Die neurituellen Gabengebete und das Kainsopfer

Der Glaube, der hinter der alten und der neuen Messe steht, ist eben doch anders


Die Opfer von Abel und Kain
Die Opfer von Abel und Kain

Ein lit­ur­gi­scher Kom­men­tar von Don Micha­el Gurtner*

Anzei­ge

Einen beson­ders schwer­wie­gen­den Ein­griff der Lit­ur­gie­re­form stel­len die Gaben­ge­be­te dar. Die ein­sti­gen Opfer­ge­be­te wur­den dabei nicht geän­dert, son­dern voll­kom­men abge­schafft und durch völ­lig neue Gebe­te, eben die soge­nann­ten Gaben­ge­be­te ersetzt, wel­che auch inhalt­lich eine voll­kom­me­ne Neu­aus­rich­tung erfah­ren haben. Frei­lich hat sich die gesam­te Opfe­rung nach Wort und Ritus geän­dert, wozu es viel zu sagen gäbe. In die­sem Bei­trag wol­len wir uns jedoch vor­erst auf einen ganz bestimm­ten Aspekt der Opfer- bzw. Gaben­ge­be­te beschränken

Die theo­lo­gi­sche Trag­wei­te der vor­ge­nom­me­nen Akzent­ver­schie­bung wird uns in ihrem Aus­maß erst bewußt, wenn wir einen Blick in das Buch Gene­sis, vier­tes Kapi­tel, wer­fen, in wel­chem es um die Opfer von Kain und Abel geht.

Der Unterschied der Opfer von Kain und Abel

Kain war der Erst­ge­bo­re­ne und wur­de Acker­bau­er, sein jün­ge­rer Bru­der Abel hin­ge­gen Vieh­hirt. Bei­de brach­ten dem Herrn ein Opfer dar, jeder aus sei­nem Werk­be­reich: Kain „von den Früch­ten der Erde“ (Gen 4,3), Abel hin­ge­gen brach­te dem Herrn gleich­falls ein Opfer dar, „von den Erst­lin­gen sei­ner Her­de und von ihrem Fet­te“ (Gen 4,4).

Die­ser Hin­weis, daß Abel die Erst­lings­ga­be dar­brach­te, Kain jedoch nicht die Erst­lings­frucht, son­dern ledig­lich „etwas von den Früch­ten der Erde“ ist kei­nes­falls neben­säch­lich oder belang­los, son­dern steht in Zusam­men­hang mit den nach­fol­gen­den Ver­sen. Denn die Erst­lings­ga­be steht für zwei Din­ge. Sie steht zunächst ein­mal für das Gan­ze: Indem das Erste Gott gege­ben wird (und nicht ein­fach irgend­ein Teil), wird Gott zumin­dest sym­bo­lisch auch das Gan­ze dar­ge­bracht. Frei­lich darf auch der Mensch sei­nen Teil haben und für sich zurück­be­hal­ten, sogar den weit­aus grö­ße­ren Teil, denn es ist ja auch eine Got­tes­ga­be an ihn und für ihn gedacht, aber indem er ihm einen ganz bestimm­ten Teil opfert, näm­lich den ersten, sagt er aus: Eigent­lich gebe ich Gott das Gan­ze, und ant­wor­tet damit im Rah­men des ihm Mög­li­chen sei­ner­seits mit der­sel­ben Groß­gie­big­keit auf die Groß­gie­big­keit Got­tes, die zuvor an ihn ergan­gen ist. Alles habe ich real emp­fan­gen, des­halb gebe ich auch alles, zumin­dest ideell, wenn es mir schon nicht real mög­lich ist. Was Gott real mög­lich ist, tut der Mensch zumin­dest ideell. Damit ist auch schon die zwei­te Impli­ka­ti­on ange­deu­tet: Die Dar­brin­gung des ersten Tei­les (und nicht ein­fach eines Tei­les) ist auch eine Aner­ken­nung des Men­schen, daß alles in sei­ner Gesamt­heit letzt­lich von Gott kommt und ihm allein zu ver­dan­ken ist. Somit erge­ben sich aus der Erst­lings­ga­be zwei wich­ti­ge Impli­ka­tio­nen: Alles, was wir haben, kommt ganz und aus­schließ­lich von Gott, und eben­so wie er uns alles schenkt, wol­len auch wir ihm alles opfern und geben, zumin­dest ideell.

