Wirbel um den überlieferten Ritus beigelegt?

Vocogno, ein symbolischer Ort für die Tradition


Don Alberto Secci, Pfarrer von Vocogno, gestern bei der Predigt.
Don Alberto Secci, Pfarrer von Vocogno, gestern bei der Predigt.

(Rom) Der Bischof der nord­ita­lie­ni­schen Diö­ze­se Nova­ra unter­sag­te die Zele­bra­ti­on des über­lie­fer­ten Ritus an einem sym­bol­träch­ti­gen Meß­ort der Tra­di­ti­on – unter Beru­fung auf das Motu pro­prio Tra­di­tio­nes cus­to­des. Die Gläu­bi­gen wehr­ten sich mit Bitt- und Pro­test­brie­fen und setz­ten sich durch. Mit dem Ersten Advent­sonn­tag soll­te der über­lie­fer­te Ritus ver­schwin­den, doch er wur­de auch gestern zelebriert.

Anzei­ge

Msgr. Fran­co Giu­lio Bram­bil­la woll­te in der Inten­ti­on von Papst Fran­zis­kus des­sen Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des umset­zen. Was das bedeu­tet, brach­te der pro­mo­vier­te Psy­cho­lo­ge und akti­ve Lebens­schüt­zer Mau­ro Faver­za­ni auf den Punkt: 

„Im Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des steht das Urteil geschrie­ben: Die über­lie­fer­te Lit­ur­gie muß verschwinden.“

Das Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des ist ein Will­kür­akt, da der über­lie­fer­te Ritus nie­mals abge­schafft wur­de und gar nicht abge­schafft wer­den kann – auch nicht von einem Papst. Das Motu pro­prio selbst, vor allem aber das Kir­chen­recht läßt den Diö­ze­san­bi­schö­fen jedoch, die von Fran­zis­kus als Exe­ku­to­ren ein­ge­setzt wur­den, einen beacht­li­chen Hand­lungs­spiel­raum. Die Fra­ge ist, ob und inwie­weit ein Bischof bereit ist, von die­ser abmil­dern­den Mög­lich­keit Gebrauch zu machen. Der Diö­ze­san­bi­schof kann Tra­di­tio­nis cus­to­des auch ein­fach igno­rie­ren, wie es in etli­chen Diö­ze­sen der Fall ist. Der Bischof von Nova­ra schien dazu nicht bereit zu sein.

Bischof Brambilla und der Widerstand gegen Summorum Pontificum

Im Osso­la­tal im Pie­mont, im angren­zen­den Wal­lis als Eschen­tal bekannt, weil der Schwei­zer Kan­ton über die Sim­plon­paß­stra­ße mit dem Tal ver­bun­den ist und die Wal­ser im Hoch­mit­tel­al­ter sogar Tei­le des Tales besie­delt hat­ten. Die Pfarr­kir­che von Voco­g­no und die Kran­ken­haus­ka­pel­le San Bia­gio waren im Tal Meß­or­te im über­lie­fer­ten Ritus. Bis gestern. Mit dem Ersten Advent­sonn­tag unter­sag­te Msgr. Bram­bil­la die Zele­bra­tio­nen, wobei er beton­te, damit die von Papst Fran­zis­kus fest­ge­leg­ten Kri­te­ri­en „voll­stän­dig“ anwen­den zu wollen:

„In unse­rer Diö­ze­se sind eini­ge Grup­pen aktiv, denen es mein Vor­gän­ger erlaubt hat­te, gemäß dem Ritus des Mis­sa­le Roma­num von 1962 zu zelebrieren.“

Er müs­se nun aber die­se Ent­schei­dun­gen „aktua­li­sie­ren“ und auf den Stand des Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des bringen.

Auch in der Pfarr­kir­che von Voco­g­no habe wie­der, so Msgr. Bram­bil­la, aus­schließ­lich der Novus Ordo und auf ita­lie­nisch zele­briert zu wer­den. Para­do­xer­wei­se begrün­de­te der Bischof den Schritt mit dem Hin­weis, damit „wie­der allen Gläu­bi­gen die Teil­nah­me zu ermöglichen“. 

