So war es nicht! – Die Kreuzzüge im neuen Licht (1)

Notwendige Korrektur der Kreuzzugskritik


Die Kreuzzüge verdienen eine angemessene und differenzierte Bewertung.
Die Kreuzzüge verdienen eine angemessene und differenzierte Bewertung.

Eine Buch­be­spre­chung von Hubert Hecker

Anzei­ge

Die Grund­an­nah­me bür­ger­li­cher Kreuz­zugs­kri­tik besteht in der Behaup­tung, dass Papst Urban II. im Jah­re 1095 den mit­tel­eu­ro­päi­schen Adel zu einem ersten kolo­nia­len Erobe­rungs­feld­zug in eine über­see­ische Regi­on geru­fen habe. Mit die­ser Hypo­the­se kor­re­spon­diert still­schwei­gend die zwei­te Annah­me, dass der Islam seit sei­nem Bestehen allein in fried­li­cher Mis­si­on sei­ne mil­de Herr­schaft über ein rie­si­ges Gebiet vom Atlan­tik bis zum Indus aus­ge­brei­tet hät­te. Metho­disch zeigt sich die­se ein­sei­ti­ge Her­an­ge­hens­wei­se im voll­stän­di­gen Aus­blen­den des Dschi­had als zen­tra­le Trieb­kraft des poli­ti­schen Islam: Moham­med hat im Koran allen mus­li­mi­schen Herr­schern und Hee­ren unmiss­ver­ständ­lich auf­ge­tra­gen, mit krie­ge­ri­schen Mit­teln alle christ­li­chen und heid­ni­schen Län­der in Ost und West unter die Got­tes­herr­schaft Allahs zu zwin­gen. 450 Jah­re nach Moham­meds Tod waren die gesam­te Levan­te (heu­te Naher und Mitt­le­rer Osten), die christ­li­chen Län­der Nord­afri­kas sowie Spa­ni­en, Sizi­li­en und Süd­ita­li­en, Zypern und fast ganz Klein­asi­en isla­misch besetzt. Erst um die Jahr­tau­send­wen­de begann, von Spa­ni­en aus­ge­hend, die Recon­qui­sta. Die Kreuz­zü­ge waren Teil der Abwehr und Rück­erobe­rung gegen­über den pri­mä­ren Erobe­rungs­krie­gen des Islam sowie des­sen Beherrschungspolitik.

Der im Juli 2022 ver­stor­be­ne ame­ri­ka­ni­sche Reli­gi­ons­so­zio­lo­ge Rod­ney Stark gehör­te zu den weni­gen Histo­ri­kern, die Kreuz­zü­ge wis­sen­schaft­lich, d. h. von bei­den Sei­ten der Kriegs­par­tei­en, behan­del­ten. Nach kri­ti­scher Sich­tung der Lite­ra­tur kam er zu dem Ergeb­nis: So war es nicht – wie es viel­fach dar­ge­stellt wird. In Form eines vir­tu­el­len Inter­views sol­len die ersten sie­ben Kapi­tel sei­nes Buches: Got­tes Krie­ger. Die Kreuz­zü­ge im neu­en Licht vor­ge­stellt und mit einem kri­ti­schen Resü­mee ver­se­hen werden:

▪ Warum lassen Sie die Kreuzzüge im 7. Jahrhundert beginnen, wo doch erst 1095 Papst Urban II. zum ersten Kreuzzug aufrief?

Es ist eine der vie­len feh­ler­haf­ten Her­an­ge­hens­wei­sen, die Vor­ge­schich­te der Kreuz­zü­ge aus­zu­blen­den und damit die­se Kriegs­zü­ge als pri­mä­re Aggres­si­on hin­zu­stel­len. In Wirk­lich­keit wur­den die Kreuz­zü­ge durch isla­mi­sche Pro­vo­ka­tio­nen aus­ge­löst: durch jahr­hun­der­te­lan­ge blu­ti­ge Ver­su­che, das Abend­land zu kolo­ni­sie­ren, und immer wie­der durch Über­fäl­le auf christ­li­che Pil­ger und hei­li­ge Stät­ten.

Schon durch Moham­med began­nen die isla­mi­schen Erobe­run­gen christ­li­cher Städ­te und Län­der, als er im Jah­re 630 mit einer gro­ßen Streit­macht einen Feld­zug gegen die Chri­sten­stadt Tabuk anführ­te. Acht­zig Jah­re nach Moham­meds Tod hat­ten mus­li­mi­sche Hee­re die mei­sten christ­li­chen Län­der im Nahen Osten unter­wor­fen, alle christ­li­chen Rei­che in Nord­afri­ka usur­piert sowie Zypern und wei­te Tei­le Spa­ni­ens. In einem wei­te­ren Jahr­hun­dert gerie­ten auch Sizi­li­en, Sar­di­ni­en, Kor­si­ka, Kre­ta und Süd­ita­li­en unter mus­li­mi­sche Herr­schaft. Von die­sen Basen aus über­fie­len isla­mi­sche Krie­ger regel­mä­ßig süd­fran­zö­si­sche und ita­lie­ni­sche Städ­te und ver­sklav­ten ihre Bewoh­ner. Rom wur­de im neun­ten Jahr­hun­dert zwei­mal von Mus­li­men geplündert.

