Die Synodalität? Pelagianismus unter einer frommen Maske

"Von Sitzungen erdrückt" Bischof Schneider über Synodalität


Bischof Athanasius Schneider zeigte die Defizite des Synodalen Wegs und der Synodalität schon auf, bevor diese richtig aktiv wurden.
Bischof Athanasius Schneider zeigte die Defizite des Synodalen Wegs und der Synodalität schon auf, bevor diese richtig aktiv wurden.

(Rom) Der Anfang Janu­ar ver­stor­be­ne Kar­di­nal Geor­ge Pell sprach von einem „gif­ti­gen Alp­traum“, den die Kir­che der­zeit erle­be. Der Syn­oda­le Weg in Deutsch­land will als Ramm­bock die gesam­te Welt­kir­che auf den Kopf stel­len. Mit dem „syn­oda­len Pro­zeß“ wur­de dafür von Papst Fran­zis­kus eine Ein­falls­pfor­te in die Kir­che auf­ge­tan. Die häre­ti­schen Beschlüs­se des Syn­oda­len Wegs, z. B. für eine Homo-Seg­nung, und das zehn­jäh­ri­ge Thron­ju­bi­lä­um von Papst Fran­zis­kus bie­ten den Anlaß, in einem Inter­view nach­zu­le­sen, das die her­aus­ra­gen­de Vati­ka­ni­stin Dia­ne Mon­tagna mit Msgr. Atha­na­si­us Schnei­der führ­te und das in Buch­form unter dem Titel: „Chri­stus Vin­cit. Der Tri­umph Chri­sti über die Fin­ster­nis die­ser Zeit“ (deut­sche Aus­ga­be fe-Medi­en­ver­lag, 2020) erschie­nen ist. Obwohl das Inter­view bereits eini­ge Jah­re zurück­liegt, ver­liert es nicht, son­dern gewinnt an Aktua­li­tät. Damals war der Syn­oda­le Weges noch gar nicht eröff­net und von einem syn­oda­len Pro­zeß noch kei­ne Rede. Um so deut­li­cher tritt her­vor, wie klar Bischof Schnei­der bereits damals sah. Es zeigt sich auch, daß die neu­erfun­de­ne Syn­oda­li­tät in Wirk­lich­keit eine Bank­rott­erklä­rung ist.

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Dia­ne Mon­tagna: In dem geist­li­chen Klas­si­ker „Der Dia­log“ sagt Gott­va­ter zur hei­li­gen Katha­ri­na von Sie­na: „Weißt du, Toch­ter, wer du bist und wer ich bin? Wenn du die­se bei­den Din­ge weißt, wird dich der Teu­fel nicht angrei­fen kön­nen und du hast die Selig­keit greif­bar nahe: ‚Du bist die, die nicht ist, und ich bin Der, Der ist.‘ “

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Genau. Die Schöp­fung ist ex nihi­lo und wir sind pul­vis – Staub und Asche – und das ist unse­re Wirk­lich­keit. Wir müs­sen das aner­ken­nen und gleich­zeit Hoff­nung und Lie­be haben im Glau­ben, dass wir Got­tes Kin­der sind. Obwohl wir nichts sind – wir sind Knech­te –, auf­grund unse­rer Natur, sind wir erho­ben in den Stand von Kin­dern Got­tes, auf dass wir Ihn mit Ehr­furcht und kind­li­cher Hin­ga­be lie­ben und anbe­ten.
Die­se Art von Anbe­tung zer­stört unse­re Natur nicht und sie soll­te nicht in einer knech­ti­schen Hal­tung erfol­gen, son­dern mit Ehr­furcht, Lie­be und Andacht – in der Erkennt­nis, dass „ich nicht Gott bin“. Ich bin ein Kind Got­tes, aber doch auch ein Geschöpf und ich wer­de auf immer ein Geschöpf blei­ben. Wir fin­den dafür ein bewe­gen­des Bei­spiel in der Offen­ba­rung des Johan­nes: Die Erwähl­ten, die Hei­li­gen, die vier­und­zwan­zig Älte­sten neh­men ihre Kro­nen ab, legen sie auf den Boden und wer­fen sich in der Gegen­wart des Lam­mes nie­der und das Lamm ist Chri­stus und das Lamm bedeu­tet auch das Geheim­nis der Eucha­ri­stie. Das ist bereits die Anbe­tungs­hal­tung des Himm­li­schen Jeru­sa­lem, die für alle Ewig­keit andau­ern wird: voll­kom­me­ne Hin­ga­be, Erge­ben­heit, Ehr­furcht, Lie­be und Anbetung.

