
Während sich in Nordsyrien durch russische Intervention ein Rückzug der Türkei abzeichnet, erhöht die Türkei im Nordirak ihren Druck. In beiden Gegenden ist die Türkei an den kurdischen Gebieten interessiert, um der großen kurdischen Volksgruppe in der Türkei, die Unabhängigkeit oder zumindest Autonomie fordert, das Hinterland zu nehmen.
Bei den türkischen Angriffen im Nordirak wurden auch zwei Kirchen schwer beschädigt und mehrere Häuser zerstört. Die beiden betroffenen christlichen Dörfer wurden in Angst und Schrecken versetzt. Die Menschen leben in der Furcht vor neuer Gewalt.
Die Angriffe erfolgten im Zuge einer Serie von Luft- und Bodenangriffen türkischer Streitkräfte im Gouvernement Dohuk in Irakisch-Kurdistan. Getroffen wurden dabei auch mehrere christliche Dörfer im nördlichen Nahla-Tal nahe der Grenze zur Türkei und zum Iran.
Die jüngsten Angriffe fanden am vergangenen Wochenende statt und schüren die Befürchtungen, einer militärischen Eskalation. Die türkische Regierung unter Recep Tayyip Erdogan behauptet, daß es in Irakisch-Kurdistan operative Stützpunkte der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) gibt, die in der Türkei und wegen der NATO-Interessen (die Türkei ist NATO-Mitglied) auch in den USA und in der EU als Terrororganisation verboten ist.
Seit dem 28. Juni hat die türkische Luftwaffe mehrere Angriffe im Nahal-Tal geflogen. Dieses Tal ist nicht nur Siedlungsgebiet der Kurden, sondern auch von mehreren assyrisch-chaldäischen christlichen Dörfern, die keine Verbindung zu kurdischen Milizen haben. Im Gegenteil: Es gibt nicht geringe Spannungen zwischen den islamischen Kurden und den christlichen Assyrern in der Gegend.
Die türkische Regierung nimmt auf diese Tatsache keine Rücksicht. Sie behauptet zudem, ihre Angriffe würden sich ausschließlich gegen kurdische Milizen richten, doch in Wirklichkeit wird unterschiedslos auch die Zivilbevölkerung getroffen, wie AsiaNews berichtet.
Zuletzt wurden die christlichen Dörfer Miska und Rabatkeh getroffen. Häuser und anderes Privateigentum der Christen wurden zerstört oder in Mitleidenschaft gezogen und Waldbrände ausgelöst.
Die Kirche im Dorf Miska wurde dabei von einer Granate schwer beschädigt. Menschen kamen nicht zu Schaden. Ein von RojNews veröffentlichtes Video zeigt das Ausmaß der Zerstörung.
Auch im christlichen Dorf Rabatkeh traf eine Granate zivile Ziele und löste einen Brand aus. Durch das schnelle Eingreifen der Bewohner konnten die Flammen gelöscht und die Kirche gerettet werden. Im Internet wird unter dem Hashtag #Turkey_Occupies_Dohuk über das Ausmaß der türkischen Militärpräsenz im Nordirak berichtet. Immer mehr Christen, aber auch Kurden verlassen die Gegend. Die Kluft durch Abneigung und Haß gegen die Türkei wird immer tiefer.
Der Nahe Osten ist unverändert ein Pulverfaß von der Türkei über Armenien bis Aserbaidschan, vom Iran über den Irak und Syrien bis ins Heilige Land. Überall finden sich Spannungsherde und die schwindende christliche Gemeinschaft befindet sich oft im Kreuzfeuer.
Die Christen im Nahen Osten interessieren die westliche Weltpolitik aber nicht, weshalb ihr Schicksal es nur sehr selten in die Weltnachrichten schafft.
Zum besseren Verständnis: eine Karte des Siedlungsraums der assyrisch-chaldäischen Christen vor dem Ersten Weltkrieg und damit vor dem Völkermord an den Christen in der Türkei (Osmanisches Reich). Obwohl die Christen (in der Karte nicht dargestellt sind die armenischen, griechischen, georgischen und maronitischen Christen) vor einem Jahrhundert, trotz oft mehr als tausendjähriger islamischer Herrschaft, in manchen Gegenden des Morgenlandes noch so stark waren, wissen westliche Christen, weiß die westliche Welt kaum etwas davon. Vielmehr ist die Politik einiger ihrer Regierungen wesentlich mitverantwortlich, daß die Christenheit in diesen Gegenden in den vergangenen hundert Jahren ganz oder weitgehend ausgelöscht wurde.

Text: Giuseppe Nardi
Bild: AsiaNews/Wikicommons/David Gaunt