Aus der Ideo­lo­gie und Pra­xis der IS-Mus­li­me kann man das Vor­ge­hen des Islam in den Jahr­hun­der­ten bis zu den Kreuz­zü­gen able­sen: Wenn sich „Ungläu­bi­ge“ (Chri­sten) gegen mus­li­mi­sche Aggres­sio­nen wehr­ten und in Gefan­gen­schaft gerie­ten, wur­den sie vor die Wahl gestellt: ent­we­der Über­tritt zum Islam oder Tod oder Ver­skla­vung. Die Bevöl­ke­run­gen der erober­ten Län­der, Juden und Chri­sten, wur­den von den isla­mi­schen Herr­schern zwar gedul­det, aber als Bür­ger zwei­ter Klas­se unter sol­che repres­si­ven reli­giö­sen, sozia­len und öko­no­mi­schen Bedin­gun­gen gestellt, dass sie durch die­se struk­tu­rel­le Gewalt zur Kon­ver­si­on zum Islam genö­tigt wur­den. Eine Kon­ver­si­on zum Chri­sten­tum dage­gen bestraf­ten die Mus­li­me mit dem Tode.

Ein Groß­teil der euro­päi­schen Chri­sten kamen im 11. Jahr­hun­derts zu der Über­zeu­gung, dass es Zeit und Grün­de gab zurück­zu­schla­gen – einer­seits wegen der mus­li­mi­schen Usur­pa­ti­on der christ­li­chen Län­der und zum andern wegen der Schi­ka­nie­rung, Plün­de­run­gen und Ver­skla­vung der Chri­sten unter isla­mi­scher Herrschaft.

Die­se Ein­schät­zung, den Aggres­sio­nen des Islam gegen Chri­sten und christ­li­che Rei­che Ein­halt zu gebie­ten, teil­te auch Papst Urban II., wenn er in einem Kreuz­zugs­auf­ruf schrieb: Die Mus­li­me haben immer mehr Län­der der (ost­rö­mi­schen) Chri­sten besetzt und die­se in sie­ben Krie­gen besiegt. Sie haben vie­le von ihnen getö­tet und gefan­gen genom­men, die Kir­chen zer­stört und das Kai­ser­reich von Byzanz ver­wü­stet. Wenn man sie das wei­ter unge­straft tun lässt, wer­den die Gläu­bi­gen in einem noch weit grö­ße­ren Aus­maß von ihnen ange­grif­fen wer­den.

▪ Wann begann die Reconquista, die Rückeroberungskriege durch Christenheere?

Die ersten Sie­ge gegen mus­li­mi­sche Hee­re hat­ten rein defen­si­ven Cha­rak­ter: Schon 672 ließ der Kalif von Bag­dad 50.000 Sol­da­ten gegen die ost­rö­mi­sche Haupt­stadt Byzanz auf­mar­schie­ren – und schei­ter­te mit sei­nem Aggres­si­ons­krieg. 732 muss­ten sich die Mus­li­me in der Schlacht bei Tours und Poi­tiers dem frän­ki­schen Heer unter Karl Mar­tell geschla­gen geben. Hun­dert Jah­re spä­ter begann der euro­päi­sche Pil­ger­strom zum Apo­stel­grab nach Com­po­ste­la. Mehr­fa­che mus­li­mi­sche Über­fäl­le und Plün­de­run­gen der Pil­ger­stadt mach­ten die Dring­lich­keit der spa­ni­schen Recon­qui­sta in der gan­zen Chri­sten­heit bekannt. Ab 1063 unter­stütz­te der Reform­papst Alex­an­der II. die­je­ni­gen, die nach Spa­ni­en gegen die Sara­ze­nen zogen: Gegen die­se zu kämp­fen sei gerecht, weil sie Chri­sten ver­fol­gen. Aus­drück­lich soll­ten sie aber den Juden Schutz ange­dei­hen las­sen. Tole­do, die ehe­ma­li­ge Haupt­stadt des west­go­ti­schen Reichs, fiel 1085 wie­der in christ­li­che Hand. Zehn Jah­re spä­ter schlug El Cid mit sei­nem Heer die mau­ri­sche Armee mehr­fach bei Valen­cia. Das war ein Jahr­zehnt vor dem Auf­bruch zum ersten Kreuzzug.

Die Rück­erobe­rung von Sizi­li­en und Süd­ita­li­en begann ab 873 durch die Byzan­ti­ner, dann erneut 1038. Ab 1059 über­nah­men nor­man­ni­sche Trup­pen die Initia­ti­ve. Unter Füh­rung von Robert Guis­card und sei­nem Bru­der Roger ver­trie­ben die Nor­man­nen und Lan­go­bar­den bis 1071 die letz­ten mus­li­mi­schen Herr­scher aus Sizi­li­en. Als Fort­set­zung die­ser nor­man­ni­schen Recon­qui­sta besetz­te Roberts Sohn Bohe­mund an der Spit­ze eines Kreuz­fah­rer­hee­res 1098 die Stadt Antio­chia und wur­de Regent des gleich­na­mi­gen Fürstentums.

▪ Warum konnten die Christenheere die muslimischen Eroberer in Spanien und Süditalien erfolgreich und dauerhaft zurückdrängen, in Palästina immerhin für 200 Jahre?

