
von Roberto de Mattei*
Nach zehn Jahren Pontifikat scheint die Bischofssynode „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Mission“ im Oktober 2023 der Endpunkt der Amtszeit von Papst Franziskus zu sein. Um das semantische Durcheinander einer Synode über die Synodalität zu verstehen, muß man zunächst zwischen den beiden Begriffen unterscheiden. Synode ist ein abgegrenztes historisches Ereignis, Synodalität ist ein „Weg“, ein „Prozeß“, der im ideologischen Horizont von Papst Franziskus dem Vorrang der Praxis vor der Lehre entspricht.
Der Begriff Synode, der sich vom griechischen σύνοδος, analog zum lateinischen concilium, ableitet, bedeutet „Versammlung“ oder „Treffen“ und ist Teil der kirchlichen Tradition, während das Wort „Synodalität“ ein undefinierter Neologismus ist, der unterschiedliche Interpretationen und Lesarten zuläßt. Am Ursprung des Begriffs Synodalität steht der Begriff „Kollegialität“, der von Pater Yves-Marie Congar in den theologischen Sprachgebrauch eingeführt wurde, und zwar als Äquivalent zum Begriff „Sobornost“, der von russisch-orthodoxen Theologen im 19. Jahrhundert geprägt wurde (Yves-Marie Congar: Le peuple fidèle et la fonction prophétique de l’Eglise, in: Irenikon, Nr. 24, 1951, S. 440–466). Sobor bedeutet im Slawischen Versammlung oder Rat. Sobornost drückt die Realität einer universalen Kirche aus, die auf Synoden oder Konzilien beruht, die nicht von einer gemeinsamen Autorität, sondern vom Heiligen Geist geleitet werden. Congar machte das Konzept der Sobornost zum Eckpfeiler einer Kirchenreform, deren direkter Gegner der römische Primat war, der von der „ultramontanen“ theologischen Schule verteidigt wurde.
In den Jahren nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil galt das Dogma des römischen Primats als Haupthindernis für den ökumenischen Dialog, und um diesen Dialog zu fördern, mußte die „kollegiale“ Dimension der Kirchenleitung hervorgehoben werden. Dies ermöglichte eine Annäherung an die synodale Praxis der orthodoxen und protestantischen Kirchen. Darüber hinaus tauchten innerhalb der progressiven Theologie die Tendenzen des Konziliarismus aus dem 15. Jahrhundert, des Febronianismus aus dem 18. Jahrhundert und des Anti-Infallibilismus aus dem 19. Jahrhundert wieder auf, die zu unterschiedlichen Zeiten und auf unterschiedliche Weise versucht hatten, die Autorität und den Einfluß des Papsttums zu begrenzen. Schließlich gab es auch noch einen mehr politischen Grund. In progressiven Kreisen schien das Modell der Kirche als „absolute Monarchie“ mit dem Prozeß der „Modernisierung“ der Gesellschaft zu kollidieren. Die Kollegialität bzw. Synodalität brachte die „demokratischen“ Forderungen der modernen Gesellschaft zum Ausdruck.
Die Losung lautete, die Kirche von der juristischen Hülle zu befreien, die sie erdrücke, und sie von einer von oben nach unten verordneten Struktur in eine demokratische und egalitäre zu verwandeln. „Tausend Jahre lang haben wir alles aus der Perspektive des Papsttums und nicht aus der des Episkopats und seiner Kollegialität gesehen und aufgebaut. Jetzt ist es notwendig, diese Geschichte, diese Theologie, dieses Kirchenrecht zu machen“, schrieb Congar am 25. September 1964, der seinen Kampf gegen die „elende ultramontane Ekklesiologie“ als „Mission“ betrachtete.1

Der deutsche Jesuit Karl Rahner widmete 1972 ein brisantes Buch dem „Strukturwandel der Kirche als Aufgabe und Chance“, in dem er feststellte, daß die Kirche der Zukunft „entklerikalisiert“, „offen“, „ökumenisch und pluralistisch“, „demokratisch in ihrer Leitung“ und „gesellschaftskritisch“ sein müsse. Auf dieser Linie bewegt sich der Dominikanertheologe Jean-Marie Tillard (Église d’églises. L’ecclésiologie de communion, Cerf, Paris, 1987), ein Schüler Congars, der die Synodalität der Ortskirchen der vertikalen Macht der Zentralkirche gegenüberstellt, während der jesuitische Historiker John O’Malley versucht hat, die „ultramontanen“ Ursprünge der Kirche vor dem Zweiten Vaticanum zu demolieren (Vatican I: The Council and the Making of the Ultramontane Church, Harvard University Press, Cambridge/Massachusetts 2018).
