Das Verschwinden der Kirche

Der Moment der Besonnenheit, um dem Ansturm zu widerstehen


Das Verschwinden des Abendlandes zieht das Verschwinden des Christentums mit sich. Ist auch die katholische Kirche davon betroffen? Ja, denn sie wird auf denselben falschen Weg geführt
Das Verschwinden des Abendlandes zieht das Verschwinden des Christentums mit sich. Ist auch die katholische Kirche davon betroffen? Ja, denn sie wird auf denselben falschen Weg geführt

Von Cami­nan­te Wanderer*

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In den ver­gan­ge­nen Jah­ren sind meh­re­re Bücher über eine unbe­streit­ba­re Tat­sa­che ver­öf­fent­licht wor­den: den Nie­der­gang des Abend­lan­des und den damit ein­her­ge­hen­den Pro­zeß des Ver­schwin­dens nicht nur der Chri­sten­heit, son­dern auch des Chri­sten­tums. Es ist nicht nötig, vie­le Bele­ge zu lie­fern, um die­se Behaup­tung zu bewei­sen. Lei­der ist sie für alle sichtbar.

Aber es stellt sich natür­lich die Fra­ge, ob auch die katho­li­sche Kir­che in die­sen Auf­lö­sungs­pro­zeß hin­ein­ge­zo­gen wird. Wir ken­nen bereits die Ant­wort der Kon­zils­ge­ron­ten: Die Kir­che befin­det sich in ihrer Blü­te­zeit, sie lebt an den Quel­len des geseg­ne­ten Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils. Las­sen wir die­se Seni­li­tä­ten bei­sei­te und sei­en wir bei der Dia­gno­se ehr­lich, obwohl ich ein­räu­me, daß die Dia­gno­se in die­sem Fall, in dem es nicht um den induk­tiv nach­ge­wie­se­nen Krank­heits­pro­zeß geht, son­dern um das freie Han­deln der Men­schen und den Plan Got­tes, etwas von einer Pro­phe­zei­ung an sich hat. Und da ich weder ein Pro­phet noch der Sohn eines Pro­phe­ten bin, und ich den­ke, die Leser auch nicht, bleibt uns nichts ande­res übrig, als unse­ren Ver­stand zu bemü­hen und zu erra­ten, was pas­sie­ren könnte.

Bei die­ser Übung müs­sen wir min­de­stens zwei Grund­sät­ze beach­ten. Erstens: Las­sen Sie Pri­vat­of­fen­ba­run­gen bei­sei­te, d. h. las­sen Sie sie bei­sei­te, wenn es um die Ana­ly­se geht. Wir kön­nen zum Bei­spiel nicht über das Pro­blem nach­den­ken, indem wir von der Prä­mis­se aus­ge­hen: „Am Ende wird mein Unbe­fleck­tes Herz tri­um­phie­ren“, die nichts ande­res als eine Pri­vat­of­fen­ba­rung ist, so ehr­wür­dig sie auch sein mag, und die folg­lich nicht Teil des Depo­si­tums der Offen­ba­rung ist. Und was letz­te­re betrifft, so müs­sen wir die ver­mit­tel­ten Wahr­hei­ten im wei­te­sten Sin­ne ver­ste­hen. Wir alle wis­sen zum Bei­spiel, daß „die Pfor­ten der Höl­le“ die Kir­che Chri­sti nicht über­wäl­ti­gen wer­den. Was wir nicht wis­sen, ist, wel­che Grö­ße oder wel­chen Umfang die Kir­che in der End­zeit haben wird, und wir wis­sen auch nicht, wie lan­ge die­se Zeit andau­ern wird, wenn die Kir­che schließ­lich auf das abso­lu­te Mini­mum redu­ziert sein wird.

