Angriff auf das Mariengrab in Jerusalem

Orthodoxes Patriarchat spricht von einer "abscheulichen" Geste


Die Kirche des Mariengrabes im Kidrontal in Jerusalem wurde am Sonntagmorgen zur Zielscheibe eines Angriffs.
Die Kirche des Mariengrabes im Kidrontal in Jerusalem wurde am Sonntagmorgen zur Zielscheibe eines Angriffs.

(Jeru­sa­lem) Der ortho­do­xe Patri­arch von Jeru­sa­lem Theo­phi­los III. ver­ur­teil­te gemein­sam mit sei­nem Kle­rus und den Gläu­bi­gen „den grau­sa­men Ter­ror­an­schlag“, der am Sonn­tag­mor­gen wäh­rend der hei­li­gen Lit­ur­gie „von zwei jüdi­schen Extre­mi­sten ver­übt wur­de“. Auch die ande­ren christ­li­chen Gemein­schaf­ten des Hei­li­gen Lan­des ver­ur­teil­ten den Angriff auf das Mari­en­grab, eine der wich­tig­sten Kir­chen der ortho­do­xen Chri­sten, entschieden.

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Die bei­den Atten­tä­ter dran­gen wäh­rend der Zele­bra­ti­on in die Kir­che ein und ver­such­ten Erz­bi­schof Joa­chim, der zele­brier­te, und zwei wei­te­re Prie­ster zu verletzen.

Das Mariengrab

Die Kir­che mit dem Grab Mari­ens befin­det sich im Kidron­tal, öst­lich des Tem­pel­ber­ges, am Fuß des Ölbergs, genau gegen­über der Geth­se­ma­ni-Kir­che. Die älte­ste Kir­che, im 4. Jahr­hun­dert errich­tet, wur­de beim Ein­fall der Per­ser zer­stört. Die Kir­che wur­de mehr­fach wie­der­auf­ge­baut und eben­so oft wie­der zer­stört. Wäh­rend des König­reichs Jeru­sa­lem zur Zeit der Kreuz­fah­rer wur­de hier ein gro­ßes Bene­dik­ti­ner­klo­ster mit drei Tür­men errich­tet. Meh­re­re Köni­ge von Jeru­sa­lem und Mit­glie­der der Königs­fa­mi­lie lie­ßen sich hier bestat­ten. Nach der isla­mi­schen Erobe­rung durch Sala­din wur­de das Klo­ster samt Klo­ster­kir­che zer­stört. Die Kryp­ta mit dem Grab Mari­ens blieb jedoch die gan­ze Zeit erhal­ten, weil die Mus­li­me Maria als Mut­ter des „Pro­phe­ten“ Jesus ach­ten. Im 14. Jahr­hun­dert ging der Ort in die Obhut der Fran­zis­ka­ner­kus­to­die des Hei­li­gen Lan­des über, die auch die Kir­che wie­der­auf­bau­te. 1757 ent­ris­sen die Grie­chisch-Ortho­do­xen den Fran­zis­ka­nern die hei­li­ge Stät­te jedoch und wur­den dabei von der osma­ni­schen Obrig­keit unter­stützt. Seit­her befin­det sich das Mari­en­grab unter der Kon­trol­le der Grie­chisch-Ortho­do­xen und der Arme­ni­er. Die ortho­do­xen bzw. alt­ori­en­ta­li­schen Syrer, Kop­ten und Äthio­pi­er haben unter­ge­ord­ne­te Rechte.

Das Grab Mari­ens in Jeru­sa­lem (in Geth­se­ma­ni) wird in apo­kry­phen Schrif­ten erwähnt. Die älte­ste Erwäh­nung der Kir­che im Kidron­tal stammt aus dem Jahr 395 nach Chri­stus. Anto­ni­nus von Pia­cen­za schil­dert um 560 „die Basi­li­ka der seli­gen Maria“ mit dem Grab. Meh­re­re Kir­chen­vä­ter erwäh­nen sie.

Der Über­lie­fe­rung nach wur­de das Grab Mari­ens nach ihrer Ent­schla­fung, wie die Ortho­do­xen sagen, leer auf­ge­fun­den, da Maria mit Leib und See­le in den Him­mel auf­ge­nom­men wurde.

