Kardinal Zen verurteilt

Chinas kommunistisches Regime treibt es nicht auf die Spitze, denn es hat schon gewonnen


Kardinal Joseph Zen, graue Eminenz der chinesischen Untergrundkirche, blieb nicht erspart, im Alter von 90 Jahren festgenommen und vor Gericht gestellt worden zu sein. Nun wurde er unter einem Vorwand verurteilt.
Kardinal Joseph Zen, graue Eminenz der chinesischen Untergrundkirche, blieb nicht erspart, im Alter von 90 Jahren festgenommen und vor Gericht gestellt worden zu sein. Nun wurde er unter einem Vorwand verurteilt.

(Hong­kong) Das kom­mu­ni­sti­sche Regime zeigt der Demo­kra­tie­be­we­gung die rote Kar­te, indem sie eine der inte­ger­sten Per­sön­lich­kei­ten, die ihr nahe­steht, vor Gericht stell­te und ver­ur­teil­te. Kar­di­nal Joseph Zen und fünf Akti­vi­sten der Demo­kra­tie­be­we­gung in Hong­kong wur­den gestern zu einer Geld­stra­fe ver­ur­teilt, weil sie angeb­lich vor­schrifts­wid­rig einen Fonds zur Unter­stüt­zung der Fami­li­en von inhaf­tier­ten Demon­stran­ten ein­ge­rich­tet hät­ten. Anstatt lebens­lan­ger Haft ist es am Ende „nur“ eine Geld­stra­fe, denn das Regime hat auch ohne dra­ko­ni­sche Sank­tio­nen gewonnen.

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Der 91jährige Kar­di­nal Zen war zusam­men mit den ande­ren Ange­klag­ten im ver­gan­ge­nen Mai fest­ge­nom­men wor­den. Auf die bei­spiel­lo­se Repres­si­on folg­te kein wirk­li­cher Auf­schrei in der west­li­chen Welt, selbst der Vati­kan hielt sich auf­fäl­lig zurück. Signa­le, die Peking auf­merk­sam registrierte. 

Dabei hat­te der Kar­di­nal gegen kei­ne Geset­ze ver­sto­ßen. Der Unter­stüt­zungs­fonds 612 Huma­ni­ta­ri­an Reli­ef Fund für die Fami­li­en von inhaf­tier­ten Ver­tre­tern der Demo­kra­tie­be­we­gung war nach gel­ten­dem Hong­kon­ger Recht ein­ge­rich­tet wor­den. Er war aller­dings dem kom­mu­ni­sti­schen Regime ein Dorn im Auge. 2020 hat­te das Regime die Bestim­mun­gen erlas­sen, um die Demo­kra­tie­be­we­gung abzu­wür­gen, und wand­te die­se nun rück­wir­kend gegen Kar­di­nal Zen an – eine Vor­ge­hens­wei­se, die jeder Rechts­staat­lich­keit spot­tet. Dem Kar­di­nal und sei­nen Mit­an­ge­klag­ten wur­de auf der Grund­la­ge des neu­en Geset­zes ein „gehei­mes Zusam­men­wir­ken mit aus­län­di­schen Kräf­ten“ vor­ge­wor­fen, wor­auf lebens­lan­ge Haft steht.

Durch die­ses neue Gesetz über die natio­na­le Sicher­heit, die Ver­haf­tun­gen und den Pro­zeß konn­te das Regime der Demo­kra­tie­be­we­gung einen har­ten Schlag ver­set­zen, ohne die­se direkt anzu­grei­fen. Sie traf viel­mehr die Absi­che­rung der Demo­kra­tie­be­we­gung und leg­te ihr Unter­stüt­zer­um­feld weit­ge­hend lahm. Fast alle füh­ren­den Expo­nen­ten der Demo­kra­tie­be­we­gung, die 2019 die Pro­te­ste ange­führt hat­ten, befin­den sich im Gefäng­nis oder im Ausland.