Die Erklä­rung ist vor allem für die Histo­ri­ker ein Pro­blem, die von der über­ra­gen­den Kul­tur und Wis­sen­schaft der Mus­li­me in jener Zeit aus­ge­hen. Die­se The­se beruht auf zwei feh­ler­haf­ten Annah­men: Zum einen über­schätzt man die ara­bisch-mus­li­mi­sche Kul­tur. Deren Spit­zen­lei­stun­gen wur­den zum größ­ten Teil von nicht-ara­bi­schen Dhim­mi-Kul­tu­ren erbracht: Die Über­set­zun­gen der alt­grie­chi­schen Schrif­ten besorg­ten syri­sche Chri­sten. Nesto­ria­ner waren füh­rend auf dem Gebiet der Medi­zin und Phi­lo­so­phie, Juden in der Astro­no­mie und eben­falls in der ärzt­li­chen Kunst. Der Phi­lo­soph Avicen­na war Per­ser, die mathe­ma­ti­schen Neue­run­gen kamen aus Indi­en. In der Archi­tek­tur stütz­te man sich auf per­si­sche und byzan­ti­ni­sche Bau­mei­ster, beim Schiff­bau auf kop­ti­sche Schiffs­hand­wer­ker. Mus­li­mi­schen Herr­schern kommt das Ver­dienst zu, Wis­sen­schaft und Kul­tur geför­dert zu haben. Jedoch haben sie eben­so oft Gelehr­te ver­bannt und For­schung unter­drückt. Sala­din z. B., der hoch­ge­rühm­te Held des 12. Jahr­hun­derts, ließ die Fati­mi­den-Biblio­thek in Kai­ro schlie­ßen und die Bücher verscherbeln.

Auf der ande­ren Sei­te wird von Histo­ri­kern mit einem ideo­lo­gi­schen grau­en Star das christ­li­che Mit­tel­al­ter als dumpf-bar­ba­risch ange­schwärzt. Dabei war es eine Epo­che mit gro­ßer Dich­te an Erfin­dun­gen schon seit dem Früh­mit­tel­al­ter: Drei­fel­der­wirt­schaft, Kum­met­ge­schirr und Schar­pflug erhöh­ten signi­fi­kant die land­wirt­schaft­li­che Pro­duk­ti­vi­tät, was seit dem 11. Jahr­hun­dert zu einer Bevöl­ke­rungs­explo­si­on führ­te. Huf­ei­sen, Schwenk­ach­sen und Brem­sen ver­bes­ser­ten das Trans­port­we­sen. Ket­ten­hem­den, Arm­brust und Steg­reif-Sät­tel sorg­ten für mili­tä­ri­sche Über­le­gen­heit, die Schif­fe und Flot­ten waren es sowie­so. Das euro­päi­sche Schul- und Uni­ver­si­täts­we­sen wur­de bald dem Bil­dungs­we­sen des Mor­gen­lan­des überlegen.

Kreuz­rit­ter, im Bild ein Temp­ler, spä­tes 12. Jhdt.

▪ War das christliche Pilgerwesen ins Heilige Land so bedeutsam, dass deren Störung den 1. Kreuzzug auslösen konnte?

Bis zum 10. Jahr­hun­dert kam es immer wie­der zu Miss­hand­lun­gen und Gräu­el­ta­ten an Pil­gern. Nach der Jahr­tau­send­wen­de schwoll der Strom der Pil­ger aus Mit­tel­eu­ro­pa an. Neben dem Motiv, die Stät­ten von Jesu Leben, Ster­ben und Grab­le­ge zu besu­chen, trat zuneh­mend die Pil­ger­schaft als Süh­ne­lei­stung. Was heu­te an Gefäng­nis­stra­fen für Mord, Kör­per­ver­let­zung und Dieb­stahl ver­hängt wird, waren damals gesetz­li­che und prie­ster­li­che Buß­auf­la­gen von Wall­fahr­ten. Ab der Jahr­tau­send­wen­de regier­te über Ägyp­ten und Palä­sti­na ein grau­sa­mer Kalif, der die Chri­sten schi­ka­nier­te und drei­ßig­tau­send Kir­chen nie­der­rei­ßen ließ, dar­un­ter die Jeru­sa­le­mer Gra­bes­kir­che. Sie durf­ten erst Jahr­zehn­te spä­ter wie­der ver­ein­zelt auf­ge­baut wer­den. Aber die Kla­gen über Miss­hand­lun­gen, Aus­plün­de­run­gen und Ermor­dun­gen von Pil­ger­grup­pen blie­ben bestehen. Als die tür­ki­schen Sel­dschu­ken den Groß­teil von Klein­asi­en besetz­ten, wur­de auch die­se Pil­ger­rou­te gefähr­lich. In den 1070er Jah­ren führ­ten die Tür­ken Krieg um Palä­sti­na und Damas­kus. In die­ser Zeit mach­ten loka­le Herr­scher und Ban­den das Pil­gern so unsi­cher, dass prak­tisch nur bewaff­ne­te Rit­ter-Pil­ger ins Hei­li­ge Land und heil zurück­ka­men. Die­se bewaff­ne­ten Pil­ger­fahr­ten soll­ten das Muster für den ersten Kreuz­zug wer­den. In der Chro­nik von Mon­te­cas­si­no heißt es für das Jahr 1050:
Vier­zig Nor­man­nen im Pil­ger­ge­wand gin­gen auf der Rück­rei­se von Jeru­sa­lem in Saler­no an Land. Damals war die Stadt von Sara­ze­nen bela­gert. Die Pil­ger lie­ßen sich sofort in die Kriegs­pflicht neh­men und ver­trie­ben die mus­li­mi­schen Bela­ge­rer bald, wobei sie zahl­rei­che Geg­ner töte­ten und gefan­gen nah­men. Nach ihrem Sieg mit Got­tes Hil­fe beteu­er­ten sie, den Kampf allein aus ihrer Lie­be zu Gott getan zu haben, ohne Beloh­nung erhal­ten zu wol­len.

▪ Wie fanden die Vorbereitungen für den 1. Kreuzzug statt?

