Zu einer lateinischen Neuausgabe der „Nachfolge Christi“ des gottseligen Thomas von Kempen

Buchvorstellung


Die Nachfolge Christi von Thomas von Kempen liegt wieder in der lateinischen Originalfassung vor.
Die Nachfolge Christi von Thomas von Kempen liegt wieder in der lateinischen Originalfassung vor.

Von Hw. Pao­lo D’An­go­na, Prie­ster der Diö­ze­se Roermond

Anzei­ge

Neben vie­len ande­ren Schät­zen der Tra­di­ti­on ist auch die asze­ti­sche Lite­ra­tur der Vor­zeit vie­len Katho­li­ken der Gegen­wart abhan­den gekom­men. Statt sich des rei­chen Fun­dus zu bedie­nen, den uns die von der Kir­che aner­kann­ten gro­ßen geist­li­chen Schrift­stel­ler hin­ter­las­sen haben, grei­fen man­che zu seich­ten, mit­un­ter direkt glau­bens­ge­fähr­den­den Erzeug­nis­sen wie z. B. jenen des viel­ge­le­se­nen Moder­ni­sten Anselm Grün, der nicht zu Unrecht als ein „Dre­wer­mann light“ bezeich­net wor­den ist.

Die seit Jahr­zehn­ten zu beob­ach­ten­de Glau­bens­zer­stö­rung fin­det in der­ar­ti­gen Ela­bo­ra­ten ihr „spi­ri­tu­el­les“ Pen­dant – wie ja umge­kehrt die Wer­ke der ech­ten Mei­ster des geist­li­chen Lebens nichts ande­res sind als „ange­wand­te katho­li­sche Dog­ma­tik“ (Hw. Chad Rip­per­ger). So tritt eine merk­wür­dig-schwam­mi­ge, vor allem aber selbst­be­zo­ge­ne „spi­ri­tu­el­le Well­ness“ viel­fach an die Stel­le authen­ti­scher katho­li­scher Spi­ri­tua­li­tät: Der Mensch kreist in typisch moder­ni­sti­scher, imma­nen­ti­sti­scher Manier letzt­lich nur noch um sich selbst. Auf die­se Wei­se wird aber der Weg zu Gott radi­kal ver­sperrt; dem unru­hi­gen Men­schen­her­zen, das nach dem bekann­ten Dik­tum des hl. Augu­sti­nus nur in Gott sei­ne Ruhe fin­det, wird nichts gebo­ten – außer emo­ti­ons­be­stimm­tem Selbst­be­trug. Gera­de hier gilt die War­nung des Tho­mas von Kem­pen: „Wenn du dich selbst suchst, so wirst du dich selbst auch über­all fin­den, aber zu dei­nem eige­nen Verderben.“

