Die Synode ist vorbei, die neue Synodalordnung beginnt

Die Dimension der Neuerung liegt im Prozeß, nicht in einem Dokument


Papst Franziskus beim Abschluß der Synodalitätssynode im Petersdom. Die von ihm verordnete "neue Synodalität" breitet sich immer mehr aus.
Papst Franziskus beim Abschluß der Synodalitätssynode im Petersdom. Die von ihm verordnete "neue Synodalität" breitet sich immer mehr aus.

Von Ste­fa­no Fontana*

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Mit einem vom Papst über­nom­me­nen Zwi­schen­do­ku­ment wur­de die Arbeit der Syn­oda­li­täts­syn­ode abge­schlos­sen. Doch was von eini­gen als Rück­schritt gegen­über den erwar­te­ten pro­gres­si­ven Öff­nun­gen ange­se­hen wird, ist in Wirk­lich­keit ein Zei­chen dafür, daß das, was gewollt ist, der syn­oda­le Pro­zeß ist, der ohne Eile eine neue Kir­che schaf­fen soll.

Auch die­se Syn­ode ist zu Ende. Am 27. Okto­ber ende­te die zwei­te Sit­zungs­pe­ri­ode der Syn­ode über die Syn­oda­li­tät, die am 2. Okto­ber begon­nen hat­te. Die erste Tagung hat­te im ver­gan­ge­nen Jahr im sel­ben Monat statt­ge­fun­den. Die Syn­oda­len haben ein Schluß­do­ku­ment ver­ab­schie­det. Alle Arti­kel erhiel­ten mehr als zwei Drit­tel der Stim­men, obwohl es in eini­gen Fäl­len mehr nega­ti­ve Mei­nun­gen gab als in ande­ren. Vie­le hat­ten geglaubt, daß die neue Syn­oda­li­tät in die­ser Syn­ode ihren epi­schen Moment fin­den wür­de, daß sie sich in die­sem Ereig­nis mani­fe­stie­ren und ihre Aus­wir­kun­gen auf das Leben der Kir­che offen­ba­ren würde.

Aus die­sem Grund erwar­te­ten die Pro­gres­si­ven höchst inno­va­ti­ve Ent­schei­dun­gen, wäh­rend die Kon­ser­va­ti­ven auf eine deut­li­che Ver­lang­sa­mung hoff­ten, die die neue Syn­oda­li­tät wie­der in den Schoß der tra­di­tio­nel­len Syn­oda­li­tät zurück­füh­ren wür­de. Vie­le haben beob­ach­tet, daß die Arbeit der Syn­ode im Grun­de genom­men zurück­ge­fah­ren wur­de. Fran­zis­kus nahm die wich­tig­sten bri­san­ten The­men aus der Syn­oden­dis­kus­si­on her­aus, indem er sie abge­schlos­se­nen Stu­di­en­grup­pen über­trug, und erklär­te dann, daß die Zeit noch nicht reif sei für weib­li­che Dia­ko­ne, und stopp­te daher jede Ent­schei­dung zu die­sem The­ma. Kar­di­nal Fernán­dez muß­te sich für sei­ne Abwe­sen­heit bei einer wich­ti­gen Dis­kus­si­on über den Frau­en­dia­ko­nat entschuldigen.

Die „Neu­heit“ der Buß­lit­ur­gie, bei der um Ver­ge­bung der Sün­den anhand eines neu­en Deka­logs gebe­ten wur­de, wur­de vor Syn­oden­be­ginn abge­hal­ten und lag daher außer­halb ihrer Ver­fah­ren. All dies ließ vie­le glau­ben, daß die Erwar­tun­gen an die Syn­ode absicht­lich abge­kühlt und ihr „pro­phe­ti­scher Mut“ zum Schwei­gen gebracht wor­den war.

Wir stim­men mit die­sen Inter­pre­ta­tio­nen jedoch nicht über­ein; weder mit jener, die die Syn­ode auf­grund ihrer bahn­bre­chen­den Beschlüs­se als ein star­kes und zen­tra­les Moment der Syn­oda­li­tät ansieht, noch mit jener, nach der die Arbeit der Syn­ode abge­kühlt wur­de, was die neue Syn­ode ver­lang­samt und beschä­digt habe. Bei­de The­sen ver­ken­nen, daß die Syn­ode letzt­lich nur als ein Moment der neu­en Syn­oda­li­tät zu betrach­ten ist, ein ein­fa­cher Durch­gang, der weder ent­schei­dend noch maß­geb­lich ist.