Dia­ne Mon­tagna: Und in die­sen Kreis tre­ten wir wäh­rend der hei­li­gen Mes­se ein, auch wenn wir ihn mit unse­ren Augen nicht erblicken.

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Sehr rich­tig. Um auf unser The­ma des Über­na­tür­li­chen zurück­zu­kom­men. Der hei­li­ge Augu­sti­nus und die Kir­che ver­ur­teil­ten den Pela­gia­nis­mus, der eine Art Natu­ra­lis­mus dar­stellt. Seit der Zeit der Apo­stel hat die Kir­che immer auf den Vor­rang der Gna­de, des Über­na­tür­li­chen Wert gelegt. Fest­zu­hal­ten ist: Gott ist wich­ti­ger, die Ewig­keit ist wich­ti­ger als das Geschöpf und die zeit­li­chen Wirk­lich­kei­ten, so wie ja auch die See­le an sich wich­ti­ger ist als der Leib, denn die See­le ist unsterb­lich. Und das Gebet ist wich­ti­ger als Akti­vi­tät. Unser Herr Jesus Chri­stus hat uns die­se Wahr­heit gelehrt, als er zu der akti­ven Mar­tha sag­te, dass ihre kon­tem­pla­ti­ve Schwe­ster „den bes­se­ren Teil erwählt [hat], der ihr nicht genom­men wer­den kann“ (Lk 10,42).
Säku­la­ris­mus hängt mit einer Leug­nung des Über­na­tür­li­chen zusam­men – einer Leug­nung der Mög­lich­keit, dass Gott, der das Über­na­tür­li­che ist, in die­se Welt, in die See­len durch die wirk­sa­me Macht der Sakra­men­te ein­grei­fen kann. Säku­la­ris­mus, die Phi­lo­so­phie des Natu­ra­lis­mus und der gesam­te Ein­fluss der Frei­mau­rer­be­we­gung auf die Kir­che hat sich in der katho­li­schen Kir­che in der Bewe­gung des Moder­nis­mus aus­ge­drückt. Seit dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil hat sich die Kir­che in hohem Maße dem Ein­fluss von Säku­la­ris­mus und Natu­ra­lis­mus aus­ge­lie­fert. Der Moder­nis­mus ist eigent­lich eine Leug­nung oder eine Schwä­chung des Über­na­tür­li­chen inso­fern, als er erklärt, dass die rei­ne Ver­nunft und ledig­lich die Geschich­te die letz­ten Kri­te­ri­en der Wahr­heit sind. Das ist letzt­lich Hege­lia­nis­mus. Kant war es, der durch die Vor­rang­stel­lung der rei­nen Ver­nunft und durch die Idee von der Unmög­lich­keit, Zugang zum Meta­phy­si­schen und Über­na­tür­li­chen zu haben, den Weg für den Hege­lia­nis­mus berei­tet hat. All das fand in die katho­li­sche Welt Ein­gang und hat sich in reli­giö­ser Spra­che als Moder­nis­mus umbe­nannt. Die moder­ni­sti­sche Bewe­gung, die es seit dem 19. Jahr­hun­dert in der Kir­che gibt, benutz­te das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil als Kata­ly­sa­tor für ihre Aus­brei­tung. So wur­de die Kir­che nach dem Kon­zil in eine tie­fe, durch Natu­ra­lis­mus gekenn­zeich­ne­te Kri­se gestürzt. Es hat bis zu einem gewis­sen Grad den Anschein, als habe im Leben der Kir­che in vie­ler Hin­sicht das Natür­li­che über das Über­na­tür­li­che gesiegt. Dabei kann es sich aber nur um einen Schein­sieg han­deln, denn die Kir­che kann von den Kräf­ten der Höl­le nicht über­wun­den wer­den. Vor­über­ge­hend erle­ben wir jedoch eine Ver­fin­ste­rung, eine Aus­blen­dung des Über­na­tür­li­chen, des Vor­rangs Got­tes, der Ewig­keit, des Vor­rangs der Gna­de, des Gebets, der Hei­lig­keit und der Anbe­tung. All die­se Zei­chen des Über­na­tür­li­chen wur­den im seel­sor­ger­li­chen Leben und in der Lit­ur­gie der Kir­che unse­rer Tage stark ein­ge­schränkt. Welt­weit besteht die tief­ste Kri­se der Kir­che in der Schwä­chung des Über­na­tür­li­chen. Sie offen­bart sich in einer Umkeh­rung der Ord­nung, sodass die Natur, zeit­li­che Din­ge und der Mensch die Vor­rang­stel­lung vor Chri­stus, vor dem Über­na­tür­li­chen, vor dem Gebet, vor der Gna­de und so wei­ter ein­neh­men. Das ist unser Pro­blem. Jesus sag­te jedoch: „Ohne mich könnt ihr nichts tun“ (Joh 15,5). Die gesam­te Kri­se in der Kir­che, wie wir sie nach dem Kon­zil erleb­ten, zeig­te sich in einer unge­heu­er­li­chen Infla­ti­on fre­ne­ti­scher mensch­li­cher Akti­vi­tät, um die Lee­re, das Vaku­um von Gebet und Anbe­tung zu fül­len, das durch die Preis­ga­be des Über­na­tür­li­chen ent­stan­den ist.