In Abel ist die­se Hal­tung also vor­han­den, in Kain fehlt sie. Des­halb sieht Gott auch mit Wohl­ge­fal­len auf das Opfer des zweit­ge­bo­re­nen Abel und nimmt es an, aber nicht auf jenes von Kain. Indem Abel Gott das Erste gab, hat er in sein Opfer näm­lich das mit hin­ein­ge­legt, was Gott am aller­mei­sten gefällt: Glau­be. Der Apo­stel Pau­lus bestä­tigt dies, wenn er in sei­nem Hebrä­er­brief sagt: „Durch Glau­ben brach­te Abel Gott ein bes­se­res Opfer dar als Kain… Ohne Glau­ben aber ist es unmög­lich, Gott wohl­zu­ge­fal­len“ (Heb 11,4.6).

Auch die zahl­rei­chen Kri­ti­ken an den Opfern, die wir im Alten Testa­ment häu­fig fin­den und die davon spre­chen, daß Gott die­se Opfer nicht annimmt, besa­gen nicht, daß Gott an sich kei­ne Opfer will, son­dern daß sie nicht mit der rech­ten, gläu­bi­gen Gesin­nung der Ganz- und Voll­hin­ga­be voll­zo­gen wur­den – und sol­che Opfer sind Gott ein Greu­el, er nimmt sie nicht an und ver­ach­tet sie (vgl. z.B.: Hos 6,6; 9,4 Ps 50, 18f., Spr 21,3.27; Jes 1,11ff.; 6,20; 1Sam 15,22; Am 5,22; Ps 39,7; etc.).

Kain ist autoreferentiell

Kain ist letzt­lich lau gegen­über Gott, er tut sich schwer damit, ihn voll­kom­men anzu­er­ken­nen und zu akzep­tie­ren, wor­in sich die Urschuld sei­nes leib­li­chen Vaters Adam als Kains per­sön­li­che Schuld fort­setzt: Auch Adam war der Ver­su­chung der Para­die­ses­schlan­ge erle­gen, mit Gott in Kon­kur­renz zu tre­ten und „wie Göt­ter zu sein“ (Gen 3,5). Kains Opfer­ge­sin­nung ist nicht jene des Abel, Gott von dem zu opfern, was er von Gott erhal­ten hat, son­dern indem er nicht die Erst­lings­frucht opfert, son­dern ledig­lich „von den Früch­ten der Erde“, ent­zieht er gleich­sam Gott sein Eigen­tum, macht es zu sei­nem eige­nen Werk und opfert Gott das, was er sein Eigen wähnt, was er selbst her­vor­ge­bracht hat, gleich­sam „wie ein Gott“ – er erkennt nicht an, daß es nicht „sei­ne Frucht“ ist, son­dern allein die Frucht Got­tes bleibt, die er von ihm erhal­ten hat.

Die­se auto­re­fe­ren­ti­el­le Hal­tung des Kain ist eine ver­fe­stig­te, sie fin­det sich noch­mals wie­der: Kains Frau gebar ihm einen Sohn und er nann­te ihn Henoch. Und Kain „bau­te eine Stadt und nann­te sie nach dem Namen sei­nes Soh­nes, Henoch“ (Gen 4,17). Er nann­te die (erste) Stadt also nicht nach etwas, das sich auf Gott bezog, son­dern nach sei­ner eige­nen Len­den­frucht – nach etwas von ihm, anstatt sich auf Gott zu bezie­hen, was ohne Zwei­fel ange­mes­se­ner gewe­sen wäre, erst recht, wenn man Kains vor­an­ge­gan­ge­ne Ver­feh­lung betrach­tet. Das „Ich“ des Kain stellt er aber­mals deut­lich in den Vor­der­grund und ver­paßt so deut­lich die Gele­gen­heit zur Ver­bes­se­rung sei­nes Feh­lers vor Gott.