Umschlag der Neuausgabe

Letz­te­res Wort des Tho­mas von Kem­pen (1380–1471) ist sei­nen „Vier Büchern von der Nach­fol­ge Chri­sti“ ent­nom­men, einem der größ­ten, seit Jahr­hun­der­ten bewähr­ten „Klas­si­ker“ der geist­li­chen Lite­ra­tur. In die­sem Werk begeg­net der Christ in ein­zig­ar­ti­ger Ver­dich­tung einer tie­fen, aus den Quel­len der Glau­bens­leh­re und Theo­lo­gie gespei­sten, über­na­tür­li­chen Weis­heit. Unge­zähl­ten hat es rei­che See­len­nah­rung gebo­ten: Es unter­rich­tet, trö­stet, schreckt vom Weg des Bösen ab und treibt zum Guten an. Der berühm­te und hoch­ge­lehr­te Kir­chen­leh­rer Kar­di­nal Robert Bell­ar­min bekann­te von ihm: „Ich habe die­ses Büch­lein von Jugend auf bis in mein hohes Alter sehr oft gele­sen und wie­der gele­sen, und es ist mir doch all­zeit neu vor­ge­kom­men; auch jetzt fin­de ich mein größ­tes Ver­gnü­gen dar­an.“ Auch vie­len ande­ren Hei­li­gen war es bestän­di­ger Beglei­ter, z. B. dem hl. Karl Bor­ro­mä­us, dem hl. Papst Pius V. und dem hl. Igna­ti­us von Loyo­la. Der hl. Igna­ti­us ver­tief­te sich täg­lich in sogar zwei Kapi­tel des Wer­kes, eines in fort­lau­fen­der Lesung, ein ande­res, wie es ihm bei der Öff­nung des Buches ins Auge fiel. Nie las der Grün­der der Jesui­ten das Buch ohne beson­de­ren Nut­zen. Dar­um emp­fahl er die „Nach­fol­ge Chri­sti“ nach­drück­lich. Der Ver­fas­ser des bekann­ten „Grund­ris­ses der asze­ti­schen Theo­lo­gie“, Adol­phe Tan­querey, schreibt, er hal­te das Urteil für „sehr annehm­bar“, sie sei „das schön­ste Buch, das aus der Hand des Men­schen her­vor­ging, da das Evan­ge­li­um nicht mensch­li­chen Ursprungs ist“.

So nimmt es nicht wun­der, daß Tho­mas von Kem­pens „Nach­fol­ge Chri­sti“ wahr­schein­lich das­je­ni­ge Werk ist, das nach der Hei­li­gen Schrift die mei­sten Über­set­zun­gen und Druck­aus­ga­ben erfah­ren hat. Er schrieb es zunächst ledig­lich zur Unter­wei­sung der Novi­zen im Klo­ster Agne­ten­berg (bei Zwol­le, Nie­der­lan­de), für deren For­mung er von 1420 bis 1427 zustän­dig war. Bald jedoch wur­den sei­ne Auf­zeich­nun­gen in Druck gege­ben und fan­den all­mäh­lich in der gan­zen Kir­che Ver­brei­tung. Beson­ders her­aus­ge­stellt wird in dem Werk die Ver­bin­dung von kon­tem­pla­ti­vem und akti­vem Leben, wel­che die damals auf­blü­hen­de Bewe­gung der „devo­tio moder­na“ cha­rak­te­ri­siert. Ziel ist die ganz­heit­li­che Per­sön­lich­keits­bil­dung im Gei­ste – in der Nach­fol­ge – Jesu Christi.

Nicht nur auf dem ein­gangs geschil­der­ten Zeit­hin­ter­grund, son­dern auch auf­grund des bestän­di­gen Wer­tes der „Vier Bücher von der Nach­fol­ge Chri­sti“ ist dem inzwi­schen um die neu­er­li­che Her­aus­ga­be vie­ler wich­ti­ger theo­lo­gi­scher Wer­ke ver­dien­ten Sabat-Ver­lag sehr dafür zu dan­ken, daß er sie wie­der­um der Öffent­lich­keit ins Bewußt­sein bringt und zugäng­lich macht.

Die Aus­ga­be des Sabat-Ver­lags folgt der latei­ni­schen, kri­ti­schen vati­ka­ni­schen Aus­ga­be vom Jah­re 1982. Dies mag zunächst inso­fern befrem­den, als latei­ni­sche Sprach­kennt­nis­se in den letz­ten Jahr­zehn­ten erheb­lich zurück­ge­gan­gen sind – sogar beim Kle­rus, obwohl die­sem gründ­li­che Beherr­schung der latei­ni­schen Spra­che aus­drück­lich von Rechts wegen gebo­ten ist (vgl. CIC, Can. 249). Hier liegt offen­sicht­lich ein gra­vie­ren­des Pro­blem vor: wird doch dem­je­ni­gen, der nicht über gedie­ge­ne Kennt­nis­se der latei­ni­schen Spra­che ver­fügt, der aller­größ­te Teil des lite­ra­ri­schen Schat­zes, den uns die Kir­chen­vä­ter, Kir­chen­leh­rer und gro­ßen Theo­lo­gen als kost­ba­res Erbe hin­ter­las­sen haben, unzu­gäng­lich blei­ben – eine wah­re „ter­ra incognita“.

