Schwerer Luftangriff gegen Zivilisten in Myanmar

Putschregierung tötete gestern mindestens 80 Menschen


Das Bild wurde absichtlich unscharf gemacht. Es zeigt mindestens sieben getötete Menschen, die Opfer des Luftangriffs der Putschregierung wurden.
Das Bild wurde absichtlich unscharf gemacht. Es zeigt mindestens sieben getötete Menschen, die Opfer des Luftangriffs der Putschregierung wurden.

(Nay­py­idaw) Gestern wur­de in Myan­mar (Bir­ma) das christ­li­che Dorf Chaung Yoe in der Regi­on Sagaing zum drit­ten Mal in etwas mehr als einem Jahr ange­grif­fen. Sol­da­ten ver­wü­ste­ten die ört­li­che Kir­che und setz­ten eini­ge Fahr­zeu­ge in Brand, wäh­rend die Bewoh­ner aus dem Ort flo­hen. In den ver­gan­ge­nen Wochen kam es auch in dem über­wie­gend christ­li­chen Uni­ons­staat Chin täg­lich zu Zusam­men­stö­ßen zwi­schen Armee­trup­pen und ört­li­chen Mili­zen, die Teil des Wider­stands sind.

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Gestern kam es zu einem der schlimm­sten Bom­bar­de­ments seit Aus­bruch des Bür­ger­kriegs nach dem Putsch vom 1. Febru­ar 2021. Bis­lang wur­den 80 Lei­chen gebor­gen, doch vie­le wei­te­re sind zer­fetzt und schwer iden­ti­fi­zier­bar, wie loka­le Zeu­gen berich­ten. Unter den Ver­letz­ten befin­den sich Dut­zen­de von Frau­en und Kin­dern, die das tra­di­tio­nel­le bir­ma­ni­sche Neu­jahrs­fest fei­er­ten. Die Putsch­re­gie­rung gab zu, einen Angriff mit einem Mili­tär­jet und einem Kampf­hub­schrau­ber durch­ge­führt zu haben.

Der Spre­cher der Armee, Gene­ral Zaw Min Tun, bestä­tig­te in einem Inter­view mit den staat­li­chen Medi­en die Ver­ant­wor­tung der Mili­tär­jun­ta: Die Luft­waf­fe habe das Dorf Pa Zi Gyi in der Gemein­de Kan­ba­lu im Lan­des­in­ne­ren der Regi­on Sagaing ange­grif­fen, weil sich dort ein Ver­wal­tungs­zen­trum der Volks­ver­tei­di­gungs­kräf­te (PDF) der Exil­re­gie­rung befin­de, zu denen eini­ge der Mili­zen gehö­ren, die den Wider­stand der ange­grif­fe­nen Volks­grup­pen bil­den und die das Mili­tär der Putsch­re­gie­rung als ter­ro­ri­sti­sche Grup­pen bezeichnet.

Die PDF, die vor zwei Jah­ren nach der Macht­über­nah­me durch die Armee gegrün­det wur­den, sind der bewaff­ne­te Flü­gel der Natio­na­len Ein­heits­re­gie­rung (NUG) im Exil, der sich haupt­säch­lich aus ehe­ma­li­gen Abge­ord­ne­ten der Natio­na­len Liga für Demo­kra­tie (NLD) zusam­men­setzt, der Par­tei von Aung San Suu Kyi, die von 2016 bis zum Putsch Mini­ster­prä­si­den­tin Myan­mars war. Sie wur­de von den Put­schi­sten abge­setzt und inhaf­tiert. 1990 war ihr der Sacha­row-, 1991 der Frie­dens­no­bel­preis ver­lie­hen worden.

Augen­zeu­gen berich­te­ten, daß sich unter den Opfern zahl­rei­che Frau­en, älte­re Men­schen und Kin­der befan­den, die wäh­rend der Zere­mo­nie, die mit den Fei­er­lich­kei­ten des Thin­gyan, des tra­di­tio­nel­len bir­me­si­schen Neu­jahrs­fe­stes, zusam­men­fiel, Essens­ga­ben ent­ge­gen­nah­men. Die Dorf­vor­ste­her waren in einem Haupt­ge­bäu­de ver­sam­melt, wäh­rend vie­le Kin­der im Alter von zwei oder drei Jah­ren in der Nähe stan­den. Ein Mili­tär­flug­zeug warf zwei Bom­ben direkt auf die Men­ge. Dann kam ein Kampf­hub­schrau­ber und eröff­ne­te das Feu­er auf sie, wobei eine gro­ße Zahl von Zivi­li­sten ver­letzt und getö­tet wur­de, so Augen­zeu­gen, die von Asia­News zitiert wur­den. Das Flug­zeug kehr­te dann zurück, um jene zu tref­fen, die den Ver­such unter­nah­men, die Toten und Ver­wun­de­ten zu ber­gen. Vide­os und Fotos, die von Über­le­ben­den im Inter­net ver­öf­fent­licht wur­den, zei­gen zer­stückel­te Lei­chen und bren­nen­de Gebäude.