Es gibt natürliche Erkenntnisse im Menschen

Nun könn­te man zu Kains Ver­tei­di­gung ein­wen­den, er hät­te es nicht bes­ser wis­sen kön­nen, da die ver­schie­de­nen Opfer­re­ge­lun­gen erst spä­ter ver­schrift­licht wur­den. Doch gilt die­ser Ein­wand nicht, da es auch eine Art „natür­li­che Erkennt­nis der Din­ge“ gibt, wel­che im Men­schen als sol­chem von der Schöp­fung Got­tes her ange­legt ist. Auch das Tötungs­ver­bot von Unschul­di­gen bei­spiels­wei­se wur­de erst spä­ter direkt geof­fen­bart, eben­so wie das Gebot, Gott (und nur ihn!) zu ver­eh­ren. Mit der­sel­ben Argu­men­ta­ti­on könn­te man bei­spiels­wei­se Kain auch von sei­nem Bru­der­mord frei­spre­chen: Er konn­te doch nicht wis­sen, daß die Tötung ein Sün­den­fre­vel ist, kam Moses doch erst wesent­lich spä­ter. Und den­noch bestraft ihn Gott, denn es han­delt sich um ein dem Men­schen ein­ge­bo­re­nes (Ge-)Wissen. Eben­so erkann­ten bei­de, daß es inwen­dig rich­tig und gebühr­lich ist, Gott ein Opfer dar­zu­brin­gen: Kain und Abel brach­ten bei­de eines dar. Doch genügt Gott der rein for­ma­le Akt des Opferns nicht, es muß äuße­rer Aus­druck der rech­ten Opfer­ge­sin­nung sein, damit es ihm wohl­ge­fällt und er es annimmt. Denn auch das Wis­sen dar­um, wie das Opfer sein muß, damit es recht sein kann, ist eine natür­li­che Erkennt­nis, die dem Men­schen ein­ge­ge­ben ist. Das wird einer­seits dadurch deut­lich, daß Abel die­se Erkennt­nis offen­bar hat­te, und bestä­tigt sich zusätz­lich durch die Annah­me bzw. die Nicht­an­nah­me Gottes.

Die Opferung in der Hl. Messe ist ein Voropfer und entspricht dem Alten Testament

Die vie­len Opfer des Alten Testa­men­tes neh­men das eigent­li­che, ein­zig wah­re und wirk­sa­me Opfer vor­weg, wel­ches das Kreu­zes­op­fer des „Lam­mes Got­tes“ ist – Jesu Chri­sti, des Heilands.

In die­ser Per­spek­ti­ve der unei­gent­li­chen Vor­weg­nah­me des eigent­li­chen Opfers ist auch die Opfe­rung von Brot und Wein in der Hei­li­gen Mes­se zu sehen: Sie ist ein Vor­op­fer, dadurch auch eine Aus­son­de­rung, wel­che auf eine unei­gent­li­che und vor­läu­fi­ge Wei­se das Eigent­li­che andeu­tet, das sich sogleich real voll­zie­hen wird. Sie steht gleich­sam noch im Alten Testa­ment, das durch Chri­stus in den neu­en und ewi­gen Bund über­ge­lei­tet wird, auf den sie bereits hin­zielt. Des­halb gibt es auch hier die Unter­schei­dung in Gott wohl­ge­fäl­lig oder nicht. Die Kri­te­ri­en sind in ihrem inner­sten Ker­ne die­sel­ben: Es gibt auch hier ein Rich­tig und ein Falsch, es genügt nicht, wie Kain ein­fach „irgend­was für den lie­ben Gott zu machen“, son­dern auch an sie ergeht der Anspruch der Erst­lings­ga­be: Sie muß ganz, und ganz auf Gott bezo­gen sein, um Gott wohl­ge­fäl­lig sein zu können.

Das Problem der Gabengebete

Und genau dar­in tritt das Pro­blem der Gaben­ge­be­te des neu­en Ritus der Hei­li­gen Mes­se zu Tage.

