Zur Lage der Kirche – Frage 69

Die Krise der Kirche kann allein liturgisch gelöst werden


Don Michael Gurtner: Zur Lage der Kirche

Von Don Micha­el Gurtner*

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Fra­ge: Es ist klar, daß es viel zu tun gäbe. Aber wenn Sie einen ein­zi­gen zen­tra­len Punkt benen­nen müß­ten, auf den man sei­ne Ener­gien kon­zen­trie­ren soll­te, um einen Aus­weg aus der anhal­ten­den Kir­chen­kri­se zu fin­den: Wo wür­den Sie ansetzen?

Ant­wort: Auch das ist für mich voll­kom­men klar: Es muß von der aller­hei­lig­sten Eucha­ri­stie aus­ge­hen und damit von der Hei­li­gen Mes­se und der Lit­ur­gie ins­ge­samt. Ich weiß, von vie­len wird die­ser Ansatz­punkt als naiv belä­chelt oder als viel zu ober­fläch­li­che Sicht der Din­ge abge­tan, wo es doch angeb­lich um wich­ti­ge­re und bedeu­ten­de­re Din­ge als Lit­ur­gie oder lit­ur­gi­sche For­men gin­ge. Aber mich bestä­tigt letzt­lich in mei­ner Ansicht, daß die Kri­ti­ker, die es für frömm­lich-naiv hal­ten, aus­ge­rech­net in der hei­li­gen Lit­ur­gie den Ansatz­punkt zu sehen, weil sie nicht die Haupt‑, son­dern eine Neben­sa­che der Kir­che sei, eben genau die­sel­ben sind, für die auch Chri­stus, sei­ne Leh­re und sei­ne Gebo­te nicht das Zen­trum sind, son­dern ihn an den Rand gerückt und sei­ne Offen­ba­rung durch mensch­li­ches Geklü­gel ersetzt haben. Denn Chri­stus und Lit­ur­gie gehen letzt­lich immer mit­sam­men. Wie müs­sen an der Eucha­ri­stie anset­zen, weil wir an Chri­stus anset­zen müs­sen, und ihn wie­der in das Zen­trum rücken. Kei­ne schwam­mi­ge „Chri­stus­be­we­gung“, kei­ne unde­fi­nier­te „Jesus­phi­lo­so­phie“, son­dern wirk­lich Chri­stus selbst: die hoch­hei­lig­ste Eucharistie.

Doch wie kom­me ich aus­ge­rech­net auf die Lit­ur­gie als den zen­tral­sten Punkt, von dem die Trend­wen­de kom­men muß? Es ist ganz ein­fach zu erken­nen, wes­halb es so ist, wenn man es nur erken­nen und sich ein­ge­ste­hen will: Die Kir­che wur­de von Jesus nicht als Ver­ein Gleich­ge­sinn­ter gegrün­det, sie ist auch kei­ne Inter­es­sens­ge­sell­schaft oder ein intel­lek­tu­el­ler Kul­tur­club, son­dern wur­de von Chri­stus zu einem ganz bestimm­ten Zweck eingesetzt.

Chri­stus ist gekom­men, um uns zu erlö­sen – und das hat er am Kreuz getan. Die­sem Kreu­zes­op­fer hat er eine sehr kon­kre­te trans­tem­po­ra­le und trans­lo­ka­le Kon­ti­nui­tät gege­ben – im hei­li­gen Meß­op­fer. Das hei­li­ge Meß­op­fer ist das unblu­tig fort­dau­ern­de Kreu­zes­op­fer. Das ist der erste, ober­ste und hei­lig­ste Zweck der Kir­che, letz­ter und ein­zi­ger Urgrund all ihres Seins. Es ist ein unauf­hör­li­ches Lob‑, Dank‑, Sühn- und Bitt­op­fer. Und die­ses geschieht nun ein­mal in Form von Lit­ur­gie. So hat es Gott gewollt, so hat Er es gefügt und ange­ord­net. Im Alten Testa­ment vor­ge­bil­det, durch Chri­stus dann voll­zo­gen und in der Kir­che voll­endet. Das ist der erste Zweck der Kir­che und damit auch ihr ober­ster Auf­trag: Es ist das, wofür sie eigent­lich da ist – Lit­ur­gie zu halten.

Der ober­ste Auf­trag des Men­schen ist letzt­lich aber das­sel­be: Gott ein Lob­op­fer dar­zu­brin­gen. Nicht weil Gott des­sen bedürf­te, um Gott zu sein, nicht um sei­nen Zorn zu besänf­ti­gen, nicht um ihm unse­re Lie­be zu zei­gen, son­dern weil der Mensch nie­mals so sehr sei­nem eige­nen Wesen ent­spricht und nie­mals wirk­lich so sehr Mensch ist, als wenn er als Geschöpf sich mit sei­nem Schöp­fer ver­ei­nigt. Und dies geschieht nir­gends so voll­kom­men und „inten­si­viert“, als wenn er sich eben in genau jenem Hei­li­gen Opfer des gött­li­chen Soh­nes selbst mit DESSEN voll­kom­me­nem Opfer ver­ei­nigt: in der hei­li­gen Eucha­ri­stie. Wie­der also ist es Lit­ur­gie, ganz spe­zi­ell die Hei­li­ge Mes­se, auf die alles hinausläuft.

