Die Erscheinung vom 13. Juli 1917

Die Schilderung von William T. Walsh


Die Originalausgabe von William T. Walshs: "Our Lady of Fatima" aus dem Jahr 1947
Die Originalausgabe von William T. Walshs: "Our Lady of Fatima" aus dem Jahr 1947

Der US-ame­ri­ka­ni­sche katho­li­sche Histo­ri­ker Wil­liam Tho­mas Walsh (1891–1949), ein Yale-Absol­vent, wur­de im deut­schen Sprach­raum kaum beach­tet. Nur eines sei­ner Wer­ke, „Isa­bel­la of Spain, the last crusader“, New York 1930, wur­de unter dem Titel „Isa­bel­la. Die letz­te Kreuz­fah­re­rin“ in den 30er Jah­ren im Ber­li­ner Vor­hut-Ver­lag in deut­scher Über­set­zung her­aus­ge­ge­ben. 1947 ver­öf­fent­lich­te Walsh im New Yor­ker Ver­lag Dou­ble­day das Buch „Our Lady of Fati­ma“, von dem soeben eine ita­lie­ni­sche Aus­ga­be vor­ge­legt wur­de. Dar­in faßt der Autor die Ergeb­nis­se sei­ner For­schun­gen über die erstaun­li­chen Ereig­nis­se zusam­men, die sich in dem por­tu­gie­si­schen Ort zuge­tra­gen hatten. 

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Als her­vor­ra­gen­der Histo­ri­ker erzählt er lei­den­schaft­lich und doku­men­tiert die Erschei­nun­gen der Jung­frau Maria an drei beschei­de­ne Hir­ten­kin­der, ihre Pro­phe­zei­ung des Auf­kom­mens des Kom­mu­nis­mus und des Aus­bruchs des Zwei­ten Welt­kriegs, aber auch ihre Bit­te an die Mensch­heit um Buße und ihr Ver­spre­chen, daß Frie­den herr­schen und Ruß­land sich bekeh­ren wer­de, wenn ihre Bot­schaft ange­nom­men wird. Hier ein Aus­zug aus dem ach­ten Kapi­tel des Buches:

„An die­sem beson­de­ren 13. Juli 1917 war in allen Dör­fern und auf den Fel­dern der Ser­ra etwas Unge­wöhn­li­ches zu beob­ach­ten. Noch bevor die Kin­der in Sicht­wei­te der Cova da Iria kamen, müs­sen sie es bemerkt haben. Über­all in der Berg­re­gi­on und dar­über hin­aus hat­ten die Men­schen mit geheim­nis­vol­ler Eile, mit der sich Nach­rich­ten in den länd­li­chen Gegen­den so schnell und weit ver­brei­ten, von den Ereig­nis­sen am Fest des Hei­li­gen Anto­ni­us [13. Juni] gehört. Eine über­ra­schen­de Anzahl von Men­schen hat­te beschlos­sen, bei der näch­sten Erschei­nung dabei zu sein. Maria Car­rei­ra war aus Moi­ta zurück­ge­kehrt und hat­te ihren ver­krüp­pel­ten Sohn, ihren ungläu­bi­gen Mann und alle ihre Töch­ter mit­ge­bracht. Zu den eif­rig­sten Gläu­bi­gen gehör­te ein ande­rer Ein­woh­ner von Moi­ta, José Alves, der dem Pri­or von Fati­ma ins Gesicht gesagt hat­te, daß sei­ne Theo­rie vom Ein­grei­fen des Teu­fels Unsinn sei. Wer hat­te denn je davon gehört, daß der Teu­fel die Men­schen zum Beten anstiftet? (…)

Die Kin­der, die inmit­ten der Men­ge stan­den, bete­ten den Rosen­kranz und blick­ten zuver­sicht­lich in Rich­tung Osten. Sie schenk­ten einer unhöf­li­chen Frau kei­ne Beach­tung, die ihnen vor­warf, Hoch­stap­ler zu sein. Jac­in­ta und Fran­cis­co sahen nicht ein­mal ihren Vater, der neben ihnen Platz genom­men hat­te, um ihnen not­falls zu hel­fen. Ti Mar­to sah Lucia an. Ihr Gesicht hat­te eine toten­ähn­li­che Bläs­se. Er hör­te sie sagen: ‚Nehmt die Hüte ab! Nehmt eure Hüte ab, denn ich kann die Mut­ter­got­tes schon sehen!‘

