So war es nicht! – Die Kreuzzüge im neuen Licht (2)

Notwendige Korrektur der Kreuzzugskritik


Die Kreuzritterburg Margat (heute Syrien), im Hintergrund das Mittelmeer. Aufnahme aus den 1930er Jahren. Hier schützten die Johanniter die Flanke des Fürstentums Antiochia an der Grenze zur Grafschaft Tripolis.
Die mächtige Kreuzritterburg Margat (heute Syrien), im Hintergrund das Mittelmeer. Aufnahme aus den 1930er Jahren. Hier schützten die Johanniter die Flanke des Fürstentums Antiochia an der Grenze zur Grafschaft Tripolis.

Ein Gast­bei­trag von Hubert Hecker

Anzei­ge

Nach dem Ende der euro­päi­schen Kolo­ni­al­epo­che ver­brei­te­ten Kri­ti­ker die Mei­nung, die Kreuz­fah­rer sei­en die ersten abend­län­di­schen Impe­ria­li­sten gewe­sen, die unter reli­giö­sem Vor­wand Land und Beu­te gesucht und die Bevöl­ke­rung der erober­ten Gebie­te unter­drückt und aus­ge­beu­tet hät­ten. Im zwei­ten Teil die­ser Kreuz­zugs­dar­stel­lung wer­den bei der Geschich­te der Kreuz­fah­rer­staa­ten wei­te­re Rich­tig­stel­lun­gen vor­ge­nom­men – ori­en­tiert an dem Buch des ame­ri­ka­ni­schen Reli­gi­ons­so­zio­lo­gen Rod­ney Stark: Got­tes Krie­ger. Die Kreuz­zü­ge im neu­en Licht.

Als die Kreuz­fah­rer nach Osten auf­bra­chen, gin­gen Papst und Rit­ter­schaft davon aus, dass das zurück­er­ober­te Hei­li­ge Land wie­der unter die Ober­herr­schaft der byzan­ti­ni­schen Kro­ne käme. Aber wäh­rend des vier­jäh­ri­gen Feld­zu­ges hat­te sich Kai­ser Ale­xi­os Kom­ne­nos zu dem Kreuz­fah­rer­heer mehr­mals distan­zie­rend und teil­wei­se ver­rä­te­risch auf­ge­führt. Inso­fern war nach der Erobe­rung von Jeru­sa­lem klar, dass die Kreuz­fah­rer mit einem eige­nen Staat ihre Erobe­run­gen und damit die hei­li­gen Stät­ten dau­er­haft sichern muss­ten. Das geschah 1099 mit der Grün­dung des König­reichs Jeru­sa­lem, fran­zö­sisch Outre­mer, also ‚Jen­seits des Mee­res’. Nach dem Tod des Grün­ders Gott­fried von Bouil­lon wur­de des­sen Bru­der Bal­du­in der erste König von Jeru­sa­lem. Die wei­te­ren Kreuz­fah­rer­staa­ten, das Für­sten­tum Antio­chia sowie die Graf­schaf­ten Edes­sa und Tri­po­lis, waren weni­ger bedeu­tend und wur­den spä­ter Lehen vom Haupt­ge­biet am Jordan.

Die feudal verfassten Kreuzfahrerstaaten …

Das König­reich Jeru­sa­lem umfass­te geo­gra­phisch etwa das heu­ti­ge Isra­el sowie Tei­le des Liba­non. Außer der Haupt­stadt waren die wich­tig­sten Städ­te Hafen­or­te. Gutes Acker­land fand man nur in einem schma­len Strei­fen im Hoch­land. Wegen der fort­dau­ern­den mus­li­mi­schen Bedro­hung war das König­reich als wehr­haf­ter Gar­ni­sons­staat auf­ge­baut. Doch der chro­ni­sche Man­gel an mili­tä­ri­schem Per­so­nal war zugleich das Haupt­pro­blem des neu­en Staa­tes. Die mei­sten Kreuz­fah­rer waren nach der Erobe­rung Jeru­sa­lems in ihre Hei­mat zurück­ge­kehrt. Übrig blie­ben kaum mehr als 300 Rit­ter und eben­so wenig Fuß­volk, wie der Chro­nist Ful­cher von Char­tres berichtete.