Bischof Bram­bil­la hat­te sich bereits 2018 gegen Sum­morum Pon­ti­fi­cum posi­tio­niert, als ita­lie­ni­sche Bischö­fe und Theo­lo­gen den Angriff auf das Motu pro­prio von Bene­dikt XVI. began­nen, der in Tra­di­tio­nis cus­to­des mün­de­te. Msgr. Bram­bil­la gehör­te 1989 zu den Unter­zeich­nern der ita­lie­ni­schen Ver­si­on der Köl­ner Erklä­rung des Moral­theo­lo­gen Bern­hard Här­ing gegen Papst Johan­nes Paul II. (s. auch: Papst Fran­zis­kus und Bern­hard Här­ing).

Um die Ein­grif­fe etwas abzu­mil­dern, kün­dig­te er eine mög­li­che Wie­der­auf­nah­me der Zele­bra­tio­nen im über­lie­fer­ten Ritus in Ver­ba­nia an, die in der Coro­na-Zeit unter­bun­den wor­den waren, doch blieb dazu alles sehr vage.

Mit dem Ver­bot for­der­te Bischof Bram­bil­la „alle Prie­ster und Gläu­bi­gen auf, den Schatz einer schö­nen, beten­den und gemein­schaft­li­chen Lit­ur­gie zu bewah­ren und zu för­dern und wach­sam zu sein gegen jede Form des Mißbrauchs.“

Diözesanpriester, die zum überlieferten Ritus zurückkehrten

Von der Neu­ord­nung waren die Gemein­den und die tra­di­ti­ons­ver­bun­de­nen Prie­ster betrof­fen: Pfar­rer Don Alber­to Secci (Voco­g­no) und Don Ste­fa­no Cog­gio­la (San Bia­gio). Prie­ster und Gläu­bi­ge erfuh­ren von den bischöf­li­chen Ent­schei­dun­gen aus den Medi­en. Im bischöf­li­chen Ordi­na­ri­at gin­gen dar­auf zahl­rei­che Bitt­brie­fe der Gläu­bi­gen ein, die bis­he­ri­gen Meß­or­te bei­zu­be­hal­ten. Doch es schien vergebens.

Die bei­den Diö­ze­san­prie­ster waren weit über die Gren­zen ihrer Diö­ze­se hin­aus bekannt gewor­den, als sie vor Jah­ren unter Beru­fung auf das Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum von Papst Bene­dikt XVI. erklär­ten, zum über­lie­fer­ten Ritus zurück­zu­keh­ren. Der Wider­stand der Diö­ze­san­füh­rung war mas­siv, doch die bei­den Prie­ster konn­ten sich letzt­lich durch­set­zen und wei­ter­hin im über­lie­fer­ten Ritus zele­brie­ren. Dafür waren sie bereit, einen beacht­li­chen Preis zu bezah­len. Ihnen wur­den ihre Pfar­rei­en ent­zo­gen und sie in ein ent­le­ge­nes Berg­dorf ver­setzt. Von Voco­g­no aus, das offi­zi­ell von einem Novus-Ordo-Prie­ster als Pfar­rer gelei­tet wird, ent­fal­te­ten sie ein rei­ches Apo­sto­lat der Tra­di­ti­on mit Ein­kehr­ta­gen, Wall­fahr­ten, mit eige­ner Zeit­schrift, über Inter­net, und einem jähr­li­chen „Tag der Tradition“.