Im Moment ist es laut Augen­zeu­gen schwie­rig, die genaue Zahl der Toten zu ermit­teln, da vie­le Lei­chen regel­recht zer­fetzt wur­den: „Eini­ge Lei­chen waren kopf­los, und eini­ge Köp­fe waren kör­per­los. Es gibt kei­ne Mög­lich­keit fest­zu­stel­len, zu wem die Lei­chen gehö­ren. Über das gan­ze Gelän­de lie­gen fin­ger­gro­ße Kör­per­tei­le. Man kann kaum ver­mei­den, auf sie zu tre­ten.“ Die Zahl der Toten könn­te auf rund 100 steigen.

Der UNO-Hoch­kom­mis­sar für Men­schen­rech­te, Vol­ker Turk, zeig­te sich „ent­setzt“ und wies dar­auf hin, daß bei der Zere­mo­nie Schü­ler in tra­di­tio­nel­ler und All­tags­klei­dung anwe­send waren:

„Trotz der ein­deu­ti­gen recht­li­chen Ver­pflich­tung des Mili­tärs, Zivi­li­sten bei der Durch­füh­rung von Feind­se­lig­kei­ten zu schüt­zen, wur­den die ein­schlä­gi­gen Nor­men des inter­na­tio­na­len Rechts in ekla­tan­ter Wei­se miß­ach­tet. Es gibt hin­rei­chen­de Grün­de für die Annah­me, daß das Mili­tär und mit dem Mili­tär ver­bun­de­ne Mili­zen für ein extrem brei­tes Spek­trum an Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen und Miß­brauch ver­ant­wort­lich sind, von denen eini­ge Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit und Kriegs­ver­bre­chen dar­stel­len könnten.“

Vom 1. Febru­ar 2021 bis Janu­ar die­ses Jah­res hat die bir­ma­ni­sche Putsch­jun­ta in ver­schie­de­nen Gebie­ten des Lan­des min­de­stens 600 Bom­ben­an­grif­fe auf Dör­fer durch­ge­führt, die von den geg­ne­ri­schen Kräf­ten kon­trol­liert wer­den. Die Putsch­re­gie­rung wur­de in der Ver­gan­gen­heit von Ruß­land und der Volks­re­pu­blik Chi­na mit Waf­fen beliefert. 

Chin ist einer von 15 Uni­ons­staa­ten Myan­mars. Er grenzt im Nor­den und Westen an Indi­en sowie in einem klei­nen Grenz­ab­schnitt auch an Ban­gla­desch. Wäh­rend der Groß­teil der bir­ma­ni­schen Bevöl­ke­rung bud­dhi­stisch ist, sind mehr als 85 Pro­zent der Ein­woh­ner Chins Chri­sten. An den Nord­osten von Chin grenzt Sagaing, das ein Zen­trum des Wider­stan­des gegen die Putsch­re­gie­rung ist. Dort sind etwa sie­ben Pro­zent der Bewoh­ner Chri­sten, dar­un­ter auch meh­re­re tau­send Bay­in­gyi, das sind katho­li­sche Nach­fah­ren von Por­tu­gie­sen und ein­hei­mi­schen Frauen.

Seit dem Mili­tär­putsch wur­den im Uni­ons­staat Kay­ah zahl­rei­che Kir­chen ange­grif­fen. Die­ser liegt im Osten des Lan­des und grenzt an Thai­land. Fast die Hälf­te der Ein­woh­ner dort sind Chri­sten, die ande­re Hälf­te Buddhisten.

Die katho­li­schen Bischö­fe des Lan­des, ange­führt von Kar­di­nal Charles Maung Bo, dem Erz­bi­schof von Yangon (Ran­gun), ver­su­chen als Frie­dens­stif­ter zu ver­mit­teln. Dabei rich­ten sich ihre Frie­dens­ap­pel­le an alle bewaff­ne­ten Par­tei­en, die Mili­tär­put­schi­sten und den bewaff­ne­ten Widerstand.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Asia­News

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