Die adli­ge Rit­ter­schaft war sozio-öko­no­misch wie in Euro­pa orga­ni­siert: zu Hau­se in gro­ßen Haus­ge­mein­schaf­ten mit Gefolg­schaft und Gesin­de, im Lan­de nach dem Feu­dal­sy­stem. Der König belehn­te sei­ne schutz­be­foh­le­nen Rit­ter mit Dör­fern, Län­dern oder bestimm­ten Ein­kom­mens­rech­ten. Die Vasal­len waren dafür zu mili­tä­ri­schen Dienst­lei­stun­gen ver­pflich­tet. Da es aber im dama­li­gen Palä­sti­na nur wenig frucht­ba­res Land gab, saßen die Rit­ter gewöhn­lich nicht auf Her­ren­gü­tern oder Land­sit­zen. Sie waren zumeist bezahl­te Krie­ger, die in den Städ­ten leb­ten. Die Städ­te Jeru­sa­lem, Antio­chia und Edes­sa waren damals grö­ßer als Lon­don oder Rom, die ande­ren Orte wie Akko, Jaf­fa, Sidon, Gaza und Tyros auch noch ver­gleichs­wei­se Großstädte.

In den ersten Jah­ren und Jahr­zehn­ten war die Rit­ter­schaft in Outre­mer noch viel­fach auf die finan­zi­el­le Unter­stüt­zung aus ihren euro­päi­schen Besitz­tü­mern ange­wie­sen. Die wich­tig­ste Ein­nah­me­quel­le im König­reich selbst bil­de­ten die Bezah­lun­gen und Spen­den der Pil­ger. Dazu kamen Steu­ern auf den städ­ti­schen Gewürz­han­del sowie die Kara­wa­nenzü­ge. Man errich­te­te an der Kara­wa­nen­stra­ße gro­ße Burgen.

… waren keine Kolonialstaaten

Zu den Kreuz­fah­rern, ihren Fami­li­en und Gefolg­schaf­ten kam zwar ein Rinn­sal von Zuwan­de­rern, aber die Chri­sten blie­ben eine klei­ne herr­schen­de Min­der­heit im Hei­li­gen Land. Die Mehr­heit waren mus­li­mi­sche Bau­ern und Stadt­be­völ­ke­rung. Isla­mi­sche Schrift­stel­ler bestä­ti­gen, dass die christ­li­chen Fran­ken ihre mus­li­mi­schen Unter­ta­nen bei Steu­ern und Abga­ben sowie in der Rechts­spre­chung fair behan­del­ten und sie bei der Reli­gi­ons­aus­übung kei­ne Auf­la­gen zu befürch­ten hat­ten, wie sie der Dhim­mi-Sta­tus der Chri­sten in isla­mi­schen Län­dern nach sich zog. Damit ist der Vor­wurf gegen­stands­los, die Kreuz­fah­rer wären aus­beu­te­ri­sche und repres­si­ve Kolo­nia­li­sten gewe­sen. Die zweit­größ­te Bevöl­ke­rungs­grup­pe waren die ori­en­ta­li­schen Chri­sten ver­schie­de­ner Kon­fes­sio­nen. Schließ­lich leb­ten wei­ter­hin Juden in Palästina.

Châ­teau de Sao­ne, eine gigan­ti­sche Kreuz­rit­ter­burg im Für­sten­tum Antiochia

