(Rom) Der Bischof der norditalienischen Diözese Novara untersagte die Zelebration des überlieferten Ritus an einem symbolträchtigen Meßort der Tradition – unter Berufung auf das Motu proprio Traditiones custodes. Die Gläubigen wehrten sich mit Bitt- und Protestbriefen und setzten sich durch. Mit dem Ersten Adventsonntag sollte der überlieferte Ritus verschwinden, doch er wurde auch gestern zelebriert.
Msgr. Franco Giulio Brambilla wollte in der Intention von Papst Franziskus dessen Motu proprio Traditionis custodes umsetzen. Was das bedeutet, brachte der promovierte Psychologe und aktive Lebensschützer Mauro Faverzani auf den Punkt:
„Im Motu proprio Traditionis custodes steht das Urteil geschrieben: Die überlieferte Liturgie muß verschwinden.“
Das Motu proprio Traditionis custodes ist ein Willkürakt, da der überlieferte Ritus niemals abgeschafft wurde und gar nicht abgeschafft werden kann – auch nicht von einem Papst. Das Motu proprio selbst, vor allem aber das Kirchenrecht läßt den Diözesanbischöfen jedoch, die von Franziskus als Exekutoren eingesetzt wurden, einen beachtlichen Handlungsspielraum. Die Frage ist, ob und inwieweit ein Bischof bereit ist, von dieser abmildernden Möglichkeit Gebrauch zu machen. Der Diözesanbischof kann Traditionis custodes auch einfach ignorieren, wie es in etlichen Diözesen der Fall ist. Der Bischof von Novara schien dazu nicht bereit zu sein.
Bischof Brambilla und der Widerstand gegen Summorum Pontificum
Im Ossolatal im Piemont, im angrenzenden Wallis als Eschental bekannt, weil der Schweizer Kanton über die Simplonpaßstraße mit dem Tal verbunden ist und die Walser im Hochmittelalter sogar Teile des Tales besiedelt hatten. Die Pfarrkirche von Vocogno und die Krankenhauskapelle San Biagio waren im Tal Meßorte im überlieferten Ritus. Bis gestern. Mit dem Ersten Adventsonntag untersagte Msgr. Brambilla die Zelebrationen, wobei er betonte, damit die von Papst Franziskus festgelegten Kriterien „vollständig“ anwenden zu wollen:
„In unserer Diözese sind einige Gruppen aktiv, denen es mein Vorgänger erlaubt hatte, gemäß dem Ritus des Missale Romanum von 1962 zu zelebrieren.“
Er müsse nun aber diese Entscheidungen „aktualisieren“ und auf den Stand des Motu proprio Traditionis custodes bringen.
Auch in der Pfarrkirche von Vocogno habe wieder, so Msgr. Brambilla, ausschließlich der Novus Ordo und auf italienisch zelebriert zu werden. Paradoxerweise begründete der Bischof den Schritt mit dem Hinweis, damit „wieder allen Gläubigen die Teilnahme zu ermöglichen“.
Bischof Brambilla hatte sich bereits 2018 gegen Summorum Pontificum positioniert, als italienische Bischöfe und Theologen den Angriff auf das Motu proprio von Benedikt XVI. begannen, der in Traditionis custodes mündete. Msgr. Brambilla gehörte 1989 zu den Unterzeichnern der italienischen Version der Kölner Erklärung des Moraltheologen Bernhard Häring gegen Papst Johannes Paul II. (s. auch: Papst Franziskus und Bernhard Häring).
Um die Eingriffe etwas abzumildern, kündigte er eine mögliche Wiederaufnahme der Zelebrationen im überlieferten Ritus in Verbania an, die in der Corona-Zeit unterbunden worden waren, doch blieb dazu alles sehr vage.
Mit dem Verbot forderte Bischof Brambilla „alle Priester und Gläubigen auf, den Schatz einer schönen, betenden und gemeinschaftlichen Liturgie zu bewahren und zu fördern und wachsam zu sein gegen jede Form des Mißbrauchs.“
Diözesanpriester, die zum überlieferten Ritus zurückkehrten
Von der Neuordnung waren die Gemeinden und die traditionsverbundenen Priester betroffen: Pfarrer Don Alberto Secci (Vocogno) und Don Stefano Coggiola (San Biagio). Priester und Gläubige erfuhren von den bischöflichen Entscheidungen aus den Medien. Im bischöflichen Ordinariat gingen darauf zahlreiche Bittbriefe der Gläubigen ein, die bisherigen Meßorte beizubehalten. Doch es schien vergebens.