Der Angriff

Die christ­li­chen Füh­rer im Hei­li­gen Land sehen den Anschlag vom Sonn­tag und ähn­li­che Angrif­fe auf die Chri­sten des Lan­des als „logi­sche Fol­ge der eska­lie­ren­den Haß­re­den und der Auf­sta­che­lung zur Gewalt, die auf der israe­li­schen Füh­rungs­ebe­ne immer häu­fi­ger vor­kom­men und von dort auf die Gesell­schaft über­grei­fen. Die Angrif­fe rich­ten sich gegen Chri­sten, ver­scho­nen aber auch die Mus­li­me nicht und bil­den eine kon­ti­nu­ier­li­che Spi­ra­le aus Haß, Pro­vo­ka­ti­on, Ver­let­zung des Sta­tus quo und einer Stra­te­gie der Span­nung, die in einen offe­nen Kon­flikt aus­zu­bre­chen droht“, so der katho­li­sche Pres­se­dienst Asia­News.

Was ist bekannt? Laut Augen­zeu­gen und Poli­zei­an­ga­ben dran­gen zwei radi­ka­le Juden am Sonn­tag­mor­gen mit Eisen­stan­gen bewaff­net in die Kir­che ein. Die Täter ver­such­ten die in der Kir­che auf­be­wahr­ten hei­li­gen Gegen­stän­de zu zer­stö­ren und zu ver­un­stal­ten und grif­fen den Bischof, der gera­de die Sonn­tags­lit­ur­gie zele­brier­te, und zwei Prie­ster, die ihm dabei assi­stier­ten, tät­lich an. Ein Prie­ster erlitt dabei Kopfverletzungen.

Anwe­sen­de Gläu­bi­ge eil­ten den Geist­li­chen zu Hil­fe und konn­ten die Täter bis zum Ein­tref­fen der Poli­zei fest­hal­ten. Am Nach­mit­tag bestä­tig­te die Poli­zei die Fest­nah­me eines 27jährigen Man­nes aus dem Süden Jeru­sa­lems. Anga­ben zur Iden­ti­tät des zwei­ten Man­nes wur­den nicht gemacht.

Augen­zeu­gen iden­ti­fi­zier­ten die Täter als Juden, weil ein Angrei­fer eine Yar­mul­ke (tra­di­tio­nel­le Kopf­be­deckung) und der ande­re einen Tzit­zit (Schal) trug. 

Die Ortho­do­xen spre­chen von einem Ter­ror­an­schlag, der in einer Zeit „gro­ßer Span­nun­gen im Hei­li­gen Land“ erfolgte:

  • Isra­el erlebt gera­de eine schwe­re innen­po­li­ti­sche Kri­se, wegen einer Justiz­re­form der Regie­rung Netan­ja­hu, gegen die Zehn­tau­sen­de von Men­schen zusam­men mit Rich­tern und Staats­an­wäl­ten auf den Stra­ßen demonstrieren.
  • Der pro­vo­kan­te Besuch von Isra­els Sicher­heits­mi­ni­ster Ita­mar Ben-Gvir im Janu­ar auf dem Tem­pel­berg heiz­te den Kon­flikt zwi­schen Israe­lis und Palä­sti­nen­sern im West­jor­dan­land und im Gaza­strei­fen neu an. Ben-Gvir lebt in einer jüdi­schen Sied­lung im besetz­ten West­jor­dan­land und for­der­te in der Ver­gan­gen­heit die Aus­wei­sung aller Nicht­ju­den aus Isra­el, die „nicht loy­al“ sei­en. Ben-Gvirs Par­tei Otz­ma Yehu­dit gehört zu einem Par­tei­en­bünd­nis, das dritt­stärk­ste Kraft im israe­li­schen Par­la­ment und ein Koali­ti­ons­part­ner von Mini­ster­prä­si­dent Ben­ja­min Netan­ja­hu ist.
  • Und schließ­lich die Gewalt jüdi­scher Extre­mi­sten gegen Chri­sten (und Mus­li­me). Erst Anfang Febru­ar hat­te ein Angriff auf die Gei­ße­lungs­kir­che statt­ge­fun­den. Zu Jah­res­be­ginn war ein Fried­hof auf dem Berg Zion geschän­det worden.

Das grie­chisch-ortho­do­xe Patri­ar­chat betont in sei­ner Note, daß die Angrif­fe auf hei­li­ge Stät­ten, Eigen­tum, Erbe und die Iden­ti­tät von Chri­sten eine Ver­let­zung des Völ­ker­rechts dar­stel­len. Die christ­li­chen Füh­rer rufen den Staat Isra­el zum Schutz der hei­li­gen Stät­ten in Jeru­sa­lem auf, aber auch die inter­na­tio­na­le Staa­ten­ge­mein­schaft, ins­be­son­de­re zum Schutz der Grabeskirche.

Die Kar­wo­che und Ostern nahen, und wie­der sind die Chri­sten des Hei­li­gen Lan­des in Sor­ge, ob sie die höch­sten Fest­ta­ge der Chri­sten­heit unge­stört und in Ruhe fei­ern können.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wiki­com­mons

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