Die Kategorie der „Synodalität“ ist also nicht erst mit Papst Franziskus entstanden, aber mit ihm wurde sie zu einem offiziellen Paradigma, das dem Konzept einer „hinausgehenden Kirche“, „mit offenen Türen“ entspricht (Enzyklika Evangelii gaudium vom 24. November 2013, Nr. 46). Das Bild der „pyramidalen Kirche“ wurde von Franziskus durch das der „polyedrischen Kirche“ ersetzt. „Der Polyeder“, sagte er, „ist eine Einheit, aber mit all den verschiedenen Teilen; jeder hat seine Besonderheit, sein Charisma. Das ist die Einheit in der Vielfalt. Auf diesem Weg tun wir Christen das, was wir mit dem theologischen Namen Ökumene bezeichnen: Wir versuchen, daß diese Vielfalt durch den Heiligen Geist mehr harmonisiert und zur Einheit gemacht wird“ (Ansprache an die Pfingstler in Caserta, 28. Juli 2014).
Bereits 2015, zum 50. Jahrestag der Errichtung der Bischofssynode, bekräftigte Papst Franziskus, daß „der Weg der Synodalität (…) die konstitutive Dimension der Kirche“ sei (Ansprache vom 17. Oktober 2015), ohne allerdings zu präzisieren, worin diese Dimension besteht. Aber der Weg war damit aufgetan und die Deutsche Bischofskonferenz hat ihn beschritten, die am 1. Dezember 2019 in einem von Kardinal Reinhard Marx und dem Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZDK), Thomas Sternberg, unterzeichneten Brief an die Gläubigen bekanntgab, daß sie sich zusammengefunden hat, um einen „synodalen Weg“ zu beschreiten, der darauf abzielt, die „verbindlichen“ Beschlüsse ihrer „Ständigen Synode“ auf die Weltkirche auszuweiten. Eine kürzlich erschienene Studie von Diego Benedetto Panetta zeigt deutlich, daß sich hinter dem „deutschen synodalen Weg“ ein Projekt zur Reform der Weltkirche verbirgt, mit dem die Kirche „demokratisiert“ und das Papsttum neu definiert werden soll (Il cammino sinodale tedesco e il progetto di una nuova chiesa, Tradizione Famiglia Proprietà, Roma 2020). Die letzte Etappe dieses Prozesses fand am 11. März in Frankfurt statt, als unter großem Beifall gefordert wurde, die Zölibatsabschaffung, das sakramentale Frauendiakonat, die Kommunion für Geschiedene und die Segnung homosexueller Paare auf die Weltkirche auszuweiten.
Vielleicht ist die „synodale Kirche“ von Papst Franziskus nicht dieselbe, die sich die deutschen Bischöfe wünschen, aber es ist sicher, daß er sich ihre Forderungen zu eigen macht und daß sein Modell Lichtjahre von dem traditionellen Modell entfernt ist. Darüber hinaus ist die „synodale Dimension der Kirche“ eine offensichtliche Utopie, die wie alle Utopien eine verheerende, zerstörerische Wirkung hat, während es ihr völlig an konstruktiver Kraft fehlt. Der Versuch, diesen deformierten Traum zu verwirklichen, erfordert die Ausübung von autoritärer und tyrannischer Macht. Die synodale Kirche ist also eine egalitäre und akephale Kirche, die durch die Diktatur der Synodalität in die Realität umgesetzt wird. Es wäre jedoch verhängnisvoll, den Machtmißbrauch, mit dem wir konfrontiert sind, zu bekämpfen, indem man das Prinzip der Autorität leugnet oder einschränkt. Dies kann konsequent von liberalen, gallikanischen oder modernistischen Katholiken getan werden, aber sicherlich nicht von denen, die sich auf die Tradition der Kirche berufen.
Die katholische Lehre besagt, daß die Jurisdiktionsgewalt iure divino dem Papst und den Bischöfen zusteht. Die Fülle der Jurisdiktionsgewalt liegt jedoch nur beim Papst, auf den sich das gesamte kirchliche Gebäude gründet. Der römische Papst ist die souveräne Autorität der gesamten Kirche und bleibt kraft seines Primats der universalen Leitung ihr oberster Gesetzgeber. Diese Lehre, die bereits auf dem Konzil von Florenz 1439 und in der tridentinischen Professio Fidei dargelegt wurde, ist auf dem Ersten Vatikanischen Konzil mit der dogmatischen Konstitution Pastor Aeternus (18. Juli 1870) feierlich definiert worden, die nicht nur einen Ehrenprimat, sondern den echten Jurisdiktionsprimat des Papstes über die Gesamtkirche und seine Unfehlbarkeit unter bestimmten Bedingungen bekräftigt hat. Auf diese Dogmen, die vom seligen Pius IX. providentiell verkündet wurden, müssen sich die gläubigen Katholiken gegen den Synodalismus stützen. Denn nur so und nicht anders kann die Kirche, die immer lebendig und unfehlbar ist, in all ihrer Pracht und Macht wiederaufblühen.
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017, und Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine bislang ungeschriebene Geschichte, 2. erw. Ausgabe, Bobingen 2011.
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Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
1 Yves Congar: Diario del Concilio, Bd. 1, San Paolo Edizioni, Cinisello Balsamo 2005, S. 136, 20).