Dia­ne Mon­tagna: Was eine Lee­re ist, die nie­mals gefüllt wer­den kann…

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Natür­lich. Trotz­dem wur­den Bemü­hun­gen unter­nom­men, die­se Lee­re zu fül­len, bei­spiels­wei­se mit dau­ern­den Kir­chen­tref­fen und Zusam­men­künf­ten auf unter­schied­li­chen Ebe­nen und in unter­schied­li­chen For­men – stän­di­gen Syn­oden. Häu­fig han­delt es sich dabei um eine fie­ber­haf­te Tätig­keit unter einer sehr from­men Mas­ke. Es ist Geld­ver­schwen­dung, es ist Ver­schwen­dung von Zeit, die für Gebet und unmit­tel­ba­re Evan­ge­li­sie­rung genutzt wer­den könn­te. Das Phä­no­men stän­di­ger Tref­fen, Ver­samm­lun­gen und Syn­oden auf unter­schied­li­chen Ebe­nen ist eine Art Par­la­men­ta­ri­sie­rung des Lebens der Kir­che, ist also letzt­lich welt­lich, wenn auch ver­schlei­ert mit dem ein­drucks­vol­len Wort „Syn­oda­li­tät“. Es gibt Bischofs­tref­fen auf kon­ti­nen­ta­ler, regio­na­ler und natio­na­ler Ebe­ne, auf sub­na­tio­na­ler Ebe­ne, auf diö­ze­saner Ebe­ne und so wei­ter. Wir wer­den mit andau­ern­den Zusam­men­künf­ten erwürgt und jede Zusam­men­kunft muß Tex­te pro­du­zie­ren. Wir wer­den von einer gewal­ti­gen Papier­flut buch­stäb­lich über­schwemmt. Das aber ist rei­ner, fie­ber­haf­ter Pela­gia­nis­mus. Es ver­schlingt nicht nur Geld und Zeit, die für Evan­ge­li­sie­rung und Gebet sinn­vol­ler ein­ge­setzt wären; es ist dar­über hin­aus auch eine außer­or­dent­lich raf­fi­nier­te Metho­de Satans, die Nach­fol­ger der Apo­stel und die Prie­ster von Gebet und Evan­ge­li­sie­rung abzu­hal­ten – unter dem Vor­wand einer soge­nann­ten „Syn­oda­li­tät“. Es gibt ledig­lich eine ein­zi­ge Par­al­le­le in der Geschich­te der Kir­che zu die­sen exzes­si­ven Bischofs­zu­sam­men­künf­ten, und das ist das 4. Jahr­hun­dert, eben damals, als die aria­ni­sche Häre­sie vor­herrsch­te. Damals traf man sich auch und hielt Zusam­men­künf­te ab und damals sag­te der hei­li­ge Gre­gor von Nazi­anz: „Ich habe mich ent­schie­den, jedes Bischofs­tref­fen zu ver­mei­den, denn ich habe nie erlebt, dass eine Syn­ode zu einem guten Ende gekom­men ist und Unord­nun­gen berich­tigt, son­dern sie hat sie viel­mehr noch ver­schlim­mert“ (Ep. 130 ad Pro­co­pi­um).