Bei­de, sowohl die Kir­che als auch der Mensch, fin­den in der Lit­ur­gie des Hei­li­gen Opfers ihre höch­ste Erfül­lung, hier ver­wirk­licht sich für bei­de der ober­ste und ein­zig wirk­li­che Sinn ihres Seins. Mensch und Kir­che ver­ei­ni­gen sich so und flie­ßen in die Eucha­ri­stie – in Chri­stus – über. Die Kir­che bit­tet bei jeder Opfer­be­rei­tung dar­um, wenn sie dem Wein ein Tröpf­chen Was­ser hin­zu­fügt, daß wir durch das Geheim­nis des Was­sers und des Wei­nes teil­ha­ben mögen an der Gott­heit Jesu Chri­sti, der sich her­ab­ge­las­sen hat, unse­re Men­schen­na­tur anzu­neh­men. In die­sem klei­nen Gebet der alten Mes­se ist die Ant­wort dar­auf zusam­men­ge­faßt, wes­halb wir bei Chri­stus, und des­halb an der Eucha­ri­stie, und des­halb an der hei­li­gen Lit­ur­gie anset­zen müs­sen, wenn wir eine Trend­wen­de in der Kir­che her­bei­füh­ren wollen.

Die der­zei­ti­ge Kri­sen­si­tua­ti­on der Kir­che ist Kon­se­quenz aus einem ursäch­li­chen Man­gel des lit­ur­gi­schen Opfer­voll­zu­ges – und damit mei­ne ich nicht ein schlam­pig gemach­tes Kreuz über dem Kelch oder eine ver­ges­se­ne Ver­nei­gung beim Glo­ria, son­dern eine tief­sit­zen­de, sub­stan­ti­el­le Feh­ler­haf­tig­keit im Ver­ständ­nis und im vor­ge­se­he­nen Voll­zug des­sen, als was Kir­che und Mensch in Wirk­lich­keit und von Gott her gedacht sind. Die­ser Man­gel im Voll­zug und im Selbst­ver­ständ­nis mani­fe­stiert sich not­wen­di­ger Wei­se in einer Kri­se der Kir­che und damit eben­so in einer Kri­se des Men­schen. Sie sind kau­sal zusam­men­hän­gend, weil sie mit­ein­an­der inner­lich ver­wo­ben sind.

Man kann aber eine Kri­se – eine jede Kri­se – nur behe­ben, indem man ihre Ursa­che kor­ri­giert – und die­se ist eben im Kern der Kir­che zu fin­den, der gott­ge­wollt ein lit­ur­gi­scher ist. Anders als lit­ur­gisch ist Kir­che nicht denk­bar, und anders als kirch­lich und daher lit­ur­gisch ist auch der Mensch nicht denk­bar, jeden­falls nicht in sei­ner geist­li­chen Wesensentsprechung.

Einer der Grund­feh­ler ist es, daß wir die geist­li­che Sicht der Din­ge selbst in Kir­chen­krei­sen nicht mehr mit ein­be­zie­hen, aber gera­de dar­an hängt alles. Die Kir­che ist kei­ne Orga­ni­sa­ti­on und kein Groß­un­ter­neh­men, sie ist nicht Men­schen­werk, son­dern sie ist das Opus Dei, Got­tes Werk. Die Pro­ble­me der Kir­che sind nur geist­lich zu lösen, weil es im Grun­de eben geist­li­che Pro­ble­me sind – nicht struk­tu­rel­le oder administrative.

Aus die­sem Grund bin ich der festen und unum­stöß­li­chen Über­zeu­gung, daß sich die Kri­se der Kir­che, die auch eine Kri­se des Men­schen nach sich zieht, allein lit­ur­gisch gelöst wer­den kann, so ein­fäl­tig das man­chen auch erschei­nen mag.

*Mag. Don Micha­el Gurt­ner ist ein aus Öster­reich stam­men­der Diö­ze­san­prie­ster, der in der Zeit des öffent­li­chen (Coro­na-) Meß­ver­bots die­sem wider­stan­den und sich gro­ße Ver­dien­ste um den Zugang der Gläu­bi­gen zu den Sakra­men­ten erwor­ben hat. Die aktu­el­le Kolum­ne erscheint jeden Samstag.


Das Buch zur Rei­he: Don Micha­el Gurt­ner: Zur Lage der Kir­che, Selbst­ver­lag, 2023, 216 Seiten.


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1 Kommentar

  1. Was geschieht jetzt in der Kir­che, ist eine Kata­stro­phe. Einen grö­sse­ren Nie­der­gang kann man kaum vor­stel­len. Die Kir­che ist heut­zu­ta­ge in einer Situa­ti­on, die der Schrift­stel­ler Kos­mas Fla­ma beschreibt (1930) in sei­nem Buch „Atha­na­si­us kommt in Gross­stadt, oder die Tier­gru­be“. Er schreibt über die Chri­sten die leben in der Gross­stadt Teil­o­pe, nen­nen sie sich zwar Chri­stia­ni, aber mit Chri­stus haben fast nichts mehr zusam­men. Sie haben sich völ­lig an die Hei­den der Stadt ange­passt. Atha­na­si­us sagt die­ser Grup­pe: „Ihr seid völ­lig ver­dor­ben… Ihr wollt Kin­der des Lich­tes wer­den, aber ihr liebt mehr Fin­ster­nis der Welt… Ihr sollt über die Bus­se den­ken, aber ihr träumt über die Fort­schritt in der Welt… Ihr wollt in der Mit­te zwi­schen Licht und der Welt sein… Ihr seid Mei­ster des Kom­pro­mis­ses…“ Und dann sagt der Atha­na­si­us; „Sie nen­nen sich nach Chri­stus, aber es wäre bes­ser, wenn sie sich nach Pila­tus nennen“.
    Die­se Wor­te pas­sen ganz genau beson­ders an die Kir­che in Deutch­land und ande­ren Westländer..

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