Er sah, wie sich so etwas wie eine klei­ne Wol­ke auf die Stein­ei­che senk­te, und plötz­lich, als das Son­nen­licht schwä­cher wur­de, weh­te eine küh­le Bri­se über die Ser­ra. Dann hör­te er etwas, das ihm ‚wie eine Pfer­de­flie­ge in einem lee­ren Was­ser­glas‘ vor­kam; aber weder er noch Maria Car­rei­ra noch irgend­je­mand ande­res, außer den Kin­dern, konn­te irgend­wel­che Wor­te verstehen.

Inzwi­schen waren alle Rei­ze der Sin­nes­welt – die Men­schen­men­ge, die Son­ne, der Wind, alle Bana­li­tä­ten von Raum und Zeit – von den drei jun­gen Mysti­kern gewi­chen, als eine über­na­tür­li­che Kraft auf sie her­ab­kam und sie in jene wei­ße Pracht hin­ein­zog, wo sie mit unaus­sprech­li­cher Freu­de noch ein­mal die Frau über die Spit­ze des klei­nen Bau­mes glei­ten sahen.

‚Was wün­schen Sie von mir?‘, frag­te Lucia wie schon zuvor.

‚Ich möch­te, daß Du am drei­zehn­ten Tag des näch­sten Monats hier­her kommst und wei­ter­hin jeden Tag fünf Gesätz­chen des Rosen­kran­zes zu Ehren Unse­rer Lie­ben Frau vom Rosen­kranz betest, um den Welt­frie­den und ein Ende des Krie­ges zu errei­chen. Denn nur sie kann helfen.‘

Lucia sag­te: ‚Ich möch­te Sie bit­ten, uns zu sagen, wer Sie sind und ein Wun­der zu voll­brin­gen, damit alle glau­ben, daß Sie uns erschie­nen sind!‘

‚Komm wei­ter­hin jeden Monat hier­her‘, ant­wor­te­te die Frau. ‚Im Okto­ber wer­de ich Euch sagen, wer ich bin und was ich will, und ich wer­de ein Wun­der tun, an das alle glau­ben wer­den müssen.‘

Wil­liam T. Walshs Fati­ma-Buch fand zahl­rei­che Aus­ga­ben und Neu­auf­la­gen, hier jene von 1949, 1954, 1990 und 2020

Lucia dach­te an eini­ge Bit­ten, die ver­schie­de­ne Men­schen an sie gerich­tet hat­ten. ‚Ich weiß nicht mehr genau, wel­che das waren‘, schrieb sie 1941. Aber es wird ange­nom­men, daß eine davon die Hei­lung des ver­krüp­pel­ten Soh­nes von Maria Car­rei­ra war. Die Frau soll geant­wor­tet haben, daß sie ihn nicht hei­len wür­de, aber daß sie ihm einen Lebens­un­ter­halt geben wer­de, wenn er jeden Tag den Rosen­kranz beten wür­de. Was Lucia heu­te noch weiß, ist, daß sie dar­auf bestand, den Rosen­kranz täg­lich zu beten, um das gan­ze Jahr über Gna­den zu erhalten.