Schutz der Pilger – das vorrangige Anliegen der neuen Ritterorden

Die Situa­ti­on der Pil­ger auf den Strecken von den Hafen­städ­ten bis nach Jeru­sa­lem blieb pre­kär. In den ersten bei­den Jahr­zehn­ten nach 1099 blieb es bei Kla­gen über Aus­plün­de­run­gen, Über­fäl­le bis hin zu Tötun­gen, bedingt durch den aku­ten Man­gel an wehr­fä­hi­gen Män­nern im König­reich. 1119 über­fie­len Mus­li­me aus Tyrus eine gro­ße Pil­ger­grup­pe. Dabei ermor­de­ten sie 300 Per­so­nen, 60 wur­den ver­sklavt. Die­ser fei­ge Über­fall war das Signal für die Grün­dung eines Ordens zum Schutz der Pil­ger. 20 bis 30 frän­ki­sche Rit­ter unter der Füh­rung von zwei Kreuz­fah­rern hat­ten sich geschwo­ren, im Dien­ste König Bal­du­ins II. gemein­schaft­lich Angrif­fe auf Pil­ger abzu­weh­ren. Der König über­ließ ihnen als Unter­kunft einen Teil sei­nes Pala­stes, der auf dem Platz des ehe­ma­li­gen Tem­pels Salo­mons stand. Von Anfang an konn­ten die Temp­ler auf rit­ter­li­che Schen­kun­gen und Bei­hil­fe rech­nen. Die wich­tig­ste geist­li­che Unter­stüt­zung kam von dem Grün­der des Zister­zi­en­ser­or­dens Bern­hard von Clairvaux, der selbst aus einer bur­gun­di­schen Rit­ter­fa­mi­lie stamm­te. Er ent­warf für die Temp­ler eine detail­lier­te Ordens­re­gel, mit dem das Insti­tut kirch­lich aner­kannt wur­de. In der Regel wird ein christ­lich-tugend­haf­tes Rit­ter­ide­al ent­wor­fen, das durch­aus auch Ein­fluss auf die Zivi­li­sie­rung der welt­li­chen Rit­ter hat­te. Ein­tre­ten in den Orden durf­ten nur lebens­er­fah­re­ne Rit­ter, aber auch Bür­ger­li­che, die zu Fuß- und Kaval­le­rie­sol­da­ten aus­ge­bil­det wur­den. Dazu kamen Knap­pen als Hilfs­sol­da­ten und die­nen­de Brü­der als Hand­wer­ker. Zu der Kern­trup­pe der Temp­ler gesell­ten sich Rit­ter, Arm­brust­schüt­zen und Fuß­sol­da­ten, die aus Euro­pa zeit­wei­se und gegen Bezah­lung ins Hei­li­ge Land kamen. Der Orden ver­füg­te schließ­lich über etwa 300 Rit­ter und eini­ge Tau­send Ser­gean­ten-Kämp­fer in sei­nen Stütz­punk­ten und Bur­gen. So konn­ten sie die Pil­ger­strö­me deut­lich bes­ser schüt­zen als früher.

Bedeu­tend grö­ßer war die Zahl der Ordens­rit­ter in Euro­pa. Die Temp­ler beka­men sehr rasch Tau­sen­de von Län­de­rei­en und Häu­ser gestif­tet und bau­ten selbst Hun­der­te von Häu­sern und Bur­gen. Sie wur­den schließ­lich Fach­leu­te für Güter- und Geld­ver­wal­tung sowie für Finanz­dienst­lei­stun­gen aller Art. Wegen ihres gro­ßen Reich­tums hat­ten die Temp­ler vie­le welt­li­che Nei­der. Als dann der letz­te Stütz­punkt in Palä­sti­na 1291 fiel, ver­blass­ten Man­dat und öffent­li­ches Anse­hen der Temp­ler-Rit­ter. Gut 20 Jah­re spä­ter ließ der fran­zö­si­sche König mit Hil­fe kirch­li­cher Stel­len die Temp­ler zu Häre­ti­kern erklä­ren und anschlie­ßend ihr rie­si­ges Ver­mö­gen einziehen.