Dia­ne Mon­tagna: Heut­zu­ta­ge wür­de man den hei­li­gen Gre­gor als Pes­si­mi­sten bezeich­nen und für sei­nen unkol­le­gia­len Geist wahr­schein­lich maßregeln.

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Ich muss ehr­lich sagen, dass mich Bischofs­ver­samm­lun­gen und Syn­oden lang­wei­len. So sehr ich mei­ne Brü­der im Bischofs­amt lie­be und so ger­ne ich mit ihnen zusam­men­tref­fe – die­se Metho­de von stän­di­gen Syn­oden und Ver­samm­lun­gen, die häu­fig von einem hek­ti­schen Akti­vis­mus geprägt sind, ist vom Geist des Pela­gia­nis­mus und des Moder­nis­mus beein­flusst. Die­se Ver­an­stal­tun­gen sind häu­fig ste­ril und ver­mit­teln den Ein­druck einer ernor­men Zur­schau­stel­lung kle­ri­ka­ler Eitelkeit.

Dia­ne Mon­tagna: Was wür­den Sie statt­des­sen tun?

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Es wäre viel segens­rei­cher – per­sön­lich, psy­cho­lo­gisch, pasto­ral und kirch­lich – mit den ein­fa­chen katho­li­schen Gläu­bi­gen zusam­men­zu­tref­fen. Wir Bischö­fe wären bes­ser bera­ten, wenn wir uns mit jun­gen Men­schen und jun­gen Fami­li­en mit ihren Kin­dern tref­fen wür­den, die nach der Schön­heit Got­tes dür­sten, der Schön­heit der katho­li­schen Wahr­heit und des katho­li­schen Lebens und nach der Schön­heit der katho­li­schen Lit­ur­gie. Ihnen begeg­nen, mit denen beten, sie unter­wei­sen, aber auch als Bischof von ihnen zu ler­nen. Ich ler­ne auch als Bischof von ihnen von ihrem Bei­spiel, wenn ich den Glau­ben die­ser schö­nen katho­li­schen jun­gen Fami­li­en beob­ach­te, einer bei­spiel­haf­ten katho­li­schen Jugend. Auch katho­li­sche Kin­der haben mich häu­fig tief beein­druckt und auf­er­baut. Für mich per­sön­lich sind sol­che Begeg­nun­gen mit den Klei­nen in der Kir­che unver­gleich­lich viel frucht­ba­rer und geist­lich berei­chern­der als die Teil­nah­me an Syn­oden oder an offi­zi­el­len Bischofs­tref­fen, jeden­falls in der Form, wie sie in unse­rer Zeit abge­hal­ten wer­den. Manch­mal kommt es mir so vor, als sei­en sol­che Tref­fen mehr oder weni­ger Zusam­men­künf­te von Büro­kra­ten. Ich möch­te damit nicht sagen, dass jeder Bischof in die­sen Tref­fen wie ein Büro­krat han­delt oder denkt. Aller­dings erwecken sie den Ein­druck, büro­kra­ti­sche Ereig­nis­se zu sein, die kei­ne ech­te Klä­rung in der Leh­re brin­gen oder eine Ver­bes­se­rung der kirch­li­chen Dis­zi­plin, also einen ech­ten Fort­schritt in der Hei­lig­keit im Leben der Kir­che.
Ich bin nicht gegen Syn­oden oder ande­re Bischofs­ver­samm­lun­gen an sich, vor­aus­ge­setzt, sie fin­den nicht häu­fig statt, dau­ern nicht lan­ge, sind mit mög­lichst wenig Büro­kra­tie ver­bun­den und haben eine trans­pa­ren­te und fai­re Geschäfts­ord­nung, vor allem aber: vor­aus­ge­setzt, sie garan­tie­ren die Unver­sehrt­heit der Leh­re und Dis­zi­plin in den Dis­kus­si­ons­vor­la­gen und im Schluss­do­ku­ment. Jedes Mit­glied einer Syn­ode oder einer ande­ren wich­ti­gen Bischofs­ver­samm­lung soll­te ver­pflich­tet sein, jedes Mal einen klar for­mu­lier­ten Treue­eid zu den unver­än­der­li­chen Glau­bens- und Sit­ten­leh­ren abzu­le­gen sowie zu jenen Nor­men des Kir­chen­rechts und der Sakra­men­ten­dis­zi­plin, die in der apo­sto­li­schen Tra­di­ti­on wur­zeln und folg­lich immer­wäh­rend gül­tig sind.