Natür­lich kann eine sol­che Ana­ly­se nicht in einem Arti­kel vor­ge­nom­men wer­den. Sie ver­langt und ver­dient ein Buch, und dar­an arbei­te ich gera­de. In der Kür­ze eines Arti­kels kön­nen jedoch eini­ge Ideen dis­ku­tiert wer­den. Und ich möch­te auf einem Gedan­ken behar­ren, den ich bereits bei meh­re­ren Gele­gen­hei­ten ein­ge­bracht habe, näm­lich daß der Weg, den die katho­li­sche Kir­che gehen wird, wenn sie den Weg wei­ter­geht, den sie auf dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil ein­ge­schla­gen hat und der nicht nur von Paul VI. son­dern auch und vor allem von Johan­nes Paul II. gebil­ligt, von Bene­dikt XVI. fort­ge­setzt und von Fran­zis­kus bru­tal beschleu­nigt wur­de, der glei­che ist, den die angli­ka­ni­sche Kir­che im 19. Jahr­hun­dert gegan­gen ist und von dem wir wis­sen, wie er geen­det ist: in ihrer Auf­lö­sung, wobei nur eine zere­mo­ni­el­le Baracke übrig geblie­ben ist, was, wie ich den­ke, auf den tra­di­tio­na­li­sti­schen Cha­rak­ter des eng­li­schen Vol­kes zurück­zu­füh­ren ist. Und wie jede ande­re Baracke ist auch die Kir­che von Eng­land nichts wei­ter als ein völ­lig lee­res Gebil­de, das von immer weni­ger Men­schen – alten und sehr alten – bewohnt wird und des­sen Zweck es gewor­den ist, huma­ni­tär zu han­deln und als appe­tit­li­ches Arbeits­amt für alle sei­ne Funk­tio­nä­re zu fungieren.

Die von den Angli­ka­nern in die­sem Pro­zeß ver­folg­ten Schrit­te sind genau die glei­chen wie die, die seit meh­re­ren Jahr­zehn­ten die römi­sche Kir­che ver­folgt. Daher müs­sen wir in einem ein­fa­chen Syl­lo­gis­mus zu dem Schluß kom­men, daß, wenn die­ser Weg die Angli­ka­ner zu dem Schick­sal geführt hat, in dem sie sich heu­te befin­den, die­ser auch uns zu dem­sel­ben Schick­sal füh­ren wird. Es gibt kei­nen Grund, war­um er uns woan­ders hin­füh­ren soll­te, es sei denn, Gott greift auf wun­der­sa­me Wei­se ein.

Ich habe bereits an ande­rer Stel­le die Posi­tio­nen des angli­ka­ni­schen Weges beschrie­ben, die denen der katho­li­schen Kir­che ent­spre­chen oder sehr ähn­lich sind und die sich in einem kur­zen Satz zusam­men­fas­sen las­sen, den John Hen­ry New­man vor zwei Jahr­hun­der­ten an sei­ne Mut­ter schrieb, als er noch Angli­ka­ner war und sich Sor­gen über die Rich­tung mach­te, die sei­ne Kir­che ein­schlug, die er für durch­drun­gen hielt von „einem Geist, der dazu neigt, die Leh­re zu unter­gra­ben, als wäre sie eine Ablei­tung von Fröm­mig­keit und Dis­zi­plin oder das Instru­ment einer miss­bräuch­li­chen Prie­ster­schaft“. Wenig mehr als fünf­zehn Jah­re, nach­dem er die­se Zei­len geschrie­ben hat­te, kon­ver­tier­te New­man zur katho­li­schen Kir­che. Vor zwei Jahr­hun­der­ten muß­te er irgend­wo­hin gehen. Wir kön­nen heu­te nir­gend­wo anders hin, denn wir sind da, wo wir sein soll­ten: an Bord des Schiff­leins der Kir­che, die unser Herr gegrün­det hat, auch wenn ihr Ruder in die Hän­de von Ver­lot­ter­ten und Gau­ner gefal­len ist.

Die römisch-katho­li­sche Kir­che, wie wir sie ken­nen und wie die Welt sie seit fünf­zehn Jahr­hun­der­ten kennt, wird ver­schwin­den, ver­schluckt vom Ver­schwin­den des Abend­lan­des. Mei­ner Mei­nung nach gibt es kein Zurück mehr. Aber es ist nicht die Zeit der Ent­mu­ti­gung oder der Ver­zweif­lung; es ist die Zeit der Beson­nen­heit, die uns zeigt, wie wir dem Ansturm am besten wider­ste­hen kön­nen, indem wir „schöp­fe­ri­sche Min­der­hei­ten“ bil­den, die es uns ermög­li­chen, so vie­le wie mög­lich unse­rer Brü­der und Schwe­stern, die im Stich gelas­sen wer­den, auf­zu­neh­men. Und es ist eine Zeit des Zeug­nis­ses, denn es war gera­de das Zeug­nis oder das Mar­ty­ri­um der ersten Chri­sten, das mit Got­tes Gna­de zur Bekeh­rung der heid­ni­schen Welt geführt hat.

*Cami­nan­te Wan­de­rer ist ein argen­ti­ni­scher Blogger

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cami­nan­te Wanderer

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