber China wird von De Mattei auf die versuchte Isolierung der UdSSR (nicht Russlands, die intellektuelle Redlichkeit würde diese Differenzierung verlangen) reduziert. Wenn sie zum Aufstieg Rotchinas führte, so war dies jedoch von genau jenen globalistischen Kräften in den USA billigend gewollt, die auch den kulturellen und moralischen Niedergang des Westens provoziert und gefördert haben.
Bezüglich Zynismus: Was für eine Spur des Zynismus hat denn die US-Politik in der Welt hinterlassen?
Wenn Russland laut dem Autor immer noch die alte UdSSR wäre, und da China unbestritten eine kommunistische Tyrannei ist, hätten diese Kräfte ja begeistert die Machtübernahme der Kommunistin Harris in den USA unterstützen müssen. Da beißt sich der Hund gedanklich aber in den eigenen Schwanz.
De Mattei hat bereits in früheren Aufsätzen seine etwas einseitige Sicht des Ukraine-Konflikts dargelegt. Er bleibt sich darin treu, was die Sache aber nicht besser macht. Die Ukraine wurde von den angelsächsischen Mächten bereits geopfert, als man sie 2022 für sich in diesen Stellvertreterkrieg getrieben hat. Die Behauptung vom „ungerechten Frieden“ ist selbst ungerecht, solange De Mattei die angelsächsische (nicht europäische) Posaune bläst und maßgebliche Aspekte, die zum Kriegsausbruch führten, einfach unterschlägt. Er ging bisher nie auf die Entstehungsgeschichte der Ukraine ein (eine Erfindung des österreichischen Generalstabs im Ersten Weltkrieg; die deutsche Reichsregierung war es ja übrigens auch, die in einer geheimen Operation Lenin und seine Revolutionäre mit viel Geld nach Rußland zurückbrachte, um die Revolution auszulösen), nie auf die willkürlich gezogenen Grenzen der Ukraine (siehe die Krim), nie auf die Präsenz einer russischen Minderheit, die von den vom Westen frenetisch gefeierten ukrainischen Nationalisten unterdrückt wurden, nie auf die kulturelle Spaltung der Bevölkerung in Kleinrussen und Ukraine, die sich auch in der Politik und in der Frage der staatlichen Zugehörigkeit zeigt (ÖRR-gehirngewaschene Verwandte staunten ungläubig, als die Ukrainer, die sie aufgenommen hatten, als Putin-Unterstützer herausstellten).
Man erinnere sich, mit welchen Versprechen Selensky hoffnungsvoll zum Präsidenten gewählt wurde: von pro-russischen wie pro-westlichen Ukrainern, und wie er sich dann – vom Westen eingekauft – einseitig auf die Seite Washingtons und London geschlagen hat.
Trumps Wahlsieg 2016, das wäre auch einmal zu erwähnen, verhinderte vier Jahre den schon geplanten Ukraine-Krieg. Kaum war Biden an die Macht zurückgekehrt (er war ja bis Januar 2017 Vizepräsident unter Obama) brach dann auch der Krieg aus.
Man versteht auch nicht die Logik, wie die Entsendung nordkoreanischer Truppen (sofern dem tatsächlich so ist) in die von ukrainischen Truppen besetzte Region Kursk eine „offizielle Beteiligung an der Invasion der Ukraine“ sein sollte. Ich höre da nur das blinde Wiederholen von Pentagon-Propaganda. Dergleichen sollte man aber grundsätzlich und in alle Richtungen vermeiden und differenziert analysieren. De Mattei schreibt aber von einem „symbolischen Wert“, den die Präsenz nordkoreanischer Militärs am Kriegsschauplatz hätten, erwähnte bisher aber nicht die Präsenz westlicher Militärs in der Ukraine, auch von Italienern. Die Nordkoreaner haben bisher einen „symbolischen Wert“ nur für die angelsächsische Propaganda, die immer dann anschwillt, wenn es etwas anderes zu vertuschen gilt.
Betroffen macht, dass auch de Mattei Europa auf die EU reduziert. Diese unangemessen Gleichsetzung ist unerträglich.
Leider haben wir diese Fehlsicht auch einer von mir sehr geschätzten Gestalt wie Otto von Habsburg verdanken, der mit seiner Paneuropa-Bewegung katholische und konservative Kräfte für die EU-Idee letztlich einlullte. Er hatte zwar einige Zeit ein klarsichtiges Programm erkennen lassen, indem er die EU als Partner, aber eigenständiges Gewicht gegenüber den USA sah. Darin konnte man einen Versuch der Befreiung aus der US-Hegemonie der Nachkriegsordnung erkennen. Was jedoch daraus geworden ist, liegt vor aller Augen: eine woke EU als Herrschaftsinstrument einer korrupten Clique im Sold der Globalisten, die sich die radikale Linke als Fußtruppen gegen Andersdenkende hält.
Es ist kein Schaden, vielmehr erstrebenswert, dass dieses Fehlprojekt EU zugrunde geht. Warum nicht? Die EU ist nicht sakrosankt, sondern ein Konstrukt, das eine lächerlich kurze Zeitspanne der europäischen Geschichte betrifft. Ihr Ende erlaubt, etwas neues, besseres zu bauen. Etwas, das die wirtschaftliche Zusammenarbeit fördert, aber die Geschichte, die Völker, die Sprachen, die Kulturen und Souveränitäten Europas achtet und schützt, das daher die Familie und das Leben verteidigt und fördert, den Bevölkerungsaustausch und die Islamisierung stoppt, den sozialistisch-übergriffigen Staat und seine krakenhafte Bürokratie radikal zurückbaut, die linke Medienhegemonie durch das Ende von Rundfunkgebühren und staatlicher Pressealimentierung beendet und eine Bildungsreform an Haupt und Gliedern durchführt (z. B. durch woke-freie Lehrpläne und die Einsparung aller Gender-Lehrstühle an den Universitäten, die so überflüssig wie ein Kropf sind), dann wird auch Europa wieder ein „goldenes Zeitalter“ erleben.
Persönlich hoffe ich, das sei noch gesagt, dass ein ukrainischer Staat erhalten bleibt, der die katholischen und historisch durch Litauen-Polen und Österreich mitteleuropäisch geprägten westlichen Oblaste umfasst. Die zynische Politik des Westens lässt nun leider selbst dies gefährdet erscheinen. Die Schuld dafür trifft aber nicht Putin. Hoffen wir, dass Trump, der Ende Januar sein Amt antritt, schnell gute Friedensinitiativen startet.