Die alten Opfer­ge­be­te lau­ten verdolmetscht:

„Nimm an, hei­li­ger Vater, all­mäch­ti­ger ewi­ger Gott, die­se makel­lo­se Opfer­ga­be, die ich, Dein unwür­di­ger Die­ner, Dir, mei­nem leben­di­gen und wah­ren Gott, dar­brin­ge für mei­ne unzäh­li­gen Sün­den, Feh­ler und Nach­läs­sig­kei­ten, für alle Umste­hen­den und auch für alle leben­den und ver­stor­be­nen Christ­gläu­bi­gen, damit sie mir und ihnen zum Heil gerei­che, zum ewi­gen Leben.“

Die „makel­lo­se Opfer­ga­be“ ist die Opfer­ga­be des Alten Testa­men­tes. Sie ist ein Rück­griff auf die Opfer­ga­be wie jene Erst­lings­ga­be des Abel, die makel­los sein muß (vgl. Dtn 15,21). (Des­halb kon­trol­liert der Prie­ster auch, bevor er zur Dar­brin­gung des eucha­ri­sti­schen Opfers schrei­tet und den Kelch in der Sakri­stei berei­tet, die gro­ße Opfer­ho­stie noch ein­mal auf Bruch­stel­len und Aus­brü­che, bevor er sie auf die Pate­ne legt und verhüllt!).

Die Hostie, in ihrer rein mate­ri­el­len Eigen­schaft, ist also eine makel­lo­se Erst­lings­ga­be – sie steht für das Beste, das Gan­ze und das ganz von Gott her Emp­fan­ge­ne. Dies wird spä­ter, nach der Wand­lung, im Unde et memo­res noch­mals expli­ziert: Hier wird die eben gewan­del­te Hostie, und damit das eigent­li­che Opfer Chri­sti des Neu­en Testa­men­tes als Voll­endung des „Vor­op­fers“ der alt­te­sta­ment­li­chen Opfe­rung von Brot und Wein dar­ge­stellt. Der nun­meh­ri­ge Leib Chri­sti wird mit dem vor­her geop­fer­ten Brot in Zusam­men­hang gebracht und gleich­sam iden­ti­fi­ziert, wenn die Kir­che betet:

„… So brin­gen wir aus den Gaben, die du uns geschenkt hast (de tuis donis, ac datis), dir, dem erha­be­nen Gott, die rei­ne, hei­li­ge und makel­lo­se Opfer­ga­be (hosti­am pur­am, hosti­am sanc­tam, hosti­am imma­cu­la­tam) dar: das Brot des Lebens und den Kelch des ewi­gen Hei­les. Blicke ver­söhnt und gütig dar­auf nie­der und nimm sie an wie einst die Gaben dei­nes gerech­ten Die­ners Abel….“

Das eigent­li­che und wah­re Opfer des Alta­res kommt also aus den Gaben, die Gott uns geschenkt hat. Es stellt sich in das Erbe des (Erstlings-)Opfers Abels. Ganz von Gott – ganz für ihn.

Die neu­en Gaben­ge­be­te hin­ge­gen, wel­che die alten Opfer­ge­be­te kom­plett neu erset­zen, stel­len sich mehr in das Kains­op­fer, sie bege­hen sei­nen sel­ben Feh­ler, der dazu führ­te, daß Gott sein Opfer nicht annahm. In ihnen heißt es:

„Geprie­sen bist du, Herr unser Gott, Schöp­fer der Welt. Du schenkst uns das Brot, die Frucht der Erde und der mensch­li­chen Arbeit. Wir brin­gen die­ses Brot vor dein Ange­sicht, damit es uns das Brot des Lebens werde.“