Gera­de hier ver­mag eine latei­ni­sche Aus­ga­be der „Nach­fol­ge Chri­sti“ einen ersten Anstoß zu geben: Die Lat­in­i­tät des Wer­kes ist ja rela­tiv leicht zugäng­lich, so daß auch Schü­lern oder ande­ren, die begon­nen haben, die latei­ni­sche Spra­che zu erler­nen, neben einer Ver­tie­fung der Sprach­fer­tig­keit auch geist­li­cher Nut­zen gebo­ten wird. Dar­um eig­net sich das Buch z. B. als Geschenk für Kin­der, Enkel­kin­der und Bekann­te, die bereits die Anfangs­grün­de des Latei­ni­schen – und etwas mehr – beherr­schen. Fer­ner eig­net es sich ganz beson­ders (als Geschenk) für Ange­hö­ri­ge des Kle­rus. Dies gilt nament­lich mit Hin­blick auf die, wie berich­tet wird, in man­chen Län­dern immer zahl­rei­che­ren Geist­li­chen, die besten Wil­lens begon­nen haben oder begin­nen, den über­lie­fer­ten, zeit­lo­sen Römi­schen Ritus der Kir­che (Mis­sa­le, Bre­vi­a­ri­um, Ritua­le, Pon­ti­fi­cale) zu erler­nen, aber in der Spra­che der Kir­che (über das lit­ur­gi­sche Latein hin­aus) noch nicht recht hei­misch sind. Ihnen wird das ein­fa­che und warm­her­zi­ge Latein Tho­mas von Kem­pens eine gute Hil­fe sein, die Spra­che der Kir­che wirk­lich zur „ihri­gen“ zu machen.

Daß dar­über hin­aus der Ver­lag auf Anre­gung eines erfah­re­nen Mis­sio­nars und Ordens­man­nes den latei­ni­schen Text mit (auch in lit­ur­gi­schen Büchern üblich gewor­de­nen) Akzent­zei­chen ver­se­hen hat, stellt einen Mehr­wert die­ser Aus­ga­be dar, die so auch „ad ocu­los“ zeigt, daß die latei­ni­sche Kir­chen­spra­che kei­ne „tote“, son­dern leben­di­ge, gespro­che­ne Spra­che sein muß und hof­fent­lich im Lau­fe der Zeit tat­säch­lich wie­der all­ge­mein wer­den wird. Übri­gens ermög­li­chen die­se Akzent­zei­chen auch zunächst wenig erfah­re­nen Vor­le­sern bei Tisch (in Klö­stern und Prie­ster­se­mi­na­ren) einen flüs­si­gen und ver­ständ­li­chen Vor­trag des Textes.

Das Schrift­bild der Aus­ga­be zeich­net sich durch gefäl­li­ge Über­sicht­lich­keit aus; ein Lese­band gewährt prak­ti­schen Nutzen.

Schließ­lich ist der deko­ra­ti­ve Ein­band zu erwäh­nen, der das Buch zu einem biblio­phi­len Schmuck­stück macht: Der vor­de­re Buch­deckel zeigt eine Kreu­zi­gungs­grup­pe, der rück­wär­ti­ge eine Dar­stel­lung der Auf­er­ste­hung Chri­sti. Der Ver­lag hat durch die­sen Ein­band dem Werk ein adäqua­tes äuße­res Erschei­nungs­bild gegeben.

Tho­mas Kem­pen­sis: DE IMITATIONE CHRISTI
Ver­lags­buch­hand­lung Sabat 2022
Hard­co­ver, 240 Sei­ten, For­mat: 14,8 x 21 cm
ISBN: 978–3‑943506–42‑6

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