‚Opfe­re Dich für die Sün­der‘, wie­der­hol­te die Frau, ‚und sage oft, beson­ders wenn Du ein Opfer bringst: O Jesus, es ist aus Lie­be zu Dir, für die Bekeh­rung der Sün­der und zur Wie­der­gut­ma­chung für die Sün­den, die gegen das Unbe­fleck­te Herz Mari­ens began­gen wur­den‘. Als die Frau ihre letz­ten Wor­te sprach, öff­ne­te sie wie zuvor ihre schö­nen Hän­de, und von ihnen ging der offen­ba­ren­de und durch­drin­gen­de Strahl aus, der bei frü­he­ren Gele­gen­hei­ten die Her­zen der Kin­der erwärmt hat­te. Doch die­ses Mal schien er in die Erde ein­zu­drin­gen und ent­hüll­te unter ihr – das sind Luci­as Wor­te, die 1941 geschrie­ben wur­den: ‚[Ein] Meer aus Feu­er; und in die­ses Feu­er stürz­ten die Dämo­nen und See­len, als wären sie Feu­er­koh­len, durch­sich­tig und schwarz oder bron­ze­far­ben, mit mensch­li­chen Gestal­ten, die in der Feu­ers­brunst schweb­ten, getra­gen von den Flam­men, die mit Rauch­wol­ken her­aus­ka­men und nach allen Sei­ten fie­len, wie Fun­ken in gro­ßen Feu­ers­brün­sten fal­len – ohne Gewicht und Gleich­ge­wicht, inmit­ten von Schrei­en und Stöh­nen des Schmer­zes und der Ver­zweif­lung, die einen ent­set­zen und vor Angst erschau­dern las­sen‘. ‚Die Teu­fel zeich­ne­ten sich durch die abscheu­li­chen und absto­ßen­den For­men furcht­erre­gen­der und unbe­kann­ter Tie­re aus, waren aber durch­sich­tig wie glü­hen­de schwar­ze Kohlen.‘

Die Kin­der waren so ver­äng­stigt, daß sie ihrer Mei­nung nach gestor­ben wären, hät­te man ihnen nicht gesagt, daß sie alle in den Him­mel kämen. Nach­dem sie fas­zi­niert auf das ent­setz­li­che Schau­spiel gestarrt hat­ten, das nicht ein­mal die hei­li­ge Tere­sa erschrecken­der beschrie­ben hat­te, hoben sie ihre Augen wie in einem ver­zwei­fel­ten Appell an die Frau, die sie mit tie­fer Zärt­lich­keit ansah.

‚Ihr seht die Höl­le, wohin die See­len der armen Sün­der gehen‘, sag­te sie. ‚Um sie zu ret­ten, will Gott in der Welt die Ver­eh­rung mei­nes Unbe­fleck­ten Her­zens ver­brei­ten. Wenn sie tun, was ich euch sage, wer­den vie­le See­len geret­tet wer­den und es wird Frie­den herr­schen. Der Krieg wird enden.‘

‚Aber wenn sie nicht auf­hö­ren, Gott zu belei­di­gen, wird unter Pius XI. ein ande­rer und schlim­me­rer beginnen.

Wenn Ihr eine Nacht seht, die von einem unbe­kann­ten Licht erhellt wird, dann wißt, daß dies das gro­ße Zei­chen ist, das Gott Euch gibt, um die Welt für ihre Ver­bre­chen durch Krieg, Hun­gers­not und Ver­fol­gung der Kir­che und des Hei­li­gen Vaters zu bestrafen.

Um dies zu ver­hin­dern, bin ich gekom­men, um die Wei­he Ruß­lands an mein Unbe­fleck­tes Herz und die Süh­ne­kom­mu­ni­on an den ersten Sams­ta­gen zu erbit­ten. Wenn sie auf mei­ne Bit­ten hören, wird sich Ruß­land bekeh­ren und es wird Frie­den herr­schen. Wenn nicht, wird es sei­ne Irr­tü­mer in der gan­zen Welt ver­brei­ten und Krie­ge und Ver­fol­gung für die Kir­che ver­ur­sa­chen. Die Guten wer­den gemar­tert wer­den, der Hei­li­ge Vater wird viel zu lei­den haben, ver­schie­de­ne Natio­nen wer­den ver­nich­tet werden.

Am Ende wird mein Unbe­fleck­tes Herz tri­um­phie­ren. Der Hei­li­ge Vater wird mir Ruß­land wei­hen, das sich bekeh­ren und der Welt eine gewis­se Zeit des Frie­dens schen­ken wird.

In Por­tu­gal wird das Dog­ma des Glau­bens immer auf­recht­erhal­ten werden.