Dia­ne Mon­tagna: Kön­nen Sie noch etwas über Ihre Begeg­nun­gen mit gläu­bi­gen Katho­li­ken erzäh­len? Was begeg­net Ihnen da?

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Ja, ich hat­te tat­säch­lich sehr vie­le schö­ne Begeg­nun­gen mit den ein­fa­chen Men­schen in der Kir­che. Ich bezeich­ne sie als „die Klei­nen“, wobei das nicht immer dem Lebens­al­ter ent­spricht, das sich aus ihrem Pass able­sen lässt. Die „Klei­nen“ in der Kir­che sind jene Men­schen jeden Alters, die den rei­nen, tie­fen katho­li­schen Glau­ben haben und in der Kir­che kei­ne Macht aus­üben. Das sind für mich die Klei­nen. Es kön­nen Kin­der sein, jun­ge Men­schen, Fami­li­en, auch älte­re Leu­te; das Alter spielt kei­ne Rol­le, eher die geist­li­chen Merk­ma­le.
Ein bestimm­tes Erleb­nis wer­de ich nie ver­ges­sen. Ich war in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten, in einer Gemein­de und fei­er­te dort ein schö­nes Pon­ti­fi­kal­amt in der tra­di­tio­nel­len Form. Es gab vie­le Mini­stran­ten aller Alters­stu­fen und nach der Mes­se – ich trug mein Chor­ge­wand – woll­te ein klei­ner Mini­strant allein mit mir foto­gra­fiert wer­den. Die gan­ze Gemein­de in der Hal­le schau­te also auf uns. Auf mich in mei­nem Chor­ge­wand und den klei­nen Jun­gen neben mir. Es war ein hüb­sches Bild. Ich glau­be, das war ein hei­li­ges Kind, denn es strahl­te so viel Unschuld aus. Ich neh­me an, er war unge­fähr neun Jah­re alt, jeder mach­te Fotos, dann rie­fen aus der Men­ge eini­ge Gemein­de­mit­glie­der dem Jun­gen zu: „Du wirst sicher mal Bischof“. Er aber ant­wor­te­te ganz ernst: „Ich möch­te ein Hei­li­ger wer­den“. Die Erfah­rung mit die­sem Kind berühr­te mich tie­fer als die Teil­nah­me an einer zwei oder drei Wochen dau­ern­den Bischofs­syn­ode, die wahr­schein­lich prak­tisch kei­nen kon­kre­ten Ein­fluss auf die Hei­li­gung und Evan­ge­li­sie­rung der Men­schen und die Ver­herr­li­chung Got­tes haben wird.
Ich dach­te über die Wor­te des klei­nen Mini­stran­ten nach. Man konn­te sei­ne Wor­te durch­aus so ver­ste­hen, als habe er das Hei­lig-Sein als einen Gegen­satz zum Bischof-Sein gese­hen. Ich glau­be nicht, dass er das wirk­lich sagen woll­te, aber für mich war es kuri­os, es klang wie: „Ich möch­te kein Bischof, son­dern viel­mehr ein Hei­li­ger wer­den“. Als wol­le er sagen, wenn man Bischof wird, dann ris­kiert man, kein Hei­li­ger zu wer­den, oder es ist ein Wider­spruch dazu. Manch­mal kommt es einem ja so vor, vor allem in unse­ren gegen­wär­ti­gen Zeiten.

Dia­ne Mon­tagna: Ist es nicht iro­nisch, dass eine der Bot­schaf­ten des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils ein all­ge­mei­ner Auf­ruf zur Hei­lig­keit war – ein Auf­ruf an jedes Mit­glied der Kir­che, sei­ner Tauf­be­ru­fung durch das eige­ne Leben zu ent­spre­chen –, und dann haben wir genau zur sel­ben Zeit einen tie­fen und weit­ver­brei­te­ten Ver­lust des Gespürs für das Über­na­tür­li­che erlebt?