Die beiden Diözesanpriester waren weit über die Grenzen ihrer Diözese hinaus bekannt geworden, als sie vor Jahren unter Berufung auf das Motu proprio Summorum Pontificum von Papst Benedikt XVI. erklärten, zum überlieferten Ritus zurückzukehren. Der Widerstand der Diözesanführung war massiv, doch die beiden Priester konnten sich letztlich durchsetzen und weiterhin im überlieferten Ritus zelebrieren. Dafür waren sie bereit, einen beachtlichen Preis zu bezahlen. Ihnen wurden ihre Pfarreien entzogen und sie in ein entlegenes Bergdorf versetzt. Von Vocogno aus, das offiziell von einem Novus-Ordo-Priester als Pfarrer geleitet wird, entfalteten sie ein reiches Apostolat der Tradition mit Einkehrtagen, Wallfahrten, mit eigener Zeitschrift, über Internet, und einem jährlichen „Tag der Tradition“.
Die Zertrümmerung der Meßorte im überlieferten Ritus und die Entfernung der Priester schien den Bischof nicht zu stören. Faverzani hielt ihm deshalb Worte von Kardinal Robert Sarah entgegen, der in seinem Buch „Herr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden“, schreibt:
„Die Kirche stirbt, weil die Hirten Angst haben, mit Wahrheit und Klarheit zu sprechen. Wir haben Angst vor den Medien, vor der öffentlichen Meinung, vor unseren Brüdern! Der gute Hirte aber gibt sein Leben für seine Schafe hin. Bald werde ich vor den Ewigen Richter gerufen werden. Wenn ich die Wahrheit, die ich erhalten habe, nicht weitergebe, was werde ich Ihm dann sagen? Wir Bischöfe sollten bei dem Gedanken an unser schuldhaftes Schweigen, unser hinterhältiges Schweigen, unser herablassendes Schweigen gegenüber der Welt erzittern.“
Am 20. November versammelten sich die Gläubigen und Priester in der bedrückenden Annahme, es sei „die letzte Messe im überlieferten Ritus in Vocogna“
Die überraschende Wende
Vier Tage vor dem Inkrafttreten der bischöflichen Anordnung erfolgte dann aber eine überraschende Wende. Die Diözese veröffentlichte ein geändertes Dekret des Bischofs. Darin heißt es, nach Konsultationen und reiflicher Überlegung sei man zum Schluß gelangt, Vocogno als Meßort des überlieferten Ritus zu erhalten. Der Einsatz der Gläubigen, die sich um ihre Hirten scharten, hatte doch Erfolg. Bischof Brambilla ließ am 23. November bekanntgeben, daß es in der Diözese Novara künftig drei Meßorte im überlieferten Ritus gibt: Vocogna bleibt erhalten, die Krankenhauskapelle San Biagio fällt weg. In anderen Teilen der Diözese wird Verbania reaktiviert, und an einer Kirche (keine Pfarrkirche) von Romagnano Sesia darf ein Priester im Ruhestand zelebrieren. Insgesamt vier Priestern erteilte der Bischof unter Berufung auf Traditionis custodes die Erlaubnis, im überlieferten Ritus zu zelebrieren: den Diözesanpriestern Don Alberto Secci, Don Stefano Soggiola und Don Federico Ponti (Romagnano, im Ruhestand) und dem auswärtigen Ordenspriester P. Ludovico Gadaleta (Verbania).
Summorum Pontificum sah keine Erlaubnis mehr vor, sondern stellte fest, daß jeder Priester durch sein Priestertum die Vollmacht besitzt, im überlieferten Ritus zu zelebrieren. Papst Franziskus erklärte in Traditionis custodes diese Vollmacht für beseitigt und verfügte, daß jeder Priester, der im überlieferten Ritus zelebrieren will, die Erlaubnis des Ortsordinarius dazu braucht.
Tatsache ist, daß auch gestern, am Ersten Adventsonntag, in der Pfarrkirche von Vocogno, Don Alberto Secci die Heilige Messe im überlieferten Ritus zelebrieren konnte. In seiner Predigt ging er mit keinem Wort auf den versuchten dramatischen Eingriff des Bischofs ein.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Youtube/Radicati nella Fede (Screenshots)