Daher der „Zwischen“-Charakter ihres Schluß­do­ku­ments, das kei­ne kla­ren Ent­schei­dun­gen für einen Bruch ent­hält, aber gleich­zei­tig alle Türen für die Zukunft offen­hält, im Bewußt­sein, daß die Syn­ode zu ihrem Abschluß gelangt, aber nicht die Syn­oda­li­tät. Genau das haben bei­spiels­wei­se Schwe­ster Jean­ni­ne Gra­mick und Pater James Mar­tin in ihren Bei­trä­gen nach Abschluß der Syn­ode deut­lich gemacht. Eine Erklä­rung von New Ways Mini­stry, Gra­micks Homo-Lob­by-Ver­ei­ni­gung, zeig­te zwar eine pflicht­be­wuß­te Ent­täu­schung dar­über, daß das Doku­ment kei­ne bahn­bre­chen­den Ent­schei­dun­gen in die­sem Bereich ent­hält, räum­te dann aber ein, daß der Syn­oden­pro­zeß „einen frucht­ba­ren Boden für Ver­än­de­run­gen berei­tet“ habe. Pater James Mar­tin, der sich zunächst dar­über geär­gert hat­te, änder­te dann sei­ne Mei­nung und argu­men­tier­te, daß es nütz­lich gewe­sen sei, die bren­nen­den Fra­gen aus der Syn­ode her­aus­ge­nom­men zu haben, da dies einen inten­si­ve­ren Dia­log über das Wesen der Syn­oda­li­tät ermög­licht habe, anstatt sich in den Details zu verlieren.

Was die Befür­wor­ter der Neue­run­gen inter­es­siert, ist nicht so sehr eine Syn­ode, die sofort beginnt und endet, son­dern der Pro­zeß der Syn­oda­li­tät, der weit über die­se Ter­mi­ne hin­aus­geht. Der „vor­läu­fi­ge“ Cha­rak­ter des Schluß­do­ku­ments ist für jene, die den Syn­oden­pro­zeß wol­len und lei­ten, kei­ne schlech­te Sache, son­dern eine gute Sache. Die­je­ni­gen, die sich beson­ders auf die Doku­men­te kon­zen­trie­ren, ein­schließ­lich die­ses jüng­sten, ste­hen außer­halb. Die Syn­oda­li­tät will näm­lich eine neue Kir­che. Sie kann aber nicht zu schnell sagen, was sie will, bevor, wie Fran­zis­kus bezüg­lich der Dia­ko­nin­nen sag­te, die Zeit nicht reif ist.

Der syn­oda­le Pro­zeß wird nicht durch Syn­oden­do­ku­men­te, son­dern durch kon­kre­te Hand­lun­gen ablau­fen. Pater James Mar­tin selbst zähl­te eini­ge sol­che auf: jähr­li­che Syn­oden in den Diö­ze­sen, neue Dien­ste in den Pfar­rei­en, Erfah­run­gen des ‚Gesprächs im Geist‘ zwi­schen Fami­li­en oder Grup­pen. Wir haben den Ein­druck, daß die Abschwä­chung des Syn­oden­tons der neu­en Syn­oda­li­tät zugu­te kommt und nicht andersherum.

  • Das Schluß­do­ku­ment sagt zwar nicht ja zu Dia­ko­nin­nen, hält aber das The­ma Frau­en in der Kir­che offen (Nr. 60);
  • es nennt nicht aus­drück­lich neue Ämter, hält die­se Mög­lich­keit aber auf­recht, indem es bei­spiel­haft auf die Mög­lich­keit eines neu­en Dien­stes „des Zuhö­rens und der Beglei­tung“ hin­weist (Nr. 78);
  • es bestrei­tet nicht die Ent­schei­dungs­kom­pe­tenz der Bischö­fe oder des Pap­stes (Nr. 92), fügt aber hin­zu, daß „eine Ori­en­tie­rung, die sich im Kon­sul­ta­ti­ons­pro­zeß als Ergeb­nis einer ange­mes­se­nen Unter­schei­dung ergibt, ins­be­son­de­re wenn sie von par­ti­zi­pa­to­ri­schen Gre­mi­en durch­ge­führt wird, nicht igno­riert wer­den kann“, und for­dert eine dies­be­züg­li­che Revi­si­on des Kirchenrechts;
  • es erkennt den Bischofs­kon­fe­ren­zen nicht aus­drück­lich die Lehr­kom­pe­tenz zu (Nr. 120–129), sagt aber, daß „ihr theo­lo­gi­scher und kir­chen­recht­li­cher Sta­tus sowie der­je­ni­ge der kon­ti­nen­ta­len Zusam­men­schlüs­se von Bischofs­kon­fe­ren­zen bes­ser geklärt wer­den muß, um ihr Poten­ti­al für die wei­te­re Ent­wick­lung einer syn­oda­len Kir­che nut­zen zu können“;
  • und es schlägt vor, die „Dezen­tra­li­sie­rung“ theo­lo­gisch und kir­chen­recht­lich zu ver­tie­fen, indem die dem Papst vor­be­hal­te­nen Ange­le­gen­hei­ten von denen unter­schie­den wer­den, die den Bischofs­kon­fe­ren­zen über­tra­gen wer­den könnten.