Die Nachfahren der Johanniter-Ritter helfen als Malteser bis heute

Ein zwei­ter Rit­ter­or­den waren die Johan­ni­ter mit offi­zi­el­lem Namen Rit­ter­li­cher Orden Sankt Johan­nis vom Spi­tal zu Jeru­sa­lem. Wie der Name andeu­tet, ent­stand die­ser Orden aus einem gro­ßen Spi­tal, des­sen Anfän­ge schon vor der Erobe­rung Jeru­sa­lems lagen. Aus dem Beweg­grund, die Pil­ger­we­ge zu schüt­zen, über­nah­men die Hos­pi­ta­li­ter Bur­gen und bau­ten Stütz­punk­te aus. Schließ­lich leg­ten sie sich eine Ordens­re­gel und das Ordens­kleid zu: ein schwar­zer Umhang mit einem wei­ßen Kreuz auf der Brust. Die Johan­ni­ter konn­ten sich im 12. Jahr­hun­dert an Grö­ße und Bedeu­tung mit den Temp­lern mes­sen und wie­sen eben­so vie­le Gefal­le­ne auf. Nach der Auf­ga­be des Hei­li­gen Lan­des ver­leg­ten sie ihren Haupt­sitz nach Rho­dos und von dort nach Mal­ta. Wäh­rend der fol­gen­den Jahr­hun­der­te wehr­ten sie mehr­fach mus­li­mi­sche Angrif­fe ab. Da die Johan­ni­ter wei­ter­hin mili­tä­ri­schen Wider­stand gegen die mus­li­mi­schen Aggres­so­ren lei­ste­ten, war ihr Sta­tus und Anse­hen wei­ter­hin legi­ti­miert. Das schütz­te sie vor Ver­schwö­run­gen und Ver­bo­ten, obwohl sie auch in Euro­pa beträcht­li­che Ver­mö­gen ange­häuft hat­ten. Die Johan­ni­ter gibt es bis heu­te unter der Bezeich­nung Malteser.

Die fünf Kreuz­rit­ter­staa­ten samt Kleinarmenien

Helfen – Wehren – Heilen heißt der Wahlspruch des Deutschen Ordens

Der drit­te Rit­ter­or­den der Brü­der vom Deut­schen Haus Sankt Mari­ens in Jeru­sa­lem hat­te sei­nen Ursprung eben­falls in einem Hos­pi­tal, näm­lich dem Feld­hos­pi­tal bre­mi­scher und lübi­scher Kauf­leu­te wäh­rend des Drit­ten Kreuz­zu­ges um 1190 bei der Bela­ge­rung der Stadt Akkon. Nach der Erhe­bung der Spi­tal­ge­mein­schaft zum geist­li­chen Rit­ter­or­den um 1198 enga­gier­ten sich die Mit­glie­der, Ordens­rit­ter und Brü­der, auch als Kämp­fer an den Schutz­maß­nah­men im Hei­li­gen Land. Ähn­lich wie die ande­ren Rit­ter­or­den bau­ten sie in ihrer Hei­mat, dem Hei­li­gen Römi­schen Reich, ein Netz­werk von Nie­der­las­sun­gen auf. Nach dem Rück­zug aus dem Hei­li­gen Lan­de betei­lig­ten sie sich am Schutz der deut­schen Ost­ko­lo­ni­sa­ti­on in Sie­ben­bür­gen. Eine zen­tra­le Rol­le spiel­te ab dem Ende des 13. Jahr­hun­derts der im Bal­ti­kum begrün­de­te Deutschordensstaat.

Frie­de herrsch­te in den Kreuz­fah­rer­staa­ten nie. Stän­dig wur­den von den mus­li­mi­schen Stütz­punk­ten inner­halb der Kreuz­fah­rer­staa­ten Über­fäl­le auf Pil­ger sowie auf Orte und Städ­te unter­nom­men. Auch von den Außen­gren­zen unter­nah­men mus­li­mi­sche Herr­scher immer wie­der spo­ra­di­sche Angrif­fe gegen sie. 40 Jah­re lang wur­den die­se Angrif­fe von den Rit­tern und Rit­ter­or­den abgewehrt.

Der zweite Kreuzzug war ein Desaster schon im Anmarsch

Zu Weih­nach­ten 1144 erober­te ein sel­dschu­ki­sches Heer die Stadt Edes­sa. Alle Ein­woh­ner, die nicht bei der Ein­nah­me umka­men, wur­den ver­sklavt. Die Nach­richt vom Fall Edes­sas wur­de in Euro­pa als schreck­li­cher Schlag wahr­ge­nom­men. Papst Eugen III. rief zu einem neu­en Kreuz­zug auf. Aber erst die Pre­dig­ten des Bern­hard von Clairvaux brach­ten die Rit­ter­schaft in Bewe­gung. Im Mai 1147 zog ein Heer von 30.000 deut­schen Rit­tern und Fuß­sol­da­ten unter der Lei­tung von Kai­ser Kon­rad III. über die Land­rou­te nach Kon­stan­ti­no­pel. Im Juni zogen die Fran­zo­sen los unter ihrem König Lud­wig VII.

