Mitglieder der Missionsfamilie Unserer Lieben Frau sind im vergangenen Monat auf der Baustelle ihrer neuen Ordensniederlassung in der südfranzösischen Stadt Saint-Pierre-de-Colombier mit Öko-Aktivisten aneinandergeraten.
Dabei wurde ein hierbei aufgenommenes Kurzvideo unter der Schlagzeile „Nonne gegen Öko-Terroristen“ in sozialen Medien ziemlich bekannt. Sogar die New York Times veröffentlichte einen Artikel dazu.
Der Hintergrund: Ein katholischer Orden will dort, wo er vor 77 Jahren gegründet wurde und immer seinen Hauptsitz hatte, ein neues Einkehr- und Exerzitienhaus mit Kirche bauen. Umweltschützer wollen das nicht zulassen, weil die Gegend Teil eines Naturparks ist. Sie kletterten über den Bauzaun und ketteten sich an die Baumaschinen. Das Video zeigt, wie Ordensfrauen die Ökofanatiker daran hindern wollen und es auch zu Handgreiflichkeiten kam.
Die New York Times berichtete, daß die im Video zu sehenden Ordensfrauen eine „Megakirche“ bauen wollen. Damit wurde das Projekt bereits mit einem Etikett versehen, um den Leser durch Voreingenommenheit zu lenken. Der Begriff „Megakirche“ ist in den USA mit evangelikalen Fernsehpredigern verbunden und daher in linksliberalen Kreisen wie der New York Times negativ besetzt. Mit der katholischen Kirche haben „Megakirchen“ aber nichts zu tun.
Die Missionsfamilie Unserer Lieben Frau
Bei dem Orden, der in Südfrankreich baut, handelt es sich um die Famille Missionnaire de Notre-Dame (Missionsfamilie Unserer Lieben Frau). Der französische Orden verfügt über einen männlichen wie einen weiblichen Zweig und zählt in Frankreich 16 Niederlassungen, eine in Baden-Württemberg (Litzelbergkapelle) sowie eine weitere in Rom.
Gegründet wurde der Orden 1946 von Abbé Lucien-Marie Dorne (1914–2006), der 1941 zum Priester geweiht worden war. Der Orden wuchs aus der katholischen Pfadfinderbewegung heraus, der Dorne seit jungen Jahren verpflichtet war. In der Ordensgründung wurde er von Marthe Robin bestärkt. Als er in jenem Jahr Pfarrer von Saint-Pierre-de-Colombier geworden war, kam er mit jungen Frauen in Kontakt, die den Wunsch verspürten, dem Ruf Gottes nach einem geistlichen Leben zu folgen. 1947 kamen die ersten Schwestern nach Saint-Pierre-de-Colombier, darunter Augusta Bernard (1907–1963), die spätere Mutter Marie-Augusta. Sie baute die Frauengemeinschaft in den ersten Jahren als Oberin auf. Ihr war aus gesundheitlichen Gründen der Ordenseintritt in einer anderen Gemeinschaft versagt worden, doch Abbé Dorne erkannte ihre Eignung. So entstand eine erste Gruppe Unserer Lieben Frau vom Schnee „für die Herzensbildung“, in der durch Katechesen die Vorbereitung auf ein geistliches Leben begonnen wurde. Die Herzensbildung sieht der Orden als seinen Auftrag. Dabei zeigte sich der damalige Ortsbischof von Viviers, Msgr. Alfred Couderc, zunächst gar nicht begeistert. Die stigmatisierte Marthe Robin überzeugte Abbé Dorne jedoch, daß der Bischof die Gründung akzeptieren würde. Die Ordensangehörigen arbeiteten tatkräftig auch in der Pfarrei mit, vor allem in der Mädchen- und Jugendarbeit und unterstützten darin den Pfarrer, der ihr geistlicher Leiter war. 1955 wurden von Abbé Dorne die Ordensregeln verfaßt und vom Bischof approbiert. 1971 erfolgte die kirchliche Anerkennung. Die ewigen Gelübde im Orden werden jeweils in Saint-Pierre-de-Colombier abgelegt. Ähnlich einem von Marthe Robin angeregten Foyer de Charité heißt auch die Niederlassung des neuen Ordens Foyer Domini (Haus des Herrn).