Davon abge­se­hen, daß die deut­sche Über­set­zung das latei­ni­sche offe­ri­mus, das kor­rekt mit „opfern“ zu über­set­zen gewe­sen wäre, sinn­ent­stel­lend mit „wir brin­gen vor Dein Ange­sicht“ wie­der­gibt, und davon abge­se­hen, daß das „Brot des Lebens“ kein geeig­ne­ter Aus­druck ist, der auf die wirk­li­che Wesens­ver­wand­lung hin­weist, und mit dem auch das pro­te­stan­ti­sche Abend­mahl gut leben könn­te, ist der Hin­weis auf die „makel­lo­se Opfer­ga­be“ – das Gott wohl­ge­fäl­li­ge Abels­op­fer, das er ange­nom­men hat – völ­lig getilgt wor­den. Zwar ist erwähnt, daß das Brot ein Geschenk Got­tes ist – aber auch Kain hat dies nicht bestrit­ten und wohl auch so gese­hen. Aber die­ses „Geschenk Got­tes“ wird nun nicht mehr wie das Abels­op­fer als „Geschenk allein von Gott“ gedacht, son­dern genau wie das Kains­op­fer als (irgend-)ein Opfer aus der „Frucht der Erde“ (vgl. Gen 4,3) defi­niert, das nicht mehr, wie ein Erst­lings­op­fer und das Gebet aus dem unde et memo­res, ganz von Gott stammt, son­dern es wird, wie Kains Opfer von der „Frucht der Erde“, die­ses Aspek­tes beraubt: Es ist nicht mehr dar­ge­stellt als ganz und allein von Gott kom­mend, son­dern so, als wür­de auch die Erde und der Mensch die­se Gaben mit­schaf­fen – „als wäre er wie Göt­ter“ (Gen 3,5). Wie Kain beto­nen die neu­en Gaben­ge­be­te (sel­bi­ges gilt näm­lich auch für das Gaben­ge­bet des Wei­nes) den eige­nen Anteil, als ob Erde und Arbeit nicht eben­so und allein „Gaben Got­tes“ wären, und auch die­se allein von ihm her kom­men. Sie wer­den nicht mehr als Got­tes­ga­ben gese­hen, son­dern tre­ten gleich­sam neben ihn: wie Kain, der auch sei­ner Erst­lings­statt einen Namen gab, der mehr die Frucht sei­ner eige­nen Len­den beton­te, als daß er sie auf Gott bezo­gen hät­te (Gen 4,17).

Dies erin­nert stark an die Auto­re­fe­ren­tia­li­tät des Kain und steht ganz in der Logik der unheil­vol­len Anthro­po­zen­trik, wel­che die neue Lit­ur­gie charakterisiert.

Auch die Ände­rung der „makel­lo­sen Opfer­ga­be“, die sich ganz klar in die Tra­di­ti­on des Gott wohl­ge­fäl­li­gen Abels­op­fers stellt, in die For­mu­lie­rung „Frucht der Erde“, die ter­mi­no­lo­gisch eben­so ganz klar das Kains­op­fer (Gen 4,3) auf­greift, das Gott nicht ange­nom­men hat, läßt eine Per­ple­xi­tät zurück: Was hat das für einen Sinn oder Gewinn gebracht? Was woll­ten die­je­ni­gen damit bezwecken, auf wel­che die Gaben­ge­be­te zurück­ge­hen? Allein schon, um kei­nen Ver­dacht und Zwei­fel auf­kom­men zu las­sen, hät­te man gera­de die­sen Aus­druck unbe­dingt ver­mei­den müs­sen. Es ist wie ein Spiel mit Gift. Irgend­wann pas­siert der Unfall, und es dringt läh­mend in das Ner­ven­sy­stem des Glau­bens ein. Und wenn wir das all­ge­mei­ne Lit­ur­gie- und Eucha­ri­stie­ver­ständ­nis der heu­ti­gen Gläu­bi­gen, aber auch der Prie­ster, Bischö­fe und Kar­di­nä­le betrach­ten, so müs­sen wir fest­stel­len, daß es schon lan­ge in die See­len ein­ge­drun­gen ist und längst dabei ist, den katho­li­schen Glau­bens­sinn zu lähmen.

Was bedeutet dies nun konkret?

Nun, die aller­mei­sten Prie­ster wer­den wohl kaum wirk­lich ein Kains­op­fer dar­brin­gen wol­len. Und die Gläu­bi­gen wer­den auch ihr Opfer nicht mit einem sol­chen ver­ei­nen wol­len. Sie sind sich meist wohl nicht ein­mal die­ser Ände­rung oder die­ser unse­li­gen Ver­schie­bung der Per­spek­ti­ve bewußt. Sie sind im guten Glau­ben und haben wohl nicht wirk­lich die­se Inten­ti­on, wel­che die neu­en Gaben­ge­be­te haben. Die mei­sten wol­len durch die (neue) Mes­se wohl nicht bewußt ein Opfer dar­brin­gen, das Gott nicht gefällt und wel­ches er nicht anneh­men will. Des­halb wäre es über­zo­gen, zu behaup­ten, die Mes­sen wären nicht gül­tig. Solan­ge die all­ge­mei­nen Vor­aus­set­zun­gen gewähr­lei­stet sind, sind die Sakra­men­te gültig.