Das deut­sche Kreuz­fah­rer­heer zog wie der erste Kreuz­zug quer durch Klein­asi­en Rich­tung Antio­chia. Es wur­de aus­ge­hun­gert und halb ver­dur­stet an einem Fluss von dem sel­dschu­ki­schen Heer über­rascht und bis auf 2000 Mann auf­ge­rie­ben. Neben eige­ner Unvor­sich­tig­keit gaben die Chro­ni­sten wie­der den Ost­rö­mern als per­fi­den Grie­chen eine Teil­schuld an dem Desa­ster. Ein Groß­teil des fran­zö­si­schen Hee­res wur­de eben­falls ver­nich­tet. König Lud­wig konn­te mit einem Teil der Rit­ter per Schiff nach Jeru­sa­lem segeln. Die Ver­lu­ste zwei gro­ßer Hee­re gaben der Kreuz­zugs­be­gei­ste­rung in Euro­pa einen schwe­ren Schlag, wäh­rend das mus­li­mi­sche Selbst­be­wusst­sein stieg.

Das König­reich Jeru­sa­lem war von die­sen Rück­schlä­gen nicht betrof­fen. Es ließ neue Bur­gen und befe­stig­te Stütz­punk­te bau­en. Zwi­schen 1150 und 1180 zogen christ­li­che Hee­re mehr­mals nach Süden, erober­ten Askal­on und bela­ger­ten ägyp­ti­sche Städ­te wie Kai­ro, Dami­et­te und Alex­an­dria, wo sie jeweils mit viel Tri­bu­ten wie­der abzo­gen. Die­se Erobe­rungs­zü­ge ver­wei­ger­ten die Temp­ler, da sie nicht zu ihrer Mis­si­on gehör­ten.

Die Kreuz­rit­ter­burg Mont­fort im König­reich Jeru­sa­lem, die vom Temp­ler­or­den errich­tet und dann vom Deut­schen Orden über­nom­men wurde

Die Niederlage des Kreuzfahrerheeres 1187 löste den 3. Kreuzzug aus

Mit dem kur­disch-sun­ni­ti­schen Herr­scher Sala­din erwuchs dem Kreuz­fah­rer­staat ein eben­bür­ti­ger Geg­ner. Der hat­te um 1180 die Herr­schaft über Syri­en und Ägyp­ten über­nom­men. Bei der Schlacht von Hat­tin ver­nich­te­te er das Heer des König­reichs mit 1.200 Rit­tern und 20.000 Fuß­sol­da­ten nach deren tak­ti­schen Fehl­lei­stun­gen. Bei Sala­dins Bela­ge­rung Jeru­sa­lems stimm­te die Stadt­füh­rung einer Über­ga­be zu, so dass etwa die Hälf­te der Bewoh­ner gegen Löse­geld frei­ka­men. Er ver­hielt sich nach den dama­li­gen Kriegs­ge­pflo­gen­hei­ten. Nach Kämp­fen und bei wehr­haf­ten Städ­ten wie Jaf­fa ließ Sala­din die christ­li­chen Geg­ner ent­haup­ten oder die über­le­ben­de Bevöl­ke­rung versklaven.

Den Chri­sten blie­ben die befe­stig­ten Hafen­städ­te Tyros, Antio­chia und Tri­po­lis. Kon­rad von Mont­fer­rat orga­ni­sier­te mit sei­nen Rit­tern die erfolg­rei­che Ver­tei­di­gung von Tyros gegen Sala­dins Land- und See­be­la­ge­rung. Eine nor­man­ni­sche Flot­te brach­te Ver­stär­kung an Rit­tern und Pro­vi­ant nach Tri­po­lis und Antio­chia. Man schick­te Emis­sä­re nach Euro­pa, die für einen drit­ten Kreuz­zug wer­ben sollten.