Papst Urban II. stamm­te aus dem fran­zö­si­schen Adel. Bevor er sei­nen berühm­ten Kreuz­zugs­auf­ruf in Cler­mont erließ, hat­te er in Frank­reich neun Mona­te lang bei zahl­rei­chen Kon­takt­be­su­chen auf Adels­sit­zen und Städ­ten Stim­mung und Ver­hält­nis­se son­diert und sei­ne Idee von einem bewaff­ne­ten Pil­ger­zug ver­brei­tet. Nach dem Kreuz­zugs­auf­ruf warb er brief­lich und per­sön­lich wei­te­re Kreuz­zugs­pre­di­ger an.

Die Kir­che hat­te seit der Bekeh­rung Chlod­wigs ihre lie­be Not damit, die kampf­be­rei­ten und aggres­si­ven ger­ma­ni­schen Völ­ker zu den Fried­lich­keits­idea­len des Chri­sten­tums zu erzie­hen. Mit dem Auf­kom­men des Rit­ter­we­sens und Bur­gen­baus im 11. Jahr­hun­dert gras­sier­ten die Feh­de­krie­ge der Rit­ter­schaft unter­ein­an­der. Die Kir­che such­te die­ses aggres­si­ve Kli­ma mit der Got­tes­frie­dens­be­we­gung ein­zu­däm­men, also mit kirch­lich sank­tio­nier­ten Zei­ten von Gewalt­ab­sti­nenz. Gleich­zei­tig för­der­te die Kir­che die Bestre­bun­gen, für Rit­ter ein Tugend­ide­al zu ent­wickeln. Unter Rit­ter­lich­keit soll­te der Schutz von Frau­en, Kle­ri­kern, Pil­gern und ande­ren unbe­waff­ne­ten Schwa­chen sub­su­miert wer­den. Typisch dafür war die Legen­de von Rit­ter Georg, der eine Stadt von der men­schen­fres­sen­den Gewalt eines Unge­heu­ers befreite.

In die­se Rich­tung gin­gen auch die Über­le­gun­gen von Papst Urban: Wer sich auf den Weg zur Befrei­ung der Kir­che aus from­mer Absicht mach­te und nicht um des Reich­tums und des Ruh­mes wil­len, kann damit Buße tun für alle sei­ne Sün­den. Oder: Die Rit­ter kön­nen der beson­de­ren Gna­de Got­tes teil­haf­tig wer­den, wenn sie nur um des See­len­hei­les und der Frei­heit der Kir­che wil­len die Fahrt nach Jeru­sa­lem machen.

Papst Urban stell­te jeden­falls die reli­gi­ös-tugend­haf­te Absicht in den Vor­der­grund und lehn­te Beu­te- und Ruhm­be­stre­bun­gen ab – damals sehr rea­le Ver­su­chun­gen für Rit­ter. Damit unter­schei­det sich der Papst deut­lich von den Kriegs­auf­ru­fen Moham­meds, der sei­nen Krie­gern ent­we­der rei­che irdi­sche Beu­te oder im Todes­fall himm­li­schen Para­dies­lohn versprach.

Vie­le Selbst­zeug­nis­se von Kreuz­rit­tern bestä­ti­gen die reli­giö­sen Moti­va­tio­nen. Auch die finan­zi­el­len Opfer für die Aus­rü­stung, die man­che Adels­fa­mi­lie rui­nier­ten, das Wis­sen um die Beschwer­lich­keit der Fahrt sowie die Testa­ments­be­stim­mun­gen für den Todes­fall gehen in die glei­che Rich­tung. Jeden­falls sind die vie­len sozio-öko­no­mi­schen Theo­rien zu den Trieb­kräf­ten der Kreuz­zü­ge durch die Quel­len kaum zu bele­gen: Ent­la­stung des Adels von jün­ge­ren, nicht erb­be­rech­tig­ten Söh­nen oder kolo­nia­li­sti­sches Land- und Beu­te-Bestre­ben. Eines aber wird man in Rech­nung stel­len müs­sen: die unbän­di­ge Kampf­lust der frän­ki­schen und ins­be­son­de­re nor­man­ni­schen Krieger.

▪ Wie verlief der Aufbruch der Kreuzritter und die Fahrt bis Konstantinopel?

Nur zehn Pro­zent der ver­mut­lich 130.000 Kreuz­fah­rer waren adli­ge Rit­ter, etwa 50.000 Fuß­sol­da­ten sowie 20.000 nicht­mi­li­tä­ri­sches Per­so­nal. Dazu kamen bis zu 50.000 kreuz­zugs­be­gei­ster­te Mit­läu­fer. Der Kreuz­zug war vom mili­tä­ri­schen Stand­punkt wohl der eigen­ar­tig­ste, wenn nicht ver­rück­te­stes Feld­zug der Welt­ge­schich­te. Der Papst hat­te dazu auf­ge­ru­fen, den Auf­bruch­termin auf den 15. August 1096 fest­ge­legt und das Ziel vor Augen geführt. Aber sonst gab es kei­ne Gesamt­pla­nung für die logi­sti­sche Vor­be­rei­tung und Rei­se, kei­ne Min­dest­be­din­gung der Teil­nah­me und kei­nen mili­tä­ri­schen Ober­be­fehl. Aus die­sen und ande­ren Grün­den war die Ver­lust­ra­te der Kreuz­fah­rer sehr hoch und das Errei­chen des mili­tä­ri­schen Ziels eigent­lich ein klei­nes Wunder.

