
Von Cristina Siccardi*
In diesem Monat jährt sich zum 70. Mal die Verkündung der Enzyklika Ad Caeli Reginam von Pius XII. Es war der 11. Oktober 1954, als Papst Pacelli beschloß, das Fest Maria Königin einzuführen. Die Mutter Gottes gilt in der Tradition der Kirche seit jeher als Königin, wie die Lauretanischen Litaneien deutlich machen: Königin der Engel, der Patriarchen, der Propheten, der Apostel, der Märtyrer, der Bekenner des Glaubens, der Jungfrauen, aller Heiligen, ohne Sünde empfangen, in den Himmel aufgenommen, des Rosenkranzes, der Familie, des Friedens.
Die beständige Verehrung der Jungfrau Maria durch die Katholiken, die mit der Verkündigung des Dogmas ihrer Aufnahme in den Himmel mit Leib und Seele durch Pius XII. am 1. November 1950 in der apostolischen Konstitution Munificentissimus Deus ihren Höhepunkt fand, wurde durch die Anerkennung der königlichen Würde und Macht der Gottesmutter durch den Festtag des 31. Mai am Ende des Marienmonats gekrönt, um sich an die Muttergottes zu wenden, ihre Tugenden nachzuahmen, Kraft in Bedrängnissen, Frieden unter den Völkern und die ewige Schau ihres göttlichen Sohnes zu erflehen. Infolge der liturgischen Revolution mit dem neuen Kalender von 1969 wurde das Gedenken an die allerseligste Jungfrau und Königin Maria jedoch auf den 22. August verlegt.
Pius XII., der der Heiligen Jungfrau Maria besonders aufmerksam zugetan war – vergessen wir nicht, daß er am 30. Oktober 1950, drei Tage vor der feierlichen Verkündigung des Dogmas der Himmelfahrt, Zeuge eines Sonnenwunders war, wie es am 13. Oktober 1917 um die Mittagszeit von Zigtausenden von Menschen in der Cova da Iria in Fatima beobachtet worden war –, beschloß, die königliche Würde der allerseligsten Jungfrau Maria fünf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs besonders zu erheben, jenes Krieges, in dem nicht nur Millionen und Abermillionen von Kriegsopfern zu beklagen waren, die auf den Schlachtfeldern gefallen waren und unter den Trümmern vieler Städte lagen, sondern auch wegen der Gefahr der Unmoral, wie der Papst in der Enzyklika schrieb:
„Aber nach dem Unglück, welches vor Unseren Augen zahlreiche blühende Städte und Dörfer mit Ruinen bedeckt hat, sehen Wir mit Schmerzen das gefährliche Überhandnehmen so vieler sittlicher Mißstände, sehen Wir gelegentlich selbst die Grundlagen der Gerechtigkeit untergraben, sehen Wir häufig den Triumph zerstörender Vergnügungen; und in dieser bedrohlichen und ungewissen Situation empfinden Wir eine sehr tiefe Angst. Darum eilen Wir mit Zutrauen zu Maria, Unserer Königin, und künden ihr nicht allein Unsere Liebe, sondern auch die Liebe aller Menschen, die sich des christlichen Namens rühmen.“ Die Marienfrömmigkeit Pius‘ XII. war eine ständige Perle seines Pontifikats, wie auch aus seiner an das portugiesische Volk gerichteten Radiobotschaft anläßlich der Krönung der „wundertätigen Statue von Fatima“ im Marianischen Jahr 1954 hervorgeht, „die wir selbst die Botschaft vom ‚Königtum Mariens’ genannt haben“ (Ad Caeli Reginam).