1189 zog der deut­sche Kai­ser Bar­ba­ros­sa mit einem gro­ßen Heer Rich­tung Kon­stan­ti­no­pel. Der Hass der Byzan­ti­ner auf die latei­ni­schen Chri­sten war inzwi­schen so groß, dass Kai­ser Isaak mit Sala­din einen Ver­trag gemacht hat­te, sei­ne Armeen gegen die Kreuz­fah­rer­hee­re ein­zu­set­zen. Erst nach der Dro­hung mit der Bela­ge­rung Kon­stan­ti­no­pels lenk­te der Kai­ser ein und gewähr­te frei­en Durch­zug durch Klein­asi­en. Beim Über­que­ren des Flus­ses Saleph fiel Kai­ser Bar­ba­ros­sa vom Pferd und ertrank. Der Tod des Anfüh­rers erschüt­ter­te das Kreuz­fah­rer­heer. Es löste sich prak­tisch auf.

Die star­ke Festung Mons Pere­gri­nus (Mont Pèle­rin), eine Kreuz­rit­ter­burg in der Graf­schaft Tripolis

König Richard Löwenherz schlug Saladins Truppen in die Flucht

1190 stach eine gro­ße eng­lisch-fran­zö­si­sche Kreuz­fah­rer­flot­te in See – unter ihren Anfüh­rern Richard Löwen­herz und Phil­ipp II. August. Der eng­li­sche König erober­te mit sei­nen Trup­pen zunächst Zypern. Mit sei­nem Ankom­men in Akko wur­de die Stadt von Sala­din zurück­er­obert. Dann zog er mit 4000 Rit­tern und 14.000 Fuß­sol­da­ten Rich­tung Jeru­sa­lem. In der Schlacht bei Arsuf griff Sala­din mit sei­nem gro­ßen Heer an. Dies­mal hiel­ten die Schlacht­rei­hen der Gepan­zer­ten stand und Sala­dins Trup­pen ver­lie­ßen flucht­ar­tig den Kampf­ort. Auch bei der Schlacht um Jaf­fa zogen die Mus­li­me den Kür­ze­ren. In den anschlie­ßen­den Ver­trä­gen sicher­te Sala­din zu, christ­li­chen Pil­gern den Zugang nach Jeru­sa­lem zu gestatten.

1204: Der Tiefpunkt west-östlicher Zerstrittenheit

Der vier­te Kreuz­zug hat­te zum Ziel, die Haupt­be­dro­hung vom Hei­li­gen Land, die ägyp­ti­sche Armee, zu besie­gen. Nach den schlech­ten Erfah­run­gen mit dem Land­weg bevor­zug­te man den See­weg. Vene­dig, die Haupt­macht im Mit­tel­meer, erklär­te sich bereit, Schif­fe für mehr als 30.000 Kreuz­fah­rer samt Pfer­den aus­zu­rü­sten. Die Kosten zahl­ten die Teil­neh­mer, die Rest­sum­me soll­te mit der vene­zia­ni­schen Betei­li­gung und der Nie­der­schla­gung einer Rebel­li­on in der Küsten­stadt Zara (Zadar) einfließen.