Eine nach­syn­oda­le Neu­ig­keit darf nicht über­se­hen wer­den: Fran­zis­kus hat erklärt, daß er die­ses Mal kein nach­syn­oda­les Apo­sto­li­sches Schrei­ben ver­fas­sen wird. In mei­nem Buch zur Fami­li­en­syn­ode 2014/​2015 habe ich vor eini­gen Jah­ren vor­aus­ge­sagt, daß Amo­ris lae­ti­tia das letz­te nach­syn­oda­le Apo­sto­li­sche Schrei­ben sein wür­de. Die­se Vor­her­sa­ge – nach den Klam­mern der Exhorta­tio­nen nach der Jugend­syn­ode und der Ama­zo­nas­syn­ode – wird nun von Fran­zis­kus bestä­tigt. Bei der Bekannt­ga­be die­ser Ent­schei­dung sag­te er auch, daß das Schluß­do­ku­ment der Syn­ode „lehr­amt­li­chen“ Wert habe, wenn auch nicht in einem nor­ma­ti­ven Sinn.

Die­se Ent­schei­dung, wie auch der neue Deka­log der Buß­lit­ur­gie vom 1. Okto­ber, bringt die neue Syn­oda­li­tät einen gro­ßen Schritt vor­an. Mögen die Syn­oden plau­dern, um sich den neu­en begriff­li­chen und sprach­li­chen Appa­rat anzu­eig­nen, mögen sie abschlie­ßen­de Zwi­schen­do­ku­men­te pro­du­zie­ren, die dem lan­gen Weg nicht im Wege ste­hen… was für die Macher zählt, ist der Umbau zur neu­en Kir­che der neu­en Syn­oda­li­tät, der durch Akte wie die­se vor­an­ge­trie­ben wird.

Ste­fa­no Fon­ta­na, Direk­tor des Inter­na­tio­nal Obser­va­to­ry Car­di­nal Van Thu­an for the Social Doc­tri­ne of the Church; zu sei­nen jüng­sten Publi­ka­tio­nen gehö­ren „La nuo­va Chie­sa di Karl Rah­ner“ („Die neue Kir­che von Karl Rah­ner. Der Theo­lo­ge, der die Kapi­tu­la­ti­on vor der Welt lehr­te“, 2017), gemein­sam mit Erz­bi­schof Pao­lo Cre­pal­di „Le chia­vi del­la que­stio­ne socia­le“ („Die Schlüs­sel der sozia­len Fra­ge. Gemein­wohl und Sub­si­dia­ri­tät: Die Geschich­te eines Miß­ver­ständ­nis­ses“, 2019), „La filoso­fia cri­stia­na“ („Die christ­li­che Phi­lo­so­phie. Eine Gesamt­schau auf die Berei­che des Den­kens“, 2021); alle erschie­nen im Ver­lag Fede & Cul­tu­ra, Verona.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

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3 Kommentare

  1. Es war doch klar, daß man in Rom den­sel­ben Weg geht wie es in Deutsch­land schon län­ger der Fall ist: Bät­zing und Co. kön­nen unbe­irrt wei­ter­ma­chen. Aber die ver­such­te Neu­erfin­dung der Kir­che hat mit Chri­stus nichts mehr zu tun und wird im Abgrund enden.
    Es wird also eine neue alte Kir­che wie­der­erste­hen, die bereits keim­haft vor­han­den ist.

  2. Lehr­mä­ßig, aber nicht nor­ma­tiv. Das klingt sehr nach Vati­ca­num II, das auch kei­ne Dog­men for­mu­lie­ren woll­te, dafür aber des­sen „Geist“ zum Super­dog­ma hoch­sti­li­siert wur­de und sogar über das Kon­zil gesetzt wur­de. Jetzt also infi­ni­te Syn­oda­li­tät, die flugs wie­der zum Dog­ma wer­den wird. Ach, Pater Heim­erl hat mit allem Recht.

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