Der Volks­kreuz­zug brach schon im April 1096 von Köln aus auf. Peter der Ein­sied­ler führ­te sei­nen nur teil­be­waff­ne­ten Hau­fen von viel­leicht 20.000 Leu­ten rhein­auf­wärts über Bay­ern, Öster­reich und Ungarn ins byzan­ti­ni­sche Bul­ga­ri­en bis nach Kon­stan­ti­no­pel. Dort kam er mit einer stark dezi­mier­ten Trup­pe an. Als sie von ihrem Lager in Hele­no­po­lis von sich aus die Tür­ken angrif­fen, wur­den sie fast voll­stän­dig auf­ge­rie­ben.
Die drei Heer­hau­fen des Deut­schen Kreuz­zugs mach­ten sich von April bis Juni 1096 auf den Weg. Alle drei Grup­pen wur­den von den Ungarn abge­wie­sen, bekämpft und auf­ge­rie­ben, nur weni­ge kehr­ten zurück. Schon die Zeit­ge­nos­sen deu­te­ten Miss­erfolg und Nie­der­la­ge die­ser Grup­pen als Stra­fe Got­tes, da maro­die­ren­de Grup­pen des Heer­hau­fens an Rhein und Mosel Juden in ihren Quar­tie­ren über­fal­len und getö­tet hat­ten, was Papst und Bischö­fe verurteilten.

In fünf Grup­pen, ange­führt von Für­sten, mach­te sich ab August 1096 der adli­ge Rit­ter-Kreuz­zug auf ver­schie­de­nen Wegen nach Kon­stan­ti­no­pel auf. Neben dem grö­ße­ren Teil der frän­ki­schen Rit­ter war ein bedeu­ten­der Anteil von nor­man­ni­schen Kämp­fern aus Eng­land und der Nor­man­die sowie die Nor­man­nen-Krie­ger aus Sizi­li­en und Süd­ita­li­en unter­wegs. Zwi­schen Dezem­ber 1096 und Mai 97 kamen die Kreuz­rit­ter­zü­ge in Kon­stan­ti­no­pel an.

Die Kreuz­fah­rer waren dem Hil­fe­ruf der byzan­ti­ni­schen Kai­ser gefolgt. Der amtie­ren­de Kai­ser ver­lang­te den Treu­eid von den Kreuz­rit­ter-Anfüh­rern und war daher for­mal der Herr­scher über alle Kreuz­fah­rer. Aber die Zie­le der bei­den Sei­ten waren völ­lig unter­schied­lich: Der Kai­ser setz­te die Kreuz­rit­ter ein, um die Stadt Nicäa (40 km von Byzanz ent­fernt) von den Tür­ken zurück­zu­ge­win­nen. Danach mach­te er mit den Sel­dschu­ken Ver­trä­ge und gemein­sa­me Sache. Das Kreuz­fah­rer­heer fühl­te sich ver­ra­ten, zumal ihnen der Kai­ser nur eine sym­bo­li­sche Abtei­lung von 2000 Mann mit auf den Weg gab, die auch noch bald umkehr­te. Wei­te­re ver­rä­te­ri­sche Aktio­nen des Kai­sers ver­stärk­ten das Miss­trau­en zwi­schen Fran­ken und Byzan­ti­nern. Die Feind­se­lig­kei­ten soll­ten schließ­lich im vier­ten Kreuz­zug 1204 in der Plün­de­rung Kon­stan­ti­no­pels gipfeln.

Die 1115 errich­te­te Kreuz­rit­ter­burg Mont­re­al in der Herr­schaft Oul­tre­jor­da­in des König­reichs Jerusalem

▪ Warum dauerte es dann noch zwei Jahre, bis die Kreuzfahrer in Jerusalem ankamen?

Nach dem Kampf um Nicea zog das Kreuz­fah­rer­heer wei­ter nach Süd­osten Rich­tung Antio­chia, etwa in einer Dia­go­na­le durch Klein­asi­en. Dabei stell­ten sich den Kreuz­rit­tern gro­ße tür­ki­sche Heer­hau­fen ent­ge­gen, die sie aber in die Flucht schlu­gen. Schlim­mer wirk­te sich für den Hee­res­zug aus, dass die Tür­ken die Weg­rou­te zu einer ver­brann­ten Erde ver­wü­stet hat­ten. Mehr­mals stan­den Mensch und Tier kurz vor dem Ver­dur­sten und Ver­hun­gern. Im Spät­som­mer erreich­te man Marasch. Von dort aus konn­te eine Dele­ga­ti­on durch Ver­hand­lun­gen errei­chen, dass der arme­ni­sche Herr­scher von Edes­sa sei­ne Graf­schaft an Bal­du­in von Bolo­gne über­gab. Damit war der erste Kreuz­fah­rer­staat in der Levan­te entstanden.

Im Okto­ber erreich­te das Heer Antio­chia, die dama­li­ge Haupt­stadt Syri­ens. Sie stand unter tür­ki­scher Ober­herr­schaft. Die Kreuz­fah­rer began­nen mit der Bela­ge­rung, die aber wegen der Lücken­haf­tig­keit ziem­lich aus­sichts­los war. Zudem traf im Febru­ar 1098 ein tür­ki­sches Ent­la­stungs­heer ein. Dar­über sieg­ten die dezi­mier­ten frän­ki­schen Rit­ter unter dem Ober­be­fehl des kriegs­er­fah­re­nen Nor­man­nen-Her­zogs Bohe­mund von Süd­ita­li­en. Im Juni wur­de die Stadt durch einen Ver­rä­ter über ein offe­nes Aus­fall­tor erobert. Dar­auf­hin zog Kai­ser Ale­xi­os Kom­ne­nos mit sei­nem Heer in Rich­tung Antio­chia, um sei­ne Ansprü­che gel­tend zu machen. Als er aber hör­te, dass die Tür­ken mit einem noch grö­ße­ren Rück­erobe­rungs­heer anmar­schier­ten, blieb er auf hal­bem Weg in War­te­po­si­ti­on. Spä­ter distan­zier­te er sich in einem Brief an den Kai­ro­er Kali­fen aus­drück­lich von den Zie­len der Kreuz­fah­rer, Jeru­sa­lem einzunehmen.