Im Win­ter­la­ger auf Kor­fu mach­te ein exi­lier­ter byzan­ti­ni­scher Prinz den Kreuz­fah­rern Vor­schlä­ge für eine dau­er­haf­te Alli­anz zwi­schen West und Ost zur Siche­rung der Hei­li­gen Lan­des, wenn sie ihm zum Kai­ser­thron ver­hül­fen. Dar­auf­hin bela­ger­te das Heer Kon­stan­ti­no­pel, der amtie­ren­de Kai­ser floh und der Prinz Ale­xi­os wur­de auf den Thron geho­ben. Das Kreuz­fah­rer­heer zog sich zurück, eben­so die vene­zia­ni­schen Galee­ren. Da dreh­te sich der poli­ti­sche Wind. Der byzan­ti­ni­sche Adel stürz­te den neu­en Kai­ser und bekämpf­te nun die Latei­ner zu Was­ser und zu Land. Die Kreuz­fah­rer fühl­ten sich ver­ra­ten – wie schon viel­fach in den drei Kreuz­zü­gen zuvor. In die­ser Situa­ti­on ent­schlos­sen sich Vene­zia­ner und Kreuz­fah­rer, die Stadt zu erobern und zu plün­dern. Der Papst sprach dazu in einem Eil­schrei­ben ein Ver­bot aus und pro­te­stier­te anschlie­ßend ener­gisch gegen die Plün­de­rung. Mit der gemein­sa­men Beu­te soll­ten die Schul­den der Kreuz­fahrt getilgt, dann zu glei­chen Tei­len an die betei­lig­ten Par­tei­en sowie den neu­en Kai­ser ver­teilt wer­den. Die Plün­de­rung dau­er­te drei Tage. Anschlie­ßend setz­ten die Kreuz­fah­rer einen latei­ni­schen Kai­ser auf den ost­rö­mi­schen Thron. Zur Siche­rung sei­ner Herr­schaft blie­ben die Kreuz­fah­rer bis 1205 in der Stadt. Damit war das Kreuz­zugs­ziel abge­schrie­ben. Die Plün­de­rung der Stadt wird viel­fach als schänd­lich gewer­tet. Aus dem Kon­text der west-öst­li­chen Vor­ge­schich­te fin­det man auch ver­ständ­li­che Argu­men­te: Für die vie­len feind­li­chen Aktio­nen und Ver­rä­te­rei­en der ost­rö­mi­schen Kai­ser seit dem 1. Kreuz­zug, die vie­len Tau­sen­den Kreuz­fah­rern das Leben koste­ten, war der orga­ni­sier­te Beu­te­zug gewis­ser­ma­ßen ein Gericht über die byzan­ti­ni­sche Haupt­stadt. Bei einer fai­ren Beur­tei­lung der Ereig­nis­se muss der Schuld­an­teil der Byzan­ti­ner an die­ser Ent­wick­lung jeden­falls in Rech­nung gestellt wer­den. Histo­ri­ker gehen davon aus, dass die Vene­zia­ner die Haupt­trieb­kraft für den Plan zur Erobe­rung und Plün­de­rung der Stadt waren – auch um einen Kon­kur­ren­ten im Levan­te-Han­del aus­zu­schal­ten. Gleich­wohl bleibt fest­zu­hal­ten, dass die Ver­tre­ter der christ­li­chen Rit­ter dem Plan zustimm­ten. Doch die Ent­schei­dung und Tat der Plün­de­rung Kon­stan­ti­no­pels ent­sprach nicht dem Kon­zept der christ­li­chen Rit­ter­schaft. Daher hat­te der Papst auch einen Bann gegen die Erobe­rer aus­ge­spro­chen. Fatal waren die stra­te­gi­schen Fol­gen – näm­lich eine Schwä­chung des ost­rö­mi­schen Reichs gegen­über den Seldschuken.

Jeru­sa­lem, Blick auf die Gra­bes­kir­che, deren Zer­stö­rung durch die mus­li­mi­schen Fati­mi­den die Initi­al­zün­dung für die Kreuz­zü­ge war

Misslungene Kreuzzüge nach Ägypten …

Der fünf­te Kreuz­zug hat­te wie­der zum Ziel, die Herr­schaft der Sala­din-Nach­fol­ger in Ägyp­ten zu bekämp­fen und zu schwä­chen, um dau­er­haft Sicher­heit für das Hei­li­ge Land zu errei­chen. Die Aktio­nen in Ägyp­ten wur­den letzt­lich durch einen spa­ni­schen Kar­di­nal ver­mas­selt, der, vom Papst geschickt, den Ober­be­fehl über das Kreuz­fah­rer­heer hat­te. Der päpst­li­che Legat hat­te bei Wider­spruch und Oppo­si­ti­on gegen sei­ne Ent­schei­dun­gen mit kirch­li­cher Exkom­mu­ni­ka­ti­on gedroht. Hier zei­tig­te die theo­lo­gisch feh­ler­haf­te Ver­mi­schung von kirch­li­cher und welt­li­cher Macht auch ihren prak­ti­schen Fehlschlag.