Aber es bedeu­tet, daß der neue Meß­ri­tus auch dar­in man­gel­haft und unge­eig­net ist. Es bedeu­tet, daß dies einer der vie­len Grün­de ist, die alte Mes­se zu suchen, sie zu ver­tei­di­gen, sie zu erhal­ten und sich not­falls auch pri­vat so zu orga­ni­sie­ren, daß sie an mög­lichst vie­len Orten, am besten flä­chen­deckend, fort­be­steht und immer mehr Katho­li­ken auch eine wirk­li­che Mög­lich­keit haben, der „alten Mes­se“ bei­zu­woh­nen. Prie­ster müs­sen so groß­zü­gig wie mög­lich den Anfra­gen der Gläu­bi­gen nach­kom­men – aber die Anfra­gen der Gläu­bi­gen müs­sen auch kom­men! Aber nicht nur aus nega­ti­ven Moti­va­tio­nen, d. h., weil die neue Mes­se nicht gut genug ist, nicht nur weil sie nicht deut­lich genug ist, nicht nur weil sie Män­gel und Feh­ler hat! Son­dern aus posi­ti­ven Grün­den: Weil die alte Mes­se theo­lo­gisch extrem prä­zi­se ist, weil sie in sich gut und rich­tig, hei­lig und Gott wohl­ge­fäl­lig ist. Die alte Mes­se wird des­halb so bekämpft, weil sie eben nicht nur eine ande­re Form der­sel­ben Sache ist, son­dern sie ist Aus­druck einer ande­ren Theo­lo­gie, die hin­ter ihr steht. Ihr Glau­be ist letzt­lich eben doch anders.

*Mag. Don Micha­el Gurt­ner ist ein aus Öster­reich stam­men­der Diö­ze­san­prie­ster, der in der Zeit des öffent­li­chen (Coro­na-) Meß­ver­bots die­sem wider­stan­den und sich gro­ße Ver­dien­ste um den Zugang der Gläu­bi­gen zu den Sakra­men­ten erwor­ben hat. Er ver­öf­fent­lich­te hier auch die Kolum­ne „Zur Lage der Kir­che“.

Bild: MiL

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2 Kommentare

  1. Ich möch­te alle Mit­brü­der zum Prag­ma­tis­mus auf­ru­fen. Betet die­se schreck­li­chen „Gaben­ge­be­te“ nicht, son­dern das alte Offer­to­ri­um – und basta!

  2. Zusam­men­fas­send kann man also sagen, dass die Kon­zep­ti­on der Lit­ur­gie nach dem Novus Ordo Papst Pauls VI der (dif­fu­sen) Öku­me­ne-Auf­fas­sung des II. Vati­ka­ni­schen Kon­zils Rech­nung trägt.

    Oder mit ande­ren Wor­ten: Die Lit­ur­gie nach dem Novus Ordo (= der neu­en Messs­ord­nung seit 1969) ist schwer­punkt­mä­ßig eher eine Gedächt­nis­fei­er des letz­ten Abend­mahls als die unblu­ti­ge Ver­ge­gen­wär­ti­gung des Kreu­zes­op­fers, obwohl letz­te­res zumin­dest in den vor­ge­schrie­be­nen Tex­ten des Mis­sa­les durch­aus noch erkenn­bar ist. Doch dies steht nicht mehr im Vor­der­grund, wie es bei der tra­di­tio­nel­len latei­ni­schen Lit­ur­gie bis 1965 gemäß der Vor­ga­ben des Kon­zils von Tri­ent stets der Fall war.

    Des­halb heißt es bei­spiels­wei­se auch nicht mehr „Wand­lungs­wor­te“, son­dern „Ein­set­zungs­be­richt“, was nicht das­sel­be ist.