Auch bei dem Kreuz­fah­rer­heer fan­den sich Deser­teu­re. Der pro­mi­nen­te­ste war Ste­phan de Blois zusam­men mit zahl­rei­chen eng­li­schen Rit­tern. Doch wie­der sieg­te die rela­tiv klei­ne Chri­sten­streit­macht über ein mus­li­mi­sches Groß­heer. Wie­der hielt die dich­te Pha­lanx der Gepan­zer­ten zu Fuß gegen die in Wel­len anren­nen­den Tür­ken stand und beim Gegen­an­griff ergrif­fen die­se die Flucht. Dazu kam der Glau­be, die Hei­li­ge Lan­ze gefun­den zu haben. Jeden­falls wur­de der Sieg als Zei­chen vom Him­mel gedeu­tet. Der Anfüh­rer Bohe­mund wur­de spä­ter Her­zog von Antio­chia, dem zwei­ten Kreuzfahrerstaat.

Im Febru­ar 1099 setz­te sich das Kreuz­fah­rer­heer wie­der in Gang in Rich­tung Jeru­sa­lem. In den Küsten­städ­ten beka­men sie Nach­schub von Schif­fen aus Genua und Pisa, aus Eng­land tra­fen wei­te­re Kreuz­fah­rer ein. Am 7. Juni stan­den sie vor den Toren Jeru­sa­lems. Die Stadt war ein Jahr vor­her von den ägyp­ti­schen Fati­mi­den-Herr­schern den tür­ki­schen Besat­zern ent­ris­sen wor­den. Die hat­ten alle Chri­sten-Bewoh­ner aus der Stadt ver­wie­sen. Ara­bi­sche und suda­ne­si­sche Trup­pen bewach­ten die Mau­ern und Zin­nen. Das Kreuz­fah­rer­heer bestand aus etwa 1.300 Rit­tern und 10.000 Fußsoldaten.

Bei dem vier­wö­chi­gen Bela­ge­rungs­kampf hat­ten die Chri­sten den Bela­ger­ten ange­bo­ten, die Bewoh­ner zu ver­scho­nen, wenn sich die Stadt ergä­be. Die­ses Ver­hand­lungs­an­ge­bot galt bis zur Vor­be­rei­tung des letz­ten Sturm­an­griffs. Aber die Stadt­füh­rung ging nicht dar­auf ein. Nach einem drei­tä­gi­gen Fasten und einer Buß­pro­zes­si­on gelang dann der Ein­bruch in die Stadt über einen Bela­ge­rungs­turm. Nach­dem die mili­tä­ri­sche Besat­zung nie­der­ge­kämpft war, begann die Plün­de­rung der erober­ten Stadt. Das war der Nor­mal­fall aller mit­tel­al­ter­li­chen Kriegs­füh­rung: den Sie­gern die Beu­te. Dabei mas­sa­krier­ten die Kreuz­fah­rer einen Teil der ver­blie­be­nen Stadt­be­völ­ke­rung. Ein ande­rer Teil wur­de gefan­gen genom­men und anschlie­ßend als Arbeits­kräf­te ein­ge­setzt oder gegen Löse­geld freigegeben.

Inzwi­schen hat­te der fati­mi­di­sche Wesir von Kai­ro eine gro­ße Armee zusam­men­ge­stellt, mit der er Jeru­sa­lem zurück­er­obern woll­te. Kei­ne drei Wochen nach dem Fall der Stadt sam­mel­ten sich 20.000 mus­li­mi­sche Sol­da­ten 80 km vor Jeru­sa­lem bei der Hafen­stadt Askal­on. Das Kreuz­fah­rer­heer mar­schier­te ihnen ent­ge­gen und schlug sie bei einem Über­ra­schungs­an­griff in die Flucht.

Resümee:

Der Auf­ruf von Papst Urban II., gegen­über der tür­kisch-mus­li­mi­schen Inva­si­on in der Levan­te den grie­chi­schen Chri­sten im byzan­ti­ni­schen Reich zu Hil­fe zu kom­men sowie das Hei­li­ge Land und ins­be­son­de­re Jeru­sa­lem von den Bedrückern zu befrei­en, um wie­der unge­stör­te Pil­ger­zü­ge zu gewähr­lei­sten, war erfolg­reich abge­schlos­sen wor­den. Im Ver­lauf des Feld­zu­ges hat­ten sich Miss­trau­en und Spal­tung gegen­über dem ost­rö­mi­schen Kai­ser­reich verstärkt.

Von Sei­ten der Kir­che war die­ser Feld­zug gerecht­fer­tigt wor­den als Buß­krieg der euro­päi­schen Rit­ter­schaft für ihre Sün­den­schuld an Gewalt­tä­tig­kei­ten sowie als bewaff­ne­ter Pil­ger­zug. Dahin­ter steck­te auch die Inten­ti­on, die blin­de Feh­de­ge­walt der Rit­ter zu zivi­li­sie­ren: nicht in Beu­te- und Ruhm­sucht den Kampf zu suchen, son­dern sich im Dien­ste der Kir­che ein­zu­set­zen zum Schutz der Pil­ger und unter­drück­ter Chri­sten, zur Hil­fe von unbe­waff­ne­ten Schwa­chen, Frau­en und Kle­ri­kern. Die­ses Anlie­gen rea­li­sier­ten spä­ter vor­bild­lich die im Hei­li­gen Land gegrün­de­ten Ritterorden.