Acht Jah­re spä­ter lan­de­te Kai­ser Fried­rich II. mit einem klei­nen Heer in Akko. Er konn­te immer­hin durch Ver­hand­lun­gen mit dem ägyp­ti­schen Sul­tan errei­chen, dass Jeru­sa­lem wie­der für 15 Jah­re unter christ­li­che Herr­schaft kam. Doch 1244 über­rann­te das Turk­volk der Cho­res­mier Jeru­sa­lem und ver­nich­te­te das Auf­ge­bot der Rit­ter im Hei­li­gen Land.

Die­se Kata­stro­phe reg­te in Euro­pa den näch­sten Kreuz­zug an. Er stand unter der Füh­rung des fran­zö­si­schen Königs Lud­wig IX. Auch die­ser Feld­zug nach Ägyp­ten ende­te nach anfäng­li­chen Erfol­gen mit der Zer­set­zung und Gefan­gen­nah­me des Kreuzfahrerheeres.

… und als Folge zerschlagen Mameluckenheere die letzten Kreuzfahrerfestungen

Inzwi­schen hat­ten in Ägyp­ten die Anfüh­rer des mus­li­mi­schen Skla­ven­hee­res, Mame­lucken genannt, die Herr­schaft über­nom­men. Ab 1266 wüte­ten die Trup­pen Bai­bars im Hei­li­gen Land, töte­ten und ver­sklav­ten alle Chri­sten­ge­mein­den auf dem Land und erober­ten vie­le Rit­ter­bur­gen. Auch die bei­den gro­ßen Hafen­fe­stungs­städ­te Jaf­fa und Antio­chia fie­len. Bai­bar hielt sel­ten Über­ga­be­ver­spre­chen ein. Er selbst rühm­te sich in Brie­fen genau der Grau­sam­kei­ten an den Chri­sten, die Papst Urban 170 Jah­ren vor­her vor Augen gestellt hat­te. In den Jah­ren um 1290 erober­ten Mame­lucken­hee­re die letz­ten christ­li­chen Festungs­städ­te an der Küste.

Der ‚Kreuzzug‘ gegen südfranzösische Ketzer diskreditiert die ursprüngliche Kreuzzugsidee

Die fehl­ge­schla­ge­nen Kreuz­zü­ge im 13. Jahr­hun­dert bestärk­ten Zweif­ler an wei­te­ren Unter­neh­men. Dazu kam eine Oppo­si­ti­on gegen die neu­en Kreuz­zugs­steu­ern, die die fran­zö­si­schen und eng­li­schen Köni­ge vor allem für Adel und Kle­rus ein­ge­führt hat­ten. Man wies auch auf die Ver­geb­lich­keit des Kamp­fes gegen die Über­zahl der Mus­li­me hin. Auch theo­lo­gi­sche Grün­de wur­den laut: Wegen der Sün­den der Kreuz­fah­rer hät­te Gott die Nie­der­la­gen zuge­las­sen. Schließ­lich bestrit­ten Albin­gen­ser, Wal­den­ser und Katha­rer über­haupt die mora­li­sche Berech­ti­gung eines gerech­ten Krie­ges. Dass die­se Grup­pen in Süd­frank­reich selbst mit einem Kreuz­zug bekämpft wur­den, brach­te den christ­li­chen Kreuz­zugs­ge­dan­ken dann end­gül­tig in Ver­ruf. Die­se Krie­ge des nord­fran­zö­si­schen Adels gegen die nicht-frän­ki­schen Süd-Fran­zo­sen hat­ten mit dem ursprüng­li­chen Kreuz­zugs­ide­al des rit­ter­li­chen Kamp­fes im Dien­ste der Kir­che zum Schutz der Pil­ger, Schwa­chen und Wehr­lo­sen nichts mehr gemein.

Die Burg Amou­da in Klein­ar­me­ni­en, die dem Deut­schen Rit­ter­or­den über­tra­gen war

Bild: Wiki­com­mons

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

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