    Im tra­di­tio­nel­len latei­ni­schen Ritus wan­delt der Ewi­ge Hohe­prie­ster des Neu­en Bun­des, der Mes­si­as Jesus Chri­stus, durch sei­nen geweih­ten Die­ner (dem Prie­ster) die dar­ge­brach­ten Opfer­ga­ben von Brot und Wein in Sein eige­nes Fleisch und Blut. Dies geschieht immer dann, wenn der zele­brie­ren­de Prie­ster, der in per­so­na Jesu Chri­sti han­delt, die näm­li­chen Wor­te spricht, die der Mes­si­as selbst im Abend­mahls­saal gespro­chen und dies künf­tig genau so zu tun sei­nen Apo­steln auf­ge­tra­gen hat.

    Die Ein­set­zungs­wor­te Chri­sti sind buch­stäb­lich zu ver­ste­hen. Jesus mach­te zu den Wor­ten „Das ist mein Leib“ den Zusatz: „der für euch hin­ge­ge­ben wird“, und zu den Wor­ten: „Das ist mein Blut“ den Zusatz: „das für euch und für vie­le wird ver­gos­sen wer­den“. Nun hat aber Jesus sei­nen wirk­li­chen Leib für uns hin­ge­ge­ben und sein wirk­li­ches Blut für uns ver­gos­sen; also war auch das, was er sei­nen Jün­gern (= den 11 Apo­steln) dar­reich­te, sein wirk­li­cher Leib und sein wirk­li­ches Blut. (Gro­ßer Katho­li­scher Kate­chis­mus, 1948, S. 109, Pkt. 53)

    Hin­zu kommt noch die Beson­der­heit, dass die Gestal­ten von Brot und Wein, unter denen Chri­stus als wah­rer Gott und wah­rer Mensch voll­kom­men gegen­wär­tig ist, von Sei­nem Die­ner, dem zele­brie­ren­den Prie­ster, Gott wie­der­um als voll­kom­me­ne Opfer­ga­be dar­ge­bracht wird als Bitt‑, Dank- und Süh­ne­op­fer für die Sünden.

    Das alles ist in der moder­nen Öku­me­ne eben nicht mehr populär.

    Des­halb wur­de der Aus­druck die­ser Glau­bens­wahr­heit im Novus Ordo zugun­sten eines „Mahl­cha­rak­ters“ zurückgenommen.

    Ins­ge­samt und auch im Detail rückt die Lit­ur­gie nach dem Novus Ordo tat­säch­lich deut­lich von den Vor­ga­ben des Kon­zils von Tri­ent ab und begrün­det ein neu­es Glau­bens­ver­ständ­nis (obgleich die Mes­se nach dem Novus Ordo sakra­men­tal durch­aus gül­tig ist, genau wie die übri­gen ver­än­der­ten Sakramentspendungen).

    Aber es geht eben um den Aus­druck des wah­ren katho­li­schen Glau­bens, wie er sich unter dem Bei­stand des Hl. Gei­stes in der katho­li­schen Kir­che mani­fe­stiert hat.

    Der Novus Ordo hat an die Stel­le der Ent­wick­lung unter dem Bei­stand des Hl. Gei­stes lei­der eine von Men­schen gemach­te Kon­zep­ti­on gesetzt.

    Als Mani­fe­sta­ti­on (von latei­nisch mani­fest­a­re ‚hand­greif­lich machen‘) wird das Sicht­bar­wer­den oder Sich-offen­ba­ren von Din­gen aller Art bezeich­net, die vor­her unsicht­bar bzw. gestalt­los oder gar nicht-exi­stent waren.

    Eine Kon­zep­ti­on (latei­nisch con­cep­tio von con­ci­pe­re ‚auf­fas­sen, erfas­sen, begrei­fen, emp­fan­gen‘) ist eine umfas­sen­de Zusam­men­stel­lung der Zie­le und dar­aus abge­lei­te­ten Stra­te­gien und Maß­nah­men zur Umset­zung eines grö­ße­ren und des­halb stra­te­gisch zu pla­nen­den Vorhabens.

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