In den 70er Jahren folgte dann die Errichtung eines männlichen Zweiges, ebenfalls benannt nach Unserer Lieben Frau vom Schnee. 1988 entstand ein „Foyer“ auch im elsässischen Schlettstadt (fr. Sélestat). Die Wandlungen nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil machte der Orden alle mit, bemüht sich jedoch die Liturgie in würdiger Form zu zelebrieren. Das Hauptaugenmerk liegt auf der geistlichen Formung: durch Katechese und Exerzitien. Das Zentrum für die Exerzitien des Ordens befindet sich in Saint-Pierre-de-Colombier. Dieses Zentrum samt Mutterhaus soll nun neu errichtet werden.
2000 folgte die Zusammenführung der beiden Ordenszweige als Famille Missionnaire de Notre-Dame, ein Institut des geweihten Lebens diözesanen Rechts, das 2005 vom damaligen Bischof von Viviers Msgr. François Blondel anerkannt wurde. Die Namensänderung erfolgte, weil Rom darauf drängt, daß zwei Orden in derselben Diözese nicht zu ähnlich klingende Namen haben. In der Diözese gibt es noch Zisterzienser Unserer Lieben Frau vom Schnee.
Der Tag im Leben der Gemeinschaft beginnt um 6:30 Uhr mit einer stillen Betrachtung, gefolgt um 7:00 Uhr von den Laudes, und endet nach dem Abendessen um 19 Uhr samt anschließender Komplet mit der Nachtruhe.
„Gewaltsames und illegales Eindringen“
Damit zurück zu den aktuellen Ereignissen: Bruder Clement-Marie von der Famille Missionnaire de Notre-Dame spricht davon, daß die Gegner des Bauprojekts die „Ökologie als Vorwand“ nehmen, in Wirklichkeit aber von einer antikatholischen Gesinnung getrieben seien. Rechtlich handelte es sich, wie der Orden betont, um ein „gewaltsames und illegales Eindringen“. Die Protestierer sprechen hingegen von einem „Umweltfrevel“, da die Gegend das Ziel vieler Wanderer sei. In Wirklichkeit grenzt das Baugelände direkt an den bebauten Ort Saint-Pierre de Colombier an und besteht heute aus Feldern.
Die Protestierer können sich bei ihrer Kritik auch auf Bedenken aus der Ortskirche stützen. Der frühere Ortsbischof der Diözese Viviers sprach 2020 von einem „unverhältnismäßigen“ Projekt. Dahinter steht eine gewisse Ablehnung gegenüber bestimmten Ordensgemeinschaften. Bischöfe wie Msgr. Jean-Louis Balsa sprechen dann von den bereits „ausreichend“ vorhandenen Strukturen in ihren Diözesen. Nicht jede Gemeinschaft ist überall willkommen. Im konkreten Fall hatte im Vorfeld die Mission interministérielle de vigilance et de lutte contre les dérives sectaires (eine staatliche Sekten-Beobachtungs- und Bekämpfungsstelle, auch so etwas gibt es im laizistischen Frankreich) Bedenken zum Orden geäußert. Bedenken bestehen auch gegen die Existenz und Arbeitsweise dieser staatlichen Stelle.
Die Missionsfamilie Unserer Lieben Frau ist in dieser Diözese entstanden, weshalb die Behinderungsversuche des Bischofs an gewisse Grenzen stießen. Wegen des innerkirchlichen Widerstandes mußte der Orden allerdings den Kirchenbau aussetzen. Die Eingabe an Rom ist dort noch anhängig. So konzentriert sich die Gemeinschaft vorerst auf die Errichtung der Nebengebäude, der neuen Niederlassung des Ordens und das damit verbundene neue Einkehr- und Exerzitienhaus. Msgr. Balsa ist seit Mitte September neuer Erzbischof von Albi, weshalb der Orden auf eine Entspannung im Verhältnis zur Diözese erhofft. Der Diözesanadministrator zeigte sich allerdings nicht sehr entgegenkommend. Er nahm nach den Medienberichten über die Baustellenbesetzung dazu Stellung, ohne den Orden vorher zu kontaktieren und dessen Position anzuhören.