Der knapp vier­jäh­ri­ge Kriegs­zug brach­te viel an Ent­beh­run­gen, Resi­gna­ti­on, Ver­rat, Not und Tod. Aus die­sen Grün­den, aber auch nach den vie­len blu­ti­gen Sie­gen kamen viel­fach die alten Untu­gen­den der Adels­rit­ter von Beu­te­ma­chen, Tot­schla­gen und Herr­schen zum Vor­schein: So zog der nor­man­ni­sche Her­zog Bohe­mund gar nicht mehr mit in Rich­tung Jeru­sa­lem, son­dern sorg­te sich allein dar­um, sei­ne Graf­schaft Antio­chia zu sichern. Was den fürst­li­chen Rit­tern die Herr­schaft, war den ein­fa­chen Kämp­fern die Beu­te in Jeru­sa­lem. Man darf zwar die Erzäh­lun­gen von knie­tie­fem Blut in den Stra­ßen als Legen­de anse­hen, nicht aber das ver­brei­te­te Tot­schla­gen bei den Beu­te­zü­gen durch die Stadt. Das war zwar damals gewöhn­li­che Kriegs­pra­xis, wie etwa auch Mus­li­me 1244 bei der Rück­erobe­rung Jeru­sa­lems die Chri­sten hin­schlach­te­ten (Hans Eber­hard May­er), aber dem von Papst und Kir­che pro­pa­gier­ten Kreuz­rit­ter­ide­al ent­sprach die­ses Vor­ge­hen nicht.

Eine ande­re Erklä­rung für die dama­li­gen Vor­gän­ge in Jeru­sa­lem ergibt sich aus einem alt­jü­di­schen Vor­bild. Ein Chro­nist berich­tet, dass Papst Urban II. bei sei­ner Kreuz­zugs­pre­digt auch auf den Psalm 79 ver­wie­sen habe, in dem die Erobe­rung und Zer­stö­rung des Tem­pels im Jah­re 586 v. Chr. beklagt wird: Gott, die Hei­den sind in dein Erbe ein­ge­drun­gen, sie haben dei­nen hei­li­gen Tem­pel ent­weiht, Jeru­sa­lem in Trüm­mer gelegt. Sie haben das Blut dei­ner From­men ver­gos­sen und die Lei­chen dei­ner Die­ner den Vögeln des Him­mels zum Fraß gege­ben. (…) Ergie­ße dei­nen Zorn über die Völ­ker, die dich nicht ken­nen. Vor unse­ren Augen sol­len die Hei­den die Rache erfah­ren für das ver­gos­se­ne Blut dei­ner Die­ner. Das Vor­ge­hen der Kreuz­rit­ter bei der (Rück-)Eroberung Jeru­sa­lems oder auch nur die Beschrei­bung der Vor­gän­ge könn­te durch den Topos des Psalms 79 geprägt wor­den sein.

Weder Gotteskrieger noch kirchliche Bataillone

Noch in Antio­chia hat­ten die Kreuz­fah­rer einen Brief an Papst Urban geschrie­ben, er möge doch kom­men, um den Ober­be­fehl über die Streit­kräf­te im Marsch auf Jeru­sa­lem zu über­neh­men. Allein die Vor­stel­lung, dass der Papst und damit die Kir­che Anfüh­rer und Herr­scher von welt­li­cher Gewalt sein soll­te, zeig­te gro­ße Unklar­heit und Ver­wir­rung bezüg­lich des christ­li­chen Auf­trags und der Leh­re der Kir­che. Die Tren­nung von Sacer­do­ti­um und Impe­ri­um, von geist­li­cher und welt­li­cher Gewalt, die Zwei­po­lig­keit der Gemein­we­sen in Kir­che und Staat war gera­de das beson­de­re Kenn­zei­chen der west­rö­mi­schen Kir­che. Die Ange­bo­te oder auch Ver­lockun­gen, dass die Kir­che über und mit welt­li­cher Macht und Gewalt ein­schließ­lich der mili­tä­ri­schen herrscht, wur­den aller­dings durch den päpst­li­chen Kir­chen­staat sowie die Bünd­nis- und Kriegs­po­li­tik der Päp­ste immer wie­der geför­dert. Unter dem Reform­papst Gre­gor VII. hat­ten Theo­lo­gen die Idee vom miles chri­stia­nus ent­wor­fen, also von christ­li­chen Sol­da­ten, die für die Kir­che kämpf­ten. Von da aus war der Gedan­ke einer mili­tä­risch agie­ren­den Kir­che auch nicht mehr weit. In die­se Rich­tung geht auch Rod­ney Starks Buch­ti­tel Got­tes Krie­ger, im eng­li­schen Ori­gi­nal God’s Bat­tali­ons. Damit ist die biblisch-christ­li­che Grund­li­nie ver­las­sen, dass Jesus und die Apo­stel, Papst und Kir­che nicht mit dem Schwert kämp­fen wol­len und dür­fen. Im Gegen­satz zum Islam: Moham­med und spä­ter die Kali­fen kämpf­ten mit Krumm­sä­bel und Mor­gen­stern an der Spit­ze ihrer Armeen den Dschi­had-Angriffs­krieg für Allahs Herr­schaft über frem­de Län­der und Völ­ker. Die eccle­sia mili­tans dage­gen strei­tet allein mit gei­sti­gen Waf­fen. Und der Papst ver­fügt über kei­ne Divi­sio­nen, wie spä­ter Sta­lin mit Recht bemerk­te. Das schließt nicht aus, dass das Kir­chen­ober­haupt zu mili­tä­ri­schen Bünd­nis­sen auf­ruft und sie unter­stützt, wie es Papst Inno­zenz XI. 1683 gegen den Vor­marsch des mus­li­mi­schen Tür­ken­hee­res tat. In die­sem Sin­ne blieb auch die Auf­ga­be Urbans II. bzw. der Kir­che beschränkt: Der Papst war die legi­ti­me Auto­ri­tät zur Aus­ru­fung eines berech­tig­ten Krie­ges (bel­lum iustum) – bei Vor­lie­gen eines gerech­ten Kriegs­grun­des, der rech­ten Absicht der Krieg­füh­ren­den und der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit ihrer Reak­tio­nen. Auf die­se Kriegs­kon­di­tio­nen wies Papst Urban mehr­fach hin: Ver­tei­di­gung der ost­rö­mi­schen Chri­sten­heit gegen den Ansturm der Tür­ken und Rück­erobe­rung der Hei­li­gen Stät­ten, auch um den dau­er­haf­ten Schutz der Pil­ger zu gewähr­lei­sten. Die Kreuz­zugs­fah­rer aber waren weder Got­tes­krie­ger noch kirch­li­che Batail­lo­ne, son­dern mit­tel­eu­ro­päi­sche Für­sten, Adli­ge und Bür­ger, die als bewaff­ne­te Pil­ger oder Buß­krie­ger einen Feld­zug unter­nah­men, zu dem sie sich durch den Papst-Auf­ruf im Rah­men der oben genann­ten Kon­di­tio­nen legi­ti­miert sahen.