Don Alber­to Secci in der Katha­ri­nen­kir­che von Vocogno

Die Zer­trüm­me­rung der Meß­or­te im über­lie­fer­ten Ritus und die Ent­fer­nung der Prie­ster schien den Bischof nicht zu stö­ren. Faver­za­ni hielt ihm des­halb Wor­te von Kar­di­nal Robert Sarah ent­ge­gen, der in sei­nem Buch „Herr, blei­be bei uns, denn es will Abend wer­den“, schreibt:

„Die Kir­che stirbt, weil die Hir­ten Angst haben, mit Wahr­heit und Klar­heit zu spre­chen. Wir haben Angst vor den Medi­en, vor der öffent­li­chen Mei­nung, vor unse­ren Brü­dern! Der gute Hir­te aber gibt sein Leben für sei­ne Scha­fe hin. Bald wer­de ich vor den Ewi­gen Rich­ter geru­fen wer­den. Wenn ich die Wahr­heit, die ich erhal­ten habe, nicht wei­ter­ge­be, was wer­de ich Ihm dann sagen? Wir Bischö­fe soll­ten bei dem Gedan­ken an unser schuld­haf­tes Schwei­gen, unser hin­ter­häl­ti­ges Schwei­gen, unser her­ab­las­sen­des Schwei­gen gegen­über der Welt erzittern.“

Am 20. Novem­ber ver­sam­mel­ten sich die Gläu­bi­gen und Prie­ster in der bedrücken­den Annah­me, es sei „die letz­te Mes­se im über­lie­fer­ten Ritus in Vocogna“

Die überraschende Wende

Vier Tage vor dem Inkraft­tre­ten der bischöf­li­chen Anord­nung erfolg­te dann aber eine über­ra­schen­de Wen­de. Die Diö­ze­se ver­öf­fent­lich­te ein geän­der­tes Dekret des Bischofs. Dar­in heißt es, nach Kon­sul­ta­tio­nen und reif­li­cher Über­le­gung sei man zum Schluß gelangt, Voco­g­no als Meß­ort des über­lie­fer­ten Ritus zu erhal­ten. Der Ein­satz der Gläu­bi­gen, die sich um ihre Hir­ten schar­ten, hat­te doch Erfolg. Bischof Bram­bil­la ließ am 23. Novem­ber bekannt­ge­ben, daß es in der Diö­ze­se Nova­ra künf­tig drei Meß­or­te im über­lie­fer­ten Ritus gibt: Voco­gna bleibt erhal­ten, die Kran­ken­haus­ka­pel­le San Bia­gio fällt weg. In ande­ren Tei­len der Diö­ze­se wird Ver­ba­nia reak­ti­viert, und an einer Kir­che (kei­ne Pfarr­kir­che) von Roma­gna­no Sesia darf ein Prie­ster im Ruhe­stand zele­brie­ren. Ins­ge­samt vier Prie­stern erteil­te der Bischof unter Beru­fung auf Tra­di­tio­nis cus­to­des die Erlaub­nis, im über­lie­fer­ten Ritus zu zele­brie­ren: den Diö­ze­san­prie­stern Don Alber­to Secci, Don Ste­fa­no Sog­gio­la und Don Feder­i­co Pon­ti (Roma­gna­no, im Ruhe­stand) und dem aus­wär­ti­gen Ordens­prie­ster P. Ludo­vico Gada­le­ta (Ver­ba­nia).

Sum­morum Pon­ti­fi­cum sah kei­ne Erlaub­nis mehr vor, son­dern stell­te fest, daß jeder Prie­ster durch sein Prie­ster­tum die Voll­macht besitzt, im über­lie­fer­ten Ritus zu zele­brie­ren. Papst Fran­zis­kus erklär­te in Tra­di­tio­nis cus­to­des die­se Voll­macht für besei­tigt und ver­füg­te, daß jeder Prie­ster, der im über­lie­fer­ten Ritus zele­brie­ren will, die Erlaub­nis des Orts­or­di­na­ri­us dazu braucht. 

Tat­sa­che ist, daß auch gestern, am Ersten Advent­sonn­tag, in der Pfarr­kir­che von Voco­g­no, Don Alber­to Secci die Hei­li­ge Mes­se im über­lie­fer­ten Ritus zele­brie­ren konn­te. In sei­ner Pre­digt ging er mit kei­nem Wort auf den ver­such­ten dra­ma­ti­schen Ein­griff des Bischofs ein.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Youtube/​Radicati nella Fede (Screen­shots)

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