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Dar­in besteht genau das Wesen des Moder­nis­mus, der wäh­rend des Kon­zils sehr stark an Kraft zuge­nom­men hat. Nach dem Kon­zil besetz­ten vom Geist des Moder­nis­mus gepräg­te Per­so­nen zuneh­mend die Ver­wal­tungs­struk­tu­ren der Kir­che. Moder­nis­mus ist eine Art Natu­ra­lis­mus, der häu­fig mit der Ver­drän­gung des Über­na­tür­li­chen ein­her­geht. Ich habe das Bei­spiel die­ser dau­ern­den Zusam­men­künf­te genannt: Ich erzäh­le Ihnen eine Geschich­te. Ein­mal nahm ich an einem Tref­fen für die asia­ti­schen Bischö­fe in Mani­la teil. Sie berei­te­ten ein sehr lan­ges Doku­ment vor, ich sag­te des­halb: „Wir müs­sen die­ses Doku­ment um die Hälf­te kür­zen und selbst dann wird es kei­ner lesen“. Und die Bischö­fe lach­ten. In pri­va­ten Unter­hal­tun­gen mit meh­re­ren Bischö­fen gaben die­se ehr­lich zu, dass sie bis jetzt die bei die­sem Tref­fen pro­du­zier­ten Doku­men­te tat­säch­lich nicht gele­sen hat­ten, obwohl sie ihnen zuge­schickt wor­den waren.
Ich nahm an meh­re­ren ande­ren Tref­fen mit mei­nen Bischofs­brü­dern teil. Und nach­dem die Doku­men­te gut­ge­hei­ßen wor­den waren, frag­te ich meh­re­re von ihnen: Haben Sie das Schluss­do­ku­ment gele­sen?“ Eini­ge ant­wor­te­ten mir: „Ehr­lich gesagt nein.“ Eines die­ser Tref­fen dau­er­te eine Woche und her­aus kam ein Doku­ment, das zumin­dest in unse­rer Regi­on kei­ner gele­sen hat. Spä­ter erhiel­ten wir den Finanz­be­richt für die­ses Tref­fen. Das Tref­fen hat­te 250.000 Dol­lar aus Kir­chen­mit­teln geko­stet. Stel­len Sie sich das vor! Im Grund waren es 250.000 zum Fen­ster hin­aus­ge­wor­fe­ne Dol­lar. Wirk­lich zum Fen­ster hin­aus­ge­wor­fen. Wir hat­ten kaum Zeit für das Gebet. Ist das die „Kir­che der Armen“, von der wäh­rend des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils und danach stän­dig die Rede war? Die fort­wäh­ren­den Tref­fen und Ver­samm­lun­gen der Bischö­fe: Sie geben so viel Geld dafür aus, es ist unglaub­lich. Wenn wir die Häu­fig­keit die­ser Tref­fen dra­stisch ver­rin­gern wür­den, dann könn­ten wir jedes Jahr Mil­lio­nen Dol­lar an die Armen auf der gan­zen Welt ver­tei­len. Für mich ist das eine Sün­de, die von den Kir­chen­män­nern heu­te began­gen wird. Auch wenn man ein­mal einen Moment von den Pro­ble­men mit die­sen aus­ufern­den Tref­fen absieht, die letzt­lich eine Aus­drucks­form von Pela­gia­nis­mus sind und die das Über­na­tür­li­che unter­gra­ben – gar nicht zu reden vom Pro­blem des fast unauf­hör­li­chen Stroms von lehr­mä­ßig zwei­deu­ti­gen Doku­men­ten, die sie pro­du­zie­ren –, selbst abge­se­hen davon ist es, mei­ne ich, sünd­haft so viel Geld aus­zu­ge­ben, das wir den Armen unse­rer Welt geben könn­ten. Wir müs­sen damit auf­hö­ren. Aber offen­bar stei­gert sich nur noch die Häu­fig­keit sol­cher Syn­oden und Tref­fen unter dem Vor­wand einer soge­nann­ten „Syn­oda­li­tät“.

Dia­ne Mon­tagna: Unter dem gegen­wär­ti­gen Pon­ti­fi­kat wer­den Vati­kan­syn­oden mitt­ler­wei­le jähr­lich abgehalten.