Buch-Infor­ma­ti­on: Rod­ney Stark: Got­tes Krie­ger. Die Kreuz­zü­ge in neu­em Licht, eng­li­sche Erst­pu­bli­ka­ti­on 2009, erste Auf­la­ge der deut­schen Taschen­buch­aus­ga­be August 2014.

Bild: MiL/​Wikicommons

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3 Kommentare

  1. Sehr geehr­te Damen und Herren!
    Ein phan­ta­sti­scher Arti­kel! Ich habe die Bücher gele­sen die die­sem Arti­kel zugrun­de liegen.
    Wir müs­sen vehe­ment gegen die athe­istisch mate­ria­li­sti­sche und isla­mi­sche, geschichts­fãl­schen­de Dik­ti­on argu­men­tie­ren und die Geschichts­glit­te­rung und Ver­fäl­schun­gen sowie die Dif­fa­mie­rung des Chri­sten­tums ein­schrei­ten. Es ist leicht zu erken­nen dass die Fein­de Chri­stis und sei­ner Kir­che einen Ver­nich­tungs­kampf führen.

    • Die Des­in­for­ma­ti­on und die Lügen dar­über sowie auch über ande­re The­men („Hexen­ver­fol­gun­gen“, usw.)
      haben vor allem nach der fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on (all­ge­mein als die Zeit der „Auf­klä­rung“ bekannt)
      stark zugenommen.
      Das war auch immer das erklär­te Ziel der Frei­mau­re­rei, wel­che ja letzt­lich hinter
      der fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on stand.
      Das geht also schon lan­ge so und hat sich des­we­gen über Gene­ra­tio­nen in den Köp­fen der Men­schen festgesetzt.
      Wenn man dann bei sol­chen ver­ba­len Angrif­fen gegen die Kir­che mit dem Argu­ment der vorherigen
      gewalt­sa­men mus­li­mi­schen Erobe­rern dage­gen­hält wird man regel­mä­ßig ange­gan­gen und im besten Fall
      auf­ge­for­dert Bewei­se zu liefern.
      Sol­che Arti­kel (wie der obi­ge) könn­te man dann liefern.
      Die­se wer­den dann (sofern sich die betref­fen­den Leu­te tat­säch­lich dazu beque­men die­se auch zu lesen)
      regel­mä­ßig als nicht stich­hal­tig und vor­ein­ge­nom­men bewertet.
      Das tut man aber mit einer des­in­for­mie­ren­den Fern­seh­sen­dung über das glei­che The­ma nicht.
      Main­stream ist halt Qualität.

      • Die „edlen“ Mei­nungs­ma­cher wer­den in Jesa­ja 32 gerügt: 4 Das Herz der Unbe­son­ne­nen wird begrei­fen, was Erkennt­nis ist, /​ und die Zun­ge der Stam­meln­den wird flie­ßend und deut­lich reden. 5 Der Dumm­kopf wird nicht mehr edel genannt /​ und der Schur­ke wird nicht mehr für vor­nehm gehal­ten. 6 Denn der Dumm­kopf redet Dum­mes /​ und sein Herz tut Unheil, um Ruch­lo­ses zu tun /​ und Läster­li­ches über den Herrn zu reden, er lässt die Keh­le des Hung­ri­gen leer aus­ge­hen /​ und dem Dur­sti­gen ver­sagt er den Trank. 7 Der Schur­ke, sei­ne Waf­fen sind böse, /​ er plant Ver­bre­chen, um die Schwa­chen durch Lügen­wor­te zu schä­di­gen, /​ wäh­rend der Arme von Recht redet. 8 Der Edle aber plant Edles /​ und tritt für das Edle ein.

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