Sagt es nie­man­dem. Fran­cis­co kannst Du es sagen.‘

Wenn Ihr den Rosen­kranz betet, sagt nach jedem Geheim­nis: ‚O mein Jesus, ver­gib uns und befreie uns von den Feu­ern der Höl­le, nimm alle See­len auf in den Him­mel, und hilf beson­ders denen, die es am mei­sten brau­chen.‘1

Dann ent­hüll­te die Frau den Kin­dern ein letz­tes Geheim­nis, das nie ent­hüllt wur­de und das Lucia erst ent­hül­len wird, wenn die Köni­gin des Him­mels selbst es anord­net. Sie hat es nicht ein­mal ihren Beicht­vä­tern ent­hüllt.2

In dem lan­gen Moment der Stil­le, der folg­te, schien die Men­ge die apo­ka­lyp­ti­sche Fei­er­lich­keit und Span­nung einer Mit­tei­lung zu spü­ren, von der viel­leicht das Schick­sal der gesam­ten Mensch­heit abhing. Nir­gend­wo war ein Laut zu hören. Die Kin­der, die Men­ge, der Wind, alles war still wie der Tod. Schließ­lich wag­te Lucia, bleich wie ein Leich­nam, mit ihrer hohen, dün­nen Stim­me zu fra­gen: ‚Wün­schen Sie nichts mehr von mir?‘ ‚Nein, ich wün­sche heu­te nichts mehr von Dir.‘ Mit einem letz­ten lie­be­vol­len, aber bestim­men­den Blick ent­fern­te sich die Frau wie immer Rich­tung Osten ‚und ver­schwand in der uner­meß­li­chen Wei­te des Fir­ma­ments’, so schließt Lucia die erschüt­tern­de Erzäh­lung von der drit­ten Erscheinung.

Wäh­rend die Kin­der fas­sungs­los und erschüt­tert nach Osten blick­ten, dräng­ten sich die Men­schen um sie her­um, erstick­ten sie fast und tram­pel­ten sie in ihrem Eifer, alle mög­li­chen Fra­gen zu stel­len, fast nieder.

‚Wie hat sie aus­ge­se­hen?‘ ‚Was hat sie gesagt?‘ ‚War­um bist du so trau­rig?‘ ‚Ist es die Jung­frau?‘ ‚Wird sie wiederkommen?‘

‚Es ist ein Geheim­nis‘, sag­te Lucia. ‚Es ist ein Geheimnis.‘

‚Gut oder schlecht?‘

‚Gut für die einen, schlecht für die anderen.‘

‚Und du wirst es uns nicht verraten?‘

‚Nein, mein Herr. Es ist ein Geheim­nis, und die Dame hat uns ange­wie­sen, es nicht zu verraten.‘

Ti Mar­to nahm sei­ne Toch­ter Jac­in­ta auf den Arm und dräng­te sich mit dem Kind im Nacken an den Rand der Men­ge. Die Nach­züg­ler folg­ten ihnen und bedräng­ten sie wei­ter­hin mit Fra­gen. Und Lucia und Fran­cis­co wie­der­hol­ten immer wie­der: ‚Es ist ein Geheim­nis. Es ist ein Geheimnis.‘

Jemand bot ihnen an, sie nach Hau­se zu fah­ren. Ti Mar­to wil­lig­te ein, und die Kin­der stie­gen zum ersten Mal in eines die­ser selt­sa­men pfer­de­lo­sen Unge­tü­me, die sie von Zeit zu Zeit auf der Stra­ße von Ourem nach Lei­ria hat­ten rasen sehen. Sie waren nicht in der Stim­mung, eine neue Erfah­rung zu machen. Aber sie waren dank­bar für die Rei­se, denn alle drei waren erschöpft.“

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL


1 Walsh gibt das por­tu­gie­si­sche Ori­gi­nal wie­der: „O meu Jesús, per­do­ai-nos e liv­rai nos do fogo do infer­no; levai as alm­in­has todas para o Céu, prin­ci­pal­men­te aque­tas que mais pre­cisarem“, und ver­merkt dazu, daß ihm Sr. Lucia in einem Gespräch ver­si­cher­te, daß dies die kor­rek­te Fas­sung ist.

2 Zur Erin­ne­rung: Walsh ver­öf­fent­lich­te sein Buch 1947, 30 Jah­re nach den geschil­der­ten Ereig­nis­sen von 1917.

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