Damit droh­te dem Kar­di­nal und sei­nen Mit­an­ge­klag­ten eine lebens­lan­ge Haftstrafe.

Von den anfäng­li­chen Anschul­di­gun­gen blieb am Ende zwar wenig übrig und die Ver­ur­tei­lung erfolg­te auf­grund einer Ver­wal­tungs­über­tre­tung, die mit einer Geld­stra­fe von 500 Dol­lar geahn­det wur­de, doch die Signal­wir­kung der ver­gan­ge­nen Mona­te wur­de erreicht.

Das Regime woll­te es dem­nach nicht auf die Spit­ze trei­ben, um Kar­di­nal Zen nicht zu einem Mär­ty­rer zu machen. Dadurch konn­te auch den hin­ter den Kulis­sen erfolg­ten Inter­ven­tio­nen des Vati­kans ent­spro­chen wer­den, von einer Ver­ur­tei­lung des hoch­be­tag­ten Kir­chen­man­nes abzusehen.

Kar­di­nal Joseph Zen, was in der eher beschei­de­nen west­li­chen Bericht­erstat­tung meist aus­ge­klam­mert wird, ist seit vie­len Jah­ren auch die graue Emi­nenz der chi­ne­si­schen Unter­grund­kir­che und einer der mas­siv­sten Kri­ti­ker der neu­en vati­ka­ni­schen „Ost­po­li­tik“. Er pran­ger­te wie­der­holt das Geheim­ab­kom­men an, das 2018 zwi­schen Rom und Peking unter­zeich­net und seit­her zwei­mal ver­län­gert wur­de. Zuvor hat­te er mit gan­zem per­sön­li­chem Ein­satz die Unter­zeich­nung des­sel­ben zu ver­hin­dern ver­sucht. San­ta Mar­ta schirm­te sich jedoch hin­ter einer hohen Mau­er gegen sei­ne Ein­wän­de ab.

Kar­di­nal Zen wirft dem vati­ka­ni­schen Staats­se­kre­ta­ri­at vor, gegen­über dem tota­li­tä­ren kom­mu­ni­sti­schen Regime eine Beschwich­ti­gungs­po­li­tik auf Kosten der rom­treu­en Unter­grund­kir­che zu betrei­ben. Seit vier Jah­ren ver­weist er auf das Aus­blei­ben der guten Früch­te und sieht sich in sei­ner Kri­tik am Geheim­ab­kom­men bestä­tigt. Der Hei­li­ge Stuhl fei­ert, ohne auf die kri­ti­schen Stim­men ein­zu­ge­hen, die Bedeu­tung des Abkom­mens, das bis­her aller­dings nur dem Pekin­ger Regime Vor­tei­le brach­te. Jüng­stes Bei­spiel ist der Sei­ten­wech­sel des bis­he­ri­gen Unter­grund­bi­schofs Johan­nes Peng Weiz­hao, der am Don­ners­tag einen Eid gegen­über dem Regime ableg­te, „den Katho­li­zis­mus zur Anpas­sung an die sozia­li­sti­sche Gesell­schaft zu führen“.

Die Kom­mu­ni­sti­sche Par­tei Chi­nas (KPCh) woll­te mit der spek­ta­ku­lä­ren Fest­nah­me, dem Pro­zeß und der Ver­ur­tei­lung von Kar­di­nal Zen nicht nur die Demo­kra­tie­be­we­gung im klei­nen Hong­kong tref­fen, son­dern auch die katho­li­sche Unter­grund­kir­che in der Volks­re­pu­blik China.

Es ist ein offe­nes Geheim­nis: Im Vati­kan will nie­mand Kar­di­nal Zen im Gefäng­nis sehen, doch nicht alle haben etwas dage­gen, daß der uner­müd­li­che Mah­ner mund­tot gemacht wird.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wiki­com­mons

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