Im Orden gibt man sich daher optimistisch, daß bald auch der Kirchenbau wieder aufgenommen werden kann. Bruder Clement-Marie scherzte gegenüber Medien, daß dann vielleicht die Pilgerströme so zahlreich sein werden, daß am Ende „aus Sicherheitsgründen“ tatsächlich eine „Megakirche“ gebaut werden müsse.
Derzeit ist ein Tag im Dezember der Hauptwallfahrtstermin. Da versammeln sich rund 2.000 Pilger zum Gebet vor einer Statue Unserer Lieben Frau vom Schnee. Mit der Errichtung der Statue wurde ein Versprechen erfüllt, das 1944 abgegeben worden war, als die Gottesmutter von den Ortsbewohnern um Schutz vor Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs gebeten wurde. Der Ort blieb tatsächlich verschont, und so errichtete Abbé Lucien-Marie Dorne, als er kurz nach Kriegsende dort Pfarrer wurde, zum Dank die Marienstatue. Der damalige Ortsbischof, der anfangs strikt gegen eine Ordensneugründung war, nahm die Segnung der Statue vor und ermutigte nun den Pfarrer, wie Marthe Robin es gesagt hatte, dort die erste Ordensniederlassung zu errichten.
Öko-Gruppen organisieren seit einiger Zeit Protestkundgebungen, auch zu den Sonntagsmessen und haben mehrere Klagen gegen das Bauprojekt eingebracht. Dabei versuchen sie Formfehler zu nützen. Stoppen konnten sie den Bau bisher nicht.
Bruder Clement-Marie sagte, es sei fast unvermeidbar, daß bei unzähligen Seiten an Papierkram, der zu erledigen sei, auch Formfehler geschehen können. Das liege nicht so sehr am Willen seines Ordens, sondern an dem bürokratischen Aufwand, den die Behörden einfordern. Die Gerichte gaben dem Orden recht, was zur etwas skurrilen Situation führte, daß die laizistischen Gerichte dem Orden gewogener sind als die Ortsdiözese und Rom.
Die weitere Geschichte ist durch die Vorgehensweise von Öko-Radikalen bei unzähligen anderen Bauprojekten bekannt. Selbst wenn alle Genehmigungen ordnungsgemäß vorliegen und dies von Gerichten bestätigt wurde, wird eine „seltene“ Pflanze oder ein „seltener“ Vogel aus dem Zylinder gezaubert, mit dem Bauprojekte um weitere Jahre und zahlreiche Gerichtsverhandlungen verzögert werden. In solchen Fällen versucht eine winzig kleine Minderheit allen anderen ihren Willen aufzuzwingen. Im konkreten Fall in Südfrankreich wird eine geschützte Pflanze vorgeschoben, die auf dem erweiterten Baugelände entdeckt wurde. Mit dieser Pflanze hoffen Ökofanatiker das Bauprojekt doch noch zu stoppen. „Diese Pflanze kann die Basilika zu Fall bringen“, erklärte Pierrot Pantel, einer der Gegner des Bauprojekts und Mitglied der Vereinigung für Biodiversität.
Die Ordensgemeinschaft betonte, bereit zu sein, die Pflanze artgerecht auszugraben und an einer nahen Stelle wieder einzusetzen. Daraufhin kletterten am 12. Oktober Öko-Fanatiker über den Bauzaun und ketteten sich an die Baumaschinen, „um zu verhindern, daß die Pflanze entwurzelt wird“.
Am zweiten Tag der Besetzung stellten sich ihnen aber Brüder und Schwestern des Ordens entgegen. Bei den Handgreiflichkeiten verstauchte sich ein Ordensbruder einen Knöchel und ein Besetzer beklagte den Bruch eines Fingers.
Da sich die Sache physisch nicht regeln ließ, sangen die Ordensfrauen stundenlang vor den Protestierern, die die Baumaschinen besetzt hielten, geistliche Gesänge. Das war den Öko-Radikalen dann offensichtlich zuviel. Gegen Abend zogen sie ab, nicht ohne freilich anzukündigen, weiterhin gegen das Projekt vorgehen zu wollen.
„Unsere wichtigste Reaktion“, so Bruder Clément-Marie nach diesen Ereignissen, „ist das Gebet“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: FMND/Salon beige/Wikicommons (Screenshots)
So Gott will wird die Kirche gebaut werden.
Ich wollte eigentlich distanzierter Schreiben. Aber dies wurde mir wörtlich eingegeben.