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Ja, die Anzahl der Tref­fen nimmt zu. Für mich ist das ein Zei­chen: Wenn es am Glau­ben man­gelt und an der Sehn­sucht nach dem Über­na­tür­li­chen, wenn es kei­ne Lie­be für das Gebet, für Wer­ke der Buße und unmit­tel­ba­ren Evan­ge­li­sa­ti­on gibt, dann stür­zen sich die Bischö­fe und jene, die im Vati­kan das Sagen haben, in fre­ne­ti­sche Akti­vi­tä­ten: Syn­oden, Doku­men­te, stän­dig neue Veranstaltungen.

Dia­ne Mon­tagna: Pas­sier­te das nicht auch im Ordens­le­ben nach dem Kon­zil? Ordens­ge­mein­schaf­ten, die ein akti­ves Apo­sto­lat hat­ten, deren Leben aber doch noch pri­mär kon­tem­pla­tiv war, wenn auch nicht klau­su­riert, ori­en­tier­ten sich neu in Rich­tung Aktivismus.

Bischof Atha­na­si­us Schnei­der: Die­ses Phä­no­men ist in das gesam­te Leben der Kir­che ein­ge­drun­gen und hat es ange­steckt. Das Ende der Situa­ti­on, in der man sich befin­det, wenn man ein Fahr­rad hat, und die Ket­te fällt ab und man tritt ein­fach nur auf der Stel­le und kommt von sei­nem Aus­gangs­punkt nicht weg. Man tritt auf der Stel­le – äußer­li­cher Akti­vis­mus, ver­bun­den mit geist­li­cher Träg­heit und Pas­si­vi­tät.
Eines der Mit­tel, um aus der Kri­se her­aus­zu­kom­men, das auch die Kri­se hei­len wird, ist die Wie­der­ent­deckung des Über­na­tür­li­chen. Wir müs­sen dem Über­na­tür­li­chen im Leben der Kir­che den ersten Platz ein­räu­men. Das bedeu­tet sich Zeit zu neh­men für das Gebet und die eucha­ri­sti­sche Anbe­tung, Zeit für die Schön­heit der Hei­li­gen Mes­se und der Lit­ur­gie, für die Pra­xis leib­li­cher Buße, für die Ver­kün­di­gung der über­na­tür­li­chen Wahr­heit über die Letz­ten Din­ge und die Wahr­heit des Evan­ge­li­ums. Wir müs­sen Chri­stus und sei­ne über­na­tür­li­che Offen­ba­rung wie­der in die Mit­te stel­len, denn nur das ver­mag die gesam­te Mensch­heit zu heilen.

Chri­stus Vin­cit. Der Tri­umph Chri­sti über die Fin­ster­nis die­ser Zeit. Bischof Atha­na­si­us Schnei­der im Gespräch mit Dia­ne Mon­tagna, fe-Medi­en­ver­lag, Kiss­legg 2020, S. 166–174.

Bild: Youtube/Gloria.Tv (Screen­shot)

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1 Kommentar

  1. Es gibt schon eine Ant­wort auf das Dilem­ma, zu fin­den beim Pro­phe­ten Eze­chi­el. Eze­chi­el ist einer der Pro­phe­ten, die klar zwi­schen Juda und Isra­el unterscheiden. 

    Ez 34,2ff
    Weh den Hir­ten Isra­els, die nur sich selbst wei­den. Müs­sen die Hir­ten nicht die Her­de wei­den? Ihr trinkt die Milch, nehmt die Wol­le für eure Klei­dung und schlach­tet die fet­ten Tie­re; aber die Her­de führt ihr nicht auf die Wei­de. Die schwa­chen Tie­re stärkt ihr nicht, die kran­ken heilt ihr nicht, die ver­letz­ten ver­bin­det ihr nicht, die ver­scheuch­ten holt ihr nicht zurück, die ver­irr­ten sucht ihr nicht und die star­ken miss­han­delt ihr. Und weil sie kei­nen Hir­ten hat­ten, zer­streu­ten sich mei­ne Scha­fe und wur­den eine Beu­te der wil­den Tiere.
    […]
    Ez 34,11 Denn so spricht Gott, der Herr: Jetzt will ich mei­ne Scha­fe sel­ber suchen und mich sel­ber um sie kümmern.

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