Der Papst erinnert an die Zeugnisse der Kirchenväter, die für die Krone auf dem Haupt der Gottesmutter sprechen. Der heilige Gregor von Nazianz (ca. 330–ca. 390) definiert die Jungfrau als „Mutter des Königs des ganzen Universums“, die „den König der ganzen Welt geboren hat“. Der heilige Andreas von Kreta (ca. 660–740) schreibt der Gottesmutter oft die Königswürde zu, so z. B. in der folgenden Passage: „Königin aller Menschen, denn getreu der Bedeutung ihres Namens steht sie, außer Gott allein, über allen Dingen“. Der heilige German von Paris (?–576) wendet sich an die Magd des Herrn mit den Worten: „‘Setze Dich nieder, O Herrin, Dir kommt es in Wahrheit zu, daß Du an hoher Stelle herrschest, da Du Königin bist und glorreicher als alle Könige.‘ Er nennt sie auch: ‚Herrscherin über alle Bewohner der Erde‘.“ Der heilige Johannes von Damaskus verkündet sie als „Königin, Patronin, Herrscherin“ und „Herrin aller Kreatur“.
Eine in der Lehre gefestigte Theologie, die frei von Vergiftungen und schlechtem Glauben ist, hat solche Lehren von den Kirchenvätern und Kirchenlehrern gesammelt, um weiterhin über die Heilige Jungfrau als Königin aller geschaffenen Dinge, als Königin der Welt, als Königin des Universums zu denken, zu beten und zu meditieren.
So schrieb der große Gelehrte der Moraltheologie, der heilige Alfons Maria von Liguori (1696–1787), unter Berücksichtigung der gesamten Tradition der Jahrhunderte, die ihm vorausgingen, mit höchster Verehrung für Maria: „Da die Jungfrau Maria zu dieser so großen Würde der Mutter Gottes erhoben wurde, hat die Kirche ihr mit gutem Recht den Titel der Königin zuerkannt.“
Die heilige Liturgie des Vetus Ordo, ein getreuer Spiegel der von den Vätern überlieferten und der heiligen Mutter Kirche von Rom anvertrauten Lehre, hat im Laufe der Jahrhunderte und trotz liturgischer Verfolgungen im Osten wie im Westen solche Verherrlichungen der himmlischen Königin gesungen und tut dies auch weiterhin. Denken wir an die bezaubernde liturgische Passage des byzantinischen Ritus: „O gerechter, o glücklicher (Joseph), auf Grund Deiner königlichen Herkunft wurdest Du auserwählt zum Bräutigam der reinen Königin, welche in wunderbarer Weise dem König Jesus das Leben gab“ (Ex Menaeo byzantino: Dominica post Natalem, in Canone, ad Matutinum). Die Liturgie der lateinischen Kirche greift dies mit dem alten und sehr lieblichen Gebet „Salve Regina“, den freudigen Antiphonen „Ave, Regina caelorum“, „Regina coeli laetare“ und verschiedenen anderen Texten auf, die an verschiedenen Marienfesten rezitiert werden, zum Beispiel wird am 15. August verkündet: „Heute ist die Jungfrau Maria zum Himmel aufgestiegen: Freuet euch, denn sie herrscht mit Christus auf ewig“ (Festum Assumptionis, ad Magnificat II Vesp.).
Und dann die Sakralkunst der kirchlichen Tradition, „die seit dem Konzil von Ephesus getreu die wahre und spontane Frömmigkeit der Gläubigen wiedergibt, stellt Maria als Königin und Herrscherin dar, sitzend auf königlichem Thron, geschmückt mit königlichen Insignien, gekrönt mit einem Diadem, umgeben von der Schar der Engel und Heiligen. Sie zeigt, dass Maria nicht nur über der Natur, sondern auch über den Anfechtungen Satans steht“ (Enzyklika Ad Caeli Reginam). „Die Ikonographie hat die königliche Würde der Allerseligsten Jungfrau Maria ausgedeutet und zeigt aus allen Epochen reiche Kunstwerke höchsten Wertes; sie ging soweit, dass sie den göttlichen Erlöser darstellte, wie er die Stirn seiner Mutter mit leuchtender Krone schmückt.“
Andererseits haben die Päpste diese theologische Würde, die sich mit der Volksfrömmigkeit verbindet, stets begünstigt, indem sie eigenhändig oder durch päpstliche Legate das Diadem auf die Bilder der Mutter Gottes setzten, die eine maßgebliche Verehrung genießen.
Christus, Gott und Mensch, ist König des Universums, und Maria, eine Frau voller göttlicher Gnade, die Mutter des Gesalbten Gottes, daher Miterlöserin des Werkes des Erlösers und aktive Teilnehmerin am Kampf gegen das Böse und am Triumph über die Sünden der Menschen, teilt die königliche Würde, „wenn auch in begrenzter und analoger Weise“, wie es in der Enzyklika von Pacelli heißt. Dank dieser Würde, die nach der ihres Sohnes den Vorrang vor der gesamten Schöpfung besitzt, entsteht unweigerlich die unerschöpfliche Wirksamkeit der mütterlichen Fürbitte beim Sohn und beim Vater.
Das Zeitalter, in dem wir leben, ist durchdrungen von Irrtümern, Sünden, Perversionen, die sogar die Unschuld der Kindheit verderben; gleichzeitig erlebt die Welt Epidemien, Hungersnöte, vielfache wirtschaftliche und geistige Armut, Kriege von großem Ausmaß, und als ob das noch nicht genug wäre, zieht die Gewalt durch unsere Straßen und Häuser: Noch nie hat man in Italien so viel Gewalt in den Familien und unter den Minderjährigen gesehen. Ad Caeli Reginam mahnt uns daher auch heute, unsere himmlische Mutter, unsere Königin, stärker anzuflehen:
„um Hilfe in der Gefahr, Licht in der Finsternis, Trost in Schmerz und Tränen zu erflehen. Möchten vor allem die Menschen den Mut aufbringen, sich von der Knechtschaft der Sünde loszureißen und mit der Glut einer kindlichen Verehrung sich dem königlichen Szepter einer so großen Mutter für immer zu unterwerfen. Möchten ihre Heiligtümer erfüllt sein und ihre Feste gefeiert werden von der Menge der Gläubigen; möge die fromme Kette des Rosenkranzes in den Händen aller sein und, um ihr Lob zu singen, in den Kirchen, den Häusern, den Hospitälern, den Gefängnissen sowohl die kleinen Gruppen, als auch die großen Versammlungen der Gläubigen vereinen. Der Name Mariens, süßer als Nektar, kostbarer als irgendein Edelstein, sei Gegenstand größter Verehrung. Niemand möge blasphemische Schmähungen, Zeichen einer verderbten Seele, gegen diesen leuchtenden, so majestätischen und durch mütterliche Lieblichkeit verehrungswürdigen Namen aussprechen; man wage nicht einmal irgendetwas zu sagen, was einen Mangel an Ehrfurcht ihr gegenüber verraten würde.“
Und wenn es bei Gay Prides oder bei Olympischen Spielen wie kürzlich in Paris oder bei anderen schlimmen Anlässen passiert, daß man Beleidigungen, Spott und Respektlosigkeit gegenüber der Gottesmutter hört oder sieht, dann sollten sich die Gläubigen, die derzeit von den Pfarrern schlecht behütet und verteidigt werden, zum Gebet versammeln und eine gewisse Entsagung zur Wiedergutmachung und zur Liebe für die heiligen Herzen des Königs und der Königin anbieten, und gerade auch um unserer Herzen und unseres Lebens willen, die für die Ewigkeit bestimmt sind.
*Cristina Siccardi, Historikerin und Publizistin, zu ihren jüngsten Buchpublikationen gehören „L’inverno della Chiesa dopo il Concilio Vaticano II“ (Der Winter der Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Veränderungen und Ursachen, 2013); „San Pio X“ (Der heilige Pius X. Das Leben des Papstes, der die Kirche geordnet und erneuert hat, 2014) und vor allem ihr Buch „San Francesco“ (Heiliger Franziskus. Eine der am meisten verzerrten Gestalten